Sie ist der mittlere eines
Trios von Schaufelraddampfern – die letzten tatsächlich dampfgetriebenen
Kabinenschiffe klassischen Stils, die auf dem Mississippi verkehren.
Nachdem ihr Eigner die DELTA
QUEEN,
den tatsächlich antiken Klassiker, vor der Verschrottung bewahrt und
erfolgreich als Fluss-Cruiser eingesetzt hatte, gab er den Bauauftrag für
ein etwas größeres, moderneres Schiff, das 1976 in Dienst gestellt werden
konnte. Gleichwohl hat die MISSISSIPPI
QUEEN
die gleiche niedrige Freibordkante, die charakteristischen Promenaden, die
z.T. in Balkone für die Kabinen unterteilt sind, und die hohen Schornsteine
mit der tief eingeschnittenen Krone, die bei den Lastschiffen einst
verhindern sollte, dass glühender Maschinenauswurf auf die wertvolle Ladung
– die Baumwolle – fiel und sie entzündete. Charakteristisch ist außerdem
die lange Gangway, die hochgezogen am Bug mitgeführt wird. Diese Einrichtung
hat sich bei allen Mississippi-Dampfern seit eh und je eingebürgert;
dementsprechend gibt es nirgends eine Pier. Das Schiff fährt sanft in den
Modder am Ufer; die Gangway – flach und ohne Stufen – lässt insbesondere
Gehbehinderte sehr bequem an Land kommen. Die hochgezogene Gangway gehört
mit zur typischen Silhouette eines Paddle Wheel Steamers. Durch ihren
Antrieb – Dampfmaschine plus Schaufelrad – bewegt sich die
MISSISSIPPI
QUEEN
völlig vibrationsfrei.
Das Schiff ist keineswegs
amerikanisch-bunt, sondern überaus gediegen eingerichtet. Gemütlich die
Kabinen, repräsentativ das Treppenhaus und der Speisesaal mit mächtigen
Kristall-Lüstern. Technisch gut ausgestattet der Grand Saloon, der für alle
Tagesaktivitäten (Spiele, Vorträge, Buffets) herhalten muss. Sicher standen
bei der Einrichtung des Schiffes auch die Südstaatenhäuser in Natchez und
Vicksburg Pate.
Das Publikum besteht – bis
auf eine Handvoll Europäer – aus US-Amerikanern. Vornehmlich sind die
Passagiere im Pensionsalter. Das Schiff ist behindertengerecht
ausgestattet; man sieht viele Gehbehinderte und Rollstuhlfahrer, die stets
den Vortritt haben, rührend umsorgt werden und voll am Programm teilnehmen
können. Die Aufzüge machen auch die Bewegung an Bord leicht. Das Schiff ist
durchgehend angenehm temperiert; übertriebener Gebrauch der Klimaanlage ist
nirgends zu beobachten.
Rundgang an Bord
Das Restaurant, das nur die
Hälfte der Passagiere fasst und im achteren Bereich liegt, bietet Frühstück
und Lunch in offener Sitzung an. Der Obersteward platziert die Gäste, wobei
er auf Wünsche mit großer Höflichkeit und Zuvorkommenheit Rücksicht nimmt.
Gleichzeitig fasst auch der Grand Saloon nur die Hälfte der Passagiere, so
dass die abendliche Show zweimal gespielt wird – für die Gäste der zweiten
Tischzeit vor dem Dinner.
Vor dem Grand Saloon liegt
ein verglaster Vorbau, ein simulierter Fahrstand, der den Passagieren dient.
So bleibt die Kommando-Brücke frei von Besuchern. Es sind hier eine Menge
Bücher zu finden, Kartenmaterial über die befahrene Strecke; außerdem können
Ferngläser ausgeliehen werden.
Es gibt sowohl in
Fahrtrichtung (der Fahrtwind vermag bei einer Geschwindigkeit von 5 Meilen
pro Stunde niemanden zu stören) als auch auf dem Achterdeck genügend
Sitzgelegenheiten. Hinten befindet sich zusätzlich die „Calliope Bar“, deren
Namensgeber, eine Dampforgel, zum Auslaufen von einem Organisten bespielt
wird. An Flusstagen (ohne Landgang) können sich zur Mittagszeit die
Passagiere selbst daran versuchen. In beiden Fällen ist der Hörgenuss
zweifelhaft. Das achtere „Calliope Deck“ ist z.T. überdacht. In der Mitte
befindet sich eine Bar, in die das einzige Fernsehgerät an Bord integriert
ist, das zumeist Sportreportagen zeigt. Seitlich lockt ein Stand mit allen
Zutaten, die zur Zubereitung bester Hot Dogs notwendig sind. Von 11.00 bis
17.00 Uhr steht dieses Angebot unentgeltlich jedem offen. Zusätzlich gibt’s
auch noch Softeis in verschiedenen Geschmacksrichtungen und Toppings
(sprich: Schoko-Streusel u.ä.). Vom Achterdeck hat man den besten Blick auf
das Schaufelrad, dessen Tätigkeit, bei der es Abermillionen Wassertröpfchen
in die Luft schleudert, den Beobachter für Minuten zu fesseln vermag. Vor
der Calliope Bar liegt die Paddle Wheel Lounge, deren untere Ebene sich ein
Deck tiefer hinter dem Restaurant befindet. Große Panorama-Scheiben geben
auch von hier den Blick auf das Schaufelrad frei. Ein langer Bar-Tresen
zieht sich durch den Raum, und über der Tanzfläche ist das obere Deck
zugunsten eines riesigen Kronleuchters ausgeschnitten. So wird die „Upper
Paddle Wheel Lounge“ zu einem Balkon über dem Geschehen. Ein Raum mit viel
Atmosphäre, in den man gern zum Mitternachtssnack oder auf einen Absacker
geht. Aus entsprechenden Maschinen wird hier durchgängig frisches Popcorn
angeboten. Wer allerdings den süßlichen Popcorn-Geruch nicht ständig mag,
wird auch diese Lounge nicht mögen – der Jahrmarkt-Odem hüllt die Paddle
Wheel Lounge ständig ein.
Auf zwei Galerien vor dem
Restaurant laden Tische und Stühle zum Sitzen vor großen Fenstern ein. An
Steuerbord gibt es dazu eine kleine Getränke-Bar und in Vitrinen etliche
Exponate, die die Geschichte der Mississippi-Dampfschifffahrt erzählen, an
Backbord stehen ständig Kaffee, Tee, Kakao und Plätzchen bereit. In der
Mitte befindet sich der Bordshop mit Boutique, Foto-Artikeln, Andenken etc.
Vom oberen Foyer gelangt man in die umfangreiche Bibliothek, die mit
Reader’s-Digest-Romanen, Bildbänden, Nachschlagewerken, Tour-Books USA und
jeder Menge Mark Twain erstklassig bestückt ist. Freilich sind alle Bücher
in englischer Sprache. Außerdem gibt’s Gesellschaftsspiele wie Jeopardy,
Monopoly, Trivial Pursuit, Domino und Schach.
Der untere Kabinengang endet
vorn in einer Lounge mit Sitzgelegenheiten, in der Zahlmeisterbüro und
Landausflugsmanager untergebracht sind. Im Bauch des Schiffes gibt es eine
Laundry, in der Passagiere ihre Wäsche waschen können, und ein Filmtheater.
Es werden aktuelle Spielfilme, Klassiker, auch Reportagen über die
Reiseroute gezeigt. Darauf, dass das Kino nach jeder Vorführung, während
derer die Passagiere das angebotene Popcorn und die Verpackung von
Schokoriegeln gleichmäßig im Raum verteilen, desaströs aussieht, hat die
Schiffsleitung nur bedingt Einfluss, dass aber niemand sich bemüßigt fühlt,
die Schweinerei zu beseitigen, dagegen ließe sich durchaus etwas machen.
Im untersten Deck geben
mehrere Fenster den Blick in den Maschinenraum frei, damit das Kind im Manne
Spaß an der „Riesen-Dampfmaschine“ hat. Leider sind jedoch von hier aus
keine relevanten Teile in Funktion zu sehen.
Ganz oben hat die
MISSISSIPPI
QUEEN
ein kleines, aber für die Passagieransprüche durchaus ausreichendes
Fitness-Center mit einem Laufband, einem Stepper, zwei Fahrrad-Ergometern
und einem Ventilator. Das Sonnendeck darüber bietet einige Sonnenliegen an –
nicht viele gemessen an der Passagierzahl, allerdings machen die Amerikaner
auch wenig Gebrauch davon. Der achteckige Swimming-Pool liegt unter einem
Sonnendach, misst 4,90 Meter im Diameter und ist hüfttief.
Unterhaltung an Bord
Auf der
MISSISSIPPI
QUEEN
wird ein Höchstmaß an Unterhaltung geboten. Tagsüber ist an erster Stelle
der „Riverlorian“ zu nennen, ein Historiker, der in erstklassig
strukturierten Kapiteln, in leicht verständlichem Englisch und gut fassbar
mit Witz die Geschichte des Flusses, wichtige Ereignisse und die kommenden
Sehenswürdigkeiten erläutert. Dass allerdings der Grand Saloon nur gut die
Hälfte der Passagiere fasst, ist dabei ein Manko. Der Run auf die Plätze
setzt schon eine halbe Stunde vor dem Vortrag ein. Dass das Kabinenradio
eine Live-Übertragung bringt, ist nicht für alle ein geeigneter Trost. Kurse
in lokaler Tanzkunst, Kartenspiele, Bingo, Walk-a-Mile und das Basteln für
eine Parade origineller Hüte sowie verschiedene Quizveranstaltungen und „Horse-Racing“
(Virtuelles Pferderennen mit „Pappkameraden“) bringen einen locker durch den
Tag. Einzelveranstaltungen wie Brückenführung, Navigationsseminar und
Serviettenfalten kommen noch hinzu. Auf dem Achterdeck wird an Flusstagen
mittags eine Grillstation aufgebaut. Hier finden zudem Koch-Vorführungen
statt. Danach allerdings gleicht auch das Achterdeck einem Schlachtfeld, und
es kann Stunden dauern, bis sich jemand erbarmt, Ordnung zu schaffen.
Abends wird im Grand Saloon
eine Show von professioneller Qualität gespielt. Das 4köpfige Team erweist
sich als überaus wandlungsfähig. Die jeweils zwei Damen und Herren
überzeugen mit Tanzauftritten und überraschen mit gutem Gesang. Themen der
Shows sind z.B. Dixieland, Musical, Filmhits und natürlich die klassischen
Südstaaten-Themen. Begleitet wird das Show-Team von einer sechsköpfigen
Showband, die Musik in einer Qualität liefert, die man sonst nur von einer
Big-Band erwarten kann. Der Grand Saloon ist mit guter Bühnen-Technik
ausgestattet. Außerhalb der Showtime scheint jedoch die Paddle Wheel Lounge
mehr Anziehungskraft zu haben. Hier sorgt ein dreiköpfiges Ensemble für
Unterhaltungsmusik. Wieder viel Jazz und Dixie, „Old-Fashioned Songs“ sowie
amerikanische Folklore animieren die Zuhörer bisweilen zum Mitsingen.
Loblieder auf die Vereinigten Staaten sind besonders geeignet, das Publikum
in Stimmung zu bringen.
Edle
Speisen mit Überraschungen
Das Frühstück wird auf der
MISSISSIPPI
QUEEN
in offener Sitzung im Restaurant serviert. Gleichzeitig steht im Grand
Saloon ein Buffet zur Verfügung. Das Angebot ist durchaus umfangreich. Auch
am Buffet werden Eierspeisen von einem Koch frisch und nach Passagierwunsch
zubereitet. Allerdings wird man das Angebot insgesamt sehr verschieden
finden von dem, was internationale Schiffe bieten. Eine Brotauswahl gibt es
kaum, dafür viele warme Speisen, einen Brei, der englischem Porridge
ähnelt, Würstchen und (wunderbar knusprigen) Frühstücksspeck. Zwar muss man
sich nicht den Gebräuchen der US-Passagiere anschließen, Rührei, Haferbrei,
Würstchen, Speck und Blaubeermuffin auf einem Teller mit süßem Sirup zu
einer Masse zu vereinen, aber man wird nach einigen Tagen die Süßspeisen als
zu süß und die warmen Gerichte als zu zahlreich empfinden. Leicht
Verdauliches für die Fitness beim Landgang gibt’s kaum. Zudem kann der
Kaffee, den man getrost auch Kleinkindern geben kann, deutsche Gemüter nicht
beglücken.
Auch zum Lunch gibt es eine
Buffet-Alternative im Grand Saloon. Da locken verschiedene Salate,
Hähnchenschenkel, gegrillter Fisch, zwei Suppen und wiederum eine Speise,
die vor den Augen der Passagiere zubereitet oder wenigstens demonstrativ
frisch aufgeschnitten wird. Mittags steht plötzlich leichte Kost sehr im
Vordergrund, abgesehen von den Süßspeisen, bei denen man den Namen abermals
zu wörtlich genommen hat.
Im Restaurant (offene
Sitzung) besteht das Mittagessen aus einer kalten Vorspeise oder einer
Suppe, vier leichten Hauptgerichten (darunter auch Kaltes oder eine
Salatplatte), gefolgt von der vollen Dessert-Palette.
Des Nachmittags kündigt der
Prospekt in der „Forward Cabin Lounge“ (vor dem Zahlmeisterbüro) einen „High
Tea“ an. Wer etwas im britischen Stil erwartet, sieht sich getäuscht, denn
es steht von 15.30 Uhr bis 16.30 Uhr lediglich Beuteltee zum Selbstaufbrühen
bereit. Daneben gibt es trockenen Kuchen und Kekse.
Das Dinner wird in zwei
Sitzungen an festen Tischplätzen im Restaurant eingenommen. Wer nicht gerade
Insasse eines Altersheimes ist, wird die Uhrzeit für die erste Sitzung –
17.15 Uhr – gewöhnungsbedürftig finden. Mit 20.00 Uhr (zweite Sitzung) lässt
sich da schon eher leben. Dem einen oder anderen missfällt allerdings, dass
er dann die Show vor dem Dinner sehen muss.
Es stehen abends zwei kalte
Vorspeisen zur Auswahl, gefolgt von zwei Suppen, zwei Salaten, vier
Hauptgerichten (darunter Fisch) plus einer vegetarischen Alter-native. Zum
Schluss werden drei Desserts sowie Früchte und Eiskrem gereicht. Die
Präsentation dieses Angebotes ist allerdings verblüffend. Von jedem Dessert
wird ein Anschauungs-Objekt an den Tisch gebracht. Diese einzelnen Cremes,
Puddings oder Eisbecher bewirbt der Steward, von seinem „Busboy“ kräftig
unterstützt, mit dem Charme eines Staubsaugervertreters. Die einzelnen
Teller und Becher werden dann nach Wunsch am Tisch verteilt, ggf. Fehlendes
hinzu geholt oder Überflüssiges zum nächsten Tisch getragen. In den ersten
Tagen mag die Mentalität des Service-Personals verwundern. Amerikanische
Arbeitskräfte sind teuer, gut ausgebildete noch teurer. So drillt man die
als Stewards eingestellten Kräfte selbst, bis sie wortwörtlich das tun, was
der Passagier ihnen aufträgt. Befindet sich unter den präsentierten
Nachspeisen ein Ice Cup (Eisbecher), man bittet jedoch um Ice Cream, wird
der schön dekorierte Eisbecher wieder abtransportiert und aus der Küche
extra einfaches Vanille-Eis geholt. Die Freundlichkeit und Unbekümmertheit
macht dabei vieles wieder wett, und mancher wird verblüfft
hinterdreinschauen, wenn der Steward fröhlich singend im Vorbeigehen mit
elegantem Schwung den Teller vor seinem Gast platziert.
Stets sind alle angebotenen
Speisen von allerfeinster Qualität, auf den Punkt genau gekocht und
ansprechend präsentiert. Ein zuviel geordertes Gericht, eines, das sich der
Gast anders vorgestellt hatte (möglicherweise durch
Verständigungsschwierigkeiten) oder ganz einfach nicht mag, wird mit Charme
und Freundlichkeit gerne ausgetauscht.
Zu allen Mahlzeiten gibt es
Kannen mit Eiswasser, auf Wunsch Eistee, am Buffet sogar verschiedene Soft
Drinks, die inkludiert sind.
Gut
untergebracht und ausgeruht
Die Kabinen auf der
MISSISSIPPI
QUEEN
sind gut ausgestattet, bieten jedoch in den untersten Kategorien nur das
Nötigste an Platz. Die Innenkabine ist mit Stockbetten und einem schmalen
Gang davor recht eng, die normale Balkonkabine hat zwei einzeln stehende
Betten, im Flur einen großzügigen offenen Wandschrank, allerdings wenige
Fächer für Kleinkram. Die Betten sind von bequemem Härte-grad und mit Laken
plus Wolldecke ausgestattet. Die elektrische Spannung beträgt 110 Volt / 60
Hertz, amerikanische Stecker! Die Nasszelle ist funktionell, bietet aber
wenig Stauraum. An der Duscharmatur eine konstante Temperatur einzustellen,
erweist sich als schwierig. Die Duschtasse ist mit einem zweiteiligen
Vorhang sauber abgetrennt, der übrige Fußboden bleibt trocken. Ein
Kabinen-Radio ist vorhanden, TV gibt es indes nicht. Der Balkon besteht aus
einem Teil der Außenpromenade, jeweils durch einen Sichtschutz vom Nachbarn
abgetrennt. Zweimal täglich kommt der Kabinenservice und erledigt geschwind
und aufmerksam alle anfallenden Arbeiten. Zusätzliche Kleiderbügel und
Sonderwünsche werden gern berücksichtigt.
God
Bless America!
Die
MISSISSIPPI
QUEEN
ist ein Binnenschiff, das unter US-amerikanischer Flagge fährt. Demzufolge
müssen auch die Besatzungsmitglieder zu einem Gutteil aus den USA stammen.
Gleichzeitig ist auch das Gros der Passagiere US-amerikanisch. Lediglich
eine Handvoll Europäer findet sich auf einer Kreuzfahrt, falls nicht gerade
ein deutscher Gruppencharter ein Kontingent füllt. Es kann sich kein
deutscher Kreuzfahrer – auch wenn er amerikanisch dominierte Hochseeschiffe
kennt – vorstellen, wie amerikanisiert ein touristisches Produkt dieser Art
sein kann. Bei der Unterhaltung, bei der Geschichtsbehandlung und bei den
simplen Flaggen an Deck muss man sich damit anfreunden, dass das
unangefochtene Heiligtum der Sternenbanner ist. Hier kommen etliche Faktoren
zusammen: Der Mittlere Westen ist vom internationalen Tourismus nur wenig
berührt; wo der Rest der Welt von den Weltkriegen spricht, gibt es hier „Ante-Bellum-Häuser“,
also Vorkriegshäuser, womit der Bürgerkrieg gemeint ist – als hätte es nie
einen anderen gegeben. Eine Diskussion in dieser Richtung ist überflüssig
und der Atmosphäre abträglich.
Bestimmte Rituale sind beim
besten Willen nicht zu umgehen, so etwa, dass der bevorstehende Landausflug
dazu führt, dass sich 200 Mann im unteren Kabinengang in Reih’ und Glied
aufstellen – 45 Minuten vor der Ausschiffung. Der Autor rät keinem
Passagier, etwa vor dem Landausflug einen Stadtbummel zu machen und
praktischerweise gleich neben dem Ausflugsbus stehen zu bleiben, anstatt
sich an Bord an der Schlange vorbei an deren Ende zu kämpfen – anderenfalls
wird man mit exakt 200 bitterbösen Blicken bedacht werden.
Bedauerlicherweise werden
auch etliche Klischees erfüllt. Der Veranstalter – und möglicherweise sogar
die Passagiere – mögen das Schiff, auf dem eine Woche mit rund 2200 US-$
berechnet wird, ja für ein Fünf-Sterne-Produkt halten. Das zumeist farbige
Service-Personal im Restaurant ist auch durchaus gutwillig. Bäte man etwa
den Tischsteward darum, doch bitte nicht während des Servierens ständig
geräuschvoll die Nase hochzuziehen (ein verbreitetes Phänomen), dann würde
er sich danach richten – ebenso bereitwillig wie verständnislos. Der Autor –
weiß Gott alles andere als ein Rassist – bedauert, die meisten Klischees
über das Miteinander von Schwarz und Weiß hier an Bord bestätigt gefunden zu
haben. Übrigens: Unter den Passagieren war nicht ein einziger Farbiger …
Was
sonst noch so auffällt
Die oben gegebene
Beschreibung des Service-Personals macht eine völlig andere Struktur in der
Hierarchie nötig, als man sie auf anderen Schiffen kennt. Wo kein
Mitarbeiter mitdenkt, muss der Vorgesetzte stets zur Stelle sein. Das
bedeutet, dass die leitenden Personen erstklassig ausgebildet, gut in
Menschenführung und stark in die Kommunikation zwischen Passagier und
Personal integriert sein müssen. Wer sich an Kreuzfahrtdirektor, Maître d’
o.ä. mit einem Anliegen wendet, darf sofortiger, kompetenter und gutwilliger
Hilfe sicher sein – anderenfalls allerdings nicht … – Das Trinkgeld-System
ist zwar kompliziert, wird aber bis ins kleinste Detail erklärt. Pro Tag und
Passagier müssen die Kabinenstewardess, der Tisch-Steward und dessen
Gehilfe bedacht werden. Aber auch der Dining-Room Captain, der Maître d’ und
die Kofferträger erwarten einen wöchentlichen Obolus. Zum Teil ergeben sich
dabei lächerlich kleine und völlig krumme Beträge – aber nach amerikanischem
Gastronomie-Usus ist eben der Gast für die Bezahlung des Personals
verantwortlich. Bei einer siebentägigen Reise muss der Passagier mit rund
100 $ Trinkgeld kalkulieren. – Bisweilen (selten) müssen für eine
Brückenpassage die Schornsteine nach hinten flach gelegt werden. Sie pusten
dann ihren Ruß ungeniert aufs Achterdeck. Dass keine Lautsprecherdurchsage
davor warnt, ist nicht eben hilfreich. – Ein Arzt ist auf Flussschiffen
nicht vorgeschrieben und wird auch nicht mitgeführt. – Disziplin ist
oberstes Gebot, gleichgültig, welche Aktivität ansteht. Ist eine
Veranstaltung nur für Passagiere der ersten Essenssitzung oder ein Buffet
nur für die Landausflugsteilnehmer, wird genauestens kontrolliert, dass
kein ungebetener Gast mit durchschlüpft. Freundlich, sehr bestimmt und eine
Spur vorwurfsvoll wird man ggf. in seine Schranken gewiesen. – Aufgrund der
ständigen Angebote von Eiswasser, Kaffee, Tee etc. kann der
Flüssigkeitsbedarf ohne Besuch in einer (kostenpflichtigen) Bar gedeckt
werden. Es lassen sich also die Nebenkosten in diesem Punkte ggf. fast auf
Null halten. – Um auf der
MISSISSIPPI
QUEEN
Freude, Unterhaltung und Kontakt zu Mitpassagieren zu haben, um Lektorate zu
besuchen, Landausflüge mitzumachen oder nur sein Essen zu bestellen, muss
der Passagier gut bis sehr gut Englisch sprechen. Anderenfalles verliert er
nicht nur wesentliche Teile seiner Kreuzfahrt, die für ihn nicht nutzbar
weil unverständlich sind, sondern er lebt isoliert und kann nicht einmal
die Verständigung mit dem Steward bewerkstelligen. Mit der abenteuerlichen
Vorstellung, irgend jemand spreche Deutsch oder bemühe sich darum, sollte
niemand eine Buchung tätigen. Allenfalls befindet sich unter den Passagieren
ein deutscher Emigrant, der sich über Landsleute freut. – Die Bordwährung
ist der US-Dollar. – Der Bordfotograf fertigt Bilder von durchschnittlicher
Qualität an, die er allerdings zu recht gesalzenen Preisen verkauft. – Der
offizielle Bekleidungs-Codex sieht tagsüber legere Kleidung, abends elegante
Garderobe vor. Daraus macht sich aber jeder Passagier seine eigene
Interpretation zurecht, der Einfallsreichtum bei der Bekleidungsauswahl ist
erstaunlich. Während der Prospekt recht klare Grenzen zu ziehen scheint,
lässt die Phantasie der Mitpassagiere so ziemlich jedes Kleidungsstück aus
deutschen Kleiderschränken mit Ausnahme der Badehose geeignet erscheinen. –
In den Innenräumen der
MISSISSIPPI
QUEEN
herrscht generelles Rauchverbot.
Routen
und Ausflüge
Der Klassiker für Passagiere
aus Übersee ist stets die „Baumwoll-Route“ von New Orleans (der Besuch
dieser Stadt ist u.U. schon ausschlaggebend) nach Memphis, sei es nun zur
Zeit der Baumwoll-Reife oder im zeitigen Frühjahr, wenn für einige Wochen
auch jene „Ante-Bellum-Häuser“ für Besucher geöffnet werden, die noch von
Privatleuten bewohnt sind. Auf dieser Strecke ist jedoch einiges zu
beachten: Die einwöchige Tour umfasst zwei volle Flusstage (ohne Landgang),
ansonsten nur halbtägige Stopps. Dazwischen zieht zwar die Flusslandschaft
vorbei, aber die besteht während der einen Woche auf rund 1000 Kilometer aus
nichts als immer demselben Wald. Die Besiedlung hier ist dünn, außer den
besuchten vier Städten gibt es keine menschlichen Ansiedlungen. Bei
Tageslicht passiert man vielleicht eine Brücke und eine Industrie-Ansiedlung
pro Tag. Man decke sich, so man nicht an allen Unterhaltungsveranstaltungen
des amerikanischen Publikums teilnehmen will, reichlich mit Lesestoff ein.
Natchez (Stadt der Baumwollbarone) und Vicksburg (Schlachtfelder des
Bürgerkrieges) sind durchaus sehenswert, Helena ein Muss für Jazz- und
Bluesfreunde (jährliches Spektakel mit 80.000 Besuchern). Die Öde
Greenvilles ist nicht in Worte zu fassen; es dient lediglich der Vermeidung
eines weiteren Flusstages. Bei allen Landgängen jedoch sind die angebotenen
Ausflüge erstklassig zusammengestellt, bieten gute Überblicke, werden
exzellent geführt und machen auch kleine Highlights zum Erlebnis. So wird
nach Möglichkeit der Besuch von Gospel- oder Blueskonzerten mit eingebunden,
Mitarbeiter und landseitige Agenturen setzen sich persönlich ein, um
Unmögliches möglich zu machen. Stets werden sehr rechtzeitig umfassende
Hafeninformationen und Historisches über die besuchten Orte schriftlich auf
die Kabine geliefert. Der Ausflugsmanager erklärt mit Engelsgeduld
detailliert, was welcher Ausflug bietet und wie man möglichst viel sehen
kann.
Mehr Abwechslung bei der
Flussfahrt (und mehr städtisches Flair) bieten die Routen nördlich von
Memphis. Es bleibt zu überlegen, bei der Routenauswahl auf den
Publikumsmagneten New Orleans zu verzichten, und dafür insgesamt eine Route
zu wählen, die kontinuierlich mehr Sehenswürdigkeiten verspricht.
Preise
an Bord
Getränke (Bar): „Well
Drinks“ (Basis-Spirituosen) 3.75 $, Premium Liquors 5.75 $, Lokales Bier
3.50 $, Import-Bier 4 $, Soft-Drinks 1 $, Hauswein pro Glas 5 $,
Premium-Wein 8.50 $, Cocktails 4 bis 6 $, alle Preise zzgl. 15%
Service-Charge
Beauty Salon:
Haarschnitt 25 $, Maniküre 25 $
Shop: T-Shirt 12.99
bis 18.99 $, Sweat-Shirt 29.99 bis 49.99 $, Herren-Jeanshemd 39.99 $,
Polo-Shirt 34.99 $ (alle vorgenannten Stücke sind Logo-Artikel!), Damenbluse
44.95 bis 54.99 $, Socken 7.99 $, Krawatte 24.95 $, Mikrofaserjacke 89.95 $,
Windjacke 29.99 $
Bordfotograf: 10 $
pro Bild (größere Formate entsprechend teurer)
Ausflüge: Bustour
halbtags (4 Stunden) 58 bis 66 $, Abendveranstaltung an Land 24 $,
Walking-Tour (3 Stunden) 25 $
Trinkgelder:
Kabinen-Steward(ess) 4.50 $ pro Tag und Person, Tisch-Steward(ess) 4.50 $
pro Tag und Person, dessen Gehilfe 3.25 $ pro Tag und Person, Dining Room
Captain 5.75 $ pro Paar pro Reise, Maîte d’ 4.25 $ pro Paar pro Reise,
Kofferträger 2.50 $ pro Gepäckstück pro Bewegung (also 5 $ für An- und
Abreise zusammen pro Gepäckstück).
Technische Daten |
|
Vermessung: |
3364 BRZ |
Länge: |
114,60 m |
Breite: |
20,40 m |
Höhe (Kiel bis
Schornstein) |
21,30 m |
Tiefgang: |
2,70 m |
Geschwindigkeit: |
26 km/h |
Passagierkapazität: |
maximal 416 in
208 Kabinen (8 Kategorien) |
Passagierdecks |
7
|
Besatzung: |
157 |
Flagge: |
USA |
Reisegeschwindigkeit: |
11,2 km/h (maximal 17,6
km/h) |
Indienststellung: |
1976 |
Komplettrenovierung: |
1996 |
Schaufelrad: |
10,80 m breit, 6,60 m
Durchmesser |
Schaufelradgewicht: |
70 Tonnen |
Dieses Schiffsportrait
entstand an Bord der
MISSISSIPPI
QUEEN
vom 28. März bis 4. April 2005.
|
|
Auf der
(schmalen) Promenade lässt sich das Schiff leider nicht umrunden.
|
Piers gibt
es kaum am Mississippi. Deshalb haben die
Steamer ihre
Gangway immer dabei. |
|
Über den
eigenen, improvisierten Landungssteg geht's
schneller
von Bord als mit einer klassischen Gangway. |
Das
Restaurant ist pompös eingerichtet – gerade im Stil jener Häuser, die
die Baumwollbarone einst bewohnten.
|
Die
öffentlichen Räume – hier das Foyer – sind weitläufig
und
großzügig ausgestattet. |
Die
Paddlewheel-Lounge bietet einen beeindruckenden Blick auf Schaufelrad und
Kielwasser.
In der Show
Lounge finden Spiele, Lektorate, Abendveranstaltungen und Buffets statt.
Das 4-köpfige
Show-Ensemble erweist sich als Verwandlungskünstler und spielt eine
professionelle Show auf der Bühne.
Hier lässt
sich’s wohnen: Gehobene Kabinen-Kategorie auf der MISSISSIPPI
QUEEN.
|
Die
Innenkabine nimmt sich im Platzangebot äußerst
bescheiden
aus. |
Der Blick in
das wirbelnde Wasser des Schaufelrades kann manchen Passagier
minutenlang fesseln.
Nicht üppig:
Der Swimming-Pool – eigentlich nur ein
Kinderplantschbecken ...
Auf dem
Achterdeck finden tagsüber oft Koch-Vorführungen mit anschließen-der
Verkostung statt.
|