TAUCHREISE | AUSGABE 3/2013 | ||||||
Die Aussicht von der Hochebene in ein Fjord im Gros Morne Nationalpark ist atemberaubend. |
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Dr. SéVERINE BÄR
Neufundland: Tauchen im Kaltwasserparadies |
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Es ist Juli und wir wollen wieder einmal unsere
Lieblingswracks besuchen. Diese liegen in der Bucht von Conception, vor der
neufundländischen Küste. Neufundland ist, mit ihrem klaren Wasser, intakten
Wracks, unglaublichen Landtauchplätzen und einer abwechslungsreichen und
üppigen Unterwasserfauna – von der Nacktschnecke bis zum Buckelwal ist für
jeden etwas dabei – ein Wunschbild vom Taucherparadies. Und auch über Wasser
hat die Insel, trotz oder gerade wegen des sehr wechselhaften Wetters, viel
zu bieten: Eisberge (an denen man manchmal auch tauchen kann), schroffe
Küsten, Fjorde und Strände, hunderte von Seen, von Karibus und Elchen
bewohnte Wälder und Steppen und letztendlich, warmherzige Einwohner die die
wenigen Touristen so herzlich willkommen heißen, dass man nach wenigen Tagen
das Gefühl hat, hier zu Hause zu sein. Nach Neufundland (und Labrador), der östlichsten
Provinz Kanadas mit nur etwa 500.000 Einwohnern bei einer Fläche von 111.390
Quadratkilometern, fliegt man ab Deutschland entweder über London, Toronto
oder Montreal. Am kleinen Flughafen von St. John’s,
der Hauptstadt der Insel, kann man auch gleich ein Auto mieten, was auf
einer Insel, auf der es kaum öffentliche Verkehrsmittel gibt, unabdingbar
ist. Dann geht es nach Conception Bay South, eine kleine Stadt an der
Nordküste der Region Avalon, direkt gegenüber von Bell Island und etwa 30
Minuten von St. John’s entfernt. Hier besitzen Rick und Debbie Stanley eine
Tauchbasis mit angeschlossener Lodge. Sie bieten neben Wracksausfahrten auch
Eisbergtauchen, Buckelwalschnorcheln und Bootsausfahrten oder Kayaktouren
für Nicht-Taucher an Das Boot, das zum Tauchen benutzt wird, ist so geräumig, dass acht bis zehn Taucher bequem darauf Platz finden. Skipper Bill und Dive master Arthur sind ein eingespieltes Team und kennen sich mit den Tauchplätzen bestens aus. Die Pläne der versenkten Schiffe liegen an Bord und während des Briefings werden die interessantesten Ecken und Artefakten genau beschrieben. Nach dem Tauchen im kalten Wasser (im Juli -2°C bis 0°C ab 20 Meter, 6°C bis 14°C auf Deko) bekommt jeder Taucher von Bill, der früher Koch bei der US Navy war, eine leckere hausgemachte Suppe serviert, so dass er gewärmt und regeneriert den nächsten Tauchgang angeht. Bei Fahrzeiten von 30 bis 40 Minuten kommt man früh genug nach dem zweiten Tauchgang in die Marina zurück, um am Nachmittag noch etwas zu unternehmen. Empfehlenswert sind die Landtauchgänge. Zwischen Loddenschwärmen, Walknochen und einem Wrack aus dem 16. Jahrhundert kann ausgesucht werden. Auch eine Ausfahrt zu den Buckelwalen, die im Sommer
vor der Küste Neufundlands Loddenschwärme fressen, ist ein einmaliges
Erlebnis. Dabei kann man den mächtigen Tieren entweder vom Boot aus
zuschauen oder, für die weniger kälteempfindlichen, beim Schnorcheln.
Natürlich kann man sich auch gemütlich ins Wohnzimmer der Lodge setzen und
schon mal überlegen, welches der vier Eisenerzfrachter man am nächsten Tag
betauchen möchte oder auch nach St. John’s fahren, dem Betrieb im Hafen
zuschauen, ein Museum besuchen oder bei einer heißen Tasse Kaffee sitzen. Die Eisenerzfrachter, 1942 vor Bell Island
torpediert Für Taucher bleiben allerdings die Schiffe, die hier im kalten Wasser liegen, die Hauptattraktion. Die vier Wracks vor Bell Island sind zwischen 130 und 150 Meter lang und wurden von deutschen Ubooten versenkt, die sich im zweiten Weltkrieg unbemerkt in die Conception Bay schleichen konnten. Es waren englische Frachter, die gebaut worden waren, um das Eisenerz, das in den Minen von Bell Island gefördert wurde, nach Großbritannien zu verschiffen. Sie lagen vor Bell Island auf Rede und warteten darauf, sich einem Geleitzug anschließen zu können, als sie angegriffen wurden. Alle vier sind ähnlich gebaut, mit dem Brückenaufbau
und der Kommandobrücke in der Mitte, dem Maschinenraum direkt dahinter und
je zwei Frachträume im vorderen und hinteren Teil des Schiffes. Zum Be- und
Entladen des Eisenerzes standen jeweils zwischen den Laderäumen Ladekräne
bereit. Zur Verteidigung in diesen Kriegszeiten war am Heck ein Geschütz
angebracht. Die ersten zwei Schiffe, die versenkt wurden, waren die MS LORD STRATHCONA und die MS SAGANAGA. Beide wurden am 5. September 1942 von U513, kommandiert von Kapitän Rolf Ruggenberg, torpediert. Zuerst wurde die SAGANAGA getroffen, wobei 29 der 48 Männer an Bord ums Leben kamen. Die Mannschaft der LORD STRATHCONA, die unweit vor Anker lag, konnte verfolgen, wie die mittschiffs getroffene SAGANAGA in weniger als 30 Sekunden unterging und das eigene Schiff rechtzeitig verlassen. Dadurch überlebte die gesamte Besatzung, obwohl auch die schwer mit Eisenerz beladene LORD STRATHCONA in kurzer Zeit unterging. Bevor die gerettete Mannschaft auf Bell Island an Land ging, suchten die Männer noch nach Überlebenden der SAGANAGA, die im kalten Wasser schwammen. Zwei Monate später, am 2. November 1942, konnte
wieder ein Uboot heimlich in die Bucht fahren. U518, kommandiert von Kapitän
Friedrich Wissmann, kam bei Nacht und versenkte erst die MS ROSECASTLE
und kurz darauf das freie französische Schiff PLM27. Die beiden Schiffe
gingen fast gleichzeitig unter und rund 40 Seeleute kamen dabei ums Leben. An der Südküste von Bell Island, in Lance Cove, in Sichtweite der Bojen, die heutzutage die Wracks markieren, wurde ein Denkmal für die damals gestorbenen Mannschaftsmitglieder erstellt. |
Es besteht aus einem Fahnenmast, der Namensliste der verstorbenen Seeleute und einem großen Anker. Weitere Informationen über die vier Schiffe sind in der Mine von Bell Island, die mittlerweile eine Schaumine ist und der ein Museum („No. 2 Mine and Museum”) beigefügt wurde, zugänglich.
Tauchen an den Wracks vor Bell Island Die Wracks liegen zwischen der Insel Bell Island und
Neufundland. SAGANAGA und LORD
STRATHCONA liegen nah an der Küste der
Insel. PLM27 und ROSECASTLE etwas weiter
draußen. Das Schiff, das als erstes versenkt wurde, die 122 Meter lange SAGANAGA,
liegt in 20 bis 37 Meter Tiefe und ist damit das zweitflachste der Wracks
bei Bell Island. Zu sehen gibt es zwei Torpedoeinschusslöcher, das 4,7 inch
Heckengeschütz, ein Ersatzpropeller und ein riesiger Buganker der, von der
Wucht der Explosion einmal quer über das Schiff geschleudert, nun auf dem
Hauptdeck liegt. Die am gleichen Tag versenkte, 128 Meter lange, LORD
STRATHCONA ist das zweittiefste der vier
Wracks und liegt zwischen 25 und 42 Metern. Sie ist mein Favorit, da sie
sehr schön bewachsen und, von den zwei Torpedotreffern abgesehen, vollkommen
intakt ist. Im Inneren des Wracks sind mehrere Räume zugänglich darunter ein
Bad und die Bar. Auch viele Artefakte wie das Funkgerät, einige Hocker und
eine Schublade voller Besteck sind zu sehen. Die im November versenkten Schiffe liegen zwischen 33 und 50 Meter für die 137 Meter lange ROSECASTLE und den ein paar Meter hinter dem Schiff liegenden Torpedo und zwischen 18 und 33 Meter für die 120 Meter lange PLM27. Die Aufbauten der PLM27 wurden zerstört, wahrscheinlich als ein Eisberg mit dem flach liegenden Wrack kollidierte. Die Brücke und das Deck sind allerdings noch gut erhalten und sehr interessant zu betauchen. Beim Geschütz liegt eine halbvolle Kiste Munition. Auch die imposante Schraube, die als einzige von
denen der vier Wracks nicht geborgen wurde, und die Größe des Torpedolochs
in der Mitte des Schiffes sind beeindruckend. Für Fotografen ist schließlich
das Rettungsboot interessant, das direkt neben dem Schiff liegt. Es ist nur
noch das Gerippe vorhanden, welches aber sehr schön bewachsen ist. Die ROSECASTLE,
das Highlight der vier Wracks, bietet die Möglichkeit, in den Maschinenraum
einzudringen, wo der – noch immer auf
„langsam voraus”
stehende Telegraf gut erreichbar ist. Auch verfügt die ROSECASTLE,
als einziges der vier Schiffe, über einen separaten Funkraum an Deck, in dem
ein erstaunlich gut erhaltenes Funkgerät steht. Auf dem Hauptdeck liegt
außerdem ein großer Buganker. Schließlich können die Taucher am Heck der ROSECASTLE
vorbeischwimmen, um etwa dreißig Meter hinter dem Wrack den Torpedo
begutachten, der auf dem Sandgrund in etwa 50 Metern Tiefe liegt. Alle vier Schiffe sind sehr gut erhalten und
unglaublich bewachsen: überall sind bunte Schwämme und Anemonen zu sehen,
Fische, Seespinnen und Krabben tummeln sich in jeder Ecke. Auch über die
Sicht lässt sich nicht klagen obwohl sowohl Rick als auch Skipper Bill die
20m die wir im Juli hatten als „mäßig“ bezeichneten. Im Frühjahr sollen 40m
und mehr keine Seltenheit sein. Neufundland, auch für Nichttaucher ein Paradies So schön diese Wracks auch sind, Taucher sowie Nichttaucher sollten ihren Aufenthalt auf Neufundland ausnutzen, um auch über Wasser die gigantische Landschaft und die Warmherzigkeit der Einwohner zu genießen. Selten haben wir uns so schnell wohl und integriert gefühlt wie auf dieser Insel. Vom östlichen Ende, vor dem die Wracks liegen, sind wir quer durch die Provinz nach Westen gefahren und wurden bei jedem Zwischenstopp herzlichst begrüßt. Ganz im Westen von Neufundland liegt der Gros Morne National Park, ein Muss für Natur- und Wander-Freunde. Vom einstündigen Spaziergang, über die Bootstour
durch die Fjorde, bis zur viertägigen Wanderung durch die Wildnis samt
Besteigung des höchsten Berges Neufundlands auf 800 Meter hat der
Nationalpark alles zu bieten. Dabei ist es nicht selten, auf Elche oder
Karibus zu stoßen, die sich, fast schon gelangweilt, beobachten lassen. So bleibt Neufundland noch lange in die Erinnerung
seiner Besucher, egal ob jung oder alt, sportlich oder eher gemächlich
unterwegs, Taucher oder Nichttaucher…und immer wieder zieht es einen zurück
in diese kleine Ecke Paradies. Anreise mit Aircanada:
http://www.aircanada.com/de/ Taucherlodge in Conception Bay South:
http://www.oceanquestadventures.com/ Gros Morne Nationalpark:
http://www.pc.gc.ca/eng/pn-np/nl/grosmorne/index.aspx Walausfahrten: http://www.oceanquestadventures.com/; http://www.obriensboattours.com/obriens-newfoundland.html Andere Sehenswürdigkeiten ·
Trinity:
http://www.townoftrinity.com/ Terry Nova National Park:
http://www.pc.gc.ca/eng/pn-np/nl/terranova/index.aspx Twillingate (Eisberg-Hauptstadt Neufundlands):
http://www.twillingate.com/ St. John’s:
http://www.stjohns.ca/ Cape St Mary’s (Vögelkolonien):
http://www.newfoundlandlabrador.com/placestogo/capestmarys East Coast trail:
http://eastcoasttrail.ca/ |
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Das Wasser der Fjords vom Gros Morne National Park schimmert einladend, glatt und blau ... ist allerdings auch schön kalt. |
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Der Kiesstrand von Middle Cove lädt im Sommer zum Sonnen und – für die sehr Tapferen – auch zum Baden ein. |
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Eisberge können wunderschöne, bizarre Formen aufweisen. Sie schmelzen im „wärmeren” Wasser vor Neufundland dahin ... |
... und können zerbrechen oder kippen – für Zuschauer heißt es: aufpassen und nicht zu nah heranfahren. |
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Drei Taucher genießen, auf einem Eisberg sitzend, die Sonne. |
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Taucher schwimmen am imposanten Unterwasserteil eines Eisbergs entlang. |
Das glockenförmige Loch zwischen vorgelagertem Felsen und Insel hat letzterer ihren Namen gegeben: Bell Island. |
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Ein riesiger Anker liegt auf dem Deck der SAGANAGA. |
Ein Ocean Pout hat auf der LORD STRATHCONA ein Zuhause gefunden. |
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Ein Taucher schaut vom Bug der PLM27 ins blaue Wasser hinaus. Ob vielleicht ein Schwarm Lodden oder ein Zwergwal vorbeischwimmt? |
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Das Buckelwal-Kalb findet Gefallen daran, mit den Schnorchlern zu spielen. |
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Buckelwal-Kälber sind neugierig und scheinen sich über den (seltenen) menschlichen Besuch zu freuen. |
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