Frank Heym ist Corporate Hotel Inventory Controller auf
der ARTANIA + AMADEA.
Auf die Frage, ob er als Controller an Bord der MS
ARTANIA beliebt ist, zuckt Frank Heym die Schultern und lächelt. Das könne
er nicht sagen, aber nötig sei seine Funktion allemal.
Nun weiß man, dass ein Schiff von Seeleuten
bedient wird, die Gäste vom Hotel ernährt und gebettet und von Phoenix
Reisen betreut werden. Welche Rolle spielt aber ein Hotel Inventory
Controller? Er tritt zusammen mit den Offizieren beim Begrüßungs- und
Abschiedsabend auf und ist es gewohnt, dass Kapitän Thorn ihn manchmal
schmunzelnd als den „Eiermann” vorstellt.
Frank Heym kam 1964 in Suhl in Thüringen zur Welt,
lernte Koch, besuchte die Hotelfachschule und war danach lange Food- und
Beverage-Manager. Jetzt betreut er als Controller zwei Schiffe von
Phoenix, die MS ARTANIA und die MS AMADEA und ist jeweils an Bord des
einen oder anderen Schiffs zu finden, falls er nicht gerade – wie jeder,
der acht Monate an Bord sieben Tage in der Woche arbeitet – mal einen
längeren Landurlaub macht, der dann zwei Monate betragen kann.
Also ist er als „Controller” für Zahlen zuständig?
Er nickt und lächelt wieder. Das sei nur ein Teil seiner Arbeit. Seine
Tätigkeit beginnt, wenn der „Foodplan” steht. Das heißt? „Wenn an Land
entschieden wurde, was auf einer Reise zu Essen und zu trinken angeboten
werden soll”. Dieser „Foodplan” ist das Ergebnis langer Vorarbeiten, an
denen viele Menschen beteiligt sind.
Der Plan muss dann nicht nur in
die Praxis umgesetzt und an Bord so gestaut werden, dass alles zur rechten
Zeit in rechter Qualität ausreichend zur Verfügung steht. Der Controller
ist auch dafür verantwortlich, dass das Geplante auch für den geplanten
Zweck eingesetzt wird. Eine bestimmte Blutwurst oder seltener Balsamico
|
|
sind etwa als Grundlage für Vorspeisen und
Exquisites geplant, nicht für’s
alltägliche Frühstücksbüffet, für das anderes vorgesehen ist. Welche Mengen zu organisieren, also an Bord zu
bringen, zu stauen und abzurufen und zu verarbeiten sind, kann man sich
vorstellen, wenn man ein paar Zahlen hört.
So wurden an Bord der MS ARTANIA
täglich beispielsweise eine halbe Tonne Fleisch, 200 Kilo Fisch und 120
Kilo Reis verbraucht. Bei einem vollen Schiff sind etwa 1800 Münder zu
stopfen. Zehn Tonnen Mehl reichen da nur 45 Tage.
Geplant wird in Zyklen. Das ist schwieriger als
man denkt. Ein Essen darf sich für die Gäste in bestimmten Zeiträumen
nicht wiederholen. Und nicht alles ist überall auf der Welt erhältlich
oder darf überall mit hin genommen werden.
Ganz besonders schwierig ist die Versorgung bei
Südseereisen. Da mag es zwar verlockende Fische und Früchte geben – aber
nicht genügend für ein ganzes Kreuzfahrtschiff. Also muss man
beispielsweise entscheiden, ob man etwas aus Südamerika mitnimmt oder sich
aus Australien nach Tahiti schicken lässt. Und selbst wenn es genügend
Früchte geben sollte, entsprechen sie vielleicht nicht den an Bord
verbindlichen Standards.
Nicht alles lässt sich auf langen Strecken
mitnehmen. Oder ist unterwegs nur selten erhältlich, wie etwa Leberwurst
oder bestimmte Käsesorten. Also ist der Controller unterwegs auch
Einkäufer. Was gekocht wird, verantwortet der Koch, der Controller muss
Angebote einholen und Preise und Qualitäten vergleichen – manchmal über
Kontinente hinweg. Da hilft Frank Heym seine Ausbildung zum Koch. „Keine
order ohne quotation” sagt er in seiner Fachsprache.
Man braucht für die nötigen Mengen an Bord einen
exakten Stauplan, für den Frank Heym ebenfalls zuständig ist. Denn neben
den üblichen Vorgaben, Temperaturen oder Klima der Lagerräume betreffend,
gibt es von Land zu Land wechselnde Vorschriften. Die Amerikaner verlangen
zum Beispiel, dass unter Rohren, durch die an Bord Flüssigkeiten gepumpt
werden, keine Paletten stehen. Tropft Wasser oder wird ein Rohr undicht,
könnte das Nahrungsmittel leiden.
Die Verfolgung des Verbrauchs, die Planung und der
Stau sind natürlich nur mit Hilfe eines entsprechenden PC Programms
möglich. 55 Tonnen Lebensmittel und Ausstattung werden pro Woche an Bord
der MS ARTANIA verbraucht. Das sind drei LKW Ladungen wöchentlich. Bei
seinen Prüfungen kann es dann schon manchmal passieren, dass der
Controller vom Koch wissen möchte, warum eine bestimmte Zutat nicht zum
angepeilten Zeitpunkt verbraucht worden ist oder warum das und das zu
häufig eingesetzt wurde.
Was den Controller an Land niemand lehren konnte,
hat er auf Reisen selbst erworben, die Einschätzung von Schiffen und
Häfen. Manche Schiffe sind leichter zu beladen als andere. Die MS AMADEA
gehört zu den schwieriger zu beladenden.
Die Liegezeit ist nicht unbegrenzt, und nicht
jeder Hafen hat gute und schnelle Ladevorrichtungen. In seinem Bereich hat
er auf der ARTANIA acht Mitarbeiter, die für Laden, Stauen und
Distribuieren zuständig sind. „140 Tonnen kann man bei einem Stopp auf
der ARTANIA maximal pro Tag stauen, 150 schon nicht mehr. Aber das auch
nur in Häfen wie etwa Singapore oder Barbados, die eine gewohnt gute
Logistik aufweisen”. Wenn man dann, wie auf den beiden Phoenix Schiffen
„einen 45 Tage level halten will”, also immer alles für 45 Tage an Bord
hat, ist das schon eine logistische Leistung. Drei Monate muss er voraus
denken. „Für mich ist das Heute schon Vergangenheit”, sagt er lächelnd
bei einer Tasse Kaffee.
Der Corporate Hotel Inventory Controller Frank
Heym ist also eigentlich ein Logistik Manager mit Küchensachverstand.
Immer die Ruhe zu bewahren, wie er von sich fordert, ist bei diesem Job
nicht leicht. Doch wenn man ihn bei seiner Arbeit begleitet, spürt man,
dass er das schafft.
Was ist das Schlimmste, das einem Hotel Inventory
Controller unterwegs passieren könnte? Kurzes Nachdenken: „Wenn die
versendeten Container mit den notwendigen Lebensmitteln aus Deutschland in
einem exotischen Hafen vom Zoll festgehalten würden”. Aber das ist ihm
noch nie passiert. Sollte es jemals eintreten, würde er diese Situation
sicher auch meistern. Dieter Bromund
|
Der Kriminalroman besetzt alle Nischen, nicht erst
mit Umberto Eccos „Name der Rose” auch die historische. Petra Oelker hat
sich einen Namen mit historischen Kriminalromanen gemacht, die in Hamburg
spielen. „Die Nacht des Schierlings” beginnt im September 1773 und stellt
auf zweieinhalb Vorseiten exakt 22 wichtigste Personen vor, die mehr als 430
Seiten eines Taschenbuchs bevölkern werden. Wenn das man gut geht, soviel
Personal ist eher unüblich.
Wer diesen Krimi liest, wird sich an einiges
gewöhnen müssen. Etwa an die ausführliche Beschreibung wichtiger Personen
bei ihrem ersten Auftritt: „Mit seinem kantigen Gesicht, den je nach
Stimmung in Grau oder Umbra changierenden Augen, dem vollen dunklen Haar,
den geschwungenen Lippen, die seiner Miene häufig etwas amüsiert Spöttisches
gaben, war er ein schöner Mann. Er war schlank, hatte breite Schultern und
kräftige Arme, selbst in der für einen Mann sonst wenig kleidsamen
Arbeitskluft wirkte er anziehend”.
Ein Krimi muss nicht Geschichtskenntnisse
vermitteln, es reicht, wenn er den Ort des Geschehens ausleuchtet. Und was
dem Fremden an Hamburg nicht ohne weiteres bekannt ist, kann er im Anhang
nachlesen. Dazu gibt es zwei Karten, ein Apothekenbild und Einblick in eine
Konditorwerkstatt. Die allgemeine Weltlage wird nur kurz gestreift, ein
Nachtwächter denkt etwa an den Siebenjährigen Krieg zurück, den er als
Soldat mitgemacht hat. Die Hansestadt stellte damals nur gediente Soldaten
als Nachtwächter ein.
Auf Seite 68 fällt ein Hamburger Bürger bei Ebbe in
ein morastiges Fleet und wird tot geborgen. Aus der bis dahin eher
beschaulichen Erzählung der Beziehungen Hamburger Bürger ist ein Krimi
geworden. Die Story nimmt Tempo auf. Jedermann äußert Vermutungen,
kombiniert Beobachtetes mit Gerüchten. Schnell steht fest: Es kann sich nur
um einen Mord handeln.
Einen Kriminalpolizisten gab’s damals noch nicht,
die Autorin erfindet einen „Weddemeister” Wagner, der als Vorläufer eines
heutigen Hauptkommissars gelten mag. Er und die Komödiantin Rosina machen
sich auf die Suche nach dem Täter in der Hansestadt an der Elbe. Aus dem
Geflecht der wichtigsten Personen tauchen bald genügend Verdächtige auf. Man
folgt der Suche mit zunehmender Spannung. Das Ende ist überraschend.
Petra Oelker hat mit ihren „historischen”
Hamburg-Krimis ein eigenes Genre geschaffen, in der das Verbrechen und seine
Aufklärung eher im Hintergrund spielen. Viel wichtiger sind ihr die
Atmosphäre der Stadt und das Zusammenleben ihrer Bürger im 18. Jahrhundert.
Das wird dicht und präzise geschildert. Ob die Gedanken der Handelnden den
Geist der Zeit widerspiegeln, muss der Leser entscheiden.
|
|
|
Petra Oelker
Die Nacht des Schierlings
rororo Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reibek, 480 Seiten, ISBN
978-3-499-25439-0, € 9,95 (D), € 10,30 (A).
rororo/Die Nacht
|
Ganz offensichtlich fühlt man sich wohl in diesem Hamburger
Klima. „Die Nacht des Schierlings” ist bereits der zehnte Roman, in dem die
Komödiantin Rosina ermittelt. Weitere dürften folgen.
|
►►►
Tja, die dunkle Jahreszeit hätte
noch mehr für sich, wenn es in diesen Monaten wenigstens dunkel wäre. Hein
ist neulich von Montreal nach Frankfurt am Main geflogen und wusste sofort,
wann er den nordamerikanischen Kontinent verlassen und den europäischen
erreicht hatte. Er saß am Fenster und konnte nach unten blicken, wo es
eigentlich hätte dunkel sein müssen. Doch was sah er? Teppiche aus hellen,
dicht an dicht liegenden Flecken – Städte. Die Lichtflächen wurden kleiner
und verschwanden schließlich ganz, der Nordatlantik war erreicht. Erst am
Ende einer langen Strecke durch Dunkelheit tauchte wieder Licht auf, über
Irland, über England und dann überm Kontinent. Morgenlicht sickerte über die
Kimm und dann war es plötzlich taghell. Reine Dunkelheit hatte es nur über
dem offenen Meer gegeben. Eigentlich schade, dachte Hein, der sich noch an
Dorfstraßen erinnerte, die nie beleuchtet waren. Die gibt’s
schon längst nicht mehr, und in manchen europäischen Ländern beleuchten sie
sogar alle Autobahnen auf ganzer Strecke. Als ob die nächtliche Dunkelheit
verabscheuenswert wäre! Erlebt hatte Hein sie auf seinen Reisen auf dem
Meer, fernab aller Küsten und auch in Wüsten. Doch im täglichen Leben gibt’s
Dunkelheit nur noch selten, von irgendwoher glänzte selbst in abgelegenen
Gegenden immer etwas hell. Da las er in einer englischen Illustrierten, dass
der englische Nationalpark Exmoor ausgezeichnet worden war, vor dessen
südlicher Küste Hein vor ein paar Monaten auf einem Kreuzfahrtschiff auf
Reede gelegen hatte. Wofür gab es die Auszeichnung? Der Nationalpark galt
als besonders dunkel und erhielt dafür einen Preis. Man setzte dort nur sehr
wenig Licht ein und alle Strahler waren nach unten auf die Erde gerichtet.
Hein ist zufrieden, es gibt also auch an anderen Orten noch Menschen, die
Dunkelheit liebten.
►►►
Tja, Hein und seine
Vorliebe für Westen. Hein hatte sich schon früh dafür entschieden,
Anzüge nur mit Weste schneidern zu lassen (bei einem Konfektionär
in Aschaffenburg, wo auf ihn zugeschnittene Anzüge weniger kosteten als
von der Stange in Frankfurt). Westen waren damals in Mode, aber Hein
liebte auch ihre weiteren Vorteile. Sie spendeten zusätzlich Wärme,
ersparten den Mantel im Auto und boten zusätzliche Taschen für allerlei
Kleinkram. Sie zwangen auch zu Disziplin beim Essen. Denn wenn man an
Gewicht zunahm, merkte man’s zuerst an
der Weste, die um Brust oder Bauch plötzlich spannte. Also hieß es
sinnvoller essen oder ein neuer Anzug musste her. Hein achtet also seit je
auf Bauch- und Brustumfang. Und hat nun ein Problem, kein großes, aber ein
Platz verlangendes. Wenn Anzüge das Zeitliche segnen, bleiben die Westen
meistens erhalten. Sie wirft er nicht in den Kleider-Container. In den
Übergangszeiten erweist sich ihr Nutzen. Wenn es nicht mehr kalt, aber
auch noch nicht warm ist, ersetzen sie Jacken, Pullover und Jacketts. So
hat Hein also etwa sechs Westen im Schrank, die zu keinem Anzug mehr
gehören. Seine Herzallerliebste hat schon angekündigt, beim nächsten
Aufräumen im Frühjahr durchzugreifen. Es würde Zeit, sich von ein paar zu
trennen. Hein trauert heute schon.
►►►
Tja, was tut man, wenn man beide Flüsse liebt?
Hein ist an der Elbe groß geworden und lebt nun an der Weser. Er mag die
Flüsse nicht vergleichen, warum auch? Er ist die Elbe rauf und runter
gefahren und kennt auch die Weser auf ganzer Länge. Und erlebt nun, wie
man das gleiche Problem auf zwei Wegen löst. Da die Schiffe immer größer
geworden sind und noch größer werden (was u. a. die Verbreiterung des
Panamakanals zur Folge hat), müssen Flüsse mithalten. Die in Hamburg für
Wirtschaft und Hafen Verantwortlichen wollen die Elbe vertiefen – nein,
nicht auf ganzer Breite, nur in der Fahrrinne. Dann können auch die Riesen
bis nach Hamburg laufen und dort das Containerterminal nutzen. Von ihm,
als weit im Land liegenden, geht’s dann
über Land weiter. Im Augenblick kommt die Elbvertiefung nicht voran, aber
das könnte sich bald wieder ändern. Die Weser hatte das gleiche Problem
schon sehr viel früher, sie drohte zu versanden. Die damals in Bremen
|
|
Verantwortlichen ließen ihren Bürgermeister mit dem Hannoverschen
Landesherrn verhandeln und ihm ein Stück Land abkaufen. Dort richteten die
Bremer ihren
Seehafen ein. Seeschiffe werden also schon an der Küste ihre Container
los. Und wenn das Wasser für immer größere Schiffe immer tiefer werden
muss, dann auf kurzer Strecke im Watt. Ein Problem, zwei Lösungen. Hein
weiß nicht, für welche sein Herz schlägt. Als er neulich auf dem
Frankfurter Flughafen landete, fast mitten in der „Stadt”,
war er doch sehr für die Bremer Lösung. Lasst die Seeschiffe / Flugzeuge
weit weg, und übernehmt die Ladung / Passagiere dort, wo sie niemanden
stören.
►►►
Tja, neulich die Einladung zur Eröffnung einer
Ausstellung des Frühwerks eines berühmten zeitgenössischen Malers (der
längst verstorben war). Den Festvortrag hielt ein bekannter Professor vor
etwa 2000 Gästen, die ein ganzes Theater füllten. Nun ist Hein kein
Kunstkenner, nur Liebhaber, wie etwa 1800 der 2000 Gäste auch. Als der
Herr Professor nach dreißig Minuten endete, gab’s
Beifall, wie das so üblich ist. Doch beim Klatschen fragte Hein sich, was
er von dem Vortrag überhaupt verstanden hatte. Eigentlich nichts, außer
der Aussage, es gäbe einen Unterschied zwischen Malerei und Gestaltung.
Aber der Herr Professor hatte doch noch mehr gesagt, immerhin dreißig
Minuten geredet. Hatten auch die anderen Liebhaber so wenig verstanden wie
er? Also hörte Hein sich an der Garderobe mal um und fand bestätigt, dass
der tönende Festredner nur von einer winzigen Gruppe verstanden worden
war. Aber was sagten nun die, die nicht wie Hein offen zugaben, zu
unwissend für den Vortrag gewesen zu sein? „Wir haben manche Anregung
bekommen”. Aha, dachte Hein, so kann man’s
auch ausdrücken.
►►►
Tja, es gibt wirklich immer
noch Unterschiede zwischen den Nationen, selbst in einem geeinten Europa,
in dem man überall alles kaufen kann. Die Engländer trinken jetzt ihr Bier
so kalt wie die Deutschen und nicht mehr so zungenwarm wie einst, als es
noch mit großen Hebeln per Hand in Henkelgläser gepumpt wurde. Hein kann
inzwischen Tweedstoffe besser in Oldenburg als in London kaufen und findet
schon seit langem, dass die Ostfriesen besseren Tee liefern als die
Londoner Kaufherren. Als Hein neulich seine Kabine betrat, wusste er, dass
er auf einem ehemals englischen Schiff seine Reise machen würde. Das Bad
der Kabine hatte eine Wanne statt einer Dusche, leider keine Wanne, in der
man sich in ganzer Länge ausstrecken konnte. Natürlich gab’s
auch eine Handdusche, die man an einer Halterung festmachen konnte. Hein
konnte also sein gewohntes Duschen auch an Bord genießen. Er erinnerte
sich an Besuche englischer Hotels. Da hatte es immer Wannen gegeben,
Duschen waren äußerst selten. Und jetzt fiel ihm auch wieder ein, was ein
Freund ihm vor vierzig Jahren berichtet hatte, der als Marketing Mann
einen Badezusatz in Deutschland und in England einführte. Die
Marktforschung hatte klar ergeben, die Engländer baden, die Deutschen
duschen. Offensichtlich heute noch.
►►►
Tja, das darf eigentlich nicht sein. Hein Mück war neulich Besucher einer
Podiumsdiskussion und traute seinen Augen nicht. Zwei der diskutierenden
Herren auf der Bühne trugen Schuhe, die seit Wochen keine Creme mehr
gesehen hatten und so lange auch nicht geputzt worden waren. Hein musterte
unauffällig die anderen anwesenden Herren. Und war entsetzt. Fast alle
trugen ungeputztes Schuhwerk. Glänzende Schuhe waren die Ausnahme. Die
mangelnde Pflege lag nicht an der Materialvielfalt des Schuhwerks. Der
sichtbare Teil von Hein Mücks Schuhen besteht immer nur aus
einfarbig braunem oder schwarzem Leder, moderne Herrenschuhe zeigen
gelegentlich mehr Farben und sind daher wohl auch schwerer zu putzen. Was
als Sportschuh oder Turnschuh getragen wird, wird vermutlich
nur gewaschen, nie geputzt. Hein Mücks erinnert sich noch an Holzschuhe,
handgemachte aus Lindenholz. Das Holz war außen schwarz eingefärbt und
wurde nur abgewischt. Mit den ersten Lederschuhen begann die Pflege. Wenn
Hein heute an Bord ist, muss er Schuhe kaum noch eincremen. Wenn er an
Land lebt (oder von einem Landausflug zurückkehrt), wird geputzt. Erst
verschwinden Staub oder Dreck, danach wird eigecremt und eingearbeitet,
dann erfolgt das erste Bürsten. Danach wird der Glanz auf dem Leder mit
Wasser fein besprüht und nun wird poliert, bis das Leder
prächtig glänzt. Zugegeben, das erfordert Zeit. Aber die nimmt Hein Mück
sich eben. Eine Dame hatte ihm als jungem Mann einst beigebracht, dass
drei Dinge bei jedem Menschen immer gepflegt sein sollten, Hände, Frisur
und Schuhe. Tja, solche Standards gibt’s
inzwischen nicht mehr. Oder doch noch?
|