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Barcelona muss man Schiffsreisenden nicht
vorstellen. Die Stadt ist nicht nur wegen Gaudi ein beliebter Stopp. Dass
sie, wie alle Großstädte, auch dunkle Seiten hat, kann man sich vorstellen.
Dunkle Seiten auch in den so genannten besseren Kreisen? Antonio Hill, 1966 in Barcelona geboren, legt mit
„Der Sommer der toten Puppen” seinen
ersten Krimi vor. Und der Verlag kündigt an, er sei der erste einer Serie um
den Protagonisten, Inspektor Héctor Salgado. Der arbeitet als Argentinier
bei der Kripo Barcelonas und kehrt zu Beginn des Buches gerade aus einem
eher unfreiwilligen Urlaub zurück. In einem Ermittlungsfall hatte er
jemanden zusammengeschlagen. Und privat ist bei ihm einiges schief gelaufen.
Seinen Sohn hat er sehr lange
nicht mehr gesehen, seine Frau Ruth liebt eine andere Frau und zog aus.
Jetzt soll Salgado in einem Todesfall inoffiziell ermitteln. Sein Chef
glaubt an einen Unfall, nicht an ein Verbrechen. Der Unfall (oder das Verbrechen?) ereignete sich in
der Johannisnacht auf einer Party in sehr kleinem Kreis. Marc, Sohn eines
Unternehmers, trifft sich mit Gina und Aleix. Und stürzt, als er vor offenem
Dachfenster raucht, auf die Straße und ist sofort tot. Den ganzen Fall würde
die Oberschicht Barcelonas am liebsten vergessen. Quasi zur Bewährung legt Salgado los, weibliche
Kollegen helfen ihm. Auch sie haben, wie Salgado, ihre privaten Probleme.
Doch was sie dann herausfinden, erschüttert Barcelona. Antonio Hill hat Psychologie studiert. Und er hat
sich beim Erzählen der Story für eine „objektive”
Kamera entschieden. Der Leser blickt sozusagen von oben oder aus wechselnden
Perspektiven auf das Bild und der Autor folgt (fast) allen Beteiligten. Das
führt zu einem eher ruhigen Verlauf und vielen Einblicken in viele Seelen.
Ein „Action-Krimi”
ist der „Sommer der Toten Puppen”
also nicht. Aber er ist einer, dessen Sprache man sehr bald genau so gern
mag wie die Ermittler. „So war der Sommer in Barcelona: feucht und klebrig wie ein zerlaufenes Eis”, heißt es gleich eingangs. Und dann denkt Salgado über seine Frau und die Stadt nach: „Für ihn war Barcelona Ruth: schön und ohne alles Schrille, an der Oberfläche ruhig, aber mit dunklen Winkeln und jenem Hauch von hipper Eleganz, der so charmant war wie zum Verzweifeln. Beide, Ruth und Barcelona, waren sich ihrer natürlichen Reize bewusst, hatten dieses undefinierbare Etwas, nach dem viele andere strebten und was sie nur bewundern oder beneiden konnten”. Und so sieht ein Tag in der katalanischen Metropole aus: „An einem solchen Tag, mit blendender Sonne und erstickenden Temperaturen, schien der Himmel sich weiß gefärbt zu haben, und die Berge, schemenhaft erkennbar am Ende der langen Avenida, deuteten das Versprechen auf eine Oase an, die umso erfrischender sein musste, als der Asphalt |
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Tja,
Hein Mück hat wieder etwas gelernt. Als
Fahrensmann und Vielreisender interessiert ihn ja immer, warum andere
Leute sich der Mühsal einer Reise unterziehen. Schwester und Schwager
spotteten neulich, dass eine Fahrt mit dem Schiff von Emden durch die
Niederlande nach Düsseldorf belanglos sei. Um was geht es denn da? Die
beiden bewegen sich im Urlaub in Gruppen per Flugzeug in große Fernen,
nach Pakistan zum Beispiel, in den Iran, nach Chile. Dort steigen sie dann
in Busse und fahren, geleitet von einem ortskundigen Führer, von Hotel zu
Hotel. Bei Stopps unterwegs lernen sie kennen, was das Reisprogramm
versprach und worauf sie sich – in Wochenendseminaren zum Beispiel –
gründlich vorbereitet haben. Und dann seht ihr nur das, meinte Hein Mück.
Denn bei Reisen dieser Art gäbe es sicher kaum Möglichkeiten zu ganz
privaten Unternehmungen. Dem stimmten die beiden zu. Und am Ende der
Diskussion war man sich einig, dass es mindestens zwei Gruppen Reisender
gibt, die Themafahrer und die Neugierigen. Die ersten wissen am Ende einer
Reise dann alles über die Lage der Bauern in Äthiopien, die anderen
berichten von Straßenszenen und Suuks und unerwarteten Begegnungen. Der
eine hofft, das Erwartete zu sehen, der andere lässt sich treiben und hat
nachher Probleme, in ein paar Sätzen zu erklären, was er gesehen hat.
►►► Tja, Lesen bildet. In einer Fachzeitschrift hat Hein Mück diesen bemerkenswerten Satz gefunden: „Journalisten können ihren Beruf gar nicht mit dem Leben verwechseln, weil sie beides für dasselbe halten”. Donnerwetter, dachte Hein Mück, das ist ja gut beobachtet. Und sah sich mit anderen Augen in der Weltgeschichte und im Ortsgeschehen um, folgte Talkshows anders als bisher und wagte sich in die öffentliche Sitzung seines Ortsbeirats, auf der so wichtige Themen wie Straßenumwidmungen oder Ampelschaltungen diskutiert wurden. Und nun weiß er, dass es noch drei weitere Gruppen von Menschen gibt, für die Beruf und Leben das gleiche sind. Politiker haben zu allem, was geschieht, immer eine Meinung und immer die richtige, die andere möglichst teilen sollten. Sie achten dabei wenig auf das, was sie früher mal sagten, denn in diesem Beruf lernt man ja ständig dazu. Die zweite Gruppe sind die immer häufiger im öffentlichen Dienst anzutreffenden Sozialpädagogen. Die haben in ihrem Studium so viele Fachgebiete berührt, dass sie zu allem, was in der Welt abläuft, etwas sagen können. Das tun sie dann auch gern und haben ähnlich wie Politiker eine exakte Vorstellung, wie die nahe und ferne Welt ticken sollte, die Männer im Libanon ebenso wie die Bewohner der Vorstadt. Die dritte Gruppe sind die Pfarrer, für die die Identität von Beruf und Leben einen besonderen Akzent bekommen hat. Denn sie kümmern sich ja auch noch um das ewige Leben.
►►► „Was machen Sie eigentlich den ganzen Tag?” Hein Mücks Freund hatte kürzlich seine Lebensarbeitszeit beendet, ging also nun nicht mehr ins Büro und brauchte keinen Urlaub mehr einzureichen. Statt Gehalt gab’s Rente und aus anderen Quellen auch noch was, kurzum, der Freund hat finanziell keine Sorgen und kann nun machen, was er will. Jüngere stellen die Frage, ältere stöhnen eher, dass sie im Rentnerdasein weniger Zeit hätten als im Berufsleben. Woran das liegt? |
Nach Hein Mücks Erfahrung liegt das daran, dass
man nach dem Berufsleben eine Tugend nicht mehr pflegt: Planung, vor allem
Zeitplanung. Man lässt die Dinge an sich rankommen, statt auf sie zuzugehen
– und das führt binnen kurzem zu Zeitmangel. Hein Mück hat nach dieser
Erkenntnis wieder etwas eingeführt, was ihm sehr geholfen hat. Er schreibt
regelmäßig, meist kurz vor dem Abendessen, auf einen Zettel, was er am
nächsten Tag tun will. Und „arbeitet” den
Zettel ab. Mehr als fünf Vorhaben dürfen nicht auf ihm stehen. Und so lebt
Hein Mück weiterhin ganz gut ohne Stress. ►►► Tja, mit den Fotos ist das so eine Sache. Hein Mück und seine Herzallerliebste sind eifrige Fotographen, wenn sie reisen oder die Enkelkinder besuchen. Als Hein Mück dazu noch Filme benutzte, gab es eine Grenze beim Bildermachen. Filme waren relativ teuer, Abzüge auch. Man überlegte jedes Bild, und machte häufig erst Kontaktabzüge, ehe man Vergrößerungen bestellte. Die klebte man in Alben und hatte so seine Reise in Bildern dokumentiert. Noch heute holt Hein ab und an Alben aus dem Schrank, um sich Reisen von einst anzusehen. Mit der Digitalfotografie ist alles anders geworden. Nach einer 12tägigen Flussreise brachten Hein Mück und die Herzallerliebste über elfhundert Fotos auf vier Chips mit nach Hause. Das waren nur die, die die erste kritische Prüfung am Ende jedes Tages überstanden hatten. Elfhundert Bilder – schon das Ansehen auf dem Bildschirm dauerte und dauerte. Schließlich einigten sich Hein und seine Herzallerliebste darauf, von jedem Tag der Reise die zwei besten Fotos rauszusuchen, jeder für sich allein. Dabei blieb es natürlich nicht, es wurden insgesamt 80 Fotos, die man nun Freunden zumuten kann. Die wollten wissen, warum Hein die Auswahl erst zu Hause getroffen hatte. Man kann doch auf diesen Digitalkameras die Bilder sofort sehen und dann gleich löschen. Auch wenn sie nur halb so groß sind wie eine Spielkarte? Da gibt’s doch bestimmt irgendwas, mit dem man auf der Reise die Fotos schon großformatig ansehen kann. Hein ist immer noch der Ansicht, dass die Arbeit mit den Bildern gleich bleibt. Aussuchen muss man immer, ob an Bord oder zu Hause. Im Augenblick allerdings ist die Arbeit zu Hause größer geworden. Hein sucht nämlich so ein Ding, auf dem man alle Bilder schon an Bord auswählen, löschen und speichern kann. Und das wird dauern.
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Tja,
Hein war immer gern in Griechenland. Und
so lässt ihn das finanzielle Desaster des Landes nicht kalt. Was da alles
nicht stimmt, hat man zwar gewusst, aber es an die große Glocke zu hängen,
war politisch nicht gewünscht. Griechenland, Mutterland der Demokratie,
sollte in die EU. Erst sehr viel später erfuhr der interessierte Laie, dass
es in Griechenland keine funktionierende Finanzverwaltung gab und dass
Unternehmen keine Bilanzen aufstellen – wie soll man da als Staat planen?
Doch die neuste Nachricht haute Hein um. Es gibt eine Gruppe von Leuten, die
laut griechischer Verfassung keine Steuern zahlen. Die Reeder. Die
Begründung dafür kennt Hein Mück nicht. Er vermutet nur, dass die Reeder
deswegen keine Steuern zahlen, weil sie ihr Geld nicht in Griechenland,
sondern auf allen Weltmeeren verdienen. Die Idee findet Hein Mück ganz
lustig. Es sollten dann nämlich auch Seeleute, Piloten, Kameraleute und
Reisejournalisten keine Steuern zahlen, weil sie meistens außerhalb des
eigenen Landes arbeiten. Doch ob solche Gedanken zu einer Änderung unseres
Grundgesetzes führen? – Gespräch an einem Sommerabend im Garten beim letzten
Glas. Hein Mück hatte mit seinen Freunden eine tour d´horizon gemacht, über
alles geredet, was so anlag, über Gott und die Welt also. Und da stellte
dann einer Hein Mück eine Frage. Die Suche nach der Antwort beschäftigt ihn
immer noch. „Was würdest du tun, wenn du die Macht und das Geld hättest,
alles zu erreichen, was du dir für dich und die Welt vorstellst?” Hein Mück
ist mittlerweile ganz froh, dass er weder das Geld noch die Macht hat. |
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