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Aktuell im Juli 2012 wurde der 2006 in Dienst gestellte Nuklear-Eisbrecher 50 YEARS OF VICTORY eingesetzt, größter Nuklear-Eisbrecher der Welt. |
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Dröhnend schlingert die Maschine der russischen Airline Aeroflot über das kieferngrüne Taiga-Meer. Kaum zu glauben: unter uns die Halbinsel Kola – geheimnisumwittert, fast noch terra incognita. Wer hat sie seit 1945 schon bereist?! 51 Arktisfans aus acht Nationen haben den robusten Flieger im nordfinnischen Rovaniemi am Polarkreis bestiegen. Jugendträume sind’s von Schnee-, Eis- und Forscher-Abenteuern, die sie Ende Juli hierher gelockt haben.
Dutzende der über 100.000 silbrig glänzenden Seen-Spiegel dieser eiszeitlich überformten Felsregion, geographisch dem „Fernen Norden” Russlands zugeordnet, blinken zu uns herauf; synchron dazu spuken die medienbekannten Kola-Klischees durch unsere Köpfe: vom hermetisch abgeriegelten Stützpunkt der „Severny Flot” (Nordmeer-Flotte), riesigen Atom-U-Booten, Sperrgebieten, Verboten überhaupt ... Fotos auf dem Flugfeld, eine fast schon laxe Zollkontrolle lassen erste Zweifel daran aufkommen. Ein Bus aus westdeutscher Produktion mit der Aufschrift unserer Gastgeber „Murmansk Shipping Company” karrt uns in beängstigendem Tempo Kola entgegen, einer der ältesten Siedlungen Russlands (13. Jahrhundert). Links und rechts der Eismeerstraße schadstoffgerupfter Kiefern-, Lärchen- und Fichtenwald. Szenenwechsel: schier endlos die Phalanx von öden Wohnmaschinen aus Fertigbauteilen, durchmischt mit heruntergekommenen Industriekomplexen. Nur hier und da ducken sich ein paar Holzhäuser aus der Gründerzeit (1915). Murmansk, heute fast eine Halbmillionenstadt, lässt grüßen. Unsere russische Dolmetscherin Galina überschüttet uns mit Zahlen, Daten, Fakten. Bei „Aljoscha”, wie die Russen liebevoll das graue Monstrum nennen, wird Halt gemacht. Auf einem Hügel wacht er über Stadt und Fjord, der unbekannte Soldat: ein 30 Meter hoher Betonkoloss mit ewiger Flamme zu seinen Füßen. Hochzeitspaare posieren vor ihm zum Erinnerungsfoto. Unsere Motive sind anders: Hafen- und Stadtpanorama. Und einer der größten Eisbrecher der Welt, der – perspektivisch bedingt – als Winzling tief unten auf uns wartet. Noch beträgt unsere geographische Breite 68°N bei +10°C Lufttemperatur. „Bei uns herrscht zehn Monate Winter”, meint Galina, „und zwei Monate warten wir auf den Sommer”.
Im Hafen überrascht die festlich-bunt über die Toppen beflaggte ROSSIJA durch ihre gigantischen Ausmaße. Mit 42 Metern Höhe reckt sie sich weit über die Kräne vom VEB Eberswalde. Beeindruckend auch die 150 Meter Länge des 23.000-Tonners. Keine Zweifel mehr an seiner Polartauglichkeit. An der Reling des 30 Meter breiten Hauptdecks drängelt sich die Besatzung (130 insgesamt), um die West-Passagiere zu begutachten: noch scheues, aber doch schon freundliches Winken. Zwei Frauen in altrussischer Tracht drücken uns an der Gangway eine rote Nelke in die Hand – gezogen in einem Murmansker Treibhaus. Bis uns die hochhausverdächtigen Aufbauten mit ihren zwölf Decks geschluckt haben. Wir sind allein im ROSSIJA-Labyrinth mit seinen sage und schreibe 1.500 Räumen. Orientierungsprobleme sind die unausbleibliche Folge. Die Ausstattung der geräumigen Offizierskammern: eine feste Koje, Dusche/WC, Schreibtisch, Sessel, Regale, viel Schrankraum, zwei große Fenster hoch über dem Wasser. In 25 Passagierkammern ist zusätzlich je ein Klappbett eingebaut worden. Die helle Mittsommernacht animiert nach Begrüßungsdrink und Buffet dazu, unsere Eisfestung quer durch alle Decks zu erkunden. Ein gehöriges Stück Beinmuskel-Training treppauf, treppab!
Das Auslaufen ist auf 11:00 Uhr festgesetzt. Um 10:00 Uhr werden Schiff und Besatzung von Direktor Masutkin der Murmansk Shipping Company offiziell verabschiedet. Derweil brechen sich zwischen Güterwaggons, beladen mit Erdgasrohren für Westsibirien, und Schiffswand die Marschmusikklänge einer Marine-Kapelle der russischen Nordmeer-Flotte. Karnevalsstimmung: kunterbunte Papierschlangen flattern von allen Decks an Land, bis auch diese letzten Bande reißen. Langanhaltend dröhnt das mächtige Typhon über die Stadt und den Kola-Fjord. Viele Arme winken. An Steuerbord die Marine-Basis: Hubschrauberträger, Kreuzer, Zerstörer und Atom-U-Boote liegen wie zur Flottenparade aufgereiht – Film- und Fotoamateure kommen ungehindert zum „Schuss”. Treibstoffmangel hat die grauen Pötte an die Ankerkette gelegt. Grün-graue Granithügel, von Antennenwäldern gekrönt, und walrückenflache Schäreninseln bilden die Auslaufkulisse während 26 exklusiver Seemeilen. Ihr ganz großer Vorteil: nicht einmal während strenger russischer Winter durch Eis blockiert. Dank „Golfstrom-Warmwasserheizung”. Daher wurde der Hafen während des Zweiten Weltkrieges auch ganzjährig von den Alliierten genutzt, um den Nachschub für die Rote Armee sicherzustellen. Am frühen Nachmittag steckt ROSSIJA ihre bullige Stahl-Nase in die selten so bleiern daliegende Barents-See. Kurs 50 Grad ist abgesteckt. 75.000 PS übertragen auf drei Schrauben (5 Meter Durchmesser und 42 Tonnen Gewicht), schieben den Koloss mit 21 Knoten nach Nordosten. Die Murman-Küste verliert sich achteraus im Mittagsdunst. Abends ist Captains-Dinner angesagt – ohne „Kleidervorschriften”, denn man sei hier auf einem Arbeitsschiff und nicht auf einem Passagierliner, so Kapitän Anatolij. Im Übrigen werden wir ungefähr der historischen Route von Fridtjof Nansen folgen, die er mit seiner im Eis driftenden FRAM zwischen 1893 und 1896 Richtung Pol eingeschlagen hatte. Nach der Vorstellung seiner Offiziere stoßen wir auf einen glücklichen Reiseverlauf an. Der Kalte Krieg gelte nur noch dem Eis. „Den Russen gehört der Nordpol, uns der Südpol”, stellt er schmunzelnd fest; er verweist auch auf Zukunftsprojekte wie eine Schifffahrtsroute Sibirien-Alaska via Nordpol oder die verstärkte Nutzung des Sibirischen Seeweges, auf dem wir ein Stück entlangdampfen, für westliche Fracht- und Forschungsschiffe unter der Assistenz russischer Großeisbrecher. Man erfährt auch, dass fast alle Bestandteile unseres Essens per Kühlcontainer-LKW nach Murmansk geschafft worden sind. Nicht nur das: auch Handtücher, Geschirr, Gläser, Reinigungsmittel, Müllsäcke und noch vieles mehr musste diesen langen, beschwerlichen Weg gehen. Das Schiff habe außerdem hohe Tageskosten. So errechnen sich die hohen Passagierkosten zwischen 16.750 und 22.890 € pro Person, da die ROSSIJA kein Passagierschiff ist, aber letztlich doch für sie fährt. Ein kalkulierter Exklusivpreis für eine exklusive Route, denn nördlicher geht’s nun mal nicht. Für uns ist es das Rettungsbootmanöver samt Sicherheitseinweisung und Anprobe eines knallroten Gummianzuges ein wichtiger Lernprozess. Bei den herrschenden Wassertemperaturen um den Gefrierpunkt überlebenswichtig.
Unsanftes Wecken am zweiten Morgen auf See bei 76°N nach 678 Seemeilen, es rumpelt und poltert lautstark von außen gegen die massive Bordwand. Ein schneller Sprung aus der Koje: ROSSIJA durchpflügt fast ungebremst ein Treibeisfeld. Der dunkle Streifen in einigen Meilen Abstand muss Novaja Zemlja sein. Unter tiefhängenden grauen (Schnee-) Wolken eine Gletscherfront, zwischendurch von Schmelzwasser zerfurchte dunkle Berghänge, entlang der Küste driftende Eisberge verschiedenen Alters: von weiß über grün bis türkis und sogar dunkelbraun bis schwarz, wenn Schuttmoränen ihre Finger im Spiel hatten. Wasser- und Lufttemperatur klettern nicht mehr über 0°C. Dichtes Meereis bedeckt von hier ab einen riesigen Seeraum. Die weit polwärts verlaufende Flachsee und der schwindende Golfstromeinfluss der Barents-See begünstigen die Festeisbildung: bis zu 220 Seemeilen vor die sibirische Küste. Ursache der langanhaltenden und schnellen Abkühlung sind auch die großen Süßwassermengen von den sibirischen Strömen, wodurch der Salzgehalt auf stellenweise unter 2,2 Prozent (Weltmeer 3,3 Prozent) reduziert wird. Dadurch erhöht sich natürlich die Gefrierfähigkeit, so dass das Meereis vor Sibiriens Küsten schon bei -1,2°C (Grönland -1,8°C) gefriert.
Mys Zhelanija (Kap der Wünsche), die Nordspitze der rund 1.000 Kilometer langen gekrümmten Doppelinsel präsentiert sich in sieben Meilen Distanz als schwarzer Brandungspfeiler im Stil der „Langen Anna” von Helgoland, hüllt sich aber bald in Schneetreiben ein. Auf dem kahlen Küstenland ein paar Hütten, Funkmasten und Radarantennen. „Gleich um die Ecke” soll noch die Hütte von Willem Barents aus dem 16. Jahrhundert stehen. Er entdeckte die Barents-See bei dem Versuch, nach Indien zu segeln. Unter dem von nun an herrschenden Dauerfeuer aus Donnern, Krachen, Hämmern, Poltern und Zischen während des Eisbrechens – nur unterbrochen von kurzen Ruhepausen in Waken, eisfreien Wasserflächen in Folge Wind und Strömungen – bahnt sich das Schiff mit noch 17 Knoten problemlos seinen einsamen Kurs durch die Kara-See nach Südosten. Sommers wie winters gilt das Seegebiet als gefürchtetes Eisloch, aber selbst seine bis zu zwei Meter dicken Schollen können ROSSIJA nichts anhaben. Wohl aber unserem Schlafbedürfnis. Letzte Meldung: In der kommenden „Nacht” sollen wir vor der sibirischen Hafenstadt Dickson, dem Nervenzentrum des Sibirischen Seeweges an der Jenissej-Mündung, auf einen Konvoi stoßen. Wo das genau sein werde? Der wachhabende Zweite Steuermann Andrej zeigt die Treffpunkt-Position auf der Seekarte.
Wenn schon an Land nichts geht, dann um so mehr an Bord. Die Dauerhelligkeit lässt das Zeitgefühl verschwimmen, „Polareuphorie”, so das medizinische Stichwort, lässt die Nacht zum Tag werden, ohne Müdigkeit zu spüren. Was alles wird der Besatzung und uns geboten? Wie wär’s mit einem Russisch-Kurs? Oder mit Filmen über die winterliche Konvoifahrt? Wer will, kann sich auch weiterbilden in Vorträgen der ROSSIJA-Volksuniversität: über die russisch-amerikanische Arktis- und Antarktisforschung. Tourismus-Aspekte dieser Regionen, die Ozeanographie und das Klima des Polarmeeres, den Sibirischen Seeweg; Interessenten finden sich für die polare Briefmarkenausstellung oder Schachturniere; für Führungen durch das Schiff von der Brücke über Kombüse und Bäckerei (mit einem Ausstoß von 40 Broten pro Tag) bis in den „Keller”, die Maschinenhallen mit Kontrollraum der beiden Reaktoren. Schon etwas Besonderes ist es, dem kanadischen Eisforscher Dugal und dem deutschen Ozeanographen Dr. Detlef von der Uni Hamburg bei der Arbeit über die Schulter zu sehen: wie sie Karten zeichnen oder Messsonden ins Wasser schießen, um Aussagen über Temperaturen und Salzgehalt des jeweiligen Seegebietes zu erhalten. Sogar der deutsche Forschungseisbrecher POLARSTERN hat gemeinsam mit seinem schwedischen Kollegen ODEN inzwischen diese Route unter Assistenz eines sowjetischen Eisbrechers befahren. Auch Tiere tauchen auf und lassen sich von Deck oder der geheizten Brücke aus in aller Ruhe beobachten: Eisbären – einer dieser stolzen Könige der Arktis hat sogar ganz frech und mutig den Kurs des Schiffes vor dem Steven gekreuzt und uns dann ungerührt beim Eisbrechen zugesehen –, stoßzahnbewehrte Walrosse, Wale, Robben, Seevögel. Hubschrauberverfolgungsflüge à la Film- und Fotosafari sind unnötig, kann man doch die Tiere häufig in unmittelbarer Schiffsnähe sehen. Zur allgemeinen Entspannung und nach einer Tischtennis- oder Jogging-Runde mit Besatzungsmitgliedern trifft man sich in der Sauna und im Swimming Pull (so die russische Schreibweise), der mit auf +22°C erwärmten Meerwasser des jeweiligen Seegebietes ständig aufgefüllt wird. Ohne an Deck gehen zu müssen, kann man so in Barents-, Kara-, Laptev-See und Polarmeer-Wasser baden oder bei +90°C schwitzen, vom „Eiskonzert” außenbords lautstark untermalt. Nicht zu vergessen das arktische Wellenbad, wenn bis zu 300 Tonnen Ballastwasser in Minutenschnelle hin und her gepumpt werden, das Schiff ins Rollen bringen und die Eisbrecharbeit erleichtern. Wer‘s „hart“ möchte, der wage sich um 04:00 Uhr früh ins Russische Dampfbad, „Auspeitschen inklusive. Da werden dir Birken-, Eukalyptus- oder Eichen-Reisigbündel schmerzhaft-duchblutungsfördernd über den Rücken gezogen, während sich kochendheiße Dampfschwaden in die Haut brennen.
Wesentlich „softer” geht es bei den speziell für die Passagiere veranstalteten Dampfbädern zu. Russisches Ambiente lässt sich auch bei den Musik- und Folklore-Abenden, von der Crew gestaltet, schnuppern oder in der Mannschaftsmesse bei original russischer Küche genießen.
Die weitläufig 30 Meter breite Brücke, jederzeit offen für alle, ist auch um 01:30 Uhr noch gerammelt voll. Man fiebert dem Konvoi entgegen, der gegen 02:00 Uhr endlich voraus in Sicht kommt. Aus dem Dunst, querab der Kamenij-Inselgruppe (74°N, 84°E) vor der Taimyr-Halbinsel, schälen sich nacheinander: der Atomeisbrecher SOWJETSKIJ SOJUS (75.000 PS), eine Schwester der ROSSIJA, der 1988 in Finnland bei Wärtsilä gebaute Nuklear-Eisbrecher TAIMYR (40.000 PS), sein konventioneller Kollege MURMANSK (22.000 PS) und der Frachter TOLYA KOMAR (3.500 BRZ). Nach 06:00 Uhr beginnt sich der ungewöhnliche Konvoi in Reihe hintereinander zu formieren. ROSSIJA als Schlusslicht. Eine beeindruckende vieltausend-PS-starke Demonstration. Glaziologe Nikolay weiß zu berichten, dass die Tundra-Inselgruppe an Steuerbord während des Krieges mit deutschen Beobachtungsposten besetzt war, um Konvois mit Nachschub an Kriegsmarine-U-Boote zu melden. Er habe dort sogar noch alte Stahlhelme gefunden. Kurz darauf startet er mit Valerij zu einem Erkundungsflug, der dem Führungsschiff weit voraus geht, um die optimale Fahrtroute durch verwirrende Muster von Eisschollen, -bergen, -rücken und Waken auszukundschaften. Querab der Nordenskjöld-Inseln überholt ROSSIJA den langsam dahinkriechenden Konvoi. Kurz darauf meldet sich ein Gegenkommer: das nordpolerfahrene Schwesterschiff ARCTICA mit schwarz-roten Aufbauten. Beide Stahlprotze passieren mit 21 Knoten Höchstfahrt. Winken hüben wie drüben, ein seltsames Schauspiel, zwei freifahrende Supereisbrecher-Schwestern in diesen Breiten auf Gegenkurs zu erleben. Die unter Eisfahrern berüchtigte Wilkitzki-Straße mit ihren gefürchteten Packeis-Barrieren mit sommerlichen drei Metern Mächtigkeit sind für ROSSIJA jedoch ein Zehn-Knoten-Kinderspiel (in 24 Stunden werden noch 361 Seemeilen zurückgelegt, mithin ein Stundendurchschnitt von 15 Knoten). In Sichtweite eine verloren erscheinende Polar-Militärstation bei Kap Vega. Fernab und in Folge der klaren Luft doch so nah: Kap Tscheljuskin, die mit 77°N nördlichste Spitze Asiens und der Festlandswelt überhaupt. Per Hubschrauber kurven wir über ein weites, flaches Vorland mit vernässtem Auftauboden, Frostrissen, Steinringen und eine vom Eis blockierte Steilküste. Verfolgt man den 104. Längengrad von hier aus nach Süden, stößt man bei Singapur auf den südlichsten Punkt Asiens. Dieser Situation angemessen wird ein Deck zum „Sonnenbaden” freigegeben: in Liegestühlen zwar, aber arktismäßig vermummt.
Wir laufen ein in die Laptev-See, biegen „um die Ecke” und steuern mit Nordkurs weitab an Kap Morozova vorbei, der Ostspitze von Ostrov Bolschewik. Sie ist die südliche der drei Inseln von Severnaja Zemlja, dem Nordland, das erstmals von Kapitän Boris Wilkitzki 1913 gesichtet wurde. Massives Eis zwingt die Hubschrauber permanent in die Luft. Valerij, Nikolay und ich starten zu einem mehrstündigen nächtlichen Erkundungsflug. Die Wolken hängen tief, die Sicht ist durch Nebel eingeschränkt. Valerij (10.000 Piloten-Flugstunden) drückt die Maschine tiefer, von 180 auf manchmal nur zehn oder fünf Meter über der grandiosen Eis- und Wasserornamentik. Die ROSSIJA verliert sich achteraus in scheinbarer Bedeutungslosigkeit. Einer der größten Eisbrecher der Welt – ein verschwommener dunkler Punkt. Über Funk hält Nikolay (8.000 Flugstunden) zum Kapitän auf der Brücke Kontakt und meldet laufend seine Beobachtungen, nach denen der wachhabende Steuermann den jeweiligen Kurs durchs Eis wählt. Bei höllischem Lärm der Rotoren, durch Kopfhörer leidlich schallgedämpft, erklärt mir Nikolay die verschiedenen Eisformen, woran er sie erkennt und die Methoden der Beobachtung. Dennoch erleben wir es, dass ROSSIJA, trotz ihrer Kraft, 30-Zentimeter-Stahlarmierung und elf Metern Tiefgang nicht glatt durchkommt. Dann wird zurückgesetzt und im Voll-voraus-Anlauf Rammfahrt probiert. Während wir mit dem Hubschrauber auf dem Eis gelandet sind und die Eisdecke per Maßband manuell gemessen wird (vier Meter), können wir das Schiff bei einem derartigen Gewalt-Manöver beobachten. Mit geballten 75.000 PS wirft es sich einem schneebedeckten |
Zehn-Meter-Presseisrücken entgegen. Ein Donnern und Krachen, über 20 Meter hohe Eis- und Wasserfontänen werden geschossartig am Steven in die Luft geschleudert. ROSSIJA bäumt sich auf, rollt nach beiden Seiten und drückt mit ihrer 23.000-Tonnen-Masse den hinderlichen Eisrücken zu Brei. Unter schneidendem Zischen tritt Pressluft unter der Wasserlinie aus („air-bubble-system”), drückt das Eis vom Rumpf weg und reduziert so die gewaltige Reibungsenergie. Staunend stehen wir vor diesem arktischen Kraftakt und heben erst wieder ab, als ROSSIJA bedrohlich auf uns zu hält. Am 5. August (80°N, 97°E) kommen vor der Küste von Ostrov Komsomolskaja, der nördlichen Insel der Severnaja-Zemlja-Gruppe, majestätische Tafeleisberge in Sicht, die das gleißende Sonntags-Sonnenlicht reflektieren. ROSSIJA schneidet sich einen „Hafen” in die Eiskante und bleibt gestoppt liegen. Eine Robbe spielt uns im eisfreien Heckwasser ohne Scheu ihre eleganten Tauchkunststückchen vor. Von der 35 Meter hohen Schornsteinplattform bietet sich ein geradezu unwirklich-schöner Rundblick. Die Hubschrauber starten einen Pendelverkehr an Land. Wir betreten einen Flecken Erde, der erst 1913 entdeckt wurde. Geröll bedeckt den Boden, wir wandern über eine ehemalige Meeresterrasse, die durch Landhebung in Folge Eisentlastung aufgetaucht ist. Über uns fließt ein Hängegletscher in einen still daliegenden See. Flechten und arktische Kleinstblumen ducken sich in Bodenmulden. Gummistiefel sind auch hier ratsam, will man nicht im Morast versinken. Kap Arkticheskij, der nördlichste Inselpunkt mit einer Forschungsstation, fällt jedoch (buchstäblich!) ins Wasser: Die Hubschrauberpiloten weigern sich, die weitgeschwungene eisfreie Bucht zu überfliegen, da die Maschinen für Wasserungen nicht ausgerüstet sind. Wie es der Zufall will: Kurze Zeit später streikt bei einem der Helis eine Turbine und er muss in dichtem Nebel auf einer Scholle notlanden. Zum Glück in Sichtweite der ROSSIJA. Nicht auszudenken, wäre dieses Malheur über dem Wasser passiert. Die sehr großen Flächen offener Seegebiete, russisch Polynia genannt, reißen Wind und Strömungen in die Eisdecke.
Am 6. August dröhnt das Typhon: auf 84°N, 101°E soll zusammen mit der Besatzung die historische Überschreitung des 80. Breitengrades gefeiert werden: mit Neptun, Thetis, dem Gefolge in fantasievollen Kostümen. Unter martialischem Geschrei suchen sie sich ihre Sünder und bestrafen sie durch symbolische Peitschenhiebe. Sketche, Musik-, Tanz- und Gesangsdarbietungen runden das Nachmittag-füllende Programm ab. Den kulinarischen Rahmen bilden Grillfleisch und Punsch bei 0°C. Bald hat der Eis-Alltag das Schiff wieder fest im Griff. Klirrend zersplittern Alt- und Neueis, Süß- und Salzwasser vermischen sich, wenn ROSSIJA breite Spalten in die Eisdecke reißt. Schollen von (geschätzten) einigen 10.000 Tonnen Gewicht werden fast mühelos beiseite gedrückt, unter die nächste Eisdecke geschoben oder zu einem Trümmerhaufen aufgeworfen. Ein Spiel, das zu beobachten nie langweilig wird. Am Steven zu stehen – ein echter Eiskrimi. Im Salon geht jedesmal reihenweise Geschirr zu Bruch, wenn‘s draußen wieder spannend zugeht. Nur mit einem Minimum an Kommandos vom Steuermann jongliert der erfahrene Rudergänger das Schiff. Er kennt sich aus, weiß wie man durch eine Rinne steuert oder dass eine Scholle schräg „anzugreifen” ist. In der Nacht die Meldung von der Brücke: 85°N soeben erreicht! Jeder nächsthöhere Breitengrad ist ab jetzt das Bordereignis, und alles fiebert den magischen Punkt 90°N entgegen.
Auf der Seekarte, der wohl seltsamsten der Welt, sind nur noch konzentrische Breitenkreise zu sehen. Unbeirrt poltert ROSSIJA durch die drei bis fünf Meter dicke polare Festeisdecke. 60 bis 70 „Schaulustige” drängeln sich zeitweilig auf der Brücke. Die Kameras schussbereit, starren sie wie gebannt auf den Navigationscomputer. Der Zweite Offizier Andrej, heute ganz „offiziell” mit Schirmmütze, ruft laufend die Position aus und markiert sie in der Seekarte. An diesem 8. August, um 13:00 Uhr, 2.433 Seemeilen von Murmansk, zeigt der Bildschirm den Punkt satellitengenau an: 90°00‘N. Das ist der Beweis! Jubel, Umarmungen, Bruderküsse, vielsprachige Gratulationen, Sektkorken knallen, Gläser klirren, „Nastarowje!”-Rufe. The „top of the world”, der geographische „Gipfel der Welt”, liegt bei 4.000 Metern Wassertiefe unter unserem Kiel! Das Typhon verkündet das minutenlang. Spontane Gefühlsäußerungen von „Wunderbar!” bis „Ein alter Traum von mir, habe ich mir schon immer gewünscht!”, reicht die mehrsprachige Skala. Die Brücke heizt sich auf bei so viel menschlicher Wärme, während draußen Nebel und Schneetreiben für eine „festliche” Kulisse sorgen. Wir fühlen uns wie Pioniere, sicher anders als Robert E. Peary, der als Erster am 6. April 1909 den Nordpol (per Hundeschlitten) erreichte. Dennoch ist es auch heute ein (exklusives) Abenteuer, bei dem die Natur immer noch das Programm macht. Trotz aller Technik. Im Gegensatz dazu das von den Menschen für diesen historischen Tag vorgesehene Programm. Als Höhepunkt dieser Reise soll es auf dem „Festplatz”, einer halbwegs ebenen Eisfläche an Steuerbordseite, abrollen. Zeit spielt keine Rolle, denn Tag und Nacht sind eins. Die Sonne dreht sich, ohne auf- oder unterzugehen, über uns auf einer gleichförmigen Kreisbahn. Auch die Datumsgrenze kommt hier auf den Punkt, was allerdings keine kalendarischen Folgen für uns hat. Hier kann man zeitlos glücklich sein. Ein paar äußerst Mutige tauchen zunächst einmal unter großem Gejohle der dick vermummten Zuschauer ab: nackt ins 0°C kalte und über vier Kilometer tiefe Eiswasser. So rot und blitzartig, wie sie wieder herausstürzen, so frostig ist es gewesen. Da hilft auch kein Wodka, sondern nur noch das russische Dampfbad. Matrosen räumen auf dem Festplatz den Schnee beiseite, richten zwei Flaggenmasten auf, schleppen Rednerpult und Grillgerät aufs Eis. Die Nordpolfahrer versammeln sich unter den friedlich flatternden Fahnen Russlands, USA, Finnlands, Deutschlands, Frankreichs, Kanadas, Arabiens, der Schweiz und Australiens. Signalmunition zaubert Silvester-Stimmung in den Himmel. Neun Nationalhymnen lassen uns zu Eissäulen gefrieren, dann die Festreden: vom Kapitän und dem Reederei-Vizepräsidenten. Noch einmal Glückwünsche, Lob und Werbung für die Leistungsfähigkeit der russischen Flotte – bis es reicht. Ausgelassen tanzen wir im Kreis einmal um die Erde: in der Rekordzeit von zwei Minuten haben wir es geschafft. „Wenn man sich vorstellt, was da tief unter uns alles so passiert ...”, sinniert Mitfahrer Andreas vor sich hin und reiht sich in den Kreis der Tanzenden ein. Denis, unserem Junior, überreicht der Kapitän den meterlangen vergoldeten „Schlüssel zum Nordpol”. Uns werden Urkunden überreicht. Dr. Ibrahim aus Saudi-Arabien hat allerdings ein Problem: als gläubiger Moslem möchte er seinen Teppich ausrollen und gen Mekka beten, doch am Nordpol gibt es nur eine Himmelsrichtung: Süden. Sein religiöses Pflichtgefühl obsiegt. Als erster Araber ist er nicht nur am Südpol gewesen, sondern jetzt auch am Nordpol. Mit ein paar Schlucken Süßwasser bester Qualität aus einem türkisfarbenen Süßwassertümpel, die überall auf dem Eis aus Schnee schmelzen, erfrischen wir uns. Manche nehmen eine Kanne voll mit an Bord. Letztes Zeremoniell auf der Back: ein Stahlzylinder mit den Passagiers- und Besatzungslisten wird im Wasser versenkt. Gegen 01:00 Uhr befreit sich ROSSIJA mit Pressluft rumpelnd aus der Treibeis-Umklammerung, um den Kurs auf Franz-Joseph-Land einzuschlagen. Nach mehreren Versuchen kommt ein Funkgespräch mit dem deutschen Forschungs-Eisbrecher POLARSTERN zustande, der bei Spitzbergen auf 78°N, also „weit unter” uns, operiert: Glückwünsche und Erfahrungsaustausch.
Zwei Tage und Nächte polternde Packeis- und Presseisfahrt liegen hinter uns – nicht gerade ein Wiegenlied nach dem „Pol-Stress” –, als wir bei 80°N, 60°E morgens Kap Frankfurt voraus sichten. Eisberge, steile felsschuttumsäumte Bergflanken, grau und wolkenverhangen, grell-weiße Plateaugletscher – das sind erste Impressionen einer Inselgruppe mit Namen Franz-Joseph-Land. Auch eine Insel mit dem schönen Namen „Wiener Neustadt” – Relikt aus 1872-74, als die Entdecker Weyprecht und von Payer der österreichisch-ungarischen Polarexpedition sie so benannten. Mittags zu Anker vor der Insel Hayes mit der Polarforschungsstation Krenkel, der nördlichsten Wissenschaftlersiedlung der Welt. Der Hubschrauber versinkt im tiefgründigen Auftauboden. Am öldurchtränkten Strand steckt ein vor Jahren abgestürztes Transportflugzeug seine plattgedrückte Nase in den schwarzen Sand. Daneben in endloser Reihe verrostete LKWs, Raupenschlepper, Baufahrzeuge, Kräne und leere Ölfässer, die auf ihren Abtransport warten. Was für ein lukratives Schrottgeschäft wäre das! Die Menschen hier haben andere Sorgen. „Nur einmal im Jahr kommen zwei Versorgungsfrachter, sonst Flugzeuge”, berichtet Sergej, ein Ingenieur aus Sankt Petersburg, den ich vor einer grün gestrichenen Baracke mit der Aufschrift „Banja” treffe. Er möchte nicht, dass ich ihn in seinem verdreckten Arbeitsanzug fotografiere, lädt mich aber zum Dampfbad ein. Entlang der morastigen „Hauptstraße” grob zusammengezimmerte Hütten, darunter auch eine Bibliothek, ein Laden und ein kleines Inselmuseum, deren hellblaue, grüne und gelbe Farbe nur noch zu erahnen ist. Auf einem Hügel die meteorologische Funkstation. 50 Menschen (davon 20 Frauen) erforschen darüber hinaus Ozeanographie, Glaziologie und Geomorphologie der Region. Im Winter sind es 100. Nach zwei Jahren habe man Anspruch auf sechs Monate Urlaub, so Sergej. Der Anreiz für dieses öde und harte Dasein? Fünfmal so viel Lohn wie in Russland. Dafür lohne es sich schon. Ein Problem sei die fast fünfmonatige Polarnacht und die mangelnde Versorgung. Hinter manchen Doppelfenstern sehe ich Tomaten gedeihen, in einem Gewächshaus baumeln Gurken. Ein Ehepaar halte es hier schon seit 13 Jahren aus, und wer es 15 Jahre geschafft hat, kann sich bereits pensionieren lassen. Zu Recht, denn spurlos wird diese Zeit an keinem vorübergehen. Die Station ist auch kein Paradies für Liebhaber alkoholischer Getränke, denn die gebe es hier nicht. Drum heftet sich mir auch der 23-jährige Funker Tolja bis zum Hubschrauberlandeplatz an die Fersen und bittet mich inständig um eine Flasche Bier – die ich ihm mit dem nächsten Flug vom Schiff an Land schicke. „Der hat sich vielleicht gefreut”, so Pilot Valerij nach seiner Rückkehr. Einer kleinen Gruppe von uns gelingt eine abenteuerliche Insel-Durchquerung per Gelände-LKW, dessen Fahrer spontan dazu eingeladen hat. Wege gibt es nicht, dafür um so reißendere Gletscherbäche, schneebedeckte Geröllfelder und tückischen Treibsand, in dem sich die Räder achstief festfressen. Andere kurven mit einem Zodiac-Exkursions-Schlauchboot durch die eisige, windbewegte See, um sich Eisberge aus greifbarer Nähe anzusehen. Eine gleißende, fast warme Mitternachtssonne vergoldet Gletscher und Berggipfel, als wir um 4:00 Uhr ankerauf gehen und die Station wieder ihrer Einsamkeit am äußersten Rand der Ökumene überlassen. In einem engen Fjord muss ROSSIJA erstmals kapitulieren: Die geschlossene Eisdecke ist zwischen den Bergflanken eingeklemmt, so dass das Schiff sie nicht seitlich wegdrücken kann. Mit langsamer Rückwärtsfahrt schleicht sich der Supereisbrecher davon, um einen bequemeren Kurs einzuschlagen, der berechen- und daher brechbar ist. Vier stoßzahnbewehrte Walrosse sehen es ebenso und lassen ihre Fettmasse einfach von einer Scholle ins Wasser plumpsen, um abzutauchen. Blendend weiß die 30 Meter aufragende Kalbungsfront eines Gletschers – Traumkulisse rechtzeitig zum Frühstück. Kontrastierend dazu hellgrüne Flechteninseln an den steilen Flanken einer dunklen 300 Meter hohen Bergwand. Wir dampfen durch eine atemberaubende Fjord-Eis-Szenerie zur Tichaja Gawan, der Stillen Bucht auf der Insel Hooker. Am Fuß einer Schotterterrasse, im Rücken einen schützenden Hang, ducken sich die grauen Holzhütten einer Forschungsstation, die bereits 1937 aufgegeben wurde wegen einer Anomalie. Die Temperaturen sind in der Stillen Bucht höher als in der Umgebung, so dass die Messdaten verfälscht wurden. 1914 überwinterte die Nordpolexpedition unter Führung des russischen Leutnants Sedov in der Station. Sein Grabkreuz mahnt am Rande der Geistersiedlung, ebenso das eines Mechanikers, der an Skorbut starb. Über einem Steinhaufen ragt schräg ein hölzerner Flugzeugpropeller in den schneegrauen Himmel: letzte Ruhestätte eines Piloten. Einzig sibirisches Treibholz, in Mengen auf die eisverkrustete Küste geworfen, sorgte damals für Wärme. In den Häusern Reste von Leben: Bettgestelle, Knochen, Papierfetzen, Küchengeräte, Werkzeug, Bücher, Konserven, Schlitten; die Fenster zerborsten, die Fußböden eisüberkrustet. Das alles lässt zumindest ahnen, wie die Menschen hier jahrelang lebten. Wie zur Bestätigung fegt ein Schneeschauer über die Station hinweg. Letzter Halt an der Südspitze des Archipels, dem Kap Flora auf der Insel Nordbrook. Nicht nur landschaftlich eine Augenweide, sondern auch historisch bedeutend: 1896 ging Fridtjof Nansen an Land, als er mit der FRAM am Nordpol vorbeidriftete. Er kartierte als Erster die sich über 350 Kilometer erstreckende unwirtliche Inselgruppe – eine bewunderungswürdige Leistung. Neben einer Mini-Holzhütte entdecken wir gusseiserne Ofenteile mit der Jahreszahl 1912, Knochen, eine verrostete Schaufel, dickwandige Flaschen. „Noch nie bin ich so unmittelbar mit arktischer Historie konfrontiert gewesen”, meint Reiseleiter Günter. Auf einer Eisscholle trainiert eine Lummen-Mutter mit ihren Jungen den schwierigen Eisgang. „Arktische Pinguine” nennen wir sie wegen ihres schwarz-weiß befrackten Aussehens. Zwei Eisbären federn gleichgültig von Scholle zu Scholle, aber unser bewaffneter Eisbärwächter Victor behält sie scharf im Auge.
In den nächsten beiden Tagen zeigt sich die Eisdecke zunehmend ausgefranster und dünner. Ein Nebeneffekt: das phonstarke gewitterartige Dröhnen am Rumpf nimmt gegen Null ab. Ruhe im Schiff, endlich wieder durchschlafen können, was besonders für Eisbeobachter und Piloten nach über 100 Flugstunden gilt. Die Barents-See liegt wieder bewegungslos da wie ein Ententeich, die Lufttemperatur schon bei +10°C: it‘s T-shirt-time an Deck. Mir fallen Schlagzeilen ein aus jüngster Zeit wie: „In der Barents-See schmilzt Eis dramatisch schnell!” oder: „Nordpoleis wird immer dünner”. Letztere konnte am 08. August von unseren Eisforschern bestätigt werden: Dort, wo 1976 noch fünfeinhalb Meter Dicke gemessen wurden, registrierten sie jetzt durchschnittlich zwei Meter weniger. Ein viermotoriges norwegisches Aufklärungsflugzeug umkreist uns, versucht sicher anderes aufzuspüren: russische U-Boote. Vor dem Eingang zum Kola-Fjord kommt uns eins aufgetaucht entgegen, ebenso mehrere Rudel von Tümmlern. Wir können in Ruhe fotografieren. Beim Chef-Funker Boris läuft bereits die Reise-Retrospektive, nämlich die gesammelte Produktion der Kameraleute. Um Monitor und Kassettenstapel gruppieren sich in der engen Kammer 20 Interessierte. Hinter der Kimm versinkt zum ersten Mal seit zwei Wochen ein glutroter Sonnenball. Auch ein Abendereignis. Am 15. August um 03:00 Uhr macht der Eisbrecher ROSSIJA nach einer denkwürdigen Fahrt wieder an der Erzpier in Murmansk fest. „Tachostand”: knapp 4.000 Seemeilen oder 7.400 Kilometer. Und das im Zeitplan. Der Abschied von der liebenswerten Besatzung ist herzlich und fällt schwer. Die gemeinsam erlebte Eis-Expedition hat uns eine Crew werden lassen. Und im nächsten Jahr? Soll es von Murmansk aus via Nordpol nach Nome in Alaska gehen. Wie sagen doch die Norweger: „Die Arktis verwandelt den Reisenden in einen Bumerang. Wer sie einmal erlebt hat, kommt immer wieder zurück”. Schiffs-Infos: NS (Nuclear Ship) ROSSIJA; Bauwerft Baltische Werft Leningrad; Baujahr: 1981-1985; Indienststellung 21.12.1985; Verdrängung 22.920 t; Länge 150 Meter; Breite 30 Meter; Tiefgang (max.) 11 Meter; Maschine turboelektrisch, Kernreaktor, Dampfturbinen; Leistung 55.162 kW/75.000 PS; Geschwindigkeit (max.): 21 kn; Propeller 3; Klasse: Arctica; Crew 140; Passagiere (max.) 128; Eigner Russische Föderation; Reederei FGUP „Atomflot”; Heimathafen Murmansk; Flagge Russland. NS ROSSIJA, zweitgrößter Nukleareisbrecher der Welt, fuhr 1990 das erste Mal mit westlichen Passagieren als Expeditions-Kreuzfahrtschiff zum Nordpol. Aktuell wird der noch etwas größere, 2006 in Dienst gestellte Nuklear-Eisbrecher 50 YEARS
OF VICTORY eingesetzt (25.000 tdw,
159 Meter lang, 30 Meter breit; Eigner
Poseidon Arctic Voyages, Murmansk), größter
Nuklear-Eisbrecher der Welt. Buchungen: www.polar-reisen.ch · Siehe auch: |
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Vom 18. Juli bis 2. August 2012 dauert die Expedition mit dem Nuklear-Eisbrecher 50 YEARS OF VICTORY. |
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Dieses Eis ist auch für den NE 50 YEARS OF VICTORY etwas zu mächtig. |
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NE 50 YEARS OF VICTORY hat den Nordpol erreicht ... |
... satellitengenau an: 90°00’N. |
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Die Passagiere bilden einen Polar-Zirkel um den Nordpol herum. |
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Heiner und Rosamaria Kubny „hissen” die PolarNEWS-Flagge am Nordpol. |
Der Mi 8 Helikopter Poseidon steht für Rundflüge zur Verfügung. |
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Mächtiger Eisbruch schiebt sich seitlich an der Bordwand vorbei. |
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Die Karte zeigt die arktische Eisbedeckung. |
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Geschlossenes Eis auch zwischen den Inseln des Franz-Joseph-Landes. |
Rätselhafte Steinkugel auf der Champ-Insel, Franz-Josef-Land. |
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Felseninsel auf Franz-Josef-Land. |
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Der Nuklear-Eisbrecher 50 YEARS
OF VICTORY vor der
Inselgruppe Franz-Joseph-Land.
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