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TRANSATLANTIK-AUSGABE-3-2014 

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Bye bye Amerika, auf Wiedersehen Karibik: die NOORDAM auf der ersten Seemeile des Atlantik-Crossings.

Bye bye Amerika, auf Wiedersehen Karibik: die NOORDAM auf der ersten Seemeile des Atlantik-Crossings.

 

Wolfgang Michael Schmidt mit Fotos von Susanne Pilgram

Transatlantik

Mit der NORDAM von Fort Lauderdale nach Barcelona

Sie laufen. Nicht alle, aber viele. Na gut, laufen wir auch. Die Laufbahn ist aus Teak und oval. Die Herde hält sich streng an die Richtung. Immer nach links, bloß nicht rechts herum. Wer rechts rum läuft, ist Geisterläufer, fängt sich böse Kommentare ein und muss mit Zusammenstößen rechnen. Drei Runden sind eine Meile, sagt ein Messingschild an der Wand. Es sagt nicht, ob Land- oder Seemeile. Wir rechnen mal großzügig in Seemeile, weil das in Kilometern eindrucksvoller klingt: 1,852.

Das mag auch hinkommen, denn die Teakbahn liegt auf dem Promenadendeck der MS NOORDAM. Die acht Jahre alte NOORDAM, ein schwimmendes Hotel der sehr gehobenen Kategorie mit rund 900 Kabinen und Suiten, gehört der Holland America Line (HAL). Sie ist gespickt mit guten holländischen Traditionen und fährt unter Flagge der Niederlande. Solchen Luxus leistet sich kein anderer Kreuzfahrer, ausgenommen Cunard, die auf ihren QUEENS den britischen Union Jack fliegen lässt. Gebaut wurde die aktuelle NOORDAM, die vierte, in Italien bei Fincantieri. Allerdings wurde sie nicht im Heimathafen Rotterdam getauft, sondern in New York. Das Schiff hat drei Schwestern – ZUIDERDAM, WESTERDAM und OOSTERDAM. Alle wirken höchst elegant und werden von ihren Kapitänen wegen höchst zuverlässiger Navigationseigenschaften in Karibik und Mittelmeer geschätzt.   

Zweimal im Jahr aber geht die NOORDAM fremd − im Frühjahr und im Herbst, wenn sie die Einsatzgebiete wechselt, wozu jedesmal eine stramme Tour über den Atlantik nötig ist. Dazu kommen besondere Menschen an Bord. Viele von ihnen haben lieber tagelang nonstop Wasser um sich, als jeden Morgen in einem anderen Hafen aufzuwachen. Andere erfüllen sich den langen Traum von der Atlantiküberquerung. Und schließlich gibt es etliche, die dem Abenteuer Seereise vollkommen verfallen und monatelang auf See unterwegs sind. Wir haben es bei der Transatlantik-Tour belassen, ein Trip, der jedes Mal anders ist und nie langweilig wird. Und wenn doch, läuft man zur Abwechslung eben mal rechts herum.

 

Tag 1

Fort Lauderdale ist die hübsche Nachbarin von Miami. Klein aber oho. Die Stadt hat alles: Traumstrand, Airport, Hafen, blaues Meer, weiße Apartmenthäuser. Und mitten drin liegt die NOORDAM, zehn Decks nach oben, Aussenfarbe schwarz, die Aufbauten hinter dunklem Glas. Man kann lange streiten, ob dies die schönste Farbe für ein Schiff ist. Aber es würde sehr viel Farbe kosten, die NOORDAM rot, kariert oder weiß anzustreichen.  Lassen wir sie also schwarz. Ist man erst mal drauf, sieht man die Farbe ohnehin nicht mehr. Der Check-In läuft völlig reibungslos, das Personal ist routiniert und hilfsbereit. Port Everglade, der Hafen von Lauderdale, ist immer busy, Cruiser sind alltäglich. 1800 Paxe werden im Handumdrehen auf das Schiff und in ihre Kabinen verladen. Um ein Uhr mittags ist offiziell Meldeschluss, um zwei sind wirklich alle an Bord, um viertel nach drei die erste Durchsage, ganz straff: „Ladies and Gentlemen, begeben Sie sich umgehend zu Ihrer Musterstation, wo der vorgeschriebene Passenger Safety Drill durchgeführt wird. Wenn Sie die Teilnahme an diesem Pflicht-Training ablehnen, müssen Sie das Schiff jetzt verlassen”.

Zielpunkt für alle 1.750 Fahrgäste ist das Promenadendeck, wo hoch oben Boote und Inseln hängen. Von hier aus müssen Passagiere und Besatzung im Katastrophenfall versuchen, in ihr Rettungsboot zu steigen. Selbst mit großer Fantasie kann man sich nicht vorstellen, wie diese Aktion ablaufen würde. Gut also, dass es sich hier nur um einen Drill handelt, bei dem alle Passagiere namentlich gecheckt werden. Man lernt die Nummer des Rettungsbootes und den Trick, die Schwimmweste richtig anzulegen. Es dauert, bis endlich alle erscheinen, manche mit Cocktailgläsern, doch die Blicke der Drill-Offiziere machen schnell klar, wie ernst ihnen diese Veranstaltung ist. Die Gläser verschwinden ruckzuck in der Kulisse. Dann ist es 16 Uhr. Dreimal drückt Captain Jeroen van Donselaar auf das große Nebelhorn, die Fahrrinne ist frei, ganz langsam schiebt sich die NOORDAM zur Hafenausfahrt, eine Vierteldrehung nach rechts, mittlere Fahrt voraus, vorbei an Lauderdales teuersten Apartments, und dann mit 18 Knoten Kurs auf Ponta Delgada, das wir nach acht Hochseetagen erreichen wollen.

 

Tag 2

Wer heute zum ersten Bordfrühstück ins Büffett-Restaurant Lido auf Deck 9 geht, wird überrascht. An den Selbstbedienungsinseln wird bedient, und zwar überall. Lächelnde Indonesier oder Filipinos, ohnehin zu 100 Prozent im Besitz aller Gastrobereiche, fahren Doppelschichten und schaufeln Frühstück auf vorgewärmte Teller. Kein Gast darf auch nur das kleinste Stückchen Essen berühren, aus gutem Grund. Es geht um den ebenso gefürchteten wie rabiaten Norovirus, der sich gern von Gästen an Bord schleppen lässt und dann vorzugsweise über Buffets ausbreitet. Drei Tage bleibt alles Essbare im Lido hinter Glas, dann steht fest: auch diesmal hatte der Noro keine Chance. Die Serviceleute kehren auf ihre normalen Positionen zurück, ins Hauptrestaurant, ins Edelrestaurant „Pinnacle Grill”, hinter die Bars, in die Küchen und Bäckereien. Das Frontdesk hat heute einen Sonderauftrag des Hoteldirektors: Cabanas sollen verkauft werden. Cabanas? Die NOORDAM führt hoch oben auf dem 11. Deck, eigentlich ein toller Aussichtsspot, der das Schiff nach achtern überschaut, eine Reihe privater Sonnen- und Diningsuiten. Preis für den 14-Tage-Trip: 499 Dollar. Das überlegen sich die Interessenten zweimal, vor allem, weil die Wetteraussichten nicht eben rosig sind.  

Dann der Moment, dem viele Passagiere entgegenfiebern: die Begegnung mit Kapitän und Offizieren. Man trägt so feierlich wie möglich, Abendrobe oder Cocktailkleid, Smoking oder dunkler Anzug. Der Cruisedirektor lässt ein Gläschen Schampus springen, und schon kommt Captain van Donselaar in Gala-Uniform auf die Bühne. Der Chef ist Holländer, lebt bei New York und spielt, wenn er Zeit hat, bevorzugt mit seiner LGB-Eisenbahn. Manche Dame japst vor Begeisterung nach Luft. Unter den Offizieren auch die blonde Sabine Ruehmann aus Hamburg, die im Wechsel mit zwei Kollegen auf der Brücke steht und das Schiff fährt.

 

Tag 3

Langsam kehren auf der NOORDAM Ruhe und Gelassenheit ein. Und etwas Zeit, das Schiff genauer unter die Lupe zu nehmen. Es gibt genug Aufzüge und drei große Treppen, aber keine Haupthalle, die sechs, acht oder mehr Decks hoch wäre. Dafür haben viele der älteren Gäste bereits dankbar die zahlreichen Ruhezonen entdeckt, in denen man ungestört lesen oder nur abschalten kann. Sie sind gern in dunkleren Tönen gehalten, verströmen auf den ersten Blick gediegene, holländische Gemütlichkeit. Wer allerdings genauer hinschaut, registriert deutlichen bis heftigen Verschleiß. Das Mobiliar der öffentlichen Bereiche ist in teils bedauernswertem Zustand, die Sitzpolster im Lido-Restaurant sind am Ende, nicht erst seit heute.

Auch im Theater, mit eigenwilligen Designersofas ausgestattet, wird bei näherem Hinsehen schnell klar, dass eine komplette Neumöblierung unerlässlich ist. Im Laufe der Reise werden wir sehen, dass sich dieser Verschleiß durch die gesamte Innenausstattung des Schiffes zieht. Auch die Kabinen wirken nur im ersten Moment erfreulich, doch dann wird schnell klar, dass die Kunstledersofas in den kleineren Suiten und Balkonkabinen ausgeleiert und die übrigen Möbel von den Ansprüchen der Reederei weit entfernt sind. Leider gilt das auch für die nachlässige Sauberkeit an Bord. Öffentliche Toiletten sind immer eine Problemzone. Es gibt aber 5-Sterne-Schiffe mit perfekten Toiletten, zu jeder Zeit. Hier ist man davon deutlich entfernt, außerdem sind sie oft zu klein dimensioniert.   

 

Tag 4

Und nach dem Dinner ins Theater, die Vista Lounge. Holland America-Schiffe gelten als schwimmende Altersheime und in Sachen Entertainment chronisch antiquiert. So hält sich hartnäckig das Gerücht, nach 21 Uhr werde auf HAL-Schiffen das Licht abgedreht. Ganz so ist es aber doch nicht. Es gibt Musical, Show und Glitter mit einer höchst passablen bordeigenen Truppe. Mehr oder weniger Extraglanz verbreiten die Sahnehäubchen − tageweise gebuchte Comedians, Musiker, Solisten, Popgruppen.

Bei einem Publikum, das in den 1950er Jahren halbstark war, räumt etwa die hochgelobte US-DooWop-Gruppe Alley Cats gnadenlos ab. Der britische Zauberer Neil Austin, der schon das Königshaus bezaubert hat, ebenso. Das Schiff hat einen „BB King Blues Club”, der von der BB King-Zentrale in Memphis betrieben und mit scharfen Funk&Blues-Bands bestückt wird. Ordentlich, aber selbst für die wenigen jugendlichen Gäste an Bord deutlich zu laut. Leiser und deutlich romantischer das Crow's Nest, wo man im Halbdunkel Lieder zur Gitarre hört und Händchen hält.

 

Tag 5

Zwar scheint draußen noch immer die Sonne, die Luft ist warm, das Dach über dem großen Indoorpool ist weiträumig aufgeschoben, auf dem Achterdeck braten die Sonnenanbeter. Auch in der Küche wird gebraten. Die 70köpfige Brigade arbeitet an 800 Steaks, die bis zu ihrem Einsatz am Abend in mächtigen Wärmeschränken bei Laune gehalten werden. Die Küchenjobs sind äußerst vielfältig. Überall Spezialisten: Serviettenfalter, Obstanrichter, Souschefs für Gemüse und andere Beilagen, Dessertköche, Patissiers und Chocolatiers. Alle arbeiten unter der Leitung von Chefkoch Peter Kofler. Aber wo, fragen wir erstaunt den Maestro, sind die Küchengötter, deren Namen man allabendlich ehrfürchtig auf der Menükarte liest und die mindestens gehobene Sterneküche implizieren? Menschen wie Rudi Sodamin, Jonnie Boer, David Burke, Jacques Torres oder Charlie Trotter? Ganz einfach: Sodamin ist kulinarischer Leiter und tüftelt in der HAL Zentrale bei Seattle an neuen, kostengünstigen und simpel herzustellenden Gerichten. Boer, Burke und Torres haben Ideen zugeliefert, Trotter lebt nur noch auf dem Papier, in Wirklichkeit starb er im November 2013 in New York.

Der Kärntner Peter Kofler muss also umsetzen lassen, was sein Häuptling erfindet. Dazu gibt es eine riesige Tafel, auf der alle Speisen der NOORDAM-Küche abgebildet sind. Daneben die Zutaten und das Rezept − kann nichts danebengehen. Oder doch? Wir empfinden die NOORDAM-Küche als extrem schwankend. Was mit blumigen Worten auf der Dinner-Karte angepriesen wird, liegt schon mal als nacktes Grauen auf dem Teller. Doch es geht auch anders. An manchen Tagen läuft die Küche zu Form auf, dann stimmen Anspruch und das kräftige Gedöns, das die uniformierten Maitre d' gelegentlich inszenieren.

 

Tag 6

Es ist kühl auf dem Atlantik, also ab in die Shoppingmeile. Uhren, Schmuck, mehr Schmuck, T-Shirts, Whisky und Kosmetik, Andenken. Und natürlich Park West, die amerikanische Galerie, die auf jedem US-Cruiseship vertreten ist und bunte Kunst von Peter Max bis Thomas Kinkade verkauft. Die Preise sind gepfeffert, aber die Zeit arbeitet für die Shops: niemand kann von Bord, schlimmer: man schlendert wieder

und wieder am Objekt der Begierde vorbei. Und nicht wenige kaufen teure Internet-Minuten, checken den Kontenstand und leisten sich dann das vermeintliche Schnäppchen. Wir hingegen haben uns bereits vor Tagen ein Extra zu 320 Dollar gegönnt − den Spa-Bereich mit Hydro-Pool, Dampfsaunen, beheizten Ruheliegen und sphärischem Gesäusel. Eine Investition, die wir bis zum letzten Tag nutzen werden.

Tag 7

Noch zwei Seetage, ehe wir in Ponta Delgada festmachen. Volles Programm: Nach dem Frühstück bitten Captain und Offiziere zum Meeting auf dem Vordeck. Ein Muss, denn normal ist die Tür zum Bug fest verschlossen. Heute aber nicht. Wir sehen uns um: tatsächlich stehen wir an der Spitze der NOORDAM, der Blick nach vorn auf den Atlantik ist atemberaubend, ebenso der nach hinten auf die Decks, die sich in der Sonne hochtürmen. Bereitwillig lassen sich die Schiffsbosse fotografieren, schlagen begeistert die Schiffsglocke, beantworten mit Engelsgeduld jede Frage.    

 

Tag 8

Niek van Woensel ist Offizier auf der NOORDAM und von elementarer Wichtigkeit. Der Holländer trägt auf dem Namensschild den Zusatz „Manager Culinary Ops”, was bedeutet, dass er Einkäufe und Lagerhaltung koordiniert und kontrolliert. Aber hier, im Bauch des Schiffs, ist er zugleich Herr über fünf unterschiedlich temperierte  Lagerräume. Gewaltenteilung: sein Kollege Agung hat die Schlüsselgewalt. Hier lagern alle Vorräte, die das Schiff während einer Reise verbraucht − in unserem Fall für eine 14-Tage-Reise, auf der nicht nachgekauft werden kann. „Wir haben”, doziert van Woensel, „einen Raum mit Getränken aller Art. Kosten dafür allein dreihunderttausend Dollar”. Der nächste Raum dampft vor Kälte. Bei Abfahrt in Fort Lauderdale war dieser Eiskeller randvoll mit 10.000 Kilo Fleisch, Geflügel und Fisch. Gegenüber, gerade durch den Versorgungsgang getrennt, liegt neben dem Auftauraum die Metzgerei. Hier werden aus mächtigen Rinderteilen handliche Steaks.

Warum hier? „Weil die Hygienebedingungen hier perfekt sind”. Erst unmittelbar vor Verarbeitung liefert die Metzgerei an die Küche. Es gibt einen Frostraum für 130.000 Kilo Gemüse. Einen Kälteraum für Obst, einen für 50.000 frische Eier und 3.000 Kilo Mehl, und noch einen für Blumen, den der Culinary Operations-Manager aber nur selten nutzt. Blumen, sagt van Woensel, „sind so teuer geworden, dass wir uns das nur noch eingeschränkt leisten. Natürlich stehen in den großen Hallen und Restaurants weiterhin die großen Buketts. Aber in den Kabinen haben wir das etwas zurückgefahren”. Mit der Folge, dass der große Blumen-Kühlraum nun meist anders genutzt wird. Die Blumen lagern dafür etwas pikanter. „Wir kühlen sie in unserem Sarglager, sofern das nicht für seinen eigentlichen Zweck genutzt wird, was leider auch gelegentlich vorkommt”. Und wenn HAL auch generell aufpassen muss, dass ihr die Kunden nicht wegsterben, ist das Sarglager heute vollgestellt mit Blumen.

Wir schauen noch in der Bäckerei vorbei, ein paar Türen weiter. Rund um die Uhr glühen hier die Öfen, die Bäcker produzieren täglich 20 verschiedene Brotsorten und 4.000 Brötchen. Und sie lächeln fröhlich und machen ihren endlosen Job mit Liebe.  

 

Tag 9

Die Sonne geht auf, und wir gehen an Land. Nach acht Tagen auf See strömen die NOORDAM-Gäste auf die Azoren-Insel Sao Miguel. Viele haben ab hier Touren gebucht, werden nach ein paar Zügen Inselluft in Busse gesperrt und über enge Straßen zu Kraterseen und wilden Klippen kutschiert. Cruiselines lieben Landausflüge, weil sie reichlich Geld in die Kassen spülen. Fast immer kosten organisierte Bustouren ab 100 Dollar aufwärts, pro Person. Drastisch teurer, aber beliebt, sind Jeep-Safaris. Feine Menschen bevorzugen Transport in kleineren Gruppen − im Taxi oder Minibus, wobei schnell vierstellige Beträge auf der Rechnung stehen. Wir mieten beim lokalen Autoverleih, der sich clever am Ende der neuen Pier eingerichtet hat, einen Kleinwagen und zahlen mit Benzin für den Tag 45 €.

 

Tag 10

Bye bye Azoren, bis Spanien haben wir noch zwei weitere Seetage vor uns. Der Atlantik gibt sich weiterhin bockig, Captain Van Donselaar teilt den geschätzen Gästen mit, das Promenadendeck sei wegen des Sturms vorsichtshalber geschlossen. Kein Laufen, kein Entspannen in den klassischen Teak-Deckstühlen. Die großen, typisch holländischen hölzernen Sitzgruppen, die man überall auf den offenen Decks findet, sind zusammengeschoben und mit Leinen gesichert. Wir haben ohnehin keine Zeit, sondern eine Verabredung in der Wäscherei, 3. Unterdeck. Hier stehen riesige Edelstahl-Waschmaschinen in Reihe, jede einzelne packt 300 Handtücher. Das Schiff ist mit 6.730 weißen Badetüchern ausgestattet, die ständig in 2.000er-Kontingenten rotieren. Dazu kommen weitere 9.000 Handtücher und 4.000 Pooltücher. Und vieles mehr, Bettwäsche, Tischwäsche, Servietten, Kleidung. Gewaschen wird immer, am Tag mit acht, in der Nacht mit zwei Mitarbeitern. Eine mächtige Trockenbahn liefert die Teile perfekt gemangelt oder getrocknet. Gleich nebenan liegt die bordeigene Schneiderei. Die drei Schneider Mr. Nato, Mr. Ed und Mr. Maximo liefern Uniformen für alle Bereiche, aber auch Abendkleidung jeder Ausführung und Größe, falls Gäste sowas für die formellen Abende ausleihen wollen.      

 

Tag 11

Auf dem Weg nach Cadiz, erste Station auf dem europäischen Festland, ruft Kapitän van Donselaar an. Genauer: Er lässt anrufen und fragen, ob wir ihn vielleicht auf der Brücke besuchen möchten. Eine Einladung, die man nicht ablehnen kann. Wir werden abgeholt, der Weg ist kurz, an der Tür zu den Navigationsräumen und der Brücke gibt es Sicherungen, aber der Vergleich mit Fort Knox ginge daneben. Eine weitere Tür schwingt auf, dahinter die Brücke. Ein Raum über die ganze Schiffsbreite, vorn und seitlich völlig verglast, der 180 Grad-Blick schlicht sensationell. „Willkommen”, sagt der Captain, „was kann ich tun?” Wir wollen natürlich wissen, wie sich die NOORDAM denn so fährt. Wie ein Sportwagen oder wie ein Omnibus? „Sie ist unglaublich wendig”, sagt van Donselaar.

Was kein Wunder sei: „Wir fahren mit zwei Azipods, die ihren Strom von unseren 90.000-PS-Dieselaggregaten und einer Gasturbine bekommen”. Azipods sind Antriebsgondeln, die weitgehend freischwebend aufgehängt sind. Kurbelwellen sind Vergangenheit, mit ihnen die einstmals so typischen Mahlgeräusche und Vibrationen. „Wir können die Azipods mit dem Joystick in jede Richtung drehen, die Reaktion kommt unmittelbar”. Weitere direkte Folge: Das Schiff mit 285 Metern Länge lässt sich präziser steuern und anlegen, als ein Golf die Parklücke schafft. Nur dauert das Manöver etwas länger. Und was tut ein Kapitän heutzutage? Er sehe sich wie der Bürgermeister einer Kleinstadt, sagt van Donselaar. Pause. Dann fügt er grinsend hinzu. „Manchmal auch als Kindergartenchef”.  

 

Tag 12

In dieser Nacht am 2. April 2014 kurz vor 1 Uhr früh, fährt die NOORDAM durch die Straße von Gibraltar. Am Morgen fühlt sich die Welt anders an, wenigstens einen Hauch. Das Mittelmeer sei nun mal etwas völlig anderes als der Atlantik, hatte der Captain gesagt. Und dass niemand das Mittelmeer unterschätzen solle. Ab Ende November habe er jedenfalls keine gesteigerte Lust, mit einem Hochbau wie der NOORDAM dort auf Kreuzfahrt zu gehen. „Um diese Zeit ist dieses Wasser sehr unberechenbar”. Und wenig später kommt, was die Metereologe schon angekündigt hatte: Wind zieht auf, die Wellen werden kurz und hoch, wir spüren, dass das Mittelmeer zu Recht ‚Meer’ heißt. Die NOORDAM legt einen Tagesstopp ein − in strömendem Regen macht sie planmäßig in Malaga fest. Am Abend hat sich das Wetter komplett gedreht. Strahlender Sonnenschein, als das Schiff den Hafen verlässt.

 

Tag 13

Gegen 7 Uhr früh legt die NOORDAM in Cartagena an und bleibt für gerade fünfeinhalb Stunden. In der engen und kurvigen Hafeneinfahrt zeigt sich die Sonderklasse in Sachen Wendigkeit. Das Manöver läuft ohne jede Schlepperhilfe, nach knapp 30 Minuten liegt das Schiff steuerbord vor der schönen alten Stadtkulisse. Cartagena muss man zu Fuß erobern, sagen Kenner, und so ist es. Die Leute vom NOORDAM-Bordprogramm sagen das auch, und verkaufen eine geführte Fußtour durch die Stadt hemmungslos für 80 Dollar für Große und 70 Dollar für Kleine. Die Stadt mit ihren antiken Großbauten aus der Römerzeit, mit dem gewissen Hauch von Afrika und einem stark südeuropäischen Charakter fasziniert bei der ersten Begegnung.

An diesem letzten Abend wirkt das Schiff leer, fast gespenstisch ruhig. In zwei Drittel der Kabinen ist Packen angesagt. Das Dinner nehmen zwar fast alle mit, verschwinden danach aber wieder in der Unsichtbarkeit. Manche Bar bleibt gleich geschlossen, an den anderen ist nichts los. Die Tanzband, die ohnehin nie Besucherrekorde melden konnte, gibt nach einer Stunde auf. Das Theater ist zu, kein Programm an diesem Abend. Die Nacht wird kurz, und plötzlich scheint es, als könnten es viele Passagiere kaum erwarten, endlich an Land zu kommen. Dann bricht der letzte Tag an. Morgens um sechs fährt die NOORDAM in den großen Hafen von Barcelona ein. Dort herrscht Hochbetrieb. Ein Cruiser hat schon festgemacht, hinter der NOORDAM kommt ein gewaltiger Container-Frachter. Dann liegt das Schiff fest, die Landungsbrücke hat an Deck 2 angedockt, die ersten gehen von Bord. Wir schauen auf die Uhr: Punkt Sieben, haarscharf die Ankunftszeit, die Captain van Honselaar bei der Abfahrt vor 14 Tagen in Fort Lauderdale angekündigt hatte.  

Und sonst? Wie jede Transatlantik-Tour war auch diese wieder völlig anders. Ein leichter Atlantiksturm auf halber Strecke produzierte schließlich eine einzige Welle, durch die das Schiff in heftige Bewegung geriet. „Die hat im Dunklen niemand kommen sehen”, sagt Sabine Ruehmann. „Wir wussten, dass die Wellen hinter dem Schiff aufbauten, aber das war etwas mehr als erwartet”. Ein paar hundert Teller und Gläser gingen zu Bruch. Töpfe und Regale in der Küche. Am nächsten Morgen bei Frühstück leichtes Chaos, beim Lunch war die Sache vergessen.

In Barcelona liegt die NOORDAM neben drei anderen Kreuzfahrern. Wir werden in Rekordzeit ausgecheckt, das Gepäck wartet bereits in der Zollhalle. Vor 15 Minuten haben wir die Kabine verlassen, jetzt sitzen wir im Taxi zum Flughafen. Von der anderen Hafenseite sehen wir die vier Cruiser in voller Pracht. Und haben leichten Zweifel, ob die NOORDAM nun die schönste ist. Wir entscheiden diplomatisch. Sie ist die eleganteste − und so schön schwarz wie keine andere. Holland America Line


Ziemlich schwarz, fast ein fliegender Holländer: Ausfahrt aus dem Hafen von Fort Lauderdale. Ziemlich schwarz, fast ein fliegender Holländer: Ausfahrt aus dem Hafen von Fort Lauderdale.

Schon ausser Reichweite: die Skyline von Lauderdale schrumpft mit jeder Minute. Schon ausser Reichweite: die Skyline von Lauderdale schrumpft mit jeder Minute.

Vertrauen ist gut, klare Anweisungen besser: So soll das Caribbean Dinner am 2. Reisetag aussehen.

Vertrauen ist gut, klare Anweisungen besser: So soll das Caribbean Dinner am 2. Reisetag aussehen. 

Der NOORDAM-Küchenchef Peter Kofler aus Kärnten.

Der NOORDAM-Küchenchef Peter Kofler aus Kärnten.

Gekocht wird den ganzen Tag: 800 Steaks sind normal. Gekocht wird den ganzen Tag: 800 Steaks sind normal.

 

Das Auge isst beim Nachbarn mit: Früchtebecher sind gleich, fast bis aufs Gramm.

Das Auge isst beim Nachbarn mit: Früchtebecher sind gleich, fast bis aufs Gramm.

Servierköche an den Büffetinseln im Lido-Restaurant: Alles sieht frisch und lecker aus.
Servierköche an den Büffetinseln im Lido-Restaurant: Alles sieht frisch und lecker aus.

Morgens Frühstück, Mittags Lunch, Abends Dinner: weiße Tischwäsche  und stets gediegene Atmosphäre im Vista-Restaurant.Morgens Frühstück, Mittags Lunch, Abends Dinner: weiße Tischwäsche  und stets gediegene Atmosphäre im Vista-Restaurant.

Vormittags gehört das Crow's Nest der Truppe von Barchef Marlon: Ruhe vor dem Sturm auf Deck 11.

Vormittags gehört das Crow's Nest der Truppe von Barchef Marlon: Ruhe vor dem Sturm auf Deck 11.

 

Die schönste Bar ist ganz oben: im Crow's Nest sind die Martinis daheim. Die schönste Bar ist ganz oben: im Crow's Nest sind die Martinis daheim.

Bücherstube, Treffpunkt, Lesesaal: kaum ein öffentlicher Bereich ist beliebter als die Bibliothek. Bücherstube, Treffpunkt, Lesesaal: kaum ein öffentlicher Bereich ist beliebter als die Bibliothek.

 

Bücher darf man ausleihen und auf die Kabine mitnehmen: Gelesen wird rund um die Uhr.

Bücher darf man ausleihen und auf die Kabine mitnehmen: Gelesen wird rund um die Uhr.

Das Pooldach ist bei schönem Wetter immer offen: die Pools schmecken ganz leicht salzig. Das Pooldach ist bei schönem Wetter immer offen: die Pools schmecken ganz leicht salzig.

Aussenpool auf dem Lido-Deck: Nur in den großen Teich sollte man nicht springen. Außenpool auf dem Lido-Deck: Nur in den großen Teich sollte man nicht springen.

Das Promenadendeck ist die Laufbahn: drei Runden machen eine Meile. Das Promenadendeck ist die Laufbahn: drei Runden machen eine Meile.

 

Deckstühle und Boden aus feinem Teak: Hier weht der Geist der legendären Ozeanliner.

Deckstühle und Boden aus feinem Teak: Hier weht der Geist der legendären Ozeanliner.

Der Hydropool kostet extra, wird aber heiß geliebt: 20 Minuten bei 40 Grad sind Maximum. Der Hydropool kostet extra, wird aber heiß geliebt: 20 Minuten bei 40 Grad sind Maximum.

 

Aussicht mit Ozean, falls man den Blick nicht verschläft: heiße Ruheliegen im Spa.

Aussicht mit Ozean, falls man den Blick nicht verschläft: heiße Ruheliegen im Spa.

Die Vista-Lounge: Theater, Show, Dancing, alles ist möglich.
Die Vista-Lounge: Theater, Show, Dancing, alles ist möglich.

DooWop lebt, und wie: die Alley Cats sangen schon bei Jay Leno, in Las Vegas und für Präsident Obama. DooWop lebt, und wie: die Alley Cats sangen schon bei Jay Leno, in Las Vegas und für Präsident Obama. 

 

Gut und Böse auf dem Weg zum Happy End: 16 amerikanische Allrounder machen die Musicalcompany zu einem überdurchschnittlichen Erlebnis.

Gut und Böse auf dem Weg zum Happy End: 16 amerikanische Allrounder machen die Musicalcompany zu einem überdurchschnittlichen Erlebnis.

Tanz, Kostüme, Licht, Bühnendesign: das Repertoire umfasst vier Shows und bleibt zwei Jahre an Bord.

Tanz, Kostüme, Licht, Bühnendesign: das Repertoire umfasst vier Shows und bleibt zwei Jahre an Bord.    

Akrobatik gehört zum Job der Tänzer: zwei kanadische Gäste kommen nur wegen der "Droom"-Show immer wieder an Bord, bisher sechsmal.

Akrobatik gehört zum Job der Tänzer: zwei kanadische Gäste kommen nur wegen der „Droom”-Show immer wieder an Bord, bisher sechsmal.

Die linke und die rechte Herzkammer: Captain Jeroen van Donselaar auf der NOORDAM-Brücke.

Die linke und die rechte Herzkammer: Captain Jeroen van Donselaar auf der NOORDAM-Brücke.

Und dann lädt der Chef zur Party nach ganz vorn: der Glockenschlag ist ausdrücklich erwünscht. Und dann lädt der Chef zur Party nach ganz vorn: der Glockenschlag ist ausdrücklich erwünscht.

 

Wer fährt das Schiff? Acht Stunden täglich eine Frau: Sabine Ruehmann aus Hamburg, 2. Offizier.

Wer fährt das Schiff? Acht Stunden täglich eine Frau: Sabine Ruehmann aus Hamburg, 2. Offizier.

In den Hafen von Cartagena läuft die Noordam Slalom: Von hier zog Hannibal vor 2200 Jahren in den Krieg, später verschifften Römer 700 Jahre Silber nach Italien.

In den Hafen von Cartagena läuft die NOORDAM Slalom: Von hier zog Hannibal vor 2200 Jahren in den Krieg, später verschifften Römer 700 Jahre Silber nach Italien.

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