AUSGABE 2/2012
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Herbert Fricke 

Herbert Fricke · Ressortleiter HamburgMagazin

 

 

 

 

 

Luftverschmutzung durch Schiffsmotoren – dieses Thema ist in den letzten Jahren immer drängender und dringender geworden. Für den Antrieb großer Fracht- und Passagierschiffe wurde seit Jahrzehnten fast ausschließlich Schweröl verwendet. Das ist ein relativ preiswertes Abfallprodukt bei der Produktion von Benzin und Dieselkraftstoffen. Schweröl ist zäh wie Teer und kann erst nach entsprechender Erhitzung zum Antrieb der gigantischen Schiffsmaschinen verwendet werden. Es hinterlässt bei seiner Verbrennung nicht nur beträchtliche Abgase, einen enormen CO2-Ausstoß, sondern auch schwarze Ascheflocken, die auf die Umwelt herabregnen. Eine entsprechende Umweltverschmutzung ist überall dort feststellbar, wo viele Schiffe an- und ablegen – an den Piers, an den Kai-Anlagen in den Häfen, entlang der Wasserwege und auch auf dem Meer. 

Dass diese schwarzen Flocken aus den bunten Schornsteinen der Kreuzfahrtschiffe oft auch die schicken weißen Bademäntel oder Dinnerjackets der Passagiere an Deck verschmutzen, ist eine ärgerliche Nebenerscheinung, die aber schon so manchen Schiffsreisenden zum Nachdenken gebracht hat. Die Klagen gegen diese Umweltverschmutzung sind in den letzten Jahren immer massiver geworden.  

Aber jetzt ist die große Wende in Sicht. Werften und Motorenhersteller haben mit

 

Nachdruck an der Entwicklung neuer Antriebssysteme gearbeitet und können nun erste überzeugende Ergebnisse vorweisen.

Es scheint, als stehe die große Wende beim Schiffsantrieb unmittelbar bevor. Und zwar mit Hilfe der Zauberformel LNG.  Diese Abkürzung steht für „Liquified Natural Gas – auf Deutsch kurz Flüssiggas. Dieses flüssige Gas entsteht beim Herabkühlen von Erdgas auf minus 162 Grad. Einer der größten Transporteure von Flüssiggas aus Nordafrika und dem Persischen Golf in alle Welt ist übrigens die Reederei Hartmann mit Sitz in Leer in Ostfriesland mit ihrer Flotte hochmoderner Flüssiggas-Tanker.

Nach Auskunft des Germanischen Lloyd in Hamburg, einer der größten Klassifizierungs-Gesellschaften für Schiffe in der Welt, ist der Antrieb von Seeschiffen mit LNG kein technisches Problem mehr. Viele Versuche sind erfolgreich verlaufen. Sowohl bei den großen Maschinen-Herstellern wie MAN , VASA, VOLVO oder WÄRTSILA, als auch bei Werften und Reedereien ist man schon einen großen Schritt weitergekommen bei der Entwicklung von Flüssiggas-Motoren. Das größte zur Zeit im Probebetrieb fahrende LNG-Schiff ist der norwegische Produktentanker BIT VIKING. Dieses Schiff verfügt über eine kombinierte Antriebsanlage. Auf langen Strecken über See wird noch herkömmliches Schweröl verwendet, in Landnähe und auf Revierfahrt wird umgeschaltet auf LNG. Das Flüssiggas lagert in zwei 500-Kubikmeter-Tanks auf dem Vordeck. Die Messungen haben ergeben, dass beim Betrieb mit Flüssiggas der Ausstoß von Treibhausgasen um 25 Prozent, der Ausstoß von Stickoxiden um 90 Prozent und der Schwefel-Ausstoß gar um 99 Prozent verringert werden konnte.  

Die Kosten beim Schiffsantrieb mit Flüssiggas liegen derzeit noch etwas höher als beim Antrieb mit Schweröl. Dies werde sich aber ändern, sobald ein leistungsfähiges weltweites „Tankstellen-Netz aufgebaut worden sei, erläutern die Fachleute des Germanischen Lloyd. Es werden also Terminals entworfen, an denen die Schiff bei ruhender Maschine mit Flüssiggas betankt werden können. Als ideal werden Lösungen angestrebt, bei denen Güterumschlag und Betankung gleichzeitig stattfinden können, ohne sich gegenseitig zu beeinträchtigen. Auf die Sicherheit wird bei der Projektierung dieser Anlagen natürlich größtes Augenmerk gelegt. Allerdings ist Flüssiggas keineswegs „gefährlicher als herkömmliche Treibstoffe. Wenn Flüssiggas zu warm werden sollte, verpufft es über die Sicherheitsventile, ohne Schaden anzurichten (boil off). Deshalb ist bisher auch noch kein einziger Flüssiggas-Tanker explodiert.  

Der Aufbau eines weltweiten Versorgungssystems der wichtigsten Häfen mit Erdgas und den entsprechenden Kühlanlagen ist eine Herausforderung der Zukunft. Norwegen ist bei dieser Entwicklung weit vorn, das ist naheliegend, weil das Land ja über enorme Gas- und Ölvorkommen verfügt. Andere Bunkerplätze werden von Flüssiggas-Tankern beliefert, die ihre Ladung dort aufnehmen, wo das Erdgas schon bei seiner Förderung verflüssigt wird, zum Beispiel in Quatar oder im Oman. Allerdings ist dieser Seetransport von Flüssiggas relativ teuer. Die Kosten können mit Hilfe von Pipelines erheblich gesenkt werden. 

Deshalb kommt dem Bau der großen Pipelines „North Stream aus Russland durch die Ostsee nach Deutschland und „South Stream aus Kasachstan über die Türkei nach Südeuropa ja auch eine so große Bedeutung zu. Mit Hochdruck arbeiten alle großen Hersteller von Schiffsmaschinen daran, LNG-Motoren auch für große Containerschiffe und für Passagierschiffe zu entwickeln. Das sei weniger ein technisches als ein logistisches Problem, meinen die Fachleute der Industrie und des Germanischen Lloyd. 

Zur Zeit würden alle Rechts- und Sicherheitsvorschriften den neuen Anforderungen entsprechend umgearbeitet und neu formuliert. Das erste LNG-getriebene Kreuzfahrtschiff werde schon innerhalb der nächsten fünf Jahre in Dienst gestellt. Vermutlich in Norwegen. Aber auch Deutschland, die USA, Südkorea, Japan und China arbeiten mit Hochdruck an der Entwicklung von LNG-Schiffsmaschinen.

 

Eine gute Reise im Sommer 2012 wünscht Ihnen

Ihr Herbert Fricke

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