Foto: ATI World, Alzenau

Die JUNO wurde 1874 dem Dienst übergeben und ist damit eines der ältesten im Dienst stehenden Passagierschiffe der Welt.


Dr. Peer Schmidt-Walther

Der Goetakanal- Das blaue Band Schwedens

     

Man fährt auf einer weltberühmten Attraktion: 190 Kilometer lang und das Herzstück der 600 Kilometer langen Wasserstraße, die Göteborg an der Westküste mit Stockholm im Osten verbindet. Es ist nasskalt. Eine Wand grauschwarzer Wolken hängt zäh über Göteborg, als wir gegen 9:00 Uhr den Packhuskajen verlassen. Nur ein paar Hartgesottene draußen. In Ein starker Kaffee weckt die Lebensgeister.

Oldtimer Wilhelm Tham
Die schwimmende Pension für die nächsten vier Tage ist Baujahr 1912. Natürlich hat ein Dieselmotor längst den originalen Dampfkessel ersetzt, gibt es fließend warmes und kaltes Wasser in den Kabinen, moderne Duschen und Toiletten auf jedem der drei Decks.
Die Grundausstattung und der Geist vergangener Tage jedoch sind bewahrt geblieben. Ein romantischer Traum aus Edelholz und Spiegeln ist der Speisesaal mit Platz für dreißig Passagiere. Gespeist wird stets in zwei Sitzungen an festlich gedeckten Tafeln mit edlem Geschirr und silbernem Besteck.
Genauso winzig wie anno dazumal sind die Kabinen, die eher Liegewagenabteilen gleichen.
W
ILHELM THAM durfte nicht länger sein als 32, nicht breiter als sieben und 2,82 Meter Tiefgang nicht überschreiten. Das Schiff war nämlich geplant als schwimmendes Hotel für eine Attraktion. Eine romantische Dampferfahrt sollte mit der Vielfalt eines außergewöhnlichen Verkehrsweges verbunden werden.

Wunderwerk Kanal
Als 1810 sein Bau beschlossen war, stand den Ingenieuren und Arbeitern eine gigantische Aufgabe bevor: 58.000 Soldaten schufteten jahrelang, um den durchschnittlich drei Meter tiefen und an der Oberfläche 26 Meter breiten Kanal frei zu sprengen und auszuschachten.
Ein Höhenunterschied von insgesamt 91 Metern war zu überwinden, Brücken, Kais, Molen, Kanalstationen, Schleusen und Aquädukte mussten gebaut werden. 1832 wurde schließlich der Götakanal eröffnet, damals ein äußerst wichtiger Verkehrs- und Handelsweg.
Zu den interessantesten Momenten der Passage gehört das Schleusen, und das gleich 65 Mal. Es sind ganze Schleusensysteme, über die treppauf, treppab geschippert wird. Am spektakulärsten ist dabei die Schleusentreppe von Berg, bei der sieben Kammern unmittelbar aufeinander folgen – eine Herausforderung für die Crew. „Es ist ohnehin schon verdammt schwer, in diesen engen Gewässern zu navigieren
so der Kapitän. „Aber die Schleusen sind wirklich der Knackpunkt. Du kennst sie zwar alle, du weist wie sie aussehen, aber es gibt immer neue Überraschungen.
Dabei sieht es spielend leicht aus, wenn Kapitän oder Steuermann schlafwandlerisch sicher manövrieren. Das machen sie von einem der beiden Außenfahrstände, die sich in den Brückennocken befinden. Nur mit den Fingerspitzen wird der Joystick bewegt und so die W
ILHELM THAM millimetergenau in die Schleuse bugsiert. Die ist wie die meisten Schleusen gerade mal eine Handbreit breiter als das Schiff, an dessen Seiten Dutzende schlanke Baumstämme schaukeln. Sie schützen den Rumpf vor Kollisionen mit den Steinmauern.

Gleiten und Entspannen
Zaghaft tasten sich Sonnenstrahlen vor. Es wird schön. Zeit für eine Runde Liegestuhl auf dem Brückendeck. In goldenem Abendgegenlicht passieren wir den ausgedehnten Schärengürtel des Vänernsees, Schwedens größtes Binnengewässer. Sonne und Wolken zeigen fantastische Farb- und Formvarianten.
Der zweite Morgen: Zum Greifen nah gleiten grüne Getreidefelder vorüber, im Wechsel mit Blumenwiesen, Weiden, Koppeln und Bäumen. Kühe glotzen uns neugierig hinterher. Aus einsamen Gehöften mit bunten Holzhäusern kläfft allenfalls mal ein Hund, ansonsten ist es himmlisch still.
Eine Gruppe von Mitpassagieren spaziert gemütlich auf dem parallel zum Kanal verlaufenden Weg. Sie nutzen die kurzen Stopps und Fahrten zwischen den Schleusenpassagen.
Bei maximal fünf Knoten kein Problem. Man erlebt eine bedächtige Endlosfilmschleife aus Landschaft, Kultur, Geschichte.
Nach wenigen Stunden schon sind Hektik und Stress nur noch abstrakte Begriffe. Zeit bekommt eine andere Dimension, einen veränderten Wert.

Begegnungen der besonderen Art
Wie von Geisterhand gesteuert geben Barrieren wie Brücken und Straßen den Weg frei. Es klingelt am Ufer dreimal kurz und ganze Straßenstücke klappen binnen weniger Sekunden nach oben, schwenken zur Seite oder rollen einfach zurück – der Kanalverkehr hat immer Vorfahrt.
An einer Stelle wird getreidelt. Ein Bootsmann steigt akrobatisch ab und zieht W
ILHELM THAM an einem Tampen um die Kurve, weil es anders einfach nicht geht.
In Toreböda treffen wir L
INA, die winzigste Fähre Schwedens mit gerade mal 24 Metern Arbeitsweg. In Ljungsbro fahren plötzlich Autos unter uns durch – wir gleiten drüber auf einem von zwei Aquädukten.
Am dunkelroten Kanalhotel in Bohrensberg kommt ein alter Mann an den Kanal, setzt seine Geige an und spielt, solange das Schiff in Sichtweite ist. An einer von zwei Schleusen, die noch per Hand betätigt werden. In Forsvik, an der ältesten Schleuse des Kanals aus dem Jahre 1813, tritt jedes Mal ein gottesfürchtiger Familienchor an, wenn einer der Nostalgiedampfer kommt, singt Beistand und Segen für Schiff, Besatzung, Passagiere und verteilt Blümchen und Bibelzitate.

 

Sightseeing Inklusive
Komplettiert wird die Götakanal-Passage von kleinen Ausflügen. Trollhättan z. B. ist mit mehreren imposanten Schleusen ein technisches Denkmal, das auf einem ausgedehnten Spaziergang unter die Lupe genommen wird. In Vadstena am Vätternsee legt man Tags darauf direkt an am rustikalen, von Wassergräben umgebenen Schloss, das Gustav Wasa um 1540 bauen ließ. Ein weiterer wichtiger Ort ist Motala, wo Baltzar von Platen, der Erbauer des Götakanals, 1822 mit der „Motala-Verkstad
den industriellen Grundstein für die Entwicklung der Region legte.
Die Fertigstellung seines Lebenswerks erlebte der ehemalige Marineoffizier von Platen nicht mehr. Er starb 1830 und wurde in Motala mit allerhöchsten Ehren bestattet, „an den Ufern, die er selbst erschuf
. Das Finale liefern Schloss Drottningholm, Sommersitz der schwedischen Königsfamilie, und die markante Silhouette von Stockholm.
Wie im Flug sind die vier Tage vergangen. Ohne Fernsehen. Ohne Radio. Ohne Telefon. Ohne Swimming-Pool. Ohne Spielsalon. Keiner hier hat das vermisst.
Genießen durfte man statt dessen eine erstklassige Küche, exzellenten Service und eine Reise, bei der das Ziel der einmalige Weg ist auf insgesamt zwei Meeren, einem Fluss, drei Kanälen, acht Seen und 65 Schleusen.

Über Schleusentreppen von Göteborg nach Stockholm  
Der Kanal hat eine Länge von 190,5 Kilometern, wovon die 87,3 Kilometer lange tatsächliche Kanalstrecke zwischen den 5 verbundenen Seen von 58.000 schwedischen Soldaten von Hand gegraben wurde. Zusammen mit dem Trollhättan-Kanal und dem Göta älv bildet der Götakanal eine 390 Kilometer lange Wasserstraße quer durch Schweden, die einen Höhenunterschied von 91,5 Meter überwindet.
Der Kanal hat 58 Schleusen, 50 Brücken, zwei Trogbrücken und fünf Seen und darf von Schiffen mit bis zu 30 Meter Länge, 7 Meter Breite, 22 Meter Höhe über dem Wasser und 2,82 Meter Tiefgang befahren werden. In seinen Verlauf sind der Asplången, Roxen, Boren, Vättern sowie der Viken eingebunden.
Die Erlaubnis zum Bau des Kanals erhielt der Architekt Baltzar von Platen am 12. April 1810. Der Bau erfolgte von 1810 bis 1832. Es war gedacht, dass Schiffe auf dem Weg vom Kattegat zur Ostsee durch Schweden fahren konnten, anstelle durch den Öresund. So sparten die Schiffe den Sundzoll an Dänemark. Der Kanal wurde am 26. September 1832 eröffnet, nur wenige Jahrzehnte vor Einführung der Eisenbahn. Dadurch errang er keine entscheidende ökonomische Bedeutung. Heute ist er eine Touristenattraktion. Er ist vom 1. Mai bis zum 27. September geöffnet.
Auf dem Kanal verkehren Freizeitboote und Kanalschiffe. Zu den bekanntesten Kanalschiffen gehören D
IANA, JUNO und WILHELM THAM. Das Schiff JUNO wurde 1874 dem Dienst übergeben und ist damit eines der ältesten im Dienst stehenden Passagierschiffe der Welt.

Buchungen

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Reisezeit

Juni bis September


 

Literatur für unterwegs

Götakanal – Maritimer Reiseführer

ISBN-10: 3782207262 oder ISBN-13: 978-3782207263 amazon.de

 

Autor Rolf Gruel hat mit seiner Yacht ELLEN den Götakanal mehrere Male befahren. Die Erlebnisse des passionierten Ostsee-Seglers stimmen den Reisenden ein, machen neugierig und schärfen den Blick für die Ansichten links und rechts des Kanals. Er gibt wertvolle Hinweise zur An- und Abreise – mit dem eigenen Schiff, der Fähre, dem Kanaldampfer oder dem Auto. Er erklärt die historischen, touristischen und nautischen Besonderheiten um den Kanal und vergisst dabei die reizvollen Seestädte Göteborg, Kalmar und Karlskrona nicht.

Foto: ATI World, Alzenau

Die JUNO im Vorgarten? Es scheint keinen zu stören, ist seit Generationen schon Normalität.

Foto: ATI World, Alzenau

Spektakulär ist die Schleusentreppe von Berg mit ihren sieben Kammern.

 

Foto: ATI World, Alzenau

Der Kapitän bei der morgendlichen shake hands Tour auf dem Oberdeck.

 

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Die WILHELM THAM im Hafen von Vadstena am Vätternsee, nahe Motala.

Foto: ATI World, Alzenau

Der Götakanal – unglaublich, dass hier Passagierschiffe verkehren.

Foto: ATI World, Alzenau

Die großen schwedischen Seen, wie hier der Vättern, werden passiert ...

 

Foto: ATI World, Alzenau

... und danach folgen ruhige Kanal-Strecken.

Foto: ATI World, Alzenau

Freundliche Gastlichkeit bei Kaffee und Kuchen ...

 

Foto: ATI World, Alzenau

... und beim Dinner in den frühen Abendstunden.


Dieses Video wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von:

AB Göta kanalbolag

Allgemeine Informationen über den Götakanal finden Sie hier:

www.gotakanal.se/de · info@gotakanal.se

Auf dieser Website gibt es viele Tipps und Informationen rund um den Götakanal.


 

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