Dies ist nicht nur ein Essay. Deutsch: ein Essee,
english: an essea. Also eine
Seegeschichte. Es sind
Salzwassergedanken über das süße Leben in einer sauren Zeit.
Ich habe an Bord bei den Amerikanern gelernt, dass so vieles „so
sweet” ist im Leben. Wenn ich
frisch rasiert und freundlich den Sessel unter den Po der Lady schiebe, ist
das „so sweet”, wenn die Möwe auf der
Reling landet, ist das „so sweet”(auch
wenn sie dann auf das Mahagoni
scheißt), und vor allem ist meine Model-Muse „really, really sweet”.
Wir sind an die Riviera und auf der RIVIERA
gefahren und wissen nun, was Lebensglück bedeuten kann. Dieses nagelneue,
just getaufte Schiff ist eine maritime Offenbarung.
Ach, sag’ ich’s
lieber jugendlich: dieses Schiff, das
ist der Hammer.
Begonnen hat alles mit einer anderen Geschichte.
Zuerst in Hamburg. Dann in Bordeaux. Stellen Sie sich vor: deutsche Premiere
einer Schweizer Weltmarke beim glänzendsten Glitzerjuwelier in der Hamburger
Innenstadt. Weißes Partyzelt auf dem
Bürgersteig. Darunter security-checks
erster Ordnung. Wie Flughafenkontrolle ohne Flieger. Diskrete Jewelguards an
allen Ecken. Wummen unter weißen Westen. Alles von enormer Wichtigkeit. Die
teuerste der neuen Uhrenwunder, der neuen Wunderuhren kostete
– angeblich – einen
siebenstelligen Betrag. Solvenz aus
vielen Ecken war in die Hansestadt gekommen. Schneeweißer Laufsteg in
gleißendes Scheinwerferlicht getaucht.
Und darauf die schönsten Models ganz in schwarz. Mal minikurz, mal edellang.
Schwarz als Kontrast zum leuchtenden Weiß des Premierendekors.
Verfolger-Spots auf glitzernde Handgelenke und Diamantenfinger. Fotografen, Kameras, klassische Musik und viel
Champagner.
In einer Pause sah ich sie, abseits im Halbdunkel an
einer Säule lehnend. Allein. Alleingelassen. Hilflos irgendwie.
Ihre Haltung alarmierte mich.
Schnell nahm ich Eiswürfel von irgendeinem Tablett. Gab ihr ein Glas Wasser.
Hielt sie fest. Nur zwei, drei Minuten
lang. Dann kam das Leben rasch zurück in ihr blass gewordenes Gesicht. Mit
großen braunen Augen schob sie meinen Arm ganz sanft
zurück. „Sie sind der einzige, der mir geholfen hat”,
sagte sie leise. Und dann gab sie mir so einen kleinen scheuen Kuss auf die
Wange, und – pssst! – ein
Zeichen: Nein, nicht hinlegen. Nicht
mehr kümmern. Keiner sollte ihren kurzen Schwäche-Anfall bemerken. Ihren
Fast-blackout. Modelmädchen haben
durchzuhalten. Caroline hielt durch. Das war der Anfang einer wunderschönen
Freundschaft.
Diese französische Schönheit namens Caroline de
Morillon wohnt in Bordeaux. Wie eine
blühende Rebenrose mitten im Mekka des Weinanbaus. Nein, kein guter
Vergleich. In Mekka wird ja kein Wein getrunken. Aber Sie verstehen, was ich
meine. Bordeaux, le dorado des connaisseurs. Bordeaux – le coeur du vin. Das
Herz des Weines (das Wort „Likör” ist so
entstanden). Und wie ich mich dann freute über die weinrote Einladung ins
Bordelais. Die berühmtesten
Appelationen stellten dort ihre alten und neuen Jahrgänge vor. Wein, Wein,
Wein. Vom Berg St. Emillon bis
hinunter in die tiefsten Keller der Altstadt. Und in einem dieser Keller
posierte – vor großen Eichenfässern – Caroline de Morillon im
Blitzlichtgewitter. Kurzer Rock und lange Beine. Davor eine derbe dicke
Lederschürze. Sie lächelte ihr certain
sourir. Wieder dieses gewisse Lächeln. Spinnweben, Flaschen, Gläser,
Kerzenschein. Der Kellermeister
zauberte mit tiefer Stimme und geistreichen Sprüchen immer ältere Jahrgänge
aus den kalkigen Katakomben. Caroline
de Morillon spricht drei Sprachen perfekt. Französisch, englisch, deutsch.
So dozierte sie dreisprachig ihr Weinwissen in die Runde, bis keiner mehr
lauschte und erste schon lallten. Wir
bissen ab von dem Käse, aber redeten ihn nicht, als sie mich fragte, was
denn so anliegt, und ich ihr sagte, das sei ein Schiff.
„Ein amerikanisches Schiff, in Italien gebaut, wird in Spanien
getauft, und ich bin dabei”.
Sie sei noch nie auf einem Kreuzfahrtschiff gefahren, sagte sie,
machte ganz artig einen Knicks und lächelte: „Nimmst Du mich mit?”
Landung in Nizza.
Kurvenfahrt hoch über der Blumenküste nach Monaco.
Bunte Einstimmung in ein besonderes Erlebnis. „Ich kann Dich als
Model nicht bezahlen”, sagte ich ihr im
Schaukelbus. Mein Auftraggeber auch nicht.
„Für wen schreibst Du?” fragte sie
zurück. „SM”
– sagte ich kurz, weil der Bus gerade so schwankte und ich mich festhalten
musste. „SM?
Ob ich dafür die Richtige bin?” zog
sie die Augenbrauen hoch. „Du sagst
doch, dass Du noch nie dabeigewesen bist?
Dann wird das bestimmt auch für Dich ganz spannend!”
„SM”, überlegte sie,
„hast Du denn Peitschen und sowas
mit dabei?“ Ich muss irgendwie
verdutzt ausgesehen haben. „SM?” – sagte
sie wieder, „Du mich oder ich Dich?”
Ich musste grinsen. „SM heißt SeereisenMagazin”.
Wir fielen uns lachend um den Hals. „Okay”,
sagte sie, „dann kriegst Du mich auch ohne Peitsche. Aber nur Du. Keiner von
den anderen Fotografen! Das würde mir echt professionellen Ärger bringen ...”
„Abgemacht“, sagte ich und freute mich für meinen Herausgeber Egon Giebe und
seinen Honorar-Etat.
Der Abend in Monte Carlo war „breathtaking”
– wie die Amerikaner sagen. Diese RIVIERA
– was für ein Schiff! Wir schlenderten
über das Oberdeck und tränkten unsere Augen im Lichtermeer des Fürstentums.
Wir lagen in der malerischsten Bucht, die man sich denken kann. Die
man als Kulisse aus so vielen Filmen kennt. Kulisse auch für das
Formel-Eins-Rennen jedes Jahr im Mai. Und rund um die Bucht dieser an den
Berg gebaute Reichtum, tausend gelbliche Fassaden mit Millionen funkelnder
Lichter. Da drüben das Casino. Wo Gitte ihre große Liebe verspielt hat. Da
oben der Fürstenpalast, in dem sich einst Grace Kelly in ihren Rainier
verliebte, verlobte und sich dann dort verewigte. Was für ein Lebensweg, von
Hollywood nach Monte Carlo. Und jetzt stand gewiss Charlene da oben: „Sie
stand auf ihres Daches Zinnen und schaute mit vergnügten Sinnen auf ihr
beherrschtes Fürstentum”, vielleicht saß
sie auch auf Alberts Schoß, das Champagnerglas in der Hand, und weiter
Schiller zitierend: „Dies alles ist mir untertänig, begann sie zu Monacos
König, gestehe, dass ich glücklich bin ...”
WIR waren glücklich.
Es gibt eine Umgebung, es gibt ein Ambiente, eine Atmosphäre
– die machen einfach glücklich.
Erstes Dinner an Bord, erste Klänge, laue Lüfte, lauter Lächeln, die
Amerikaner haben uns und wir die Amerikaner – gleich von Anfang an ins Herz
geschlossen. Ich hatte so ein bißchen befürchtet, auf so einen riesigen
Ami-Dampfer zu geraten, so mit Micky Mouse und Donald Duck, mit Ketchup- und
Kaugummi-Gerüchen. Wie Miami im
Mittelmeer. Aber nichts von alledem. Sondern genau das Gegenteil.
Gediegenheit und Eleganz. First Class für alle Klassen.
A taste of culture all around, verbunden mit dem Komfort der Neuen
Welt – dieser erste Eindruck machte mich neugierig von der ersten Minute an.
Diese neue RIVIERA – kein Kontrast,
sondern Symbiose der Kulturen.
Die RIVIERA ist
das neueste Schiff der amerikanischen Reederei
Oceania Cruises. Dieses vor neun Jahren gegründete Unternehmen ist
dabei, das Luxus-Segment des internationalen Kreuzfahrtmarktes zu erobern.
Konkurrenz also für alteingesessene europäische Schifffahrts-Unternehmen.
Höchster Komfort zu günstigen Preisen – lautet die Kampfansage der
maritimen Eroberer aus der Neuen Welt.
Vor fünfhundert Jahren hat der Italiener Columbus Amerika entdeckt, einen
Kontinent, den er ja zunächst für „Westindien”
hielt. Jetzt lassen die damals
Entdeckten in Italien (bei Fincantieri in Genua) ihre Flotte bauen, mit der
sie die Alte Welt zurückerobern wollen.
Oceania Cruises will sich also nicht begnügen mit einem weiteren
Shuttle Service von Miami durch die Karibik und zurück, sondern will dem
amerikanischen Kreuzfahrt-Publikum den Weg zurück ins Alte Europa weisen,
ins Mittelmeer vor allem, zu den Wurzeln der Weltgeschichte: Ziele wie Rom,
Venedig, Athen, Lissabon, Barcelona, Valencia, Istanbul stehen auf der
Agenda der Amerikaner.
Das Interesse für solche „Europa-Entdeckungsreisen”
sei drüben gewaltig, erklärt mir Oceania-President Kunal S. Kamlani.
Er ist ein Mann, der sein Team der Planer und der Macher mitzureißen
versteht. Er bezeichnet sein Schiff als „extraordinary creation”
und lobt die „beauty and sophistication”
der RIVIERA und ihres Schwesterschiffs MARINA.
Und er bezeichnet uns als „newfound friends”.
Ja, das schwebt ihnen vor, den Amerikanern: an Bord eine Harmonie zu
schaffen zwischen den Passagieren vom Niagara und vom Neckar, vom Erie- und
vom Bodensee, vom Mississippi und vom Main. Aber natürlich wirbt man auch um
Gäste von der Themse und vom Tiber, um Passagiere aus Großbritannien,
Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, aus der Schweiz und Österreich,
sogar russische oder skandinavische Gäste sind willkommen an Bord.
Mein erster Eindruck ist, dass den Amerikanern diese
Internationalität gelingen könnte. Sie sind den „melting pot”
gewöhnt. Selten haben wir so
interessanten Vorträgen zugehört wie auf dieser Jungfernreise, selten solch
spannende Gespräche geführt, das Interesse des amerikanischen
Schiffsreise-Publikums am Alten Europa scheint riesengroß. Vor allem die
„best-ager” – also die Berufstätigen so um
die 50 – wollen mehr sehen und mehr erfahren von Gegenden des Globus, die
sie bisher nicht kannten. So wird die
RIVIERA wohl zum Treffpunkt
comfortgewohnter Globetrotter aus
beiden Welten. Und wird beitragen zum gegenseitigen Verständnis. „That’s
the reason we do what we do”,
resumiert Kunal Kamlani.
Bordsprache ist englisch, aber geredet wird in
vielen Idiomen. Jedes Besatzungsmitglied trägt ein kleines Hinweisschildchen
am Revers, mit dem Namen und dem Herkunftsland. Die RIVIERA
kommt mir vor wie eine UNO auf See. Die Designer des Schiffes sind Norweger,
sie haben ein tolles Schiff geplant, gezeichnet und all ihre Ideen
umgesetzt. Die Kücheneinrichtung – nur mal als Beispiel – kommt aus Italien,
die Fahrstühle kommen aus Deutschland, die Koch-Brigaden vor allem aus
Frankreich, Österreich und der Schweiz, Bilder, Skulpturen, überhaupt die
Kunst an Bord aus aller Welt, Glaskunst von Lalique, furnishing von Ralph
Lauren, Interiors von Susan Bednar, das elegant-dezente Mobiliar stammt aus
England und Italien, die Künstler – nach anspruchsvollen
special castings – vom Broadway und namhaften Tanztheatern, der ganze
große Spa-Bereich ist kalifornisch, die wunderschönen Teppichböden kommen
aus Dänemark, das schicke Porzellan von Rosenthal aus Deutschland, die
Gläser von RIEDEL – man könnte noch
viele andere Herkunftsländer entdecken, wenn man sich auf die Suche machte.
Aber alles in allem kann ich sagen: die Bauherren der RIVIERA
haben sich eine Menge toller Gedanken
gemacht, diese kreativ umgesetzt und ein wunderbares Ergebnis erzielt.
Nehmen wir nur mal die Kabinen: fast jede mit
eigener Veranda, mit Badewanne und getrennter Dusche, mit Schreibtisch, PC
und (in allen Häfen) Internet-Anschluss. Die Auswahl der Fernseh-Sender ist
ein bißchen „poor” – soll aber besser
eingerichtet werden. Allerdings: wer sitzt auf solch einem Schiff vor dem
Fernseher? Außer bei dringenden
Nachrichten kaum vorstellbar. Die
Sport- und Spiel- und Unterhaltungsmöglichkeiten sind so vielfältig, dass
man unmöglich alle Angebote wahrnehmen kann. Oben an Deck eine Rundlaufbahn
über fast 400 Meter, Golfplatz mit neun Löchern, Tennisplätze,
Muskelmaschinen, Laufbänder, Gewichte, Squash, Jakuzis draußen und drinnen,
eine Daddelhalle für Lasvegianer, der Pool ist mit 5 mal 15 Metern größer
als auf den meisten Schiffen. Man kann
daran und daran und daran teilnehmen – oder es auch lassen. 1250 Passagiere
können mitreisen, und so viele Liegen gibt es auch.
Da wird nichts „reserviert”, – und
wer es dennoch täte, machte sich nichts als lächerlich.
„There’s only one
thing better than one new ship, and that is two new ships”
– sagte Frank del Rio, Gründer von Oceania Cruises.
Und ließ nach MS MARINA
nun die RIVIERA bauen. Insgesamt laufen
sechs Schiffe unter der Oceania-Flagge. Und wie es aussieht, kommen bald
weitere hinzu. Dieses neueste Schiff, die RIVIERA,
ist rund 250 Meter lang, hat zwölf Decks und rund 650 Kabinen. Wir haben mit
Frank del Rio zusammen gegessen, er hat uns eingeladen, und schon nach zehn
Minuten intensiver Unterhaltung wusste ich, was der alte Ausdruck
„Gründergeist” bedeutet. Dieser Mann ist
ein Gründer und Begründer. Einer, den Ideen faszinieren, einer, der sich und
andere antreiben kann bis an die Leistungsgrenze. Und der diese Ideen dann
auch umzusetzen weiß. Das Geld holt er
sich bei seinen „Investors”. Das sind
„wealthy people”, wohlhabende Amerikaner –
jedenfalls überwiegend aus den USA
– die ihr Geld steuersparend und profitabel anlegen wollen. Und dabei
auch noch das schöne Gefühl genießen können, etwas Großartiges zu schaffen.
Ein Schiff wie die RIVIERA beispielsweise.
Da haben sie einen sichtbaren, greifbaren, erlebbaren Gegenwert für ihr
Investment.
„I am Frank, and who are you?”
„Caroline and Herbert, from France and Germany”.
„What do you like to drink?”
„Red wine from Bordeaux”. „2007,
St. Emillon, is that okay?” Er zeigte auf sich: „I
drink Californian wine, please understand?”
Na klar wollte er kalifornischen Wein, und wir machten mit. Sie haben Wein
aus 30 Ländern und tausend Lagen an Bord. Und ein Spirituosen-Arsenal für
alle Geschmäcker dieser Welt.
Und 25 Biere und noch mehr Champagnersorten. Aber
all das mag es auch auf anderen Schiffen geben. Was es nicht gibt, jedenfall
nicht überall, das ist dieser „spirit”.
Dieser besondere Geist an Bord. Diese besondere Offenheit und Herzlichkeit.
Ich will mal ein großes Wort gebrauchen: auch diese
Mitmenschlichkeit, die ich so noch auf keinem
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anderen Schiff beobachtet habe. Man kümmert sich
umeinander, ohne aufdringlich zu sein. Wir haben gewürfelt und gespielt und
getanzt und getobt mit den Amerikanern, let’s
have fun, wie ihr ansteckendes Motto lautet. Aber auch ganz tiefgehende
persönliche Gespräche geführt, an der Reling, beim Dinér, im Ausflugsbus
über Land.
Zum RIVIERA-spirit
beitragen mag eine Besonderheit an Bord: es gibt keine festen
Tischordnungen. Man ist nicht 14 Tage oder drei Wochen an die gleichen
Tisch-Nachbarn gebunden. Jeder geht essen, wo und wie und wann es ihm
beliebt. Es gibt eine große, helle Dining-Hall, mit herrlichen
Fensterplätzen und einem Kronleuchter von acht Metern Durchmesser. Das Essen
dort ist vielfältig, variabel,
spannend, exquisit. Dann gibt es –
weiter oben – ein Buffet, ein Selbstbedienungs-Restaurant, wo sich
diejenigen einfinden, die ihr sonstiges Programm lieber kürzer unterbrechen
oder auch ihre kulinarischen Verzehre mal reduzieren möchten.
Der Clou auf der RIVIERA sind aber
die internationalen Spezialitäten-Restaurants. Ob japanisch im „Red Ginger”,
ob französisch im „Jaques”, ob italienisch
im „Toscana”, ob englisch im „Polo Grill”
– den kulinarischen Vorlieben der Gäste sind keine Grenzen gesetzt.
All diese Restaurants sind unterschiedlich eingerichtet, jedes strahlt eine
besondere Atmosphäre aus. Nur ein deutsches „Hofbräuhaus”,
das fehlte noch ...
Chef der gesamten Bord-Gastronomie ist der Franzose
Franck Garanger, ein Typ wie Napoleon, korsisch und eroberungsbewusst, der
seine attraktive Landsfrau, das Model Caroline de Morillon sogleich zu einem
Kochkurs in sein Reich der weißen Mützen eingeladen hat. Sie weiß jetzt, wie
man Crème Brulée mit einem Flammenwerfer bräunt. Auch, wie man den Canard à
l’orange feinzüngig und raffiniert
süßsäuert, wie man eine Brühe doppelt klärt und wie man Tomaten lauwarm
schält. Küchenchef ist Jaques Pepin, der ihr gezeigt hat, wie man den
Zackenbarsch entdärmt und die Scholle filetiert.
Aber als sie dann lebende Lobster ins kochende Wasser werfen sollte,
flüchtete sie zurück in meine rettenden Arme.
Sie konnte ich retten, den Lobster nicht. Den haben wir dann
„Thermidor” gegessen, und trockenen Soave
dazu getrunken, und mit Elaine am Tisch über das Thron-Jubiläum ihrer
Lisbeth geredet, und mit Don Esteban über die spanische Fußball-Mannschaft,
und mit David Coury über Levy-Jeans aus der Türkei – ach, an Bord googelt
und gurgelt man sich so durch, dieses „socialising”
ist manchmal spannend, manchmal auch entbehrlich, je nach Lust und Laune und
nach Tageszeit.
Na, und dann das Stichwort „Entertainment”.
Da sind uns die Amis weit voraus. Das muss man neidlos anerkennen.
Sie haben eine riesige Show-Bühne mit tausend Scheinwerfern und hundert
Lichteffekten. Ein Theater mit 800 fetten Polstersitzen und viel
Beinfreiheit. Extreme Beinfreiheit
zeigen auch die attraktiven Tänzerinnen.
Jeden Abend eine andere Show. Alles live, auch die Musik.
Erstklassige Band, erstklassige Stimmen, grandiose Bühnenbilder, spannende
Kostüme, viel Stimmung jeden Abend. Wir haben eine mitreißende Hommage an
Andrew Lloyd Webber gesehen, ein Beatles-Revival, ein
rasantes Aquarius-Remake – das Entertainment bekommt – wie bei „Let’s
dance” – gerechte
10 Punkte ohne Abzug.
„Commitment to Excellence”
nennt Chairman und CEO Frank del Rio das Motto seiner Mannschaft. Auf
See und an Land. Und sein eigenes. Es
sei „quest for perfection”, das Streben
nach Perfektion, das ihn und seine Leute antreibe. Ich gebe zu bedenken,
während ich dieses Stück vom Angus-Rind lutsche (weil es so zart ist,
brauche ich es fast nicht zu kauen), ich gebe also zu bedenken, dass diese
anderen neuen amerikanischen Riesenschiffe, dass dieser Gigantismus auf See
zumindest das deutsche Kreuzfahrtpublikum eher skeptisch mache als zur
Buchung animiere. Sofort gibt er
mir Recht. Deshalb seien ja die MARINA und
die RIVIERA auch längst nicht so gewaltig.
Und er fügt wörtlich hinzu: „We did a very good job in creating a larger
vessel with a small-ship feel”.
Frei übersetzt: „Trotz unserer Größe geben wir unseren Gästen das
Gefühl, auf einem kleineren Schiff zu sein”.
Das stimmt. Wir haben nie das Gefühl der Anonymität, nie ein Gefühl
von Massentourismus oder Abgefertigtwerden.
Aber Schiffsreisen macht man ja vor allem wegen Land
und Leuten, wegen der Anlaufhäfen und der Reiseziele. Allerdings sind solche
Landgänge mit einem optischen Magneten wie dieser Caroline de Morillon nicht
nur ein touristisches Ereignis, sondern auch oft ziemlich spektakulär –
kommt von Spektakel. Sie will es nicht, hat’s
ganz gewiss nicht angelegt darauf, und trotzdem löst sie Suchtgefahren aus.
Leute wollen sich mit ihr fotografieren lassen, Leute laufen ihr nach, Leute
fassen sie an. Welch ein Glück, dass ich so hässlich bin, dachte ich mir,
als ich auf der Parkbank vor der Santa Segrada auf sie wartete.
In Marseille erkannten sie sogar Leute auf offener
Straße wieder, was weiß ich aus welchen Magazinen oder von welchen
Auftritten oder Fotos, einer kippte gar seinen Espresso um, weil er zu
schnell aufsprang, als sie das Straßencafé passierte. Sie lachte nur, wie
sie ja so häufig lacht, auch wenn neben ihr die Reifen quietschen.
Sie moderiert in Radio und TV, sie posiert vor Kameras und Künstlern,
sie tanzt bei Dance4fans und was weiß ich noch wo, sie kennt den Rummel und
sie kümmert sich nicht drum. Irgendwann hab’
ich das auch begriffen und mich dagegen immunisiert ...
Valencia – vor vielen Jahren war ich schon mal da.
Begegnung mit dem damals größten Torero Dominguin. Mit dem Literaten Erich
Edwin Dwinger. Mit Ille König, meiner damals großen Liebe. Hab’
ich ja alles beschrieben in meinem Buch „Gespräche an der Reling”.
Jetzt also das neue Valencia. Es haut einen um, was die Spanier da
geschaffen haben. Ihre „Stadt der
Künste und der Wissenschaften” hat der
weltberühmte Architekt Santiago Calatrava gebaut. Es ist das
eindrucksvollste Beispiel moderner Architektur,
das wir, Caro und ich, bisher je gesehen haben. Das einem riesigen
Wal-Skelett nachempfundene interaktive Museum zum Beispiel, das höchste
Opernhaus der Welt, an Drahtseilen festgemacht, das größte Aquarium Europas
mit zehntausend Fischen und der gesamten Meeresfauna,
das Planetarium „Hemisphere”, der
Skulpturenpark „l’umbracie”
– alles eingetaucht in türkisfarbene Wasserflächen – architektonisch
faszinierend.
Aber dann stoppte der Kleinbus mit den „Investors“
jäh neben unserem Bürgersteig. „Come in, please join us, hey, the General
and his female soldier, come in!” Wir
kletterten zu den Amis auf die Sitze. Wieso „General”? fragte ich die
aufgedrehten Kalifornier, Colorader, Floridaner. „Weil Du Kommandos gibst,
und sie gehorcht ... vor Deiner Kamera”.
„Da siehste mal”, grinste Caroline. Und zu den Amis mit geballter
Faust: „Yes, you are right, gentlemen! He is my commander!”
Ich wusste nicht, ob ich irgendwelchen Protest erheben sollte.
Egal. Jedenfalls ging die Fahrt nun über die berühmte Blumenbrücke
von Valencia zur Plaza del Mercado. Dort dann ’rein
in die Markthallen, wo sich die besten Calamares schlängeln und die
dicksten Serrano-Schinken von der Decke hängen. Schauen Sie sich die Fotos
an!
Dann hatte der Ober-Investor eine glänzende Idee:
wir fuhren zum legendären Restaurante Pepica. Lauter urige
Fischrestaurants kauern da entlang der Strandpromenade von Valencia. Das
berühmteste aber ist das Pepica. Dort hat schon Hemingway seine Gambas
ausgepult (siehe Fotos), dort gastiert
von Zeit zu Zeit das Königspaar (siehe die Widmung von Königin Sofia an der
Wand), dort trifft man nicht nur alle Fische des Mittelmeers, sondern auch
Künstler, Trinker, Dichter, Denker – und Investoren. Wir investierten in
eine Riesenpfanne mit Paella, in weißen Wein und braunen Brandy, wir
investierten ins Leben, wo es am schönsten ist. Valencia liegt zwar nicht an
der Riviera, aber die RIVIERA lag in
Valencia und Caroline in meinen Armen und nichts im Argen und alles am Wein
...
Seetage hatten wir auch. Schön, mal richtig Luft zu
holen. Zu relaxen auf den breiten Doppelliegen auf Deck 8 ganz vorne, oder
an der Poolbar Planters Punch zu schlürfen, oder tiefgekühlte Austern am
Panorama-Fenster (siehe Fotos). Oder
den schwarzen Kaviar zwischen Zunge und Oberkiefer ganz langsam zu
zerdrücken, Genuss in seiner schönsten Steigerung. Man möchte sie bewahren,
solche Minuten, solche Stunden – und wieso komme ich jetzt auf „Post”?
Ach ja, weil die abging am späten Abend nach den japanischen
Wasabi-Genüssen mit Sticks im „Red Ginger”.
Dann kreischt der Dancefloor nach den Damen, die tobend aufhören,
welche zu sein. Wie heißt das große zottige Tier mit den gefährlichen
Tatzen? Ach ja, der Bär geht ab, wenn die großen Boxen ihr unsichtbares
Phonmaul aufreißen, bis nicht nur der Boden zittert. Alter schützt vor
Rohheit nicht – und so zerrten sie mich ein ums andere Mal ins
Halogen-Gewitter, die Tänzerinnen, die ihr Showprogramm unten beendet und
sich da so richtig warmgelaufen hatten und nun hier oben weitertobten.
Und mittendrin im zuckenden Gedränge und Gedröhne:
Caroline de Morillon als Dancing Queen. Die Investorenfrauen feierten wie
wild mit ihr, Verehrer schlängelten sich aus dem dunklen Hintergrund auf die
Tanzfläche und drängten sich um sie, der Küchen-Bonaparte Garanger noch in
weißer Schürze, Kreuzfahrtdirektor
Leslie Jon, der dabei auf eine gute Ideen gekommen ist, Mary Stuart-Miller,
diese extrem kompetente PR-Lady für Europa, Anthony Hopkins, der im
wirklichen Leben Karl Neuhold heißt und seine schöne Ekaterina, sogar
Kapitän Luca Manzi explodierte ganz diskret,
Caro brachte alle in ein wildes Zumba-Fieber, und die Stimmung
kochte, bis – über dem Mittelmeer leuchteten schon erste schräge
Sonnenstrahlen – uns sanftere
Zauberklänge in eine noch schönere Welt versetzten ...
Zur guten Idee des Cruise-Directors: er hatte
Caroline bei ihrem eigenen Zumba-Fitness-Programm auf dem knallblauen
Oberdeck gesehen, ihre Übungen und Sprünge, ihre Spagati und Pirouetten, und
da meinte er, das wär’ doch auch was für
die anderen Passagiere. Was für ein Spaß,
Caroline de Morillon als „Dance Instructor”
auf dem Schiff? „You as our
Zumba-Queen?”
„It’s a matter of time”,
entgegnete sie, aber grundsätzlich verspüre sie Lust dazu, und ja, das wäre
ganz bestimmt „big fun”, und sie würde
sich’s überlegen,
und all die Investoren, die von dem eventuellen deal erfuhren, waren
ganz „out
of the
little house”
(oder wie übersetzt man „aus dem Häuschen”?)
über diese Idee. Ich habe ihr auch zugeredet, aber da sie in einem engen
Terminkalender steckt, wird „Zumba an Bord”
nicht so ganz einfach werden für „mein Model”
Caroline de Morillon.
Na, und dann die Taufe der RIVIERA
im Hafen von Barcelona! Was für
ein Fest! Auf der Pier hatten die Spanier eine Landschaft weiß bezogener
Stühle aufgestellt. 2000 Stück im Halbrund um die Bühne. Und auf der Bühne
zelebrierten große Künstler ein tolles Festprogramm. Zum Beispiel der Tenor
Giorgio Olmo und die Sopranistin Alina Furman vom berühmtesten und ältesten
Opernhaus Spaniens in Barcelona. Die Flamenco Company Rafael Amargo hämmerte
rasante Rhythmen in den Bühnenboden. Die Nationalhymnen Spaniens und der
U.S.A. ertönten. Alle standen ergriffen auf, als die Fahnen aufgezogen
wurden. Akrobaten am Hochtrapez. Schlanke Senoritas bewegungslos als
menschliche Denkmäler in rotem Samt auf hohen Podesten.
Die Bosse hielten bewegende Reden. Sämtliche Köche
und Stewards winkten von den Steuerbord-Balkonen. Taufpatin war Cat Cora, im
amerikanischen Fernsehen eine Koch-Ikone, eine Institution am Herd, eine
wahre „Godmother”. Sie stellte ihre sehr
charmante Frau auf der Bühne vor. Und weinte, als sie ihren alten Vater im
Publikum entdeckte. Und dann legte sie einen großen silbernen Hebel um, der
die Halterung der Champagnerflasche löste. Krachend zerbarst sie am Bug.
Pastor Ricardo Rodriguez vom Apostolat des Meeres in Barcelona segnete das
Schiff, Kapitän Luca Manzi wünschte der RIVIERA
eine allzeit gute Fahrt, aus riesigen Konfetti-Kanonen schossen sie ihre
friedliche Munition in den Himmel, und wie ein Teppich in den spanischen
Nationalfarben rot und gelb segelten Millionen kleine Papierblüten hinunter
auf die Pier.
Soll ich noch mehr reiseberichten? Oder
romanzieren? Oder wollen Sie sich lieber die Fotos anschauen? Diese Tour hat
unsere Seele bereichert. Barcelona und die Rambla, das kennen Sie. Marseille
und den Vieux Port, den alten Hafen, sicher auch. Die Armada der Segelboote
auf dem tintenblauen Wasser, der Fischmarkt, die herzlichen Begegnungen in
Hamburgs Partnerstadt Marseille. Sogar die Kellner im Hafenclub wollten mit
Caroline de Morillon auf’s Foto. Ich
verspreche Ihnen schöne Bilder.
Vor allem von Venedig. Das Einlaufen dort, dieses
Hineingleiten in eine große Vergangenheit, vorbei am Campanile, am
Markusplatz, am Dogenpalast, das hat uns den Atem verschlagen. Wollen Sie in
bunten Pixeln schwelgen? Dann – bitte – schauen Sie sich auch die Fotos an
von den Inseln Murano und Burano in der Laguna di Venezia. Auf Murano haben
Caroline und ich die berühmten Glasbläser besucht, sie stand mit den
Meistern an den glühend heißen Öfen. Auf Burano haben wir das
unvergleichliche Farbenspiel all der bunten Häuser bewundert. Und sie hat
ihre Maske für den nächsten Carnevale di Venezia ausgesucht. In Venedig hat
uns Carolines Fan, der charmante Mister David Coury aus Los Angeles, eine
Gondelfahrt durch die Kanäle der Lagunenstadt spendiert, so schön, so
romantisch, fast wie im richtigen Leben. Wir haben ihm drei große gläserne
Würfel aus Murano dafür geschenkt. Die RIVIERA
war für uns – und ist für jeden – eine der schönsten Erfahrungen im Leben.
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