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Foto: Alexander Oberst |
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Neulich hatte ich einen Traum; besser gesagt einen
Tagtraum. Ich ging allein im Wald spazieren und erfreute mich an der Natur.
Auf einmal bemerkte ich, wie jemand leichten Fußes neben mir einherschritt.
Er war etwa zwei Meter groß, von dunkler Hautfarbe und hatte einen
athletischen Körperbau. Bekleidet war er mit einer Art goldfarbenen
Jogging-Anzug. Obwohl er aussah, wie ein Mensch, schien er nicht von dieser
Welt zu sein. Er hatte ein so freudiges, ja fast schon lustiges Strahlen in
seinem Gesicht, das man auf unserer Erde nur sehr selten findet. Als ich ihn
ansah musste ich spontan lachen. Es war ein herzhaftes, fröhliches Lachen,
pure Freude über den Anblick dieses freundlichen Begleiters. „Entschuldigen Sie bitte, ich wollte Sie nicht
auslachen”, erklärte ich, als ich mich wieder gefangen hatte. „Ich bin nur
überrascht von Ihrem plötzlichen Erscheinen”. „Das geht vielen so auf diesem Planeten”, erwiderte
er freundlich. „Die meisten Erdenbürger reagieren so wie Sie, nur einige
wenige laufen erschreckt davon oder werden aggressiv”. „Dann sind Sie nicht von hier?” fragte ich
verunsichert. „Ich komme von Joytopia, einem Staat auf dem
Planeten Freegaia am Rande der Galaxis. Durch einen Sprung im
Raum-Zeit-Kontinuum bin ich hier gelangt. Mein Name ist Goodfriend, Very
Goodfriend”. „Wie haben Sie so schnell unsere Sprache gelernt?” „Wir telepathieren gerade miteinander. Wir senden
uns Gedanken und unser Gehirn übersetzt sie in Sprache. Das funktioniert
genauso mit Bildern, Tönen, Gerüchen und Gefühlen. Sehen Sie …” Ich sah gar nichts! Er war verschwunden. Verwundert
und tief bewegt ging ich weiter. Hatte ich mir das eben nur eingebildet?
Sollte ich vielleicht mal zum Arzt gehen? Am besten, ich erzähle niemanden
etwas und vergesse den Vorfall so schnell wie möglich. „Ich habe Ihnen etwas mitgebracht, ein Geschenk!”
hörte ich Very sagen. „Wo waren Sie denn so plötzlich?” „Ich war kurz zu Hause, um etwas für Sie zu holen”. „Dauert so etwas nicht Jahre? Ich meine die höchste
erreichbare Geschwindigkeit ...” „Wir reisen in Gedanken. Gedanken sind bekanntlich
frei. Raum- und Zeit-Grenzen gibt es nur, wenn man sie vorher erdacht hat.
Wir hatten uns früher auch viele Grenzen ausgedacht. Unser begrenztes Denken
hatte unseren Planeten etwa so geformt, wie ihr jetzt euren Planeten formt.
Versuche es selbst” – er war inzwischen zum Du übergegangen – „du siehst
mich, weil du denkst, dass du mich siehst”. Während er das sagte, kam uns ein Radfahrer
entgegen. Er grüßte knapp und fuhr mitten durch Very durch. „Verstehst du jetzt?” fragte Very. „Ja”. „Ich habe dir etwas mitgebracht, einen Gedanken” „Was für einen Gedanken?“ „Der Gedanke, dass alles möglich ist, was du dir
vorstellen kannst. Alles, was du Denken kannst, wird Realität! Alles was du
dir wünschst, wird eintreten, wenn du dir es vorstellen kannst” „Dann wünsche ich mir 10 Millionen Euro!” „Gut!” „Wie? Gut? Das soll funktionieren? Das kann ich mir
nicht vorstellen!” „Eben!” Ich war beschämt. „Andere konnten sich das vorstellen und sind Millionäre geworden. Aber vielleicht ist es ja gar nicht dein Wunsch, Millionär zu werden. Was wünschst du dir denn am sehnlichsten?” „Am liebsten wäre es mir, wenn alle Menschen reich
wären und jeder das machen könnte, was ihm am Herzen liegt, ohne anderen
Menschen oder der Natur dabei zu schaden” „Ich schlage Dir eine Reise vor. Auf unserem
Planeten Freegaia haben wir dieses Ziel bereits erreicht. Du brauchst es dir
nur abzuschauen und auf der Erde zu verbreiten. Das ist unser Geschenk an
euch Menschen” „Wie kann ich denn durch das Raum-Zeit-Dingsbums
...” „Stell es dir einfach vor, ich begleite dich” Es war eigenartig. Es schien mir, als ob ich an zwei
Orten gleichzeitig war: während ein Teil von mir weiterhin im Wald spazieren
ging, flog der andere mit Very durchs Universum.
Wir näherten uns einem Sonnensystem, und bald schon
schwebte sie vor uns: Freegaia, ein wunderschöner blauer Planet, ganz
ähnlich unserer Erde. Sanft tauchten wir in die Atmosphäre ein und landeten
mitten in einem herrlichen Park, ähnlich einem riesigen Garten.
Unbeschreiblich schöner Duft wurde von den Pflanzen ausgeströmt. Ab und zu
huschte fast lautlos ein kleines Luftfahrzeug über unsere Köpfe. Doch da: inmitten der Pflanzen standen Häuser. Sie
sahen nicht aus wie unsere Häuser, sie fügten sich so in die Natur ein, dass
man sie von weitem gar nicht als Häuser erkannte. Die Menschen, die uns begegneten, grüßten alle
freundlich. Sie schienen glücklich zu sein. Mensch und Natur lebten in
Harmonie zusammen. „Wie habt ihr das alles so hin gekriegt? Kannst du
mir etwas über eure Technologie sagen?” „Technologie war noch nie ein Problem” Very gab mir einen kurzen Abriss über die Geschichte
auf seinem Planeten: „Vor geraumer Zeit hatten sich einige raubende,
mordende Fleischfresser – Ramofl – immer mehr an die Macht gebracht, indem sie Kraft
ihrer kriegerischen Überlegenheit schwächere Menschen ermordet und ihrer
Lebensgrundlage beraubt hatten. Damit sich die Ramofl nicht selbst
auffraßen, wurden mächtige Gesetzbücher geschrieben, in denen jegliche
Kleinigkeit geregelt wurde. Denn Verstand und Ethik der Ramofl reichten für
ein friedliches Miteinander nicht aus. In diesen Gesetzbüchern standen
Anweisungen, wie »Du sollst nicht töten«. Das musste den Ramofl ausdrücklich
gesagt werden! Während den Raubzügen der Ramofl wurden diese
Gesetze entweder außer Kraft gesetzt, oder man definierte die Gegner als
»Wilde«, die es zu missionieren oder auszurotten galt. Nach den Raubzügen
führten dann »humanistische« Ramofl gleiches Ramofl-Gesetz für alle ein.
Damit wurde Stabilität erzeugt und die neuen Machtverhältnisse
einzementiert. Die Hauptillusion der Ramofl war das Mangeldenken.
Es war scheinbar nicht genug für alle da. Ihre Lieblings-Beschäftigung war
deshalb der Kampf bzw. Konkurrenzkampf. Es musste Sieger und Verlierer
geben. Da Töten verboten war und die meisten »Wilden« sowieso schon ermordet
oder missioniert waren, verlagerten ehrgeizige Ramofl ihre Aktivitäten auf
andere Gebiete, nämlich Wirtschaft, Sport und Spiel. In Sport und Spiel
konnten sie auf relativ ungefährliche Weise ihren Konkurrenzkampf ausleben.
In der Wirtschaft hingegen führte der Ramoflismus zu immer mehr sozialer
Ungerechtigkeit. Die Kluft zwischen Armen und Reichen wurde immer größer. Auf Freegaia gab es immer schon Leute, die die Natur
beobachteten und ihre Gesetze zu ergründen suchten. In früheren Zeiten hatte
man sie als Ketzer verbrannt. Als sich aber später ihre Erkenntnisse
militärisch nutzen ließen, wurden sie zu Wissenschaftlern ernannt.
Naturbeobachter, die keine militärisch nutzbaren Entdeckungen brachten,
nannte man Scharlatane und gab sie der Lächerlichkeit preis. Mit der Zeit wurde das Klima liberaler und immer
mehr Staaten konvertierten zu Demokratien. Kurz vor dem Neuen Zeitalter begannen
sich die Beobachtungen der Wissenschaftler und der Scharlatane immer mehr zu
decken. Man fand Entsprechungen zwischen den Naturwissenschaften, der
Philosophie und den Religionen. Diese begann man auf Politik und
Wirtschaftslehre zu übertragen. Man verglich die Wirtschaft mit der Natur:
Die Natur produziert Nahrung aus sich selbst heraus und schenkt sie ihren
Lebewesen. Wenn die Natur in Ordnung ist, herrscht
überfließende Fülle, d.h. es ist mehr Nahrung da, als gebraucht wird. Die
Nahrung ist vergänglich und kann nur eine bestimmte Zeit gelagert werden. In der Natur gibt es keine Schulden und keine
Zinswirtschaft. Deshalb kommen Pflanzen und Tiere nicht auf die Idee, mehr
zu horten, als sie brauchen. Dadurch gibt es keine »reichen« und »armen«
Pflanzen oder Tiere. Und noch etwas: Ob und wie hart Tiere für ihre
Nahrung arbeiten, ist von Lebensform zu Lebensform sehr verschieden. Jedes
frei lebende Tier verhält sich seinem Wesen entsprechend. Will man ein Tier in Gefangenschaft
zur Arbeit bringen, muss man es ständig dazu antreiben. Kein Tier würde für ein
»Recht auf Arbeit« kämpfen. In der damaligen Zeit erhielten die Menschen noch
kein Grundeinkommen. Obwohl die Staaten Steuern von ihren Bürgern forderten,
war ihr Geldmangel so groß, dass sie sich jedes Jahr aufs Neue verschulden
mussten. Man achtete peinlich auf die Stabilität des Geldes, was allerdings
nur selten gelang. Das Geld wurde durch Schulden geschöpft und es gab
Zinswirtschaft. Sowohl die Guthaben, als auch die Schulden wurden immer
höher. Die Bürger setzten alles daran, Geld anzuhäufen. Die Reichen wurden immer reicher und die Armen wurden immer ärmer. Was die Arbeit betraf: die meisten Leute verrichteten ähnliche Arbeiten, die selten ihrem Wesen entsprachen. Obwohl sie diese wesensfremden Arbeiten nicht gerne taten, hatten sie sich das Recht auf Arbeit zuvor hart erkämpft. Trotz dieses Rechtes waren große Teile der Weltbevölkerung arbeitslos. Auf der anderen Seite herrschte ein Überfluss an
Waren- und Dienstleistungsangeboten. Die Wirtschaft verhielt sich genau
entgegengesetzt zur Natur. Wir mussten also unsere wirtschaftlichen
Gepflogenheiten umpolen und in Einklang mit der Natur bringen. Diese
Erkenntnis war der Schlüssel zu weltweitem Wohlstand. So entwickelten wir
unser neues Wirtschaftsmodell, das noch heute auf dem gesamten Planeten
praktiziert wird und allen Beteiligten Reichtum und Glück beschert: die
Natürliche Ökonomie des Lebens”
„Joytopia hat wie jeder Staat auf Freegaia die
Geldhoheit und damit das alleinige Recht zur Geldschöpfung. Unser Geld wird
nicht mehr durch Schulden geschöpft, sondern durch das Leben selbst. Die
Währung ist der Gradido, das heißt so viel wie »Danke«. Die Geldschöpfung
erfolgt nach einfachen Regeln. Für jeden Staatsbürger werden jeden Monat
3.000 Gradido geschöpft. Ein Drittel des geschöpften Geldes wird für ein
Grundeinkommen verwendet. Das zweite Drittel für den Staatshaushalt und das
dritte Drittel für den Ausgleichs- und Umweltfonds. Wir nennen dies die Dreifache
Geldschöpfung. Zunächst hatten Joytopia und die anderen Staaten
einen General-Schuldenerlass beschlossen. Um niemand zu schädigen, schrieben die
Staaten den Gläubigern das ihnen zustehende Geld auf ihren Konten gut. Das
mag ungewöhnlich klingen, aber Geld ist ja nur eine Zahl in einer Datenbank,
die gemäß verbindlicher Vereinbarungen erstellt wird. Und die Staaten, die
bei uns Geldhoheit haben, hatten dies gemäß Volksentscheid so vereinbart. Danach wurde die Zinswirtschaft abgeschafft und eine
vergängliche Währung eingeführt. Von da an machte es keinen Sinn mehr, Geld
über längere Zeit zu horten, da es immer weniger wird” „Vergängliche Währung? Bei uns nennen wir das
Inflation!” „Das Wort Inflation stammt aus dem Sprachgebrauch
des alten Wirtschaftssystems und trifft den Sinn nicht. Wir sprechen vom
Kreislauf des Lebens, dem natürlichen Kreislauf von Werden und Vergehen” „Wie hoch ist die Vergänglichkeit auf Freegaia?” „Anfangs hatten wir etwas herum experimentiert.
Inzwischen haben sich alle Staaten auf 50 Prozent pro Jahr geeinigt. Das
heißt, nach einem Jahr ist vom Geld noch die Hälfte übrig” „Heißt das, wenn dieses Jahr eine Brezel einen
Gradido kostet, kostet sie in drei Jahren acht Gradido?” „Gradido ist elektronisches Geld, und die
Vergänglichkeit wird vom Konto abgebucht. Der Wert des Gradido bleibt konstant, und deine
Brezel kostet in drei Jahren immer noch einen Gradido. Wir hatten auch ein
Modell für vergängliches Papiergeld entwickelt, doch das kam bei uns nicht
mehr zum Einsatz” „Wie funktioniert das nun im täglichen Leben?”
„Der Staat schöpft für jeden seiner Bürger jeden
Monat 3 mal 1.000 Gradido. Du erinnerst dich: Gradido heißt Danke. Jeder Bürger
hat das Recht auf ein Aktives Grundeinkommen von 1.000 Gradido. Der Staat, also
die Gemeinschaft aller Bürger, sagt jedem einzelnen Menschen danke: »Tausend
Dank, weil du bei uns bist!« Das Grundeinkommen von 1.000 Gradido deckt die
Lebenshaltungskosten und ermöglicht jedem Menschen ein würdiges Leben. Die
zweite Silbe von Gradido, das »Di« steht für Dignity, das englische Wort für
Würde. Das Recht auf Grundeinkommen haben alle Menschen: Kinder, Erwachsene
und alte Menschen. Alleinerziehende Eltern mit zwei Kindern erhalten zum
Beispiel 3.000 Gradido monatlich. Dadurch sind sie Singles gleichgestellt” „Handelt es sich um ein Bedingungsloses
Grundeinkommen?” „Das Aktive Grundeinkommen garantiert Bedingungslose
Teilhabe an der Gemeinschaft. Jeder hat das Recht – nicht die Pflicht – zur
Bedingungslosen Teilhabe. Teilhabe besteht aus Geben und Nehmen. Jeder
Mensch hat also das Recht, seinem Wesen entsprechend zum Gemeinwohl
beizutragen. In den örtlichen Vollversammlungen besprechen wir, welche
Arbeiten anliegen und wer was machen kann und will. Bezahlt werden 20
Gradido pro Stunde. Jeder darf 50 Stunden bezahlten Gemeinschaftsdienst im
Monat leisten und damit seine 1.000 Gradido als Dank verdienen” „Wie ist das mit Kindern, alten und kranken
Menschen?” „Jeder kann seinem Wesen entsprechend beitragen. Die
Arbeit soll Freude machen und Kraft geben. Niemand muss etwas tun, was er
oder sie nicht wirklich gerne macht. Das führt dazu, dass die Menschen bis
ins hohe Alter noch sehr fit sind. Wenn mal jemand krank wird, will er
meistens trotzdem etwas Sinnvolles beitragen, denn er weiß, dass es ihm
Kraft gibt und Freude macht. Und falls es nicht geht, wird das
Grundeinkommen selbstverständlich weiter bezahlt. Kinder wollen sich ihrem Alter entsprechend
spielerisch einbringen. Kinder, die in frühem Alter bereits etwas Wichtiges tun dürfen,
haben große Freude daran. Es stärkt ihr Selbstbewusstsein und
Verantwortungsgefühl, und außerdem bleiben sie gesünder” „Du sagtest, dass jeder das Recht zur
bedingungslosen Teilhabe hat, aber nicht die Pflicht. Wer sollte das nicht wollen?” „Manche Menschen ziehen es vor, ihre ganze Zeit in
ihre berufliche Tätigkeit einzubringen. Weil sie dort mehr verdienen, weil sie
dort mehr gebraucht werden, weil es ihnen mehr Spaß macht oder aus welchen
Gründen auch immer. Jeder kann sich frei entscheiden” „Dann kann es also überhaupt keine Arbeitslosigkeit
geben”
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„Gegner des Bedingungslosen Grundeinkommens sagen,
dass unter Umständen nicht genug produziert wird, weil sich zu viele
Menschen auf die faule Haut legen” „Genau deshalb haben wir das Aktive Grundeinkommen
eingeführt. Geben und Nehmen gehören zusammen. Wir sind weitgehend frei
darin, was wir beitragen, aber irgendetwas beitragen müssen wir, wenn wir
Geld verdienen wollen. Ob wir nun zum Gemeinwohl beitragen oder in der
freien Wirtschaft arbeiten oder beides: es ist wie in der Natur. Jeder
beschäftigt sich seinem Wesen entsprechend. Wer gerne Brot bäckt, bäckt
Brot, wer gerne musiziert, macht Musik. Manche Bürger üben mehrere Berufe
aus, weil es ihnen Spaß macht, vielseitig zu sein. Wir tun, was wir lieben,
liefern beste Qualität und sind erfolgreich damit. Die Wirtschaft,
insbesondere Kleingewerbe, Dienstleistungen und Kunst, floriert bei uns wie
noch nie. Andererseits arbeitet jeder nur soviel, wie es ihm Spaß macht.
Deshalb gibt es keine Überproduktion, die die Umwelt unnötig belastet” „Wer macht bei Euch die Drecksarbeit?” „Durch die rasante technologische Entwicklung haben
Drecksarbeiten stark abgenommen. Unsere Häuser sind mit Kompost-Toiletten
ausgestattet, die absolut geruchsfrei sind. Alles Verpackungsmaterial und
die meisten Gebrauchsgegenstände sind kompostierbar. Unsere Häuser werden im
Baukastensystem gebaut, das aus natürlichen Materialien besteht. Schwere und
unbeliebte Arbeiten werden von Maschinen erledigt. Die verbleibenden
unangenehmen Arbeiten werden entsprechend hoch bezahlt. Schon mancher hat
sich mit etwas Drecksarbeit einen wundervollen Urlaub finanziert” „Gibt es weitere Vorteile?” „Alle Pflichtabgaben fallen weg: Steuern,
Krankenkasse, Rentenversicherung „Wieso das denn?” „Du erinnerst dich: das zweite Drittel der
Geldschöpfung ist für den Staatshaushalt bestimmt. Da der Staat sein Geld selbst schöpft,
braucht er keine Steuern einzutreiben. Das bedeutet: keine Finanzämter,
keine Buchhaltung, keine Schwarzarbeit und viel weniger Verwaltung. Der
Staat finanziert soziale Leistungen, wie Gesundheitswesen, Pflege, Renten,
Notfallhilfe usw. aus der zweiten Geldschöpfung” „Wenn der Staat sein Geld einfach so druckt, gibt es
da keine Inflation?” „Der Staat druckt nicht einfach so. Die
Geldschöpfung erfolgt nach internationalen Vereinbarungen: 3.000 Gradido pro Kopf pro Monat.
Das ist in allen Staaten gleich. Aber du hast recht: hätten wir keine
geplante Vergänglichkeit in unser Geldsystem eingebaut, „Wie haltet ihr es mit dem Umweltschutz?” „Das dritte Drittel der Geldschöpfung geht an den
Ausgleichs- und Umweltfonds (AUF). In der gleichen Höhe wie der
Staatshaushalt steht also ein zusätzlicher Topf für Natur und Umwelt zur
Verfügung. So etwas gibt es in keinem anderen Geldmodell! Je nach
Umweltfreundlichkeit werden Produkte und Dienstleistungen subventioniert.
Natur- und Umweltschutz sind dadurch die lukrativsten Wirtschaftszweige
geworden. Umweltschädliche Produkte haben keine Chancen mehr am Markt.
Außerdem haben wir das Patentrecht novelliert” „Was hat das Patentrecht mit Umweltschutz zu tun?” „Nun, alle neuen Ideen und Erfindungen gehören der
Allgemeinheit. Stell dir vor, wir hatten früher über hundert Jahre damit vergeudet,
unsere Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren anzutreiben. Entsetzlicher
Gestank hatte sich über den Planeten ausgebreitet. In manchen Großstädten
wurden Automaten angebracht, wo die Leute gegen Geld Sauerstoff einatmen
konnten! Jeder Fahrzeughersteller beschäftigte damals sein eigenes
Forschungs- und Entwicklungsteam, das seine Ergebnisse geheim hielt oder
patentieren ließ. Am Ende ließ man fast jede einzelne Schraube patentieren.
Kein Wunder, dass die Entwicklung nicht voran ging. Da nach der Novellierung
des Patentrechts jeder seine Ideen und Erfindungen frei verschenkte (er wird
vom Ausgleichs- und Umweltfonds dafür honoriert), entwickelten wir in
wenigen Monaten den Freie-Energie-Antrieb. Wie bei einem großen Puzzlespiel
brachte jeder Erfinder und Entwickler seinen Stein an die richtige Stelle” „Du verwendest oft den Begriff Freies Schenken. Was
meinst du damit?” „Freies Schenken ist ein wesentlicher Bestandteil
unseres Wirtschaftssystems. Während es früher darauf ankam, möglichst hohe
Gewinne zu erzielen, gilt es beim Freien Schenken mit möglichst wenig
Aufwand sich selbst und anderen möglichst großen Nutzen oder möglichst große
Freude zu bereiten. Dabei ist eine direkte Gegenleistung nicht so wichtig,
weil Nutzen und Freude auf den Frei Schenkenden mehrfach zurückfallen. Ein gutes Beispiel ist die Natürliche Ökonomie des
Lebens. Der Staat schenkt jedem das Recht auf Teilhabe. Jeder darf sich
einbringen und bekommt dafür tausend Gradido Grundeinkommen: »Tausend Dank
weil du bei uns bist«. Damit gibt es keine Armut mehr, keine
Arbeitslosigkeit, und je mehr Gemeinschaftsleistungen erbracht werden, desto
reicher werden alle gemeinsam. Und das ist nur der Anfang. Mit dem
Grundeinkommen ist jeder versorgt, hat aber noch viel Zeit übrig für andere
Dinge. Viele gehen zusätzlichen Beschäftigungen nach. Ihr Verdienst ist
steuerfrei, denn der Staat hat seinen Haushalt mit der zweiten Geldschöpfung
bereits abgedeckt. Deshalb können sich die Leute auf ihre wesentlichen
Tätigkeiten konzentrieren. Kannst du dir vorstellen, wie viel Potenzial
dadurch frei wird? Die dadurch entstehende Wertschöpfung kommt allen Bürgern
und damit auch wieder dem Staat zugute. Ein weiteres Beispiel ist das, was ihr
Nachbarschaftshilfe nennt: Ein Freund hilft dem anderen auf dem Gebiet, was er am besten kann und
was der andere gerade braucht. Oder man hat einen bestimmten Gegenstand
übrig, den jemand anderes gebrauchen kann. Wenn man ihn verschenkt, hat man selbst wieder Platz, und der andere hat den begehrten Gegenstand. Da Geld in überfließender Fülle vorhanden ist, hat es an Wichtigkeit verloren. Wir alle sind freigiebiger geworden und haben einen riesigen Spaß am Schenken”.
„Wie könnt ihr große Beträge finanzieren, wenn das
Geld vergänglich ist?” „Durch Kredite. Beide Parteien haben ihren Vorteil
dabei. Der Kreditgeber erhält zum vereinbarten Zeitpunkt sein volles Geld zurück.
Hätte er keinen Kredit gegeben, wäre sein Geld durch die Vergänglichkeit weniger
geworden. Der Kreditnehmer bekommt einen zinsfreien Kredit. Eine klassische
WIN-WIN-Situation” „Das habe ich jetzt noch nicht ganz verstanden” „Stell dir vor, eine junge Familie möchte sich ein
Heim bauen und braucht dazu einen Kredit. Sagen wir mal 100.000 Gradido. Andere haben
viel Geld auf ihrem Konto, das in ein paar Jahren weg wäre. Sie geben der
jungen Familie Kredite im Wert von insgesamt 100.000 Gradido, womit diese
ihr Haus baut. In ein paar Jahren zahlt sie den Kredit zurück, und die
Kreditgeber haben ihre vollen 100.000 Gradido wieder” „Das klingt ganz einfach und logisch. Gibt es noch
so etwas wie Geldanlagen?” „Ja, einmal kann man sein Geld verleihen, also
Kredite vergeben, zum anderen kann man Die Angst vor dem Nicht-Versorgt-Sein hat sich
aufgelöst. Wir leben alle viel mehr im Hier und Jetzt. Und im Hier und Jetzt sind wir
versorgt. Oft spenden wir auch einen großen Teil unseres überschüssigen Geldes” „Wirklich?” „Ja, wenn jemand ein Projekt plant und noch Geld
dazu braucht, schreibt er an seine Freunde. Diejenigen, denen das Projekt gefällt,
unterstützen ihn und leiten seinen Aufruf an ihre Freunde weiter. So kann es
sein, dass er reichliche Unterstützung von Leuten bekommt, die er vorher
noch nicht einmal kannte. Wir nennen das auch Hier-und-Jetzt-Finanzierung” „Und das funktioniert?” „Kommt auf die Menschen und das Projekt an. Egotrips
lassen sich so nicht finanzieren. Auch bei euch gibt es Spenden. Meist
spendet ihr für einen guten Zweck, z.B. um Menschen in Not zu helfen. Bei
uns gibt es keine Not mehr, aber es gibt viele gute Zwecke. Die dritte Silbe
von Gradido, das »Do« steht für »Donation« (deutsch: Spenden)” „Und Ihr seid wirklich so freigiebig?” „Einige mehr, andere weniger. Jeder nach seinem
Willen. Schließlich haben wir Geld in überfließender Fülle. Wenn wir es zu
behalten versuchen, zerrinnt es uns zwischen den Fingern. Und wir bekommen
immer mehr neue Freunde, indem wir einander helfen. Wenn wir mal was
brauchen, wird uns auch geholfen” „Das erinnert mich an den »Donation-Button«, den
Spenden-Knopf, den wir oft bei Anbietern freier Software oder anderer freier
Inhalte im Internet finden. Das ist eine prima Sache: Jeder darf die Software oder
Information kostenlos herunterladen, kopieren und an Freunde weitergeben.
Wenn man die Sache gut findet, lässt man den Autoren eine Spende zukommen.
Ohne Vertriebskosten lassen sich gute Sachen schnell auf der ganzen Welt
verbreiten, und die Autoren bekommen Geld um ihre wertvolle Arbeit weiter zu
führen” „Ja, Open Source, Creative Commons und ähnliche
Initiativen sind bereits Brücken in die neue Zeit. So können Projekte
realisiert werden, die sonst kaum möglich wären. Bei unserem Freien Schenken
ist es ähnlich: Wir machen anderen Geschenke, die helfen sollen, deren
Wünsche und Projekte zu realisieren. Geld haben wir in überfließender Fülle.
Spenden fällt uns leicht. Dazu kommt das Glücksgefühl, anderen geholfen zu
haben. Freust du dich auch, wenn du anderen helfen kannst?” „Ja, wenn ich es ganz freiwillig tue, ganz gleich,
ob es jemand von mir erwartet oder nicht. Dann fühle ich mich wohl dabei” „So ist das beim Freien Schenken. Es ist absolut
freiwillig und macht Spaß. Außerdem sehen wir das Ganze mehr als Spiel” „Als Spiel?” „Ja, Geld hat bei uns längst nicht mehr den
Stellenwert, wie bei euch. Da jeder genug davon hat, kann man niemanden mehr mit Geld zwingen.
Geld ist nur noch ein Motivationsmittel, kein Machtmittel. Alles ist
spielerischer geworden. Arbeit ist Spiel, Handel ist Spiel. Wer nicht mitspielen will, hat
etwas weniger Geld zur Verfügung, aber immer noch mehr als genug zum Leben” „Gibt es dann noch Konkurrenzkampf?” „Im sportlichen Sinne ja. Sicher sind manche
Unternehmungen erfolgreicher als andere. Aber es kann keine wirklichen
Verlierer geben”
„Jetzt bewegt mich noch eine wichtige Frage: Wie
habt ihr den Übergang bewerkstelligt? Wie habt ihr euer Joytopia geschaffen?
Hat es Widerstände gegeben? War der Übergang gewaltfrei möglich?” „Du erinnerst dich, dass kurz vor dem Übergang die
meisten Staaten bereits Demokratien waren. Das war sehr gut so. In einer
Demokratie kann man alles ändern, wenn man die Mehrheit hat. Weißt du noch,
wie auf deinem Planeten sogar in Diktaturen friedliche Veränderungen
vollbracht wurden? Ich denke an Indien oder an die Wiedervereinigung
Deutschlands. In Demokratien ist das noch viel leichter. Es begann damit, dass auf Freegaia einige Menschen
aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten die Ursachen der alten
Probleme aufdeckten und neue Wege suchten. Zunächst fanden sie die unterschiedlichsten
Lösungsansätze, doch nach und nach kristallisierten sich die wirklich
nachhaltigen Lösungen heraus. Als ausgesprochen günstig erwiesen sich die
neuen Sozialen Netzwerke, die sich über das Internet bildeten. Über die Open Source Bewegung war alle nötige
Software frei verfügbar, und Creative Commons sorgten dafür, dass sich Inhalte frei
verbreiten konnten. Es entstanden Portale für Online-Petitionen, die mehrere
Millionen Menschen auf einmal erreichten. Neue politische Parteien
entwickelten basisdemokratische Methoden mit Unterstützung des Internets. Natur- und Umweltschutz
waren bereits öffentliche Themen. Freie Energie kam nach und nach ins Gespräch. Immer
mehr Initiativen und Organisationen setzten sich für Frieden, soziale
Gerechtigkeit, Grundeinkommen und ein neues Geldsystem ein. Ein Globaler
Wandel stand bevor. Obwohl die Natürliche Ökonomie des Lebens viele der
einzelnen Elemente schon von Anfang an vereinigte, hatten es deren
Befürworter am Anfang schwer und wurden oft nicht verstanden. Die Menschen
lassen sich nicht gerne etwas überstülpen. Sie wollen selbst die Lösung
finden. Das ist auch gut so. Doch inzwischen war der Boden bereitet und die
Natürliche Ökonomie des Lebens erschien gar nicht mehr so viel anders, als
andere fortschrittliche Konzepte. Außerdem ist sie nicht festgeschrieben,
sondern ein sich weiter entwickelndes Forschungsprojekt, zu dem jeder
eingeladen ist, beizutragen. Das soziale Netzwerk Gradido wurde Open Source
entwickelt. Die Gradido-Akademie bildete sich als Freies Forschungs-Netzwerk, um die
Natürliche Ökonomie des Lebens zu simulieren und Gradido, das lebendige
Geld, wie wir es nannten, zu erproben und weiter zu entwickeln. Dank der
dezentralen Struktur konnten Gemeinschaften, Vereine und Organisationen
untereinander kommunizieren. So konnte sich das Gradido-Netzwerk verbreiten.
Informationen zum Thema wurden unter einer Creative Commons Lizenz
veröffentlicht. Sie durften frei kopiert und verbreitet werden. Im
Internet war das ganz einfach: man brauchte nur den Link an seine Freunde zu schicken.
Diese schickten es dann an ihre Freunde und so weiter. So wurden schnell
sehr viele Menschen weltweit erreicht. Die Forschungsergebnisse wurden zusammengetragen und
das Modell wurde weiter erfeinert. Immer mehr Menschen sprachen sich dafür
aus. Weltweit wurden Online-Petitionen veranstaltet, die schließlich zu
Volksbefragungen führten. Das Ergebnis war überragend: Der weitaus größte
Teil der Bevölkerung entschied sich für das neue Modell der natürlichen
Ökonomie des Lebens” „Gab es auch Widerstände?” „Ja! Die Banken, die die Staatsverschuldung
mitverursacht hatten, waren zunächst dagegen. Manche Menschen hatten Angst um ihren
Besitz. Andere glaubten, dass bei einem Grundeinkommen nicht mehr genügend Güter für
alle produziert werden könnten. Hier zeigte sich die Überlegenheit des
Aktiven Grundeinkommens, das bedingungslose Teilhabe garantiert: das
Grundeinkommen wird nicht nach dem Gießkannenprinzip an alle ausbezahlt,
sondern ist an einen aktiven Beitrag zum Gemeinwohl gebunden. Die weltweite Aufklärung brachte dann auch den
Umschwung: Es begannen selbst Mitglieder der Banken, sich für die Natürliche
Ökonomie des Lebens auszusprechen. So löste sich der anfängliche Widerstand
mit der Zeit auf” „Ging nach der erfolgreichen Volksabstimmung dann
alles glatt?” „Natürlich gab es Anfangsschwierigkeiten. Die
standen aber in keinem Verhältnis zu den Problemen der alten Zeit” „Lieber Very, guter Freund. Ich danke Dir von Herzen
für diese Informationen. Eine letzte Frage habe ich noch, bevor ich zurückgehe: Wo
genau liegt Freegaia?” „Eben war es noch auf einem anderen Stern. Jetzt ist es tief in deinem Herzen verankert. Viel Glück!”
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