ARKTISKREUZFAHRTEN | AUSGABE 2/2012 | ||||||
Filigrane Eisberge im Nebel auf Grönland. |
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Seereisen in die hohen nördlichen und südlichen Breiten sind gefragter denn je. Das hat verschiedene Gründe. Nicht zuletzt auch den, dass infolge der dramatischen globalen Klimaveränderung das polare Eis immer schneller schmilzt. An der Ostküste Grönlands zum Beispiel beobachtet man Gletscher, die kaum noch als solche zu erkennen sind. Oder die sommerliche Eisfreiheit der russischen Nordostpassage und damit eine fast problemlose Fahrt für normale Frachter. Das sind Alarmzeichen.
Wer noch echte Eisreisen erleben möchte, der sollte dieses Vorhaben nicht auf die allzu lange Bank schieben. Es könnte zu spät sein. Manche Prognosen sprechen von zwanzig Jahren bis zur völligen Eisfreiheit. Eis in allen seinen Formen unter verschiedensten Lichtverhältnissen ist einfach faszinierend. Erst recht die Fahrt durchs Eis: wenn es poltert, kracht und rumpelt bis hin zum Stillstand. Was treibt welterfahrene Individualisten im Sommer in die Kälte? „Arktis-Sehnsucht”, sagen die Kenner, „Ruhe fernab der Zivilisation und Natur in ihrer ganzen Ursprünglichkeit”, hoffen andere. Oder auch: „Authentisch das Fremde erfahren, das man sonst nur aus Büchern oder vom Fernseher her kennt”. Beides wird haushoch übertroffen von der eigenen Anschauung in einer Region der Extreme. Die Stimmung ist märchenhaft: helles Licht, kräftige Farben und absolute Stille. Rund 35.000 Touristen pro Jahr besuchen allein Grönland, die größte Insel der Welt. Das wüstenhaft trockene Klima produziert mehr Sonnenstunden als Niederschlag. Im Sønderstrømfjord schüttelt sie manchmal ein Sandsturm durch. Gelblich-graue Wolken wirbeln dann das karibikfarbene Fjordwasser auf. Kontraststark, dieser Anblick in Kombination mit kahlen Felsen und karger Tundra. Nichts erinnert daran, dass dort überhaupt menschliches Leben existiert. Gefahren gehen allerdings von Touristen aus, die immer stärker danach drängen, auch noch die letzten weißen Flecken zu erobern. Flugzeuge, Hubschrauber und Schiffe bringen sie bis in die verstecktesten Winkel. Dass die so vom „Arktis-Fieber” Befallenen allerdings die hyperempfindliche Vegetation mit Füßen treten und dadurch über Jahre hinaus schädigen können, ist für die meisten zweitrangig. Gestört wird auch das Brutgeschäft vieler seltener Vögel in flachen Erdmulden. In der Antarktis schreibt bereits die UN-Tourismus-Konvention bestimmte Verhaltens-Weisen vor: zum Beispiel Mindestabstände zu Tieren, von wissenschaftlichen Lektoren überwachte Landausflüge auf festgelegten Pfaden, keine Mitnahme von Pflanzen, Tierresten oder Steinen. Das wird leider nicht immer eingehalten.
Der erste im Fjord treibende Eisberg provoziert lautstarke Euphorieausbrüche. Er schimmert in kaltem Himmelblau. Auf seinem zackigen Grat erkennt man Monster, eine Krone, ein Gespenst. Vom windigen Bildhauer ins Eis geschmirgelt. Im Blickfeld auch eine über 100 Meter hohe Kalbungsfront mit Eis-Kathedralen, -Bögen, -Toren und -Zinnen. Eislose Endmoränenwälle zeugen überall von starkem Gletscherrückgang infolge der Klimaveränderung. Es sind Schönheiten, die schließlich alle zum Schweigen zwingen. Bis ein erneuter elektrisierender Ausruf: „Wale!” die Stille durchbricht. Die „Könige der Meere” grüßen blasend und prustend die Neuankömmlinge majestätisch mit ihren Fluken. Als die rote Sonne nachts tiefer steht, lodern Himmel und Eis. Die schnee- und gletscherbedeckten Berge dampfen dazu. Grönland – Schönland. „Da fühlt man sich vor Glück ganz leicht”, strahlt ein Gast. Auch wenn es immer wieder spät wird, hat die Zeit hier keine Bedeutung. Man möchte nicht schlafen in diesen Mittsommer-Nächten, die so recht keine sind. Als dann noch der Mond über die Gebirgszacken kriecht, wird die Landschaft zu einem exklusiven Panorama-Kino mit Minuten voller Poesie. Die nächsten Seetage sind prall gefüllt mit Eindrücken: Eisberge, Fjorde, Gletscher, Wasserfälle und Wale bestaunen; Sturm, Seegang, Regen und Sonne erleben; geführte oder individuelle Tundra- und Bergwanderungen unternehmen und dabei ornithologische und botanische Beobachtungen anstellen; in warmen Quellen und hinterher – quasi zur Abkühlung – an einem Dünen-Sandstrand im kalten Meer mit Eisbergkulisse baden. Zauber der Extreme. In der Natur verschmelzen Zeit und Raum. Man weiß nicht, wie lange man schon unterwegs ist. Da bleibt viel Platz für Gedanken. Was zurückbleibt hinter der untergehenden Sonne ist eine ganz bestimmte Sehnsucht. Vielleicht das Arktis-Gefühl, angesiedelt zwischen Wiesengrün und blau-weißer Eisberg-Faszination. „Du siehst”, sinniert jemand an der Reling, „die Schönheit dieser Natur und fühlst aber auch ihre Gewalt”. Doch so friedlich, wie es scheint, geht es in der Arktis nicht zu. Es gibt noch ganz andere Interessen als Fischerei und Tourismus, nämlich einen handfesten Fünf-Nationen-Streit. Seit das Eis schmilzt – das Packeis ist infolge des Klimawandels seit den 80er Jahren schon um 18 Prozent geschrumpft – kämpfen die fünf Arktis-Anrainerstaaten Russland, Kanada, USA, Dänemark und Norwegen um das Nordpolarmeer. Es geht um Energie-Reserven. Von weltweit 164,5 MMilliarden Tonnen Erdöl sind in der Arktis 4,8 Milliarden Tonnen gesichert, 5,9 Milliarden Tonnen zusätzlich vermutet. Die weltweiten Erdgasvorräte belaufen sich auf 181,5 Billionen Kubikmeter, davon gelten in der Arktis 33,7 Billionen Kubikmeter als gesichert und 20,9 Billionen Kubikmeter als zusätzlich vermutet. Ob das den Streit jedoch lohnt, sei dahingestellt.
Sicher ist jedoch, das das zurückweichende Eis bedeutende Schifffahrtsrouten freigibt. Die Passagen um den Nordpol würden die Fahrstrecken im Europa-Asien-Verkehr um rund 4000 Kilometer verkürzen und damit viel Zeit und Geld sparen. Über neue Fischgründe sowie Vorkommen von Kupfer und Mangan wird ebenso spekuliert. Erdöl und Erdgas gibt es nach neuesten Untersuchungen in der Tiefsee nicht. In der UN-Seerechtskonvention, sozusagen das Gesetzbuch für die Ozeane und bereits ratifiziert von 155 Staaten, ist das Recht auf Meer klar geregelt: 12-Seemeilen-Zone: Sie gehört zum Staatsgebiet, wobei das jeweilige Land die friedliche Durchfahrt ziviler Schiffe dulden muss. 24-Seemeilen-Zone: Hier gelten die hoheitlichen rechte des Landes wie Zoll- und Einwanderungsbestimmungen. 200-Seemeilen-Zone: In dieser ausschließlichen Wirtschaftszone dürfen Staaten alle Schätze des Meeres und Bodens nutzen. Sie erweitert sich um 150 Seemeilen, wenn sich der Rand der Landmasse weiter als 200 Seemeilen ins Meer erstreckt. Darauf glauben Russland, Kanada, Norwegen und Dänemark Anspruch zu haben. Diese Länder forschen jetzt mit hohem Aufwand fieberhaft nach den nötigen Beweisen. In einem Gebiet von 26 Millionen Quadratkilometern Fläche mit einer Eisdicke zwischen 3,4 Kilometern (Inlandeis von Grönland) und nur wenigen Metern Meereis (Nordpol). Rund vier Millionen Menschen, meist Ureinwohner wie Inuit, Nenzen oder Tschuktschen, leben in der Arktis, deren Wintertemperaturen bis weit unter die -40-Grad-Marke fallen können. Es bleibt nur zu hoffen, dass der Streit beigelegt wird und zu einem Abkommen wie dem Antarktis-Vertrag von 1959 führt, wodurch der eisige sechste Kontinent zum staatsfreien Gebiet erklärt wurde.
Würde man drei Geographen nach den genauen Grenzen der Arktis fragen, bekäme man wahrscheinlich drei verschiedene Antworten. Die Arktis verdankt ihren Namen dem Sternbild des Großen Bären. Schon im Altertum beobachteten Astronomen, dass sich der anscheinend still stehende Polarstern im Großen Bären als optimales Orientierungsmittel für den Norden erwies. Im Altgriechischen heißt „Bär” „Arktos”. Daraus entstand die Bezeichnung Arktis. Manche sagen vereinfachend, die Arktis sei das Gebiet nördlich des Polarkreises. Zwischen dieser gedachten Linie auf der Erdoberfläche und dem geographischen Nordpol geht die Sonne am längsten Tag des Jahres nicht unter und am kürzesten Tag des Jahres nicht auf. Andere verlegen die Grenze an eine Linie, an deren Verlauf die durchschnittliche Sommertemperatur nicht über zehn Grad ansteigt, eine Linie, die an manchen Stellen ziemlich weit südlich des Polarkreises liegt. Wieder andere sagen, die Arktis beginne an der nördlichen Baumgrenze; aber auch sie verläuft nicht regelmäßig. Die Arktis besteht aus einem weitgehend eisbedeckten, fast ganz vom Land umgebenen Meer, den nördlichen Randzonen von Eurasien und Nordamerika mit Sibirien und Alaska, Grönland und anderen Inseln. Das Klima der Arktis wird von der langen Polarnacht im Winter und der Mitternachtssonne im Sommer beherrscht. Tatsächlich kann der kurze arktische Sommer in manchen Gebieten, wo die Schneedecke schmilzt und die Julitemperaturen über 10 Grad ansteigen, auch überraschend mild sein. Der Winter jedoch ist lang und eisig. Die Januartemperaturen liegen größtenteils bei einem Durchschnitt um minus 30 Grad. Während die Arktis in erster Linie aus einem landumschlossenen Meer besteht, ist die Antarktis ein Kontinent mit einer Fläche von mehr als 12 Millionen Quadratkilometern. Sie ist überdies der höchste Erdteil, denn sie liegt durchschnittlich 1.828 Meter über dem Meeresspiegel.
Ein großer Teil des Nördlichen Eismeeres ist von einer langsam treibenden Eismasse bedeckt, dem sogenannten Packeis. Seine Oberfläche vergrößert sich im Winter und schrumpft im Sommer wieder. Auch die Antarktis ist von einer Packeiszone umgeben, |
deren Ausdehnung aber je nach der Jahreszeit erheblich schwankt. Winde, Gezeiten und Meeresströmungen halten das Packeis in ständiger Bewegung und brechen es in große und kleine Eisschollen. Wie schwimmende Inseln können die Eisschollen auseinandertreiben; manchmal sind sie durch Rinnen offenen Wassers getrennt, das dann wieder überfriert. Wenn Eisschollen zusammenstoßen, zerbricht das Eis und türmt sich zu schroffen Buckeln auf. Eisschollen können sich auch aufeinander schieben, so dass ein Durcheinander riesiger Eisblöcke entsteht. Aber selbst solche Regionen des Planeten Erde sind nicht ohne Leben. Und es gibt zum Glück eine zunehmende Zahl von Menschen, die sich für die unglaubliche Vielfalt der Arktis begeistern können.
HANSEATIC-Kapitän Thilo Natke.
Zum Beispiel der Thilo Natke (TN). Er ist Kapitän aus Leidenschaft. Während einer Arktis-Reise mit der HANSEATIC hat er dazu SeereisenMagazin-Chefreporter Dr. Peer Schmidt-Walther (PSW) einiges erzählen können. PSW: Was macht Ihnen besonders Freude an dieser Tätigkeit? TN: Der Wechsel! Der Wechsel der Landschaften, der Orte und der Menschen. Von der Arktis bis zu den Tropen. Kein Tag ist wie der andere. PSW: Worin unterscheiden sich die Gewässer des hohen Nordens von den übrigen? TN: Wenn damit die arktischen Gewässer gemeint sind, ist es vor allem die Dominanz der Natur. Reine Natur! Das unvergleichliche Licht. Das Eis. Die karge, schroffe Landschaft mit ihrem verzagten Grün und den Tieren, die man versteht, wenn man zuhören kann, dass sie nichts mit dem wüsten Mensch zu tun haben wollen. PSW: Welche Kenntnisse braucht man dazu? TN: Mal abgesehen von den seemännischen und navigatorischen Erfahrungen, glaube ich, benötigt man einen gewissen ästhetischen Sinn. Man muss die Schönheit suchen und wenn möglich dort verweilen. PSW: Was reizt Sie persönlich daran? TN: das Unplanbare. Wenn man in die Arktis fährt, sollte man nicht zu sehr auf den Fahrplan sehen. Die schönsten Erlebnisse und Ereignisse kommen unerwartet. PSW: Worin liegen die Probleme dieses Fahrtgebietes? TN: Weniger das Eis, das gehört ja dahin. Es ist der Wind. Bei starkem Wind kann man nicht in die kleinen Buchten fahren, um neue Entdeckungen zu machen und man muß auch zum Eis gehörigen Abstand halten, um das Schiff sicher zu navigieren. PSW: Wie muss ein Schiff ausgestattet sein, um dort operieren zu können? TN: Ideal sind kleine Schiffe mit starken Motoren und einer dicken Bordwand. Schiffe, die extra für die Eisfahrt konzipiert wurden. Mit der HANSEATIC, die weltweit im Einsatz ist, haben wir wunderbare und einzigartige Arktisreisen gemacht. PSW: Haben Sie Beobachtungen machen können, die auf das allmähliche Verschwinden des Meereises hinweisen? TN: Ja und nein. Die Packeisgrenze ist in den letzten Jahren häufig nördlicher anzufinden, als in früheren Jahren. Ob das zur Regel wird und welche Schlüsse daraus gezogen werden, sind die Klimadebatten, die heute geführt werden mit ihren unterschiedlichen Ansätzen und Aussagen. PSW: Wie lange werden Eisreisen Ihrer Kenntnis nach noch möglich sein? TN: Die Dekaden von Jahren zu benennen, wäre reine Spekulation von mir. Ich weiß es nicht. Was kommen wird – und das ist gut so – sind Erweiterungen des Umweltschutzes für die arktischen Gewässer. Es geht nicht, dass Riesenpötte mit Tausenden von Passagieren dort herumjuckeln. Die Arktis ist kein Ort für Massentourismus, sie sollte ein Ort der Stille sein. Jedoch, schon jetzt ist das nur noch ein vergangener Traum, eine gegenwärtige und zukünftige Illusion. PSW: In dem Zusammenhang fällt häufig der Begriff „Eisklasse”. Was bedeutet er? TN: Zu einer Arktisreise gehört entsprechende Technik: starke Maschinen und eine „Eisklasse”-Außenhaut. Ich habe eine Faustformel dafür: Je höher die Eisklasse, desto dicker sind die Stahlplatten an der Seite des Schiffes, an dem das Eis verbeischrammt, wenn man durch das Packeis fährt. Der König unter den Eisfahrern ist der Eisbrecher. PSW: Ist auch die HANSEATIC damit ausgerüstet, und zwar mit welcher? TN: Die HANSEATIC ist natürlich mit einer Eisklasse ausgerüstet. Darunter versteht man eine Anzahl von schiffbaulichen und maschinenbaulichen Maßnahmen, die es dem Schiff ermöglichen, Eisgebiete zu befahren. Je nach Fahrtgebiet und Schiffstyp gibt es verschiedene Eisklassen. Die HANSEATIC hat die eine hohe Eisklasse für Passagierschiffe, die Klasse „A 1”, die von der Klassifikationsgesellschaft Germanischer Lloyd (GL) verliehen wurde. PSW: Was sind die Kennzeichen einer Eisklasse? TN: Der Rumpf des Schiffes ist auf seiner ganzen Länge eisverstärkt, und zwar unterschiedlich stark im Bereich des Vorschiffes, des Mittelschiffes und des Hinterschiffes. Die größten Eisverstärkungen befinden sich aus naheliegenden Gründen im Vorschiffsbereich. Im Bereich des Eisgürtels (50 Zentimeter über der Wasserlinie bis zwei Meter unter Wasser) ist die Außenhaut verstärkt, mit Plattenstärken bis zu 16 Millimeter. Zu den oberen Decks hin nimmt die Plattenstärke bis auf 6 Millimeter ab. Weitere Verstärkungen sind im Bereich des Vorstevens (Bug) angebracht: Der Wulstbug ist innen zusätzlich ausgesteift und hat eine Plattenstärke von 22 Millimeter. Direkt über dem Wulstbug besteht der Steven aus einem Stahlgußteil, das zum „Zerschneiden” einer festen Eisdecke im Bereich der Wasserlinie dient. Dort sind die Außenhautplatten 19 Millimeter stark. Auf ganzer Schiffslänge sind vom Doppelboden bis einschließlich Deck 2 (etwa sieben Meter über Kiel) Zusatzspanten in einem Abstand von 35 Zentimeter eingebaut (normaler Spantabstand 70 Zentimeter). Das gibt dem gesamten Schiffskörper mehr Festigkeit. Auch bei der Antriebsanlage gibt es zahlreiche Maßnahmen, um die Eistauglichkeit des Schiffes zu gewährleisten: Die erforderliche Antriebsleistung ist vorgeschrieben, Propellerwellen, Getriebe und Ruderanlage sind verstärkt. Der Propeller ist aus Edelstahl (statt Bronze) und die Flügelspitzen sind verstärkt. Das Ruder ist durch einen Eissporn bei Rückwärtsfahrt geschützt. Am Bug des Schiffes sind eine Schleppklüse und starke Poller angeordnet, damit es ggf. von einem Eisbrecher geschleppt werden kann. Ein eisverstärktes Schiff ist schwerer als ein vergleichbares Schiff ohne Eisklasse und verursacht höhere Baukosten. PSW: Gilt die HANSEATIC allein schon aus den genannten Gründen als Eisbrecher? TN: Nein, Eisbrecher sind Spezialschiffe mit sehr hoher Maschinenleistung (teilweise sogar mit Nuklearantrieb) und besonderer Rumpfform. Sie brechen für andere Schiffe eine Fahrrinne durch das Eis und dienen ausschließlich diesem Zweck. PSW: Welche Eisstärken kann ein Schiff mit Eisklasse „A 1” bewältigen? TN: Eine einfache Regel dafür gibt es nicht, es hängt jeweils von den Eigenschaften des Eises ab: Von der Dicke der Eisdecke, von der Bedeckung der Meeresoberfläche (ausgedrückt in Zehntel), vom Alter des Eises (einjährig oder mehrjährig) und von der Größe der Eisstücke (Schollen, Bergy Bits, Growlers). Dazu einige Beispiele: Eine Festeisdecke (einjähriges Eis) von 30 bis 50 Zentimeter Dicke kann in der Regel mit cirka 5 kn konstanter Geschwindigkeit durchfahren werden. Stärkeres Eis kann gelegentlich durch „Rammen” gebrochen werden. Packeis unterschiedlicher Dicke mit einer Bedeckung bis etwa 8/10 kann durch Beiseiteschieben der Schollen mit 2 bis 3 kn durchfahren werden. Packeis mit einer Bedeckung von weniger als 4/10 kann meist ohne Eiskontakt mit einer größeren Geschwindigkeit unter Ausnützung der Lücken durchfahren werden. Brash Eis (sehr loses Packeis geringer Dichte) kann ohne weiteres mit 10 bis 12 kn durchfahren werden. Für den Kontakt mit größeren Eisstücken (Growler oder Bergy Bits) ist die Eisverstärkung zwar nicht ausgelegt, bei zufälliger Berührung mit sehr langsamer Fahrt ist ein Schaden allerdings meist gering („Beule”). |
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Im Sønderstrømfjord vor Kangerlussuaq – erste oder letzte Fjordpassage einer Grönland-Expedition – haben sich die Gletscher bereits weit zurückgezogen. |
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Eisberge, ob groß oder klein, sind Kunstwerke der Natur, sie variieren ... |
... in ihren Farben in allen Blau- über Türkis- bis strahlenden Weißtönen. |
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Ein Eisberg blockiert einen Fjordarm. |
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Eine typische grönländische Ansiedlung. |
Strandgut auf Grönland – Walknochen. |
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Passagiere können sich nicht sattsehen an dieser Eisberg-Skulptur auf Grönland. |
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Vereister Vormast – Eiskunst oder Kunsteis? |
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Eisbären auf Spitzbergen vom Schiff aus fotografiert. Besonders interessant ist die Spiegelung im Wasser. |
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Nur wenige Blumen gehören zur Flora Spitzbergens. |
Ein Gryllteisten-Paar begrüßt sich auf Spitzbergen. |
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In der Magdalenenbucht auf Spitzbergen gibt es einige Gletscher, der schönste ist wohl der hier gezeigte. |
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Die massigen Walrosse fühlen sich in der Arktis wohl. Im Winter ziehen sie südwärts, um dem Packeis auszuweichen, verlassen aber die polaren Breiten nicht. |
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Das Kap Tegetthoff auf der Insel Hall der Inselgruppe Franz-Josef-Land. Die russische Inselgruppe liegt ostnordöstlich von Spitzbergen und nordwestlich der Inselgruppe Sewernaja Semlja (Nordland). |
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Laura-Lena Förster Das Arktis-Tagebuch – Ein cooler Reisebericht ;-) Am Anfangt des Buches steht die Erklärung der Autorin, dass sie sich im Unterschied zur Mehrheit der Deutschen nicht für Mallorca, Gran Canaria oder sonstige warme Zonen, sondern schon immer mehr für die kargeren, kalten Gegenden interessiert habe. Da ihre Magisterarbeit in dieser Region „angesiedelt” war, wollte sie nun selbst sehen und erfahren, wie es da aussieht, wie es dort um die Tierwelt bestellt ist und wie die Menschen in dieser rauen Natur leben und arbeiten. Die Magisterarbeit hatte übrigens den Titel: „Der Konflikt um die Arktis. Möglichkeiten und Grenzen der Handhabung”. Welch ein Thema, das es in sich hat! Die Reise mit einem Kreuzfahrtschiff dorthin bot sich an. Natürlich, mit einem Kahn wie der FRAM (1892) würde heute niemand mehr lossegeln, um dann irgendwie den Nordpol zu besuchen. Der Drang, die Ungewöhnlichkeiten der Arktis zu bewundern, die Abenteuerlichkeit und die Unwägbarkeiten einer Reise in die unwirtliche Eismeerwüste wenigstens irgendwie nachzufühlen oder zu erahnen ist offenbar sehr groß. Erleben, erleiden und durchkämpfen kann man das à la Nansen oder Scott ja nun wirklich nicht mehr, im Schoße eines modernen 4-Sterne-Musikdampfers, der allen Komfort des 21. Jahrhunderts bietet und auf dem Partys, Wellnes und Ayouveda nicht zu kurz kommen. Der eine oder der andere mag sich, trotz wohlig-warmer Kabine und Gourmet-Mahlzeiten wie ein alter Polarforscher fühlen. Mancher fürchtet vielleicht zu spät zu kommen, und dann nicht mehr sagen zu können: „Seht her, ich war noch dort, bevor |
das ganze Eis verschwand und ich habe sogar einen Eisbären ‚in echt’ gesehen, als es noch welche gab”. Die Bundeskanzlerin fuhr ja auch einmal nach JWO (janz weit oben, wie der Berliner sagen würde) „um auf die nahende Klimakatastrophe aufmerksam zu machen”. Inzwischen ist ein boomender Arktis- und Antarktis-Seereisen-Markt entstanden. Die Sache ist leider nur die: Je mehr Leute dort hinkutschen, desto rascher geht es mit dem eisigen Klima den Berg herunter. Das ist die Wechselwirkung zwischen dem anschwellenden Tourismus samt damit verbundenen prima Geschäften und den Zerstörungen der Natur, überall auf der Welt. Laura-Lena Förster hat selbst diesen Zwiespalt empfunden und ihn benannt. Doch zurück zum Buchinhalt. Es handelt sich keineswegs um eine übliche Reisebeschreibung, sondern, um eine Mischung von Tagebuch und Urlaubs-Foto-Album. Und darin liegt der besondere Reiz. Die Autorin vermittelt ihren Leserinnen und Lesern nicht nur Reiserlebnisse, sondern wissenswerte Informationen. Sie stellt dabei die faszinierenden Landschaften vor, die gewaltigen Berge, auch Eisberge, beschreibt die Ausflüge, ihre Eindrücke und Erlebnisse auf den Touren per pedes und per Zodiak, macht mit der nördlichen Flora bekannt und mit der Fauna, den Moschusochsen, Seehunden, Schneehasen, Vögeln; und natürlich den Eisbären. Und immer ist Laura-Lena Förster nah bei den Menschen, den Mitreisenden, gut betuchten Passagieren wie Crewmitgliedern. Einige stellt sie den Lesern etwas näher vor, so den Eisbärwächter, den Stellvertreter des Kapitäns, die Lektorin, die Kabinenstewardeß, aber natürlich auch Einheimische, Inuits. Sie übersieht auch nicht die unscheinbaren Dinge am Rande, etwa Hinterlassenschaften früherer Polar-Expeditionen, von Jägern und Fischern und deren Behausungen und Werkstätten. Sie verweist auf manch Interessantes, das dem normalen Mitteleuropäer wohl fremd oder ungewöhnlich erscheint. Als junge Frau vergisst die Autorin natürlich nicht, etwas über die Moden nördlich des Polarkreises herauszufinden, und zeigt, wie man dort lebt, wie und wo man was einkauft beispielsweise und welchen Tätigkeiten die Leute nachgehen. Sie beklagt aber, dass so eine Touristenreise während der Ausflüge kaum Zeit lässt, sich mit den Leuten wirklich zu unterhalten, sie näher kennen zu lernen, zu befragen, mit ihnen zu diskutieren. Na, vielleicht ein andermal. Unklar ist mir geblieben, wieso die Flagge der kanadischen Provinz Nunavut in ihren Farben gelb, rot, viel weiß und etwas blau, die Frage „Litauen?” aufwerfen konnte, wo doch dieses baltische Land gelb-grün-rot trägt. Weiß ist lediglich der Ritter im Staatswappen. Blau kommt bei denen gar nicht vor. Das Buch hat Laura-Lena Förster übrigens – und darin besteht eine Besonderheit – nicht allein verfasst. Sie kommunizierte während der ganzen Reise per Internet mit Freundinnen und Bekannten, Kolleginnen und Verwandten, die mit ihr pausenlos gechattet haben. Deren Zwischenfragen und Kommentare, Bemerkungen und Einwürfe hat sie mit ins Tagebuch aufgenommen und abgedruckt. (zur besseren Orientierung in blauer Farbe). Diese zumeist kurzen, zusammen jedoch recht umfangreichen Texte, treiben die Geschichte teilweise gut voran. Es sind mehrere geistreiche Einfügungen darunter, doch leider auch einige weniger geistreiche oder originell sein sollende und einige überflüssige. Ich weiß nicht, ob dieser Text-Bild-Mix ein neues Literaturgenre sein soll, das sich künftig womöglich durchsetzen wird. Würde es mir dann gefallen? Aber ich habe wohl als alter Zausel wahrscheinlich nur kein Verständnis für die Erfindungen der heutigen Internet-Generation. Wie auch immer. Es ist ein anschauens- und lesenswertes Buch. Dr. phil. Robert Rosentreter, Fregattenkapitän a. D., Marine- und Schifffahrts-Historiker, Journalist
Erschienen bei Busse Collection (31. Januar 2012), Bielefeld, ISBN 978-3-512-04009-2, Umfang 234 Seiten, 200 Farbfotos, Karten etc., Format 21 x 15 cm, Broschur mit Banderole, € 14,95 (D), € 15,40 (A), CHF 23,50.
Busse Collection/Arktis-Tagebuch (scrollen) · amazon/Arktis-Tagebuch |
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Eis-Reisen von Dr. Peer Schmidt-Walther
„Ice is nice!”
– das ist der Wahlspruch von schwedischen und finnischen
Eisbrecher-Besatzungen. Auch der Autor hat ihn sich zueigen gemacht auf
zahlreichen Reisen zwischen Nordpol und Antarktis. Nicht zuletzt auch
während der Arbeit an seiner Dissertation über arktische Küsten. Denn Eis in allen seinen Formen unter
verschiedensten Lichtverhältnissen ist einfach faszinierend. Erst recht die
Fahrt durchs Eis: wenn es poltert, kracht und rumpelt – bis hin zum totalen
Stillstand vor meterhohen Barrieren. Wenn über einem Nordlichtschleier
wabern und 25 Grad minus alles erstarren lassen. Eine Kulisse, auf die sich
Eisbrecher-Fahrer nach sommerlicher Untätigkeit jedes Mal aufs Neue freuen,
trotz Polarnacht oder Schneestürmen. Frachter-Crews sehen das – verständlicherweise –
weniger romantisch verklärt, denn Eis bedeutet für sie harte Arbeit, wenn
zum Beispiel Winden, Luken und Verschlüsse aus ihrer Umklammerung befreit
werden müssen; wenn sie vor lauter Lärm kaum noch Schlaf finden; wenn sie
auf einen Eisbrecher warten müssen, weil ihr Schiff festliegt. Eis-Reisen – wie lange, so fragt man sich, sind sie
noch möglich angesichts der dramatischen globalen Erwärmung? – werden immer
beliebter: ob auf einem Frachter, Eisbrecher, Kreuzfahrt- oder
Expeditionsschiff. Im vorliegenden Buch werden sie allesamt vorgestellt, so
dass man vorab Informationen und Eindrücke sammeln – und sich darauf freuen
kann. Einer der bekanntesten deutschen Journalisten,
ARD-Dokumentarfilmer und Sachbuchautoren brachte es auf den Punkt:
„Eis-Reisen – die faszinierendste Art des
Reisens!” – Dr. Klaus Bednarz Erschienen im
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