Herbert Fricke · Ressortleiter HamburgMagazin
Luftverschmutzung durch Schiffsmotoren – dieses Thema ist in den letzten
Jahren immer drängender und dringender geworden. Für den Antrieb großer
Fracht- und Passagierschiffe wurde seit Jahrzehnten fast ausschließlich
Schweröl verwendet. Das ist ein relativ preiswertes Abfallprodukt bei der
Produktion von Benzin und Dieselkraftstoffen. Schweröl ist zäh wie Teer und
kann erst nach entsprechender Erhitzung zum Antrieb der gigantischen
Schiffsmaschinen verwendet werden. Es hinterlässt bei seiner Verbrennung
nicht nur beträchtliche Abgase, einen enormen CO2-Ausstoß, sondern auch
schwarze Ascheflocken, die auf die Umwelt herabregnen. Eine entsprechende
Umweltverschmutzung ist überall dort feststellbar, wo viele Schiffe an- und
ablegen – an den Piers, an den Kai-Anlagen in den Häfen, entlang der
Wasserwege und auch auf dem Meer.
Dass diese schwarzen Flocken aus den bunten Schornsteinen der
Kreuzfahrtschiffe oft auch die schicken weißen Bademäntel oder Dinnerjackets
der Passagiere an Deck verschmutzen, ist eine ärgerliche Nebenerscheinung,
die aber schon so manchen Schiffsreisenden zum Nachdenken gebracht hat. Die
Klagen gegen diese Umweltverschmutzung sind in den letzten Jahren immer
massiver geworden.
Aber jetzt ist die große Wende in Sicht. Werften und Motorenhersteller haben
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Nachdruck an der Entwicklung neuer Antriebssysteme gearbeitet und können nun
erste überzeugende Ergebnisse vorweisen.
Es scheint, als stehe die große Wende beim Schiffsantrieb unmittelbar bevor.
Und zwar mit Hilfe der Zauberformel LNG. Diese Abkürzung steht für
„Liquified Natural Gas”
– auf Deutsch kurz Flüssiggas. Dieses flüssige Gas entsteht beim Herabkühlen
von Erdgas auf minus 162 Grad. Einer der größten Transporteure von
Flüssiggas aus Nordafrika und dem Persischen Golf in alle Welt ist übrigens
die Reederei Hartmann mit Sitz in Leer in Ostfriesland mit ihrer Flotte
hochmoderner Flüssiggas-Tanker.
Nach Auskunft des Germanischen Lloyd in Hamburg, einer der größten
Klassifizierungs-Gesellschaften für Schiffe in der Welt, ist der Antrieb von
Seeschiffen mit LNG kein technisches Problem mehr. Viele Versuche sind
erfolgreich verlaufen. Sowohl bei den großen Maschinen-Herstellern wie MAN ,
VASA, VOLVO oder WÄRTSILA, als auch bei Werften und Reedereien ist man schon
einen großen Schritt weitergekommen bei der Entwicklung von
Flüssiggas-Motoren. Das größte zur Zeit im Probebetrieb fahrende LNG-Schiff
ist der norwegische Produktentanker BIT VIKING. Dieses
Schiff verfügt über eine kombinierte Antriebsanlage. Auf langen Strecken
über See wird noch herkömmliches Schweröl verwendet, in Landnähe und auf
Revierfahrt wird umgeschaltet auf LNG. Das Flüssiggas lagert in zwei
500-Kubikmeter-Tanks auf dem Vordeck. Die Messungen haben ergeben, dass beim
Betrieb mit Flüssiggas der Ausstoß von Treibhausgasen um 25 Prozent, der
Ausstoß von Stickoxiden um 90 Prozent und der Schwefel-Ausstoß gar um 99
Prozent verringert werden konnte.
Die Kosten beim Schiffsantrieb mit Flüssiggas liegen derzeit noch etwas
höher als beim Antrieb mit Schweröl. Dies werde sich aber ändern, sobald ein
leistungsfähiges weltweites „Tankstellen-Netz”
aufgebaut worden sei, erläutern die Fachleute des Germanischen Lloyd. Es
werden also Terminals entworfen, an denen die Schiff bei ruhender Maschine
mit Flüssiggas betankt werden können. Als ideal werden Lösungen angestrebt,
bei denen Güterumschlag und Betankung gleichzeitig stattfinden können, ohne
sich gegenseitig zu beeinträchtigen. Auf die Sicherheit wird bei der
Projektierung dieser Anlagen natürlich größtes Augenmerk gelegt. Allerdings
ist Flüssiggas keineswegs „gefährlicher”
als herkömmliche Treibstoffe. Wenn Flüssiggas zu warm werden sollte,
verpufft es über die Sicherheitsventile, ohne Schaden anzurichten (boil
off). Deshalb ist bisher auch noch kein einziger Flüssiggas-Tanker
explodiert.
Der Aufbau eines weltweiten Versorgungssystems der wichtigsten Häfen mit
Erdgas und den entsprechenden Kühlanlagen ist eine Herausforderung der
Zukunft. Norwegen ist bei dieser Entwicklung weit vorn, das ist naheliegend,
weil das Land ja über enorme Gas- und Ölvorkommen verfügt. Andere
Bunkerplätze werden von Flüssiggas-Tankern beliefert, die ihre Ladung dort
aufnehmen, wo das Erdgas schon bei seiner Förderung verflüssigt wird, zum
Beispiel in Quatar oder im Oman. Allerdings ist dieser Seetransport von
Flüssiggas relativ teuer. Die Kosten können mit Hilfe von Pipelines
erheblich gesenkt werden.
Deshalb kommt dem Bau der großen Pipelines „North Stream”
aus Russland durch die Ostsee nach Deutschland und „South Stream”
aus Kasachstan über die Türkei nach Südeuropa ja auch eine so große
Bedeutung zu. Mit Hochdruck arbeiten alle großen Hersteller von
Schiffsmaschinen daran, LNG-Motoren auch für große Containerschiffe und für
Passagierschiffe zu entwickeln. Das sei weniger ein technisches als ein
logistisches Problem, meinen die Fachleute der Industrie und des
Germanischen Lloyd.
Zur Zeit würden alle Rechts- und Sicherheitsvorschriften
den neuen Anforderungen entsprechend umgearbeitet und neu formuliert. Das
erste LNG-getriebene Kreuzfahrtschiff werde schon innerhalb der nächsten
fünf Jahre in Dienst gestellt. Vermutlich in Norwegen. Aber auch
Deutschland, die USA, Südkorea, Japan und China arbeiten mit Hochdruck an
der Entwicklung von LNG-Schiffsmaschinen.
Eine gute Reise im Sommer 2012 wünscht Ihnen
Ihr Herbert Fricke
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