NACHLESE   AUSGABE 2/2013
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Karneval in Funchal

   

Carsten Heinke

Etwas Rio, etwas Venedig und ganz viel Madeira – Karneval in Funchal

Die Stimmung wächst, die Spannung steigt. Rund um den Hafen von Funchal versammelt sich die kunterbunte Schar der Kostümierten. Sie gestalten an diesem Abend des 9. Februar den Höhepunkt des „Carnaval da Madeira” – die Parade der Motivwagen, wegen der vorherrschenden Musik, zu der dabei gesungen und getanzt wird, auch „Samba-Parade” genannt. Zehn Formationen mit insgesamt mehr als tausend Mitwirkenden in farbenprächtigen, fantasievollen Kostümen nehmen daran teil. Das diesjährige Thema lautet „Magic Moments”.

Während die bereits von weitem funkelnde Schar der Paradiesvögel am Anfang der gesperrten Avenida Francisco Sá Carneiro immer größer wird, nimmt auch das Publikum zu beiden Seiten der Atlantikpromenade seine Plätze ein. Kein Einheimischer lässt sich die Supershow entgehen. Aber auch immer mehr Touristen aus aller Welt kommen nach Madeira, um neben dem milden Klima die ausgelassene Stimmung auf der „Insel des ewigen Frühlings” während der Karnevalszeit zu genießen und natürlich auch die beiden legendären Umzüge mitzuerleben. Neben der „Samba-Parade” am Karnevalssamstag findet zur Fastnacht eine Spaß-Parade mit Scherzkostümen statt.

Angenehm – etwa im Vergleich zu deutschen Faschingsveranstaltungen – ist, dass die Leute auf Madeira zwar ebenfalls sehr fröhlich und ausgelassen feiern, allerdings dazu bedeutend weniger oder gar keinen Alkohol brauchen. An der Paradestrecke wird statt Hochprozentigem Mineralwasser verkauft. Schüler bieten es den Wartenden in großen Einkaufswagen an – die Flasche zu 50 Cent.  

 

Glamour-Outfits auch zum Wohl der Tiere

Endlich geht es los. Die Musik wird lauter. Scheinwerfer leuchten auf. Kamerablitze zucken. Der erste Wagen – von Designer João Egídio Rodrigues samt Kostümen ganz in strahlendem Silber gestaltet – ist der „Magie des Vollmondes” gewidmet. Dank frühlingshafter Temperaturen muss an diesem Februarabend niemand frieren – weder die Zuschauer, die sich an den teils recht leichten Verkleidungen der temperentvollen Tänzerinnen und Tänzer erfreuen, noch letztere selbst. Auch wenn die lokale Reiseleiterin Sophia scherzhaft meint: „Der Unterschied zum Karneval von Rio ist nur, dass die Leute auf Madeira etwas anhaben”.

Was die Partystimmung und den Glamour anbelangt, scheint der Vergleich berechtigt, doch in puncto Masken- und Kostümkunst sind eher Parallelen zum Carnevale di Venezia zu erkennen. Sehr deutlich wird das zum Beispiel bei den kunstvollen, sehr theatralisch wirkenden Roben des jungen Designers José Orlando Fernandes Vieira, die er in diesem Jahr zum Thema „Prophezeiung” kreierte.

Seit 15 Jahren entwirft und fertigt der Madeiraner, der hauptberuflich als Hotelmanager arbeitet, Kostüme für den Karneval und andere Veranstaltungen (wie etwa das Blumenfestival, das in diesem Jahr vom 9. bis 12. Mai stattfindet). Den Erlös der nach den Shows verkauften Kostüme stiftet er einer Tierschutzorganisation. Auch Musikauswahl und Choreografie liegen in den bewährten Händen des kreativen Allrounders. Mit rund 40 Aktiven, Technikern und Helfern ist die von ihm betreute Gruppe der kleinste der zehn Karnevalsvereine von Funchal. Das jüngste Mitglied ist 15, das älteste 60. Doch im Kostüm sehe sie aus wie 40, findet Vieira. Und wir müssen ihm Recht geben.

Knapp zwei Stunden dauert der Rausch aus Farben, Rhythmen, Lichteffekten, der sich fast durch die ganze Altstadt von Funchal bewegt, bis er sich auf der Praça da Autonomia in einem heiteren Getümmel auflöst und von dort aus in die ganze Stadt verbreitet. In den Bars und Klubs wird bis zum Morgengrauen gefeiert und getanzt.

 

Von den „Mascarados” bis zur Samba-Parade

Der  „Carnaval da Madeira” besitzt eine lange Geschichte. Aufzeichnungen vom Ende des 19. Jahrhunderts etwa beschreiben die ausgelassenen Karnevalsfestlichkeiten auf der Insel. Diese reichen von den traditionellen Kapriolen der „Mascarados” – Straßennachtschwärmern in alten zerlumpten Kleidern und mit ruß-geschwärzten Gesichtern – bis hin zu privaten Bällen und Parties, deren Besucher eher konventionelle Verkleidungen trugen. Das schillernde Spektrum der Kostümthemen umfasste dabei das Imitieren oder Karikieren bekannter Persönlichkeiten ebenso wie das Darstellen charakteristischer Berufe.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelten sich neue, teils recht wenig vornehme Karnevalsbräuche in Funchal. Sehr beliebt war es etwa, auf den dicht mit feiernden Massen gefüllten Straßen wild um sich zu werfen – und zwar nicht nur mit papiernen Luftschlangen und Konfetti, sondern auch mit Wasser, Eiern, Mehl und Tomaten.

 

Regelrechte Schlachten wurden dabei auf bestimmten Straßen, insbesondere auf der Rua da Carreira, ausgetragen. Diese teils recht groben Dummheiten uferten damals nicht selten derart aus, dass sich die Behörden gezwungen sahen, einzuschreiten. Dennoch ließ sich das Volk nicht davon abgehalten, die Karnevalszeit mit ausgelassenen Späßen zu genießen und auf den Straßen Funchals zu feiern.

Die wohlhabenden Schichten der Bevölkerung tanzten und vergnügten sich derweil auf privaten Faschingsbällen. Die Eröffnung der großen Ballsäle am Stadttheater, des Ateneu Comercial und des Solar D. Mecia, bot dem Ballrausch neue Räume. Später, mit dem Wachstum der Hotellerie in den 1970er Jahren begannen auch Luxushotels wie Reids Palace und das Savoy, eigene Faschingsbälle zu organisieren.

In den späten 1970er Jahren verlagerten sich die alljährlichen Karnevalsfeierlichkeiten wieder mehr auf die Straßen von Funchal. „Back to the roots!” lautete die Devise, unter der ein Stück Madeiraer Kultur wiederbelebt und zeitgemäß restauriert wurde. Der Karneval von Madeira, seit altersher ein Volksfest, wurde wieder zu dem, was er war und zugleich eine touristische Attraktion, die von Jahr zu Jahr mehr Gäste aus aller Welt auf die „Insel des ewigen Frühlings” lockt.

 

Madeira-News – Mehr Kreuzfahrten

Im vergangenen Jahr sind im Hafen von Funchal 106 Kreuzfahrtschiffe verschiedener Schifffahrtslinien insgesamt 336 Mal vor Anker gegangen. Das waren 33 Schiffe mehr als im Jahr 2011. Die Zahl der Kreuzfahrtpassagiere betrug 2012 insgesamt 592.935 – 52.755 mehr als im Jahr zuvor. Im nationalen Vergleich innerhalb Portugals liegt der Hafen Funchal damit sowohl beim Passagieraufkommen als auch beim Kreuzschifffahrtsverkehr auf Platz eins – mit einem Zuwachs von zehn, beziehungsweise elf Prozent, was gleichzeitig einen neuen Rekord darstellt. In nur fünf Jahren wuchs die Zahl der Passagiere um 46 Prozent, die Zahl der Schiffe um 24 Prozent. Die Eröffnung des neuen Anlegers im Mai 2010 hat die Ankunftsbedingungen stark verbessert und zu mehr Komfort und Sicherheit für die Passagiere der Kreuzfahrtschiffe geführt.

 

Shows im Casino

Bis Ende Mai werden im Casino von Madeira zwei neue Musikspektakel aufgeführt.

16 Musiker mit Blas-, Streich- und Schlaginstrumenten, Dirigent und Sänger sorgen in den beiden Shows der Produktionsfirma Big Band für beste musikalische Unterhaltung. An Donnerstagen können Gäste bei einer Aufführung unter dem Motto „Viva las Vegas” wieder ins Disco-Fieber verfallen. Star der Show ist der nordamerikanische Sänger Gregg Clemons, der sein Publikum mit Erfolgshits von den Bee Gees, Boney M, Village People, Jackson 5, Lionel Richie und vieler anderer begeistern wird. An Freitagen steht die aus Madeira stammende Sängerin Cristina Barbosa im Mittelpunkt. Sie interpretiert unter dem Motto „Power of Love” Hits von Stevie Wonder, Michael Jackson, Elton John, Madonna, Celine Dion, Tina Turner und anderen.

 

Service-Infos Madeira

Hotel-Tipp: Wen Verkehrslärm nicht stört, der kann einen der schönsten Ausblicke auf ganz Funchal und den Atlantik vom Viersterne-Stadthotel Four Views Baia genießen. Mit dem Bus ist man in 20 Minuten im Zentrum der Inselhauptstadt. Wer eine Abkürzung durch die Gassen nimmt und gut zu Fuß ist, schafft es in kürzerer Zeit. Im hauseigenen Spa können Gäste für 5 Euro pro Tag (10 bis 20 Uhr) das geheizte Hallenbad, Jacuzzi, Hamam, eine Vier-Stationen-Dusche, Schottische und eiskalte Dusche nutzen. Der Außenpool in der zweiten Etage ist täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet und kostenlos nutzbar. In der Woogie Boogie Cocktail Bar gibt es jeden Abend Livemusik. Rua das Maravilhas 74, 9000-177 Funchal, www.fourviewshotels.com

Restaurant-Tipp: Hervorragende Küche in authentischer Atmosphäre bietet das urig-gemütliche Fischrestaurant „O Jango” in der Altstadt von Funchal, täglich fangfrische Angebote, unter anderem Schwarzer Degenfisch, Schwertfisch. Ein Drei-Gänge-Menü mit Wein gibt es pro Person schon ab 25 Euro. Rua de Santa Maria, 162, 164, 166, Telefon 291 221 280, www.ojango.net

Allgemeine Auskünfte erteilt das Fremdenverkehrsamt Madeiras (Direção Regional do Turismo) in der Avenida Arriaga 18, 9004-519 Funchal. Telefon 291 211 900, Telefax 291 232 151, E-Mail info.srtt@gov-madeira.pt · Mehr Informationen, auch in deutscher Sprache unter www.visitmadeira.pt

Foto: Carsten Heinke, Leipzig

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