AUSGABE 1/2012
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Foto: Egon Giebe, SeereisenMagazin

Egon Giebe · Herausgeber + Chefredakteur

 

 

 

Sichere Ferien auf See

 

Moderne Kreuzfahrtschiffe sind schwimmende Städte, gebaut für Hunderte oder gar Tausende von Passagieren. Im Zuge des Booms der Branche wurden mehrere Regelwerke angepasst, um die Sicherheit der Gäste an Bord zu erhöhen.

SOLAS ist das Kürzel für Safety of Life at Sea. Die IMO (International Maritime Organization) wurde gegründet, um ein internationales Rahmenwerk für die Sicherheit auf See zu schaffen – dazu bot die Gründung der Vereinten Nationen eine gute Gelegenheit. Bis dahin waren weltweite Vereinbarungen ein Stückwerk geblieben – hervorzuheben ist das Internationale Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See als Reaktion auf den Untergang der TITANIC.

Der Mehrzahl der Passagiere eines Kreuzfahrtschiffs dürfte die Existenz der IMO und deren Engagement für sichere Ferien auf See unbekannt sein. Die Kreuzfahrtbranche hat auf die seit Jahren stetig zunehmende Nachfrage mit dem Bau immer größerer, luxuriöserer Schiffe reagiert. Doch je mehr Menschen an Bord sind, desto dringlicher wird die Frage nach potenziellen Risiken.

Logische Folge: Die Ergänzung des SOLAS-Übereinkommens für die Sicherheit von Menschen auf See. Der Grundgedanke dabei war, der Unfallverhütung in den Regelwerken mehr Raum zu geben und künftige Passagierschiffe überlebensfähiger zu machen, sodass die Passagiere im Havariefall sicher an Bord verbleiben können, während das Schiff den nächsten Hafen ansteuert. Dieses Konzept der „sicheren Rückkehr zum Hafen” wurde mit dem Inkrafttreten der Neufassung dieser Vorschrift am 1. Juli 2010 zur Norm.

 

 Spezielle Software

Jedes neu gebaute Kreuzfahrtschiff muss nun in der Lage sein, nach einem Brand oder Wassereinbruch an Bord bis zu einem bestimmten Schweregrad der Beschädigung noch sicher einen Hafen anzulaufen. Dem Prinzip folgend, dass das Schiff sein eigenes Rettungsboot sein soll, müssen für die Passagiere an Bord sichere Bereiche zur Verfügung stehen.

Andreas Ullrich und Dr. Daniel Povel haben die Entwicklung der vom Germanischen Lloyd angebotenen Unterstützung für Werften und Reeder bei der Umsetzung der neuen Forderungen maßgeblich vorangetrieben. Povel hat dazu bei der GL-Tochter FutureShip eine spezielle Software entwickelt. Er empfiehlt Werften und Reedereien, „bereits vor der Vertragsunterzeichnung in den Dialog zu diesem Thema einzutreten. Das heißt, dass wir bereits sehr früh in das Neubauprojekt einbezogen werden sollten”. Maßnahmen zur Umsetzung des Konzepts der sicheren Rückkehr sollten bereits während der Konstruktionsphase eingeplant und nicht erst im Nachhinein durch Modifikationen des Designs anvisiert werden. Zwar könne man manche der Anforderungen auch in einem fertigen Schiff noch durch Umbauten erfüllen – aber gewiss nicht alle, „besonders, wenn kein redundantes Antriebssystem vorhanden ist”.

Selbst wenn es technisch möglich sei, alle Anforderungen an Bord eines fahrenden Schiffs nachträglich umzusetzen, sei dies aufwendig und sehr teuer, ergänzt Ullrich. Die Trennung der Anlagen in separate Segmente sei beispielsweise eine enorme Herausforderung. „Eine solche Maßnahme an fertigen Schiffsplänen nachträglich auszuführen bedeutet, das ganze Konzept auf den Kopf zu stellen”.

Zwischen dem Prinzip der sicheren Rückkehr zum Hafen und dem Klassenzusatz für ein redundantes Antriebssystem bestünden durchaus Synergien, so Povel. Das Klassenzeichen erfordert die Verfügbarkeit eines redundanten Antriebs für 72 Stunden nach einer Havarie. Im Fall der sicheren Rückkehr zum Hafen hängt es allerdings vom Seegebiet ab, ob 72 Stunden Notantrieb ausreichen. Außerdem muss sich der Zielhafen für das Schiff eignen. Die SOLAS-Vorschrift für die sichere Rückkehr bezieht sich auf kleinere Unfälle, die nur Teile des Schiffs in Mitleidenschaft ziehen, z. B. einen Kabinenbereich oder ein Deck in einem vertikalen Hauptabschnitt. Bei einem Großbrand an Bord oder einer ähnlichen Katastrophe muss das Schiff in der Regel evakuiert werden; hier hat der Kapitän das letzte Wort, betont Daniel Povel.

Die neuen Regeln seien ein Schritt vorwärts für die IMO, denn sie verfolgten, anders als die rein präskriptiven Anforderungen der Vergangenheit, einen ganzheitlichen Ansatz. Grundsätzlich ist es besser, die Passagiere, wenn irgend möglich, an Bord zu behalten, statt die Rettungsboote zu benutzen. Schiffe, die die neue Vorschrift erfüllen, werden in der Lage sein, mit vielen Vorfällen ohne Evakuierung fertigzuwerden.

 

Typspezifische Umsetzung

Abgesehen von den Vorteilen erhöhter Sicherheit ist für Reedereien auch das Redundanzprinzip an Bord von Interesse, weil es die Betriebszuverlässigkeit des Schiffs erhöht und sogar seine Energieeffizienz verbessern kann.

Zu den Kunden des Germanischen Lloyd im Kreuzfahrtgeschäft gehören Aida Cruises und Hapag-Lloyd. Hapag-Lloyd lässt derzeit von STX im französischen Saint Nazaire ein Schiff bauen, dass bereits die neuen Anforderungen erfüllt.

Je nach Schiffstyp kann die Umsetzung der Vorschrift für die sichere Rückkehr unterschiedlich ausfallen. Während die Passagierkabinen von Kreuzfahrtschiffen meist über die gesamte Länge des Schiffs verteilt sind, so Ullrich, könnte es bei Ro-Ro-Passagierschiffen schwieriger werden, ausreichend Platz für sichere Rückzugsbereiche zu finden. Möglicherweise werde man letztlich ganz neue Konzepte für Ro-Ro-Passagierschiffe entwickeln müssen. Außerdem kann der Platzbedarf der komplexeren und redundanten Systeme die Fahrzeugstellfläche einschränken.

 

In diesem Sinne, gute Reise im Jahr 2012,

Ihr Egon Giebe

 

 

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Quelle: „nonstop” Germanischer Lloyd, Autorin Sandra Spears

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