Veus-Log  

VEUS-LOG-Schriftzug

Offizielles Organ der Vereinigung Europäischer Schifffahrtsjournalisten

Dipl.-Ing. Peter Pospiech

1. Vorsitzender der VEUS und

Ressortleiter VEUS-LOG im SeereisenMagazin

Telefon +49-49 52-82 69 087

Mobil +49-1 71-62 90 729

pospiechp@googlemail.com

  Foto: Peter Pospiech, Rhauderfehn 
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VEUS: Berufliche Interessenvertretung oder ...

Schifffahrtsjournalisten − auf der Sonnenseite?

 

Die Mitglieder von VEUS

Die Mitglieder des VEUS.

 

Von Vielen, auch von Kolleginnen und Kollegen, werden wir um unseren Job beneidet: weil uns der Duft der großen, weiten Welt umweht − und weil wir den auch noch umsonst haben …  

Wir, das ist die kleine, aber feine VEUS-Schar maritim infizierter Journalisten. Sie haben’s mit dem Wasser, das bekanntlich nicht nur zum Waschen da ist, sondern Medium für die Seefahrt, für die sich immer mehr Deutsche begeistern. Sie fahren als Passagiere zur See, mehr denn je, denn Seereisen sind in. Der Bauboom bei Kreuzfahrtschiffen, nach wie vor ungebrochen, zeugt augenfällig davon.  

Diese Liste ließe sich um diverse Punkte erweitern. Doch wo Licht ist, gibt es natürlich auch Schattenseiten. Die müssen genannt werden, denn Sonntagsreden gibt es schon genug. Letzteren müssen, frei nach Goethe, auch Taten folgen.

Wie es meistens so ist, geht es überwiegend ums Finanzielle. Schiffsreisen-Veranstalter und Reedereien verlangen jetzt sogar Geld für die Mitreise von Multiplikatoren, sprich Journalisten. Am Ende zahlt man mehr für die Recherche, als man letztendlich unterm Strich übrig behält. Abgesehen vom Verdienstausfall während einer längeren Abwesenheit vom häuslichen PC-Schreibtisch.

Ich halte es daher für dringend geboten, an dieser Stelle ein paar kritische, klärende Worte darüber zu verlieren. Denn die bescheidenen Hintergründe unserer Arbeit − journalistisches täglich Brot − kennt kaum jemand.

 

Kostenlose PR

Eins ist klar: es besteht ein krasses Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag. Nicht nur unvertretbar, sondern lässt manchen auch davor zurückschrecken, so etwas, bei aller thematischer Begeisterung, überhaupt anzupacken. Es sei denn, und das ist die Ausnahme selbst bei Festangestellten, dass die auftraggebenden

Redaktionen die Kosten tragen. Da wird man − wie unlängst ich − zu einer Kreuzfahrt rund um Südamerika eingeladen (immer nur unter der Voraussetzung, dass Kabinen frei sind), bis die „Überraschung” kommt.

„Nebenbei”: Auf unserer Arbeits-Agenda haben ein Buch, mehrere Artikel, zwei Image- und mehrere Destinations-Filme gestanden. Fast alles ist (bis auf die Filme) mehr oder weniger kostenlose PR für Reederei und Veranstalter.

Und dann der Hammer: An Bord wird dem Team dann mitgeteilt, dass wir Ausflüge aus eigener Tasche bezahlen müssten. Aber: Ohne Landausflüge keine Destinations-Beiträge, denn die sind nun mal das Salz in der Suppe jedes Reiseberichts.  

Kosten: zwischen 50 und 100 € pro Exkursion und Kopf. Wer von uns kann/will das bezahlen? So üppig sind die Honorare leider nicht. Noch schlimmer: Schon des Öfteren habe ich jetzt die Frage gehört, ob ich auch noch ein Honorar haben wolle; dann müsse man leider auf einen Beitrag verzichten, lautet dann die lakonische Antwort.

 

Position stärken

Nicht nur als Schifffahrtsjournalist − wir alle können ein Lied davon singen − wird man häufig zum Bittsteller degradiert: kein sehr motivierendes Gefühl! Ich habe in meiner langjährigen Praxis nur eine Handvoll Veranstalter/Reedereien erlebt, die alle Kosten aus ihrem Werbeetat übernommen haben (und das auch noch absetzen konnten!).  

Schließlich glaubt man als VEUS-Mitglied dafür bekannt zu sein, dass unterm Strich ordentliche Beiträge, Bücher oder Filme herauskommen.

Die Frage stellt sich, wie unsere Position gestärkt werden kann. Zumal wir nur eine relativ kleine Schar sind, die fachkundig berichten kann, aber ständig um Anerkennung buhlen muss.

So bekamen kürzlich ein sehr versierter und bekannter Fotokollege und ich den Auftrag von einem renommierten Verlag, einen dicken Bildband über ein bekanntes deutsches Kreuzfahrtschiff zu erstellen. Die Reederei verlangt aber, dass wir für die einwöchigen An-Bord-Recherchen glattweg 100 bis 150 € pro Person und Tag bezahlen sollen − haarsträubend! Obwohl Kabinen frei sind und Essen, bis zum Überfluss vorhanden, keine (Kosten-)Rolle spielt.

 

Wanted!

Man hat den Eindruck, eine Reihe von Unternehmen habe es scheinbar nicht nötig, dass über sie berichtet wird. Natürlich wollen das auch etliche nicht, weil sie (schlechtes Gewissen?!) befürchten, Interna könnten nach außen dringen. Bei der Stralsunder Volkswerft langgeübte Praxis. Da wird man sogar per DIN A 4-Porträt in der Pförtnerloge aufgehängt mit dem fettgedruckten Hinweis: „Dieser Mann darf die Werft nicht betreten!” Ja, soweit sind wir schon wieder! Auch wenn man sich nichts hat zuschulden kommen lassen, sondern fachkundig und weitgehend mit positivem Grundtenor berichtet hat.

Viele Kolleginnen und Kollegen haben sicher ähnliche Erfahrungen gemacht. Die sollte man bündeln und darüber nachdenken, wie wir unsere berufsständische Rolle optimieren können im Sinne eines besseren Kooperations-Verständnisses. Auch das ist Aufgabe eines Fachjournalisten-Verbandes wie VEUS.

Dr. Peer Schmidt-Walther

hr

MS BELTNES an ihrem Liegeplatz am Steinbruch in Jelsa.

MS BELTNES an ihrem Liegeplatz am Steinbruch in Jelsa.

Es ist – fast –  wie damals

176 Meter lang, beladen mit 33.000 Tonnen Gestein aus Norwegen bei 10 Meter Tiefgang, weiß gestrichene Aufbauten, leuchtend blau der Schiffsrumpf: So liegt der Massengutfrachter BELTNES vor mir an der Pier in Emden. Das wird also mein „Zuhause” während der nächsten Tage sein.  

Aber zunächst muss ich erstmal an Bord kommen – eine Gangway ist nicht zu sehen, doch die sich auf dem Achterdeck befindlichen Matrosen haben mich bereits bemerkt und lassen einen Lastenkorb herab. Mein Gepäck verlade ich in den Korb und klettere selbst hinein. Augenblicklich wird mein „Lastenfahrstuhl” in die Höhe gehoben und Minuten später auf dem Deck abgesetzt. Ich bin an Bord. Hilfreiche Hände nehmen mir mein Gepäck ab. Kapitän Frank Mauritz und Chief Andre Kagelmacher begrüßen mich im Büro auf dem Poopdeck. „Willkommen an Bord, schön das Du da bist”. Wir hatten uns während der diesjährigen Werftzeit der BELTNES in Bremerhaven gesehen. Zu dieser Zeit war die Idee aufgekommen, eine Reise mit dem Schiff mitzumachen und den heutigen Schiffsbetrieb auf einem modernen Frachter zu erleben. Seit meiner Zeit als Leitender Ingenieur an Bord von deutschen Handelsschiffen sind nun rund 40 Jahre vergangen und damit hat sich wahrscheinlich auch die Schiffstechnik verändert. Wie, und ob überhaupt – das wollte ich während dieser Reise kennenlernen. Von kurzen Eintagesbesuchen auf anderen Reedereischiffen kannte ich Kapitän Mauritz bereits. 

Frank nimmt mir ein Gepäckstück ab und führt mich hinauf zum B-Deck, das ist das nächste Deck unter dem Brückendeck. Hier liegen die Kammern vom Kapitän, des Chiefs und des 1. Offiziers sowie die Eigner-Kabine. „Mach’ es Dir bequem und wenn Du Dich eingerichtet hast, sehen wir uns im Büro zum Kaffee” mit diesen Worten eilt Frank davon. Die Eigner-Kabine: hell durch zwei große Fenster mit seitlichem Steuerbord-Seeblick, Teppichboden, großer Schreibtisch mit Stuhl davor, Satelliten-Fernseher mit breiter Programmauswahl, DVD/CD-Player, Kühlschrank, gemütliche Sitzecke, reichlich Schrankraum, ein breites festes Bett und eins hochgeklappt, Bad mit Dusche und WC. Hier kann man sich die nächste Zeit absolut wohlfühlen.

Beim Kaffee im Büro informiert mich Frank über den nächsten Zeitplan. „Wir werden in gut einer Stunde unseren Löschvorgang an dieser Pier beendet haben und müssen dann ein Stück weiter im Emder Hafen an einer anderen Löschstelle den Rest der Ladung abgeben. Und dann geht es, wieder mal, ab nach Jelsa”.

Mit Andre vereinbare ich, ihn auf seiner täglichen Wache in der Maschine zu begleiten. Ich will wissen, wie der heutige Schiffsbetrieb aussieht.

Der nächste Morgen

In der geräumigen Gemeinschaftsmesse finde ich Chief Andre bereits beim Frühstück. Bei einem Pott Kaffee besprechen wir die nächsten Schritte. Ich werde als „Schatten” Andre auf seinem täglichen Maschinenrundgang, sowie der anliegenden und durchzuführenden Arbeiten begleiten.

Im schallisolierten und klimatisierten Maschinenkontrollraum (einen MKR habe ich erst auf meinem letzten Schiff 1972 erlebt), lerne ich Andre’s Maschinencrew kennen. Die Philippinos folgen den Ausführungen ihres Chiefs und seiner „rechten Hand”, des 2. Wachingenieurs: Zu allen Zeiten immer der „Arbeitsingenieur”, damals wie auch heute noch. Der 43-jährige Danilo Salvatus aus dem philippinischen Sampaloc, hat eine lange Liste von Arbeiten, die er an seine Kollegen verteilt.  

Der MKR ist vollgespickt mit Computern. Die Elektronik hat also in den vergangenen Jahrzehnten in der Schifffahrt Einzug gehalten. Und damit auch die Vollautomatisierung der Schiffe. Egal, ob im Maschinenkontrollraum oder auf der Brücke – nichts erinnert mehr an die alten Zeiten, wo der gesamte Schiffsbetrieb manuell durchgeführt wurde. Es herrschte damals noch das so genannte Drei-Wachen-System: Vier Stunden Wache gehen, acht Stunden frei und wieder vier Stunden Wache gehen. Noch schlimmer, und an die Substanz gehend, war das Zwei-Wachen-System: Sechs Stunden Wache gefolgt von sechs Stunden frei, usw. Und das so manches Mal mehrere Wochen durchgehend, wenn man auf einem langen Törn war.

Bevor Andre mich in den Maschinenraum führt, verpasst er mir eine „Micky Maus”, einen Gehörschutz, der wegen seiner Form an die großen Ohren der Micky Maus erinnert. Das Herz der Antriebsanlage ist ein 7.300 kW leistender Viertakt-Dieselmotor aus dem Hause Caterpillar-MaK, Kiel. Aufmerksam kontrolliert Andre alles rund um den Motor. Ich folge ihm auf Schritt und Tritt. Ab und zu versuchen wir zu kommunizieren – was allerdings wegen des Lärms und des Gehörschutzes nicht so einfach ist, mit anderen Worten: schwer verständlich. Auffällig für mich: alles blitzt und glänzt. Die Flurplatten werden von Jhon, dem Motormann, mit Wasser und Seifenlösung gewischt. Tief hinunter kriecht Andre bis zum Stevenrohr, misst mit einem Thermometer die Stevenrohr-Abdichtungstemperatur und kontrolliert die Abdichtung auf Undichtigkeiten.

Es geht weiter durch die Lagerräume, die Stores, wo Ersatzteile und Gebrauchsartikel fein säuberlich in dafür extra bezeichneten Fächern lagern. Wo immer wir uns während des Rundgangs befinden – alles blitzt und glänzt. „Und solange ich hier der Chief an Bord bin, soll das auch so bleiben”, manifestiert Andre seine Aussage. Es geht weiter in den separat angeordneten Generatorenraum. An einem Generator stellt er eine kleine Leckage an einem Flansch fest. Er holt ein kleines Notizbuch aus der Brusttasche seines Overalls und notiert den „Fall”. Vor einer Tank-Füllstandsanzeige stehen der II. und der IV. Ingenieur. Es gibt Unklarheiten, wie die Anzeige zu lesen ist – der Chief nimmt sich die Zeit und versucht bei dem Lärm die Ableseskala zu erklären. Über viele Treppen, rauf und runter, kommen wir in den Rudermaschinenraum. Hier wird gerade der Boden neu gestrichen. Vorsichtig, um nicht frische Farbe an den Schuhen mitzuführen, gehen wir auf den noch nicht gestrichenen Flächen weiter.

Andre zeigt auf seine Uhr – Zeit für einen Pott Kaffee im Büro des Kapitäns. Frank Mauritz sitzt bereits vor seinem Tee – er ist erklärter Teetrinker, übrigens auch Andre. Obwohl in Ostfriesland, der Heimat des Tees lebend, bevorzuge ich Kaffee. Ich blicke durch das Fenster auf die spiegelglatte Nordsee. Es ist selten, dass die Nordsee sich so glatt zeigt – die BELTNES läuft absolut ruhig durch die See. Frank informiert uns, dass wir am frühen nächsten Morgen in Jelsa, nördlich von Stavanger im Jelsafjord, an der Ladestelle ankommen werden.

Ich ziehe eine erste Zwischenbilanz zu dem bisher Gesehenen: Die BELTNES wurde als Schiffstyp 177 auf der Hamburger Sietas Werft im Spätsommer 2009 an den Reeder abgeliefert. Entsprechend ihrer Klassifizierung, GL + 100A5 „Bulk Carrier”, „BC-B”, „IW”, „NAV-OC”, „ESP” + MC AUT, ist sie als wachfreier Betrieb eingestuft. Das bedeutet, von 8:00 bis 17:00 Uhr ist der MKR sowie der Maschinenraum durch Wachingenieure besetzt. Nach 17:00 Uhr wird im abwechselnden Rhythmus eine Bereitschaftswache eingerichtet, die sich die Ingenieure an Bord aufteilen. Ansonsten wird das Schiff vollständig vom Brückenpersonal gefahren.

Eine Frage des Kraftstoffs

Die MaK-Hauptmaschine wird z.Zt. mit dem Kraftstoff HFO / IFO 380 LS gefahren. LS bedeutet: Low Sulphur. Der Kraftstoff enthält einen Schwefelanteil von 0,9 Prozent. Doch wie wird sich die Reederei, bzgl. Kraftstoffsorte entscheiden, wenn es ab dem 1.1.2015 heißt: In den SECA-Gebieten darf nur noch ein Schwefelanteil im Kraftstoff von 0,1 Prozent gefahren werden? Alternativ können auch kostenintensive Abgasnachbehandlungssysteme eingebaut werden.

Der derzeitige Kraftstoffpreis für HFO 380 LS beträgt rund 575 US-$ pro Tonne. Die BELTNES verbraucht z.B. in 24 Stunden rund 26 Tonnen. Pro Tag fallen etwa 15.000 US-$ an Kraftstoffkosten an. Im Vergleich zu den großen Containerschiffen mit 240 bis 400 Tonnen Kraftstoff in 24 Stunden sicherlich nur ein Bruchteil – aber auch hier wird mit dem spitzen Bleistift gerechnet. Die Reeder stehen also vor der Wahl Kraftstoff mit dem zulässigen Schwefelgehalt von 0,1 Prozent ab Januar 2015 zu bunkern oder Abgaswäscher einzubauen.

Ein Abgasnachbehandlungssystem in Form eines Abgaswäschers (Scrubber) einzubauen ist ungleich teurer und – leider – wie verschiedene Veröffentlichungen gezeigt haben, zur Zeit wohl noch nicht ganz ausgegoren. Mit anderen Worten: Nicht Zuverlässig. Abgaswäscher sollen, so die Aussage der Herstellerfirmen, den Schwefelanteil bis zu 99 Prozent aus den Abgasen herauswaschen. Mit dieser teuren Maßnahme dürfen die Schiffe in den SECA-Gebieten problemlos eingesetzt werden. Doch so eine Abgasnachbehandlungsanlage kostet für ein Schiff der Größe BELTNES zwischen 4 bis 5 Millionen €.

Kraftstoff mit einem Schwefelanteil von 0,1 Prozent, entspricht etwa MGO (Marine Gas Oil), liegt aber preislich in der Größenordnung um 900+ US-$ pro Tonne. Und die sechs Selbstlöscher der Reederei fahren überwiegend in den europäischen SECA-Gebieten. Damit sind sie gezwungen, entsprechend der IMO-Vorschriften, die vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte einzuhalten. Der Bulker wurde bereits zu

 

seiner Planungs- und Bauzeit auf höchste Wirtschaftlichkeit ausgelegt. So ist z.B. am Untersetzungsgetriebe hinter der Hauptmaschine ein Wellengenerator eingebaut worden, der während der Seereise die Bordstromversorgung übernimmt. Die zusätzlichen Bordstromerzeuger, drei Caterpillar-Aggregate, die jeweils 970 kW leisten, laufen nur bei Manöverfahrten sowie an den Lade- und Löschstellen. Zum präzisen Manövrieren erhielt die BELTNES einen leistungsfähigen Bugstrahler, der 1.500 kW „auf die Waage” bringt, sowie einen 1.000 kW leistenden Heckstrahler. Mit dieser Anordnung und dem vierflügeligen Verstellpropeller kann das Schiff, im wahrsten Sinne des Wortes ‚auf dem Teller’ drehen.

Zwischenzeitlich sind wir mitten im Skagerak – und noch immer ist die Nordsee spiegelglatt. Nicht mal eine leichte Dünung ist spürbar. Das schöne Wetter nutzen Koch und Besatzung für einen Grillabend auf dem Achterdeck. Ein „suckling pig” (Spanferkel) für den Grill wird vorbereitet. Koch Noli hat sich viel Mühe gemacht und ein tolles Barbecue angerichtet. Kapitän Mauritz ruft nach alter Seefahrertradition, weil alle Manöver geglückt sind, „Besanschot an!”, und die Gamle-Dansk-Gläser klirren. Frank und Andre, Kapitän und Chief, sind die beiden einzigen Deutschen an Bord (ich zähle als Passagier nicht). Wie sagt Frank doch ganz treffend? „Wir sind eine aussterbende Spezies”. So traurig das klingt – aber es ist wahr. Kaum noch finden sich deutsche Schiffsführungen, geschweige denn deutsche Besatzungen bei deutschen Reedereien. Auf den meisten Schiffen, die ich in den letzten drei Jahren begleitet habe, fahren vielfach komplett ausländische Besatzungen: Ukrainer, Bulgaren, Rumänen, Russen, Philippinos – das ist die Realität. Das Fraunhofer-Institut hat vor kurzem anlässlich einer Untersuchung an Bord festgestellt: „In Europa ist die Seefahrt als Beruf nicht mehr sonderlich beliebt. Die Branche hat Nachwuchsprobleme. Wer zur See fährt, ist oft monatelang unterwegs – das wird von vielen als Belastung fürs Familienleben angesehen”. Außerdem verlaufen die Seereisen von Kontinent zu Kontinent oft ereignisarm und sind für die Besatzung ziemlich langweilig.

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Eine traurige Entwicklung. Ich bin gern zur See gefahren. Ist es doch ein äußerst vielseitiger und höchst interessanter Beruf. Heute habe ich meine „See”zeit zum Beruf gemacht und berichte und schreibe mit Insiderwissen, was es mit der Seefahrt im Allgemeinen und im Besonderen auf sich hat. Leider hat sich auch hier ein Wandel vollzogen: Viel zu viel Möchtegern-Schreiber sind am Werk und fabrizieren Artikel, die weit weg von der Realität an Bord von Schiffen sind.

Der Nachmittag ist für einen weiteren Inspektionsgang vorgesehen. Diesmal ist die Selbstlöschanlage dran. Auch hier kontrolliert Andre gewissenhaft jedes Detail. (Auf eine Beschreibung der Lösch-Einrichtung wird hier verzichtet, da wir bereits in unserer Ausgabe 5/2014 des VEUS-LOGs im SeereisenMagazin detailliert darüber berichtet haben).

 

Laden in Jelsa

Früh am nächsten Morgen liegt die BELTNES sicher vertäut über ihre Mooring-Winden an der Verladestelle am Steinbruch in Jelsa. Mooring-Winden halten das Schiff über ihre Festmacherleinen, entsprechend der vorgenommenen Einstellungen, trotz unterschiedlicher Beladungszustände, gleichmäßig auf Zug.

NORSK STEIN prangt in Riesenlettern an einer Werkshalle, ringsum graue Granitsplitt-Hügel. Das gerade modernisierte Werk, das zur Mibau-Gruppe gehört, steckt noch in der Umstrukturierungsphase. Aber Europa braucht den harten Stoff. Die sechs gecharterten Hartmann-Schiffe sind dafür im Dauereinsatz. Sie verteilen die begehrten Gesteinsprodukte für Beton-, Straßen-, Deponie-, Gleis- und Wasserbau in über 50 Häfen zwischen Deutschland, Großbritannien, Dänemark, Frankreich, den Niederlanden und Polen.

Immer wieder muss die Crew das Schiff vor- und zurück verholen, die schweren Festmacherleinen per Mooring-Winde aufkürzen oder verlängern. Das an Land stehende Förderband ist nämlich starr, so dass die Ladeluken danach ausgerichtet werden müssen. Das verschafft den Männern eine kurze Nacht. Für den spiegelglatten Fjord, die schwarzen Berge und das graue Himmelstheater mit roten Sonnenlichtflecken haben sie keinen Blick übrig.

Der Verlademeister des Steinbruchs lädt Chief Andre und mich zu einer Besichtigungstour durch den Steinbruch per VW-Bulli ein. 10 Millionen Tonnen Gestein werden jährlich verschifft. „Und wie lange reichen die Vorkommen noch?” will ich wissen. „Wir rechnen mit etwa 35 bis 40 Jahre an diesem Steinbruch. Wir können aber noch expandieren”, antwortet Thore, unser Guide.

Zurück an Bord fragt mich Frank, ob ich an einer Rettungsbootsübung teilnehmen möchte. Eine Übung mit einem Freifallboot habe ich bisher noch nicht mitgemacht. Also: „Please take a seat of your choice”, Neil Quesea, der 2. Offizier, fordert mich auf, einzusteigen und mich mit den Sicherheitsgurten fest anzuschnallen. Weitere fünf Philippinos sind mit im Boot. Neil sitzt am Führerstand und bekreuzigt sich als guter Christ vor dem Auslösen des Bootes. Es sind nur Sekunden im freien Fall und das Boot kommt sicher auf der See auf. Ein besonderes Erlebnis als Übung. Im Schiffstagebuch wird die ordnungsgemäße Durchführung einer Rettungsbootsübung eingetragen. Weit nach Mitternacht ist die BELTNES beladen und fertig zum Auslaufen mit Bestimmungshafen Bremen. Dort wird auch mein „Ende der Seereise” sein.  

Zweieinhalb Stunden später steigt der Lotse querab Stavanger auf das Versetzboot. „Beginn der Seereise”, sagt Frank Mauritz zu seinem Dritten, der die Zeit ins Schiffstagebuch einträgt.

Mit direktem Südkurs schwenkt die BELTNES in die Nordsee ein. Doch wie hat sich die See verändert. Heftige Brecher von vorn klatschen über das Vorschiff. An Arbeiten auf dem Deck ist bei diesen Bedingungen nicht zu denken. Das schlechte Wetter, mit Windstärken bis zu 7 Bft und rund drei Meter Wellen, hält sich bis etwa Mitte des Skageraks. Wie durch das Umlegen eines Lichtschalters beruhigt sich die See, und kaum noch spürbar wiegt sich die BELTNES Richtung Bremen.

 

Zusammenfassung des Erlebten

Unsere, meine Generation, die zwischen den 60er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts die Seefahrt mit ihren guten und auch schlechten Seiten kennengelernt hatte, stirbt so langsam aus. Die Schiffe, auf denen ich fuhr, waren rein manuell betriebene und manuell überwachte Anlagen. Mein letztes Schiff, bevor ich einen Landjob annahm, ein Semi-Container, war bereits als 16/24 Stunden wachfreier Betrieb zertifiziert. Dieses Schiff kam schon dicht an die Anlage der BELTNES heran.

Schiffe und ihre Ein- und Ausrüstungen haben sich seit dieser Zeit, nicht immer, zum Vorteil geändert. Die Automatik hat in fast allen Bereichen des Schiffes längst Einzug gehalten. Die gesamte Maschinenanlage ist nahezu vollständig automatisiert worden. Personalmangel und weitere Automatisierungsbestrebungen werden höchstwahrscheinlich in noch nicht abzusehender Zeit zu einer unbemannten Schifffahrt führen. Umweltschutz und Meeresschutz sind seit Jahren die vorherrschenden Herausforderungen. Die Antriebssysteme werden sich aufgrund des Umweltschutzes verändern. Der Fokus liegt auf „Null-Emissionen”. Es bleibt weiterhin spannend in der Schifffahrt. Dipl.-Ing. Peter Pospiech

Kapitän Frank Mauritz beim Tranchieren des Spanferkels.
Kapitän Frank Mauritz beim Tranchieren des Spanferkels.
Kapitän Frank Mauritz bei bester Laune.
Kapitän Frank Mauritz bei bester Laune. 
  Chief Andre Kagelmacher.Chief Andre Kagelmacher mal nicht in seiner Maschine. 

Es sind nur Sekunden im freien Fall und das Boot kommt sicher auf der See auf.

Es sind nur Sekunden im freien Fall und das Rettungsboot kommt sicher auf der See auf.

Neil Quesea, der 2. Offizier, am Ruder des Freifallbootes.

Neil Quesea, der 2. Offizier, am Ruder des Freifallbootes.

Der Maschinenraum glänzt und blitzt vor Sauberkeit.
Der Maschinenraum glänzt und blitzt vor Sauberkeit.
  Chief Andre Kontrolliert das Stevenrohr.Chief Andre kontrolliert das Stevenrohr.
Kapitän Frank Mauritz erledigt die Büroarbeit.
Kapitän Frank Mauritz erledigt die Büroarbeit. 
  Kapitän und Chief bei ihrer liebsten Freizeitbeschäftigung.Kapitän und Chief bei ihrer liebsten Freizeitbeschäftigung.
MS BELTNES während der Beladung  in Jelsa.
MS BELTNES während der Beladung  in Jelsa.
hr
Stralsunds Oberbürgermeister Dr. Alexander Badrow signiert am 8. Januar 2014 – im Beisein des Autors – im Rathaus die Stadtflagge für Kapitän Udo Wölms von der CMA CGM BAUDELAIRE.
Stralsunds Oberbürgermeister Dr. Alexander Badrow signiert am 8. Januar 2014 – im Beisein des Autors – im Rathaus die Stadtflagge für Kapitän Udo Wölms von der CMA CGM BAUDELAIRE.

Zwei Stralsunder unter Heimatflagge quer durch den Indischen Ozean

Stralsund/Mauritius. Es begann zwei Tage vor meinem Abflug ins 12.000 Kilometer entfernte Durban in Südafrika, wo ich an Bord des Hamburger 78.000-Tonnen-Containerfrachters CMA CGM BAUDELAIRE gehen wollte. Um für einen längeren Artikel zu recherchieren.

Als Stralsunds Oberbürgermeister Dr. Alexander Badrow, bekennender Kreuzfahrtfan, davon erfuhr, dass zwei Stralsund-Flaggen mit auf die lange Reise gehen sollten, war er spontan begeistert. Vor allem von meiner Idee, sie von ihm signieren zu lassen. Für Kapitän Udo Wölms, der von allen seinen Kollegen am Sund das mit Abstand größte Schiff unter deutscher Flagge führt: 300 Meter lang, 40,30 Meter breit und 14 Meter Tiefgang. Der OB verabschiedete mich mit seinen Wünschen für allzeit gute Fahrt und glückliche Heimkehr von Wölms, seinen 23 Männern und dem Schiff. „Wenn’s die Zeit erlaubt”, sagte er, „würde er auch gern mal eine Frachterreise unternehmen”. Kapitän Wölms würde das begrüßen.

 

Signiertes Hansetuch mit Patina

Vier Tage später war es so weit: Am Signalmast stieg das rote Stralsunder Tuch mit Pfeilspitze und Hansekreuz am Mast auf und flatterte munter im warmen Kap-Wind neben der südafrikanischen Gastlandflagge. Der Tischwimpel ziert inzwischen das Kapitänsbüro. „Eine tolle Werbung für unsere schöne Stadt”, befand Badrow. Und das kostenlos und weltweit. Nebenbei: Was griechische Kapitäne schon lange pflegen, die Flagge ihrer Heimatstadt zu zeigen, sollte einem hanseatischen Kollegen allemal recht sein.  

Als erster blickte der Lotse in Durban erstaunt nach oben, weil ihm diese Flagge unbekannt war. „Sschtralsund? Never heard before, but now”. – Stralsund? Nie gehört, aber jetzt”. Auch im nächsten Hafen Port Elizabeth östlich vom Kap der guten

Hoffnung gab es diese Blicke und Fragen – die Kapitän Wölms und ich geduldig beantworteten.

Schließlich auch im 2.000 Seemeilen nordöstlich gelegenen Port Luis auf der Insel Mauritius, wo das Hansetuch inzwischen schon maritime Patina angesetzt hatte: sonnengebleicht und durch Ruß aus dem mächtigen Schornstein leicht angeschwärzt. Doch OB Badrows Namenszug überstand auch diesen Open-Air-Test unbeeinflusst. 

 

OZ zum Bord-Sonntagsfrühstück

Und die Flaggenparade geht weiter: 3.362 Seemeilen quer über den Indischen Ozean nach Singapur, von dort weitere viele tausend Seemeilen über diverse chinesische, koreanische und japanische Häfen bis nach Mittel- und Südamerika nördlich von Kap Hoorn.

„Das hat’s mit Sicherheit noch nie gegeben”, glaubt Udo Wölms, der in seinem Seemannsleben schon einiges erlebt hat. Dass neben kleinen Geschenken seiner Frau Barbara auch eine aktuelle OSTSEE-ZEITUNG vom Abreisetag in meinem Gepäck war, gehört ebenso dazu.  

Das Bord-Sonntagsfrühstück am Südzipfel des Schwarzen Kontinents mit seiner Heimatzeitung hat der Stralsunder Kapitän und Karatesportler, der sein Hobby auch an Bord betreibt, besonders genossen und freut sich schon auf die Ablösung im März nach viereinhalb Monaten Fahrtzeit: „Dann ist hoffentlich auch der Winter vorbei”.

Dr. Peer Schmidt-Walther

Dr. Peer Schmidt-Walther überreicht Kapitän Udo Wölms vor Mauritius die Stralsund-Flaggen.
Dr. Peer Schmidt-Walther überreicht Kapitän Udo Wölms vor Mauritius die Stralsund-Flaggen.
Stralsunder Heimatstadt-Flagge des Kapitäns neben der südafrikanischen Gastlandflagge.
Stralsunder Heimatstadt-Flagge des Kapitäns neben der südafrikanischen Gastlandflagge.
  Das gewaltige Deckshaus des Frachters.
Die Besatzung ist vollzählig zum Gruppenfoto angetreten.
Die Besatzung ist vollzählig zum Gruppenfoto angetreten.
hr
MS VIDAR auf dem Weg von Cuxhaven nach Sassnitz-Mukran.
MS VIDAR auf dem Weg von Cuxhaven nach Sassnitz-Mukran.
Hart am Wind – Gigantin VIDAR hat längste und teuerste Beine an der Küste

„Was seid ihr für ein merkwürdiges Schiff auf Stelzen?”, fragt der Wachoffizier des britischen P&O-Kreuzfahrtschiffs ADONIA im Skagerrak über Funk an, „unsere Passagiere möchten das gern wissen”. Auf die Frage nach dem Abendessen antwortet sein VIDAR-Kollege schmunzelnd: „Natürlich Sauerkraut und Bier”.

Dazu flattern die schwarz-rot-goldenen WM-Flaggen, die das deutsche Errichterschiff schmücken, munter im Sommerwind. Zwei Tage zuvor ist MS VIDAR, benannt nach dem germanischen Gott der Natur, von der Cuxhavener Mützelfeldt-Werft ausgelaufen mit Kurs auf Sassnitz-Mukran auf Rügen via Kattegat und Öresund. Die Belt- und Sundbrücken sind mit ihren Durchfahrtshöhen zu niedrig.

Mit den „Stelzen” sind die vier 90 Meter langen, je 900 Tonnen schweren Hubbeine mit 4,80 Meter Durchmesser gemeint, die in den blauen Sommerhimmel ragen. Sie stemmen das gesamte 30.000-Tonnen-Schiffsgewicht in die Höhe – für die Geschwindigkeit von knapp einem Meter pro Minute sorgen 34 Hydraulikpumpen mit 17 E-Motoren zwischen 440 und 660 kW bei einer Hubkraft von 24.000 Tonnen ‒, wenn VIDAR mit dem „Sternchen setzen” beginnt.

So heißt an Bord scherzhaft der Bau der Windmühlen auf offener See. Dann erst wird das im polnischen Gdynia vor einem halben Jahr in Dienst gestellte 170-Millionen-Spezialschiff der Firma Hochtief zeigen können, was in ihm steckt: die göttlichen Eigenschaften Stärke, Macht und Kraft. Die wird sie im Offshore-Baufeld „Baltic 2” 32 Kilometer nördlich von Rügen zwischen Mön und Südschweden, weit ab von den Schifffahrtsrouten, auch benötigen.

„Dort, wo der Wind am stärksten und die See rau ist, braucht es exakte Vorbereitungen und leistungsstarkes Gerät”, erklärt Kapitän Eide Allers, „dazu sind vorab noch umfangreiche Tests geologischer und technischer Art notwendig”. Auf dem Feld „Global Tech I” in der Nordsee haben Schiff und Crew bereits die Feuertaufe bestanden und ihre Leistungsfähigkeit demonstriert.

Auch Egon Olsen würde staunen

Die 30-köpfige Besatzung – insgesamt gibt es komfortable Unterkünfte für 90 Personen ‒ besteht aus Polen, Litauern und Ost-West-Deutschen, die zu einem Drittel aus Mecklenburg-Vorpommern stammen: Greifswalder, Stralsunder, Bad Doberaner und Rostocker. Man merkt ihnen an, dass sie stolz sind auf „ihr” einmaliges Schiff, von denen es weltweit nur wenige gibt. „Hier vereint sich höchst geballte Technik mit echtem Schiffsbetrieb”, strahlt Chief Tilo Suska aus Rostock,

wobei er kein Auge lässt von den diversen Displays in seinem klimatisierten Maschinenkontrollraum. Pro Woche sollen sechs Windenergie-Anlagen zwischen 23 und 44 Meter tief ‒ bei einer maximalen Wassertiefe bis zu 50 Metern ‒ in den Meeresgrund gerammt werden, insgesamt 80 mit einer Leistung von 288 MW. „340.000 Haushalte”, sagt Superintendent und Hydraulik-Experte Hans Georg Eggers aus Kiel, „können 20 Jahre lang mit insgesamt 1,2 Milliarden kW-Stunden versorgt werden, was wiederum 900.000 Tonnen Kohlendioxid-Emissionen einspart”. 

Die Mühlentürme sind 78 Meter hoch und die Rotoren haben einen Durchmesser von 120 Metern. Wobei die Gondeln jeweils 190 und die Schäfte, im Fachjargon „Transition Pieces” genannt, 260 Tonnen wiegen. Allein deren aufwändige Fundament-Strukturen haben 80.000 Tonnen Rohstahl verschlungen. Für die VIDAR kein Problem mit ihrer Zuladefähigkeit von 6.500 Tonnen auf 3.100 Quadratmetern. Dann packt der 108 Meter lange Liebherr-Kran aus Rostock an, der selbst 1.600 Tonnen wiegt und bis zu 1.200 Tonnen heben kann. „Mächtig gewaltig!”, hätte Egon Olsen spätestens hier gestaunt. Ebenso wie der Stralsunder Lotse See Klaus-Peter Wegner, der VIDAR sicher zum Erstanlauf in den Mukraner Hafen dirigiert: „Wow, das ist auch für mich Neuland, aber dank automatischem Positionierungsystem geradezu spielend zu manövrieren”.

MS VIDAR

Bauwerft: Crist SA, Gdynia/Polen; Baunummer: 130; Stapellauf: 28.8.2013; Typ: Errichterschiff; Managing Owner: Hochtief Infrastructure Gmbh, Hamburg; Eigner: Naviera Trans Wind, Madrid; Vermessung: 18.886 BRZ; Tragfähigkeit: 8265 tdw; Displacement: 29.881 t; Länge: 140,29 m; Breite: 41,24 m; Seitenhöhe: 9,50 m; Tiefgang: 6,50 m (max.); Zuladung von 6500 t auf 3100 qm Decksfläche; Maschinen: 6 x MAK-Diesel je 4000 kW; Antrieb dieselelektrisch: 3 x Schottel-Azimuth-Thruster je 2600 kW, 3 x Schottel-Bugstrahlruder je 2500 kW; Verbrauch: 50 t/Tag schwefelarmer Dieseltreibstoff; Bunkerkapazität: 500 t; Wasserproduktion (Osmose): 200 t/Tag; Abwasser-Reinigungsanlage; Propeller: 4 x Schottel-Propellergondeln; Gesamt-Leistung: 24.000 kW (32.631 PS); Geschwindigkeit: 12 kn (max.); Klassifikation: Det Norske Veritas: DNV + 1A1 Self Elevating Wind Turbine Installation Unit; IMO-Nummer: 9655315; Flagge: deutsch; Heimathafen Hamburg. PSW

Im Maschinenkontrollraum mit Chief (links) und 2. Ingeneur.
Im Maschinenkontrollraum mit Chief (links) und 2. Ingeneur.

Dänische Windkraft-Ingeneure vor Kopenhagen.

Dänische Windkraft-Ingeneure vor Kopenhagen.

Blick vom A-Bock aus 50 Meter Höhe an Deck.

Blick vom A-Bock aus 50 Meter Höhe an Deck.

Der Autor versucht sich als Kranführer.
Der Autor versucht sich als Kranführer.
  Eine der vier MAK Hauptmaschinen.
Eine der vier MAK Hauptmaschinen.
hr
Die GORCH FOCK (I) 1934 in der Ostsee vor Rügen unter Vollzeug.
Die GORCH FOCK (I) 1934 in der Ostsee vor Rügen unter Vollzeug.

Stralsund will GORCH FOCK (I) kaufen

Gutachten belegt den touristischen Wert für die Hansestadt

Stralsund – Der geplante Kauf der GORCH FOCK (I) durch die Stadt Stralsund droht zu einer kostspieligen Angelegenheit zu werden. Dies geht aus dem von OB Dr. Alexander Badrow (CDU) beauftragten Gutachten hervor, in dem geprüft worden ist, ob eine Übernahme des Traditionsseglers sinnvoll sein könnte.

Demnach verlangt allein der Verein „Tall Ship Friends e.V.”, dem das ehemalige Reichs- und Kriegsmarine-Segelschulschiff seit 2003 gehört, laut vorliegendem Kaufvertragsentwurf einen Preis von knapp einer Million €, obwohl der Materialwert der GORCH FOCK (I) dem Gutachten zufolge maximal 416.000 € beträgt. Hinzu käme der ideelle Wert, den sich die GORCH FOCK in den vergangenen Jahren im Stralsunder Hafen erarbeitet hat. Dieser könne jedoch nicht ermittelt werden, heißt es in dem Gutachten. Das rund 100.000 € teure und 123-seitige Dokument des Rostocker Ingenieurbüros Inros Lackner liegt vor. Das Papier ist umstritten, weil der Auftrag dafür von OB Badrow nicht ordnungsgemäß ausgeschrieben worden sein soll. Neben dem Kaufpreis müsste das 81 Jahre alte Schiff nach Angaben der Gutachter für mindestens 3,2 Millionen € saniert werden, womit sich die Gesamtkosten für Erwerb und Instandsetzung auf knapp 4,4 Millionen € belaufen. Dafür seien aber lediglich Maßnahmen realisierbar, um die Schwimmfähigkeit des Schiffes während der nächsten Jahre zu erhalten.

Soll es wieder seetüchtig gemacht werden, würde dies weitere Ausgaben in Höhe von etwa 1,5 Millionen € bedeuten. Pikant: Weil die GORCH FOCK (I) in den vergangenen Jahren im Innern baulich zu sehr verändert worden ist, wurde ihr der Status als Denkmal aberkannt. Auf zusätzliche Denkmalschutz-Fördermöglichkeiten kann Badrow also nicht hoffen. Bei der Landesregierung hat die Stadt zwar für Kauf und Reparatur des Segelschiffes Zuschüsse in Höhe von 90 Prozent der Kosten beantragt, sich aber bei der Gesamtsumme von 4,4 Millionen € um 675.000 € verschätzt, die Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) noch einmal drauflegen müsste, sollte er dem Förderantrag zustimmen. Aus der Stadtkasse würden in diesem Fall 435 000 € fließen, um die Bark zu kaufen und flottzumachen.

Allerdings bliebe das Schiff den Experten von Inros Lackner zufolge als Attraktion im Stadthafen auch danach ein dauerhaftes Zuschussgeschäft für die Stadt. Je nach Auslastung müsste das Rathaus sich pro Jahr mit einer Summe zwischen 51.000 und 89.000 € an den Betriebskosten beteiligen. Dabei gehen die Gutachter davon aus, dass rund zehn Prozent der Besucher des Ozeaneums auf der Hafeninsel auch der GORCH FOCK einen Besuch abstatten, und das Schiff jedes Jahr zwischen März und Oktober geöffnet ist. Ein Sponsoringvertrag mit den Stralsunder Stadtwerken, der 17.000 € im Jahr einbringt, ist in dem Konzept bereits berücksichtigt worden. Trotz dieser Kosten schreiben die Gutachter in ihrer abschließenden Empfehlung, dass „aus touristischer Sicht ein Weiterbetrieb des Schiffes als Museums- und Veranstal-

tungsschiff sinnvoll” erscheint. Allerdings sei ein „erhebliches Engagement an personeller und auch finanzieller Art” notwendig. Offenbar ist der Zustand des Schiffes deutlich schlechter als bislang bekannt war.

Dies belegen Ergebnisse des Bad Doberaner Schiffssachverständigen Dipl.-Ing. Andreas Hallier, der die Bark in Zusammenarbeit mit dem Rostocker Ingenieurbüro Inros Lackner vor wenigen Wochen untersucht hat. Halliers Urteil ist eindeutig: Die GORCH FOCK (I) kann nach den dringend notwendigen Reparaturarbeiten, die seiner Einschätzung zufolge 3,4 Millionen € kosten würden, allenfalls als Museumsschiff genutzt werden, das fest an der Hafenkante liegt. „Einer Zielstellung, das Schiff zum Zwecke der Wiederherstellung der Seetüchtigkeit zu erwerben, ist eine klare Absage zu erteilen. Die Kosten würden erheblich über dem eines gleichgroßen, identischen Neubaus liegen”, heißt es im Fazit seines Untersuchungsberichtes, der dem Gesamtgutachten von Inros Lackner angefügt ist.

Die Liste der notwendigen Arbeiten ist lang, selbst wenn die GORCH FOCK (I) nur als Museumsschiff im Hafen liegen soll. Insgesamt müssten bis zu 150 Tonnen Stahl verbaut werden, um Schotttüren und Treppenhäuser nachzurüsten, strukturelle Reparaturen vorzunehmen und das vollkommen abgenutzte Deck wieder herzustellen, zählt Hallier auf. Der Experte empfiehlt der Stadtverwaltung, „Vor- und Nachteile eines Schiffsankaufs mit den Konsequenzen für Sanierung und Folgebetrieb genau und für sich selbst zu analysieren”.

Oberbürgermeister Dr. Alexander Badrow (CDU) hatte das Ingenieurbüro Inros Lackner im Mai mit einem Gutachten zu dem geplanten Ankauf der GORCH FOCK (I) durch die Stadtverwaltung beauftragt. Ergebnis dieser Studie war, dass dieses Projekt mit Kosten von insgesamt mindestens 4,4 Millionen € verbunden wäre. Neben der knapp 3,4 Millionen € teuren Reparatur der GORCH FOCK (I) müsste der Anleger für rund 200.000 € überholt werden. Der materielle Schrottwert der GORCH FOCK (I) betrage nur 160.000 €.

Diese Schätzung sei aber auf Grund des weltweit fallenden Preises für Stahlschrott nicht sicher. „Es ist mit deutlichen Abschlägen zum Ende des Jahres 2014 zu rechnen”, betont der Schifffahrtsexperte.

OB Badrow hat für Kauf und Reparatur des Schiffes bei seinem Parteifreund, Wirtschaftsminister Harry Glawe, eine Förderung durch das Land in Höhe von 90 Prozent aller Investitionen beantragt. Sagt der Minister zu, muss die Hansestadt noch 435.000 € aus der Stadtkasse zahlen, um die GORCH FOCK (I) weiter zu erhalten.  Benjamin Fischer, OSTSEE-ZEITUNG, Stralsund                                          

hr

Schiffsgeschichte GORCH FOCK (I)

Die GORCH FOCK I vor Stralsund – gemalt von dem Stralsunder Marinemaler Thomas Quatsling.

Die GORCH FOCK I vor Stralsund – gemalt von dem Stralsunder Marinemaler Thomas Quatsling.

Mit dem Ankauf des 1933 bei Blohm & Voß gebauten Segelschulschiffes, das nach dem 2.Weltkrieg Reparationsgut der UdSSR wurde, hat der Verein Tall-Ship Friends Deutschland e.V. im Jahre 2003 ein nicht unbedeutendes Stück deutscher Marine- und Seefahrtsgeschichte wieder unter deutscher Flagge bringen können.

Nach 54 Jahren unter fremden Flaggen ist die Bark wieder unter ihrem alten Namen GORCH FOCK im deutschen Seeschiffsregister mit Heimathafen Stralsund eingetragen. Der Rückbau der 82 Meter langen Bark ist sichtbar fortgeschritten.

Die spannende Geschichte dieses Windjammers lässt sich nicht in seinem Logbuch ablesen; sie beginnt mit einer Tragödie: dem Untergang des Schulschiffes NIOBE der Reichsmarine. Das Schiff kentert im Sommer 1932 in der Ostsee in der Nähe der Insel Fehmarn und reißt 69 junge Männer in den Tod. Ein schmerzlicher Verlust für die Hinterbliebenen und für die Marine.

Als Ersatz läuft nach nur 100 (!) Tagen Bauzeit im Mai 1933 bei Blohm & Voß in Hamburg  die GORCH FOCK vom Stapel. Gebaut nach extremen Sicherheitsvorschriften, um eine Wiederholung des NIOBE-Unglücks zu vermeiden. Das neue Schulschiff ist in sieben wasserdichte Abteilungen unterteilt und noch schwimmfähig, wenn zwei Abteilungen vorn und achtern volllaufen. Es kann sich aus einer Schräglage von 90 Grad wieder aufrichten.

Nach wenigen Ausbildungsreisen kommt der Ausbildungsbetrieb durch den 2.Weltkrieg zum Erliegen. Außerdienststellung und Nutzung als stationäres Schulschiff wechseln ab. Bei Kriegsende ist die GORCH FOCK in Stralsund. Das erste Schiffsleben ist dort jäh zu Ende: Pionieren der Wehrmacht sprengen am 30. April das im Strelasund vor Drigge ankernde Schiff.

1947 wird die Bark auf Anordnung der russischen Militäradministration von einem Stralsunder Bergungsunternehmen gehoben und in Rostock und Wismar wieder in Stand gesetzt. Aufgrund des Materialmangels der Nachkriegszeit wird besonders jedes Buntmetallteil wiederverwendet. So auch der Messingreifen des Doppelruders, der von den Werftarbeitern so montiert wird, dass der Schiffsname GORCH FOCK und das Motto „Gott mit uns” nicht lesbar sind.  

Ab 1951 ist die Bark unter dem Namen TOVARISHCH (Kamerad/Genosse) Ausbildungsschiff der sowjetischen Handelsmarine. Sie segelt mit ihrem versteckten Namen und dem Motto, das auch russischen und ukrainischen Seeleuten offensichtlich Glück bringt: Mehr als 400.000 Seemeilen Ausbildungsfahrt ohne Unfall. Wie schön, dass der Herrgott keine (nationalen) Unterschiede macht.

Bei Auflösung der Sowjetunion verbleibt die Bark in ihrem ukrainischem Heimathafen Kherson und bildet weiter Nautiker und Maschinisten für die Seefahrtsschule Kherson aus, jetzt unter ukrainischer Flagge.

Neben „echten” Seefahrtschülern nimmt die TOVARISHCH ab 1991 auch segelbegeisterte Windjammerfreunde von Tall-Ship Friends e.V. auf ihre Reisen mit. Die erste große Reise unter ukrainischer Flagge geht 1992 in der Flotte Windjammer im „Columbus-Race” nach Amerika. Allein 1992 und 1993 segeln Windjammerfreunde aus 14 Nationen auf der TOVARISHCH (ex. GORCH FOCK).

Die erste große Reise unter ukrainischer Flagge geht 1992 in der Flotte Windjammer im „Columbus-Race” nach Amerika. Allein 1992 und 1993 segeln Windjammerfreunde aus 14 Nationen auf der TOVARISHCH (ex. GORCH FOCK).

Zum 60.Geburtstag des Schiffes kommt die Bark im Sommer 1993 nach Rostock, dann aber wird das (Schiffs-) leben schwer: Die Liste erforderlicher Reparaturen wird

immer länger, Geld ist in der Ukraine knapp, TOVARISHCH darf nur noch im Schwarzen Meer segeln, das als Binnenrevier gilt. Eine englische Jugendhilfs-Organisation, die Jugendliche 1993 auf der TOVARISHCH segeln lässt, setzt sich daraufhin für die Überholung des Schiffes in England ein. Schiffbauingenieure aus Newcastle besichtigten das Schiff in Kherson. Gesammelte 500.000 Britische Pfund (cirka 750.000 €) sollen das dritte Leben der  TOVARISHCH möglich machen.

Im Mai 1995 ist es soweit, TOVARISHCH segelt mit ökonomischer Hilfe von Tall-Ship Friends e.V. nach Newcastle up on Tyne an der englischen Nordseeküste.

Der wirkliche Zustand der TOVARISHCH kommt erst im Trockendock − im wahrsten Sinne des Wortes − ans Tageslicht: Umfangreiche Stahlarbeiten sind nötig, die verfügbaren Mittel reichen dafür bei Weitem nicht, die Arbeiten werden abgebrochen.

TOVARISHCH muss für zwei bittere Jahre in einer Ecke eines Hafenbeckens in Northshields bei Newcastle festmachen, weil ein Betriebsverbot der britischen Aufsichtsbehörde dem Schiff den Rückweg in die Heimat verlegt.

Tall-Ship Friends gründet daraufhin die „TOVARISHCH Support Group Newcastle”. Die sammelt Lebensmittelspenden für die Mannschaft und beschafft Diesel für den Stromgenerator des Schiffes.

Während die Mannschaft von Spenden aus der Bevölkerung lebt, kümmern sich Vereinsmitglieder in Hamburg und Berlin regelmäßig um den Heimtransport der wechselnden Mannschaften.

1996 kommt aus dem ostenglischen Middlesborough ein Angebot, die Reparatur des Schiffes dort durchzuführen. Endlich! TOVARISCHTSCH verholt 1997. Die Reparaturen kommen aber auch hier nicht in Gang, weil die geplante Werft für Traditionsschiffe über das Projektstadium nicht hinaus kommt.

Daraufhin bietet  Tall-Ship Friends e.V. Hilfe an. Dem Schiffseigner sagt das Konzept zu, die Stadt Wilhelmshaven stellt einen Liegeplatz zur Verfügung und zahlt für die Dauer von 2 Jahren monatlich DM 8.333 Tall-Ship Friends e.V. finanziert weitere DM 7.000 monatlich.

Mit Schlepperhilfe verlässt GORCH FOCK Middlesborough und trifft im September 1999 in Wilhelmshaven ein und ist ein Highlight auf der „Expo am Meer 2000”.  

Hier macht Tall-Ship Friends e.V. den Anfang zum dritten Leben der alten GORCH FOCK (I): 15 Kubikmeter (!) Beton und Keramik werden aus Waschräumen und Toiletten im Vorschiff  entfernt, die Kadettenunterkünfte von alter Ausrüstung geräumt. Die Bundesmarine steuerte 44 Rettungsinseln im Wert von cirka 200.000 € bei. Örtliche Firmen unterstützen das Projekt wohlwollend. Bei der Beschaffung von Mitteln für die großen Schiffsreparaturen aber scheitert Tall-Ship Friends auf der ganzen Linie. Nun ist guter Rat teuer. Der kommt mit einer Studie die empfiehlt, eine Stiftung zu gründen.

Die Expo 2000 ist auch vorbei, der Liegeplatz in Wilhelmshaven nicht länger zur Verfügung. Einer  Stiftungsgründung und dem Verholen des Schiffes aber stimmt der Schiffseigner nicht zu, worauf Tall-Ship Friends sich aus dem Projekt zurückzieht.

Im Sommer 2003 erhält Tall-Ship Friends Deutschland e.V. aus heiterem Himmel ein Kaufangebot − im September 2003 ist der Kaufvertrag unterschrieben.

Das Schleppen des Schiffes, das seit acht Jahren ohne Schiffs-„TÜV” ist, wird nicht genehmigt, die alte Bark muss in ein Dockschiff verladen werden und kommt so „trockenen Fußes” durch den Kiel-Kanal nach Stralsund.

Die Transportkosten verschlingen die 125.000 €, die für Reparaturen an der Stralsunder Volkswerft vorgesehen waren, aber Ende November 2003 kann die Bark unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Stralsund − von Rosemarie Schmidt-Walther, der Frau des Initiators und jahrelangen Kämpfers der Rückholaktion, Dr. Peer Schmidt-Walthers − auf ihren alten Namen GORCH FOCK getauft werden. Das Musikkorps der Marine spielt „Weiß ist das Schiff, das wir lieben” und „Gruß an Kiel”. Der Förderverein GOCH FOCK (I) richtet ein Museum an Bord ein.   

Von den erwarteten 100.000 Besuchern kommen aber nur 40.000 jährlich an Bord, entsprechend leer ist die Bordkasse. Mit eiserner Sparsamkeit wird auch diese lebensbedrohliche Klippe umschifft. Freiwillige demontieren in der Folgezeit unbrauchbare Einrichtungen und die gesamte veraltete Technik-Einrichtungen inklusiv Haupt- und Hilfsantrieben im Maschinenraum. Eine Fleißarbeit.

Benefizkonzerte werden veranstaltet, aber auch Rückschläge bleiben nicht aus: die brilliante Idee, ein Treffen der Schwesterschiffe zum 75. Geburtstag der GORCH FOCK (I) im Jahr 2008 in Stralsund, kommt nicht zu Stande.

Die Demontagen sind abgeschlossen, der Rückbau der GORCH FOCK (I) ist sichtbar fortgeschritten − was auch unabhängige Fachleute anerkennen.  

Im Maschinenraum warten vier Dieselgeneratoren auf ihre Inbetriebnahme, die Bauwerft Blohm+Voss spendierte neue Barrings (Bootsgestelle), 400 Schwimmwesen kamen aus Norwegen. Eine Hamburger Maschinenbaufirma sponserte ein Bugstrahlruder. Die Aufsichtsbehörden Germanischer Lloyd und die Seeberufsgenossenschaft begleiten das Projekt wohlwollend.

Mehr als 400.000 € sind bisher für den Wiederaufbau der GORCH FOCK (I) gespendet und 20.000 freiwillige Arbeitsstunden geleistet worden. Das Zwischendeck ist für Veranstaltungen bis zu 400 Personen hergerichtet, eine neue Kombüse ist entstanden, im Kapitänssalon traut das Standesamt Stralsund alle die sich trauen. Besucher dürfen − gegen Gebühr mit Sicherheitsgurt und Begleitung − auf die Marssaling des Großmastes entern. Die GORCH FOCK (I) ist ein fester Bestandteil des Stralsunder Hafens.

Im Herbst 2008 ist der Schiffs-„TÜV” erneut fällig gewesen. Das Unterwasserschiff wurde auf der Volkswerft saniert und das Bugstrahlruder eingebaut. Ein Riesenschritt. Sponsoren sind sehr willkommen. Sie könnten die Bark als Veranstaltungsort, Werbeträger nutzen. Eine großartige Chance, denn der Name GORCH FOCK ist weltbekannt.

 

Schiffsinfos: Länge 82 Meter, Breite 12 Meter, Verdrängung 1350 t, Segelfläche 1800 Quadratmeter, Werft Blohm+Voß, Hamburg, Baunummer 495, Stapellauf 3. Mai 1933.

Die GORCH FOCK(I)  ex TOVARISHCH  ex GORCH FOCK ist baugleich mit der rumänischen MIRCEA und 7 Meter kürzer als ihre „Schwestern” GORCH FOCK (II) (1958), EAGLE (ex HORST WESSEL) und SAGRES (II) (ex ALBERT LEO SCHLAGETER). www.gorchfock1.de · Dr. Peer Schmidt-Walther                                                    

hr
Hat ein Kreuzfahrtschiff mittels Anker und Bojen im Geirangerfjord festgemacht, wird der SeaWalk ausgefahren, um am Schiffsrumpf anzudocken.
Hat ein Kreuzfahrtschiff mittels Anker und Bojen im Geirangerfjord festgemacht, wird der SeaWalk ausgefahren, um am Schiffsrumpf anzudocken.

Zu Fuß über den Fjord

Schwimmender Pier in Geiranger ist ein Jahr im Betrieb

In engen Fjorden und Buchten ohne konventionelle Hafenanlagen gehört es zum altbewährten Procedere einer Kreuzfahrt: Das Tendern, die Ausschiffung zum Hafen mit den bordeigenen Rettungs- oder mit lokalen Tenderbooten. In Geiranger gibt es seit 2013 jedoch eine Innovation: den SeaWalk, eine ausfahrbare schwimmende Pier-Anlage.

Im März 2013 bei der rumänischen Tochter des norwegischen Technologie-Konzerns Vard in Auftrag gegeben (der wiederum im Besitz der staatlichen italienischen Werftengruppe Fincantieri ist), wurde die Anlage unter dem Namen „SeaWalk” mit dem Anlauf der COSTA PACIFICA am 18. Juli 2013 offiziell in Betrieb genommen. Der SeaWalk ist eine motorisierte schwimmende Pier-Anlage, deren Länge maximal 230 Meter beträgt und die sich je nach Bedarf ein- und ausfahren bzw. in ihrer Länge an das vor Anker liegende Schiff anpassen lässt. Vorbild für die Anlage ist eine ähnliche Konstruktion, die 2012 in Skjolden (Lustrafjord) in Betrieb genommen wurde.

Grundlage für die Entscheidung, auch in Geiranger eine solche schwimmende Pier-Anlage anzubieten, waren Prognosen, denen zufolge sich die Anzahl der Passagiere, die den vielleicht berühmtesten norwegischen Fjord mit einem Kreuzfahrtschiff besuchen werden, in den kommenden zehn Jahren verdoppeln wird (2013: 300.000). Gleichzeitig wird auch die durchschnittliche Schiffsgröße weiter wachsen, was das Procedere des Tenderns mit Rettungsbooten nicht nur immer umständlicher und zeitaufwändiger machen, sondern im Fjord selber auch zu einer steigenden Emissionsbelastung führen würde. Letzteres ist besonders relevant, da der Geirangerfjord seit 2005 zum UNESCO-Weltnaturerbe gehört, dessen Schutz eine Priorität der lokalen Behörden ist.  

Und die Vorteile des schwimmenden Piers gegenüber dem Tendern liegen auf der Hand: Zum einen bietet der SeaWalk eine immense Zeitersparnis, denn das komplette Klarmachen und Aussetzen sämtlicher schiffseigener Tenderboote kann bei einem voll besetzten Mega-Kreuzfahrtschiff schon einmal zwei bis drei Stunden dauern, wodurch sich Zeit für den Landgang mitunter signifikant verkürzt. Wenn die Passagiere jedoch schneller und einfacher an Land gelangen, kann die Reederei längere und andere Ausflüge anbieten bzw. profitiert natürlich auch die lokale Tourismus-Infrastruktur davon, da die Kreuzfahrttouristen mehr Geld in Geschäften und gastronomischen Einrichtungen vor Ort lassen können. Zweitens ist ein ebener (wenn auch leicht schwankender) Fußweg an Land wesentlich komfortabler als das Besteigen eines kleinen schaukelnden Rettungsbootes und die daran anschließende Fahrt, die man zumeist auf harten Bänken auf engstem Raum zubringen muss.

Immerhin sind in der Vergangenheit viele Passagiere in den Tenderhäfen schon aus Prinzip an Bord geblieben, weil ihnen das Besteigen der Boote zu umständlich bzw. (im Fall älterer oder behinderter Kreuzfahrtgäste) schlicht nicht möglich gewesen wäre. Drittens schließlich ist der SeaWalk eine höchst umweltfreundliche Alternative zum Einsatz der schiffseigenen Rettungs- und Tenderboote, deren treibstoffintensiver Einsatz komplett entfällt, wenn ihr „Mutterschiff” stattdessen an einem schwimmenden Pier festgemacht hat. Eine Reduzierung der CO2-Emissionen von bis zu 10 Tonnen pro Schiffsanlauf haben die Betreiber der Anlage errechnet. Doch nachdem der SeaWalk in der Saison 2013 13 mal zum Einsatz gekommen war,

wurde er 2014 lange nicht so oft genutzt, wie sich deren Betreiber, die Firma SeaWalk Geiranger AS, das gewünscht hatten. Woran liegt das?  

SeaWalk Geiranger AS ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das von verschiedenen lokalen und regionalen Investoren ins Leben gerufen wurde und das nun die Baukosten (35 Millionen NOK) bzw. die Kosten für den laufenden Betrieb amortisieren muss. Die Reedereien bezahlen die optionale Nutzung des SeaWalk in Form einer Abgabe, die laut Presseberichten 1 NOK pro BRZ Schiffstonnage beträgt. Für die Reedereien ist es also eine reine Kosten-/Nutzenanalyse, die über den Einsatz des SeaWalk entscheidet, und die fällt bei den aktuellen Tarifen offenbar nicht durchweg zugunsten der schwimmenden Pier-Anlage aus. Jedenfalls gibt die in Ålesund erscheinende Tageszeitung „Sunnmørsposten” an, die Tender-Kosten bei einem 75.000 BRZ großen Schiff würden nur 30.000 bis 40.000 NOK betragen – und damit lediglich die Hälfte der Abgaben für den ausfahrbaren Pier.

Auch bei der britischen Reederei Cruise & Maritime Voyages spricht man offen davon, dass die Kosten für den SeaWalk „considerably higher” (deutlich höher) seien als für Treibstoff und Personal, wenn man stattdessen tendern würde. Und zu einer ähnlichen Rechnung muss man auch im Hause Carnival gekommen sein, denn dort hat man nach einigen Testanläufen 2013 im abgelaufenen Jahr auf die Nutzung des SeaWalk komplett verzichtet. Zwar zählte Geiranger 2014 insgesamt 32 SeaWalk-Einsätze, die meisten davon entfielen jedoch auf Schiffe der RCCL-Gruppe (Royal Caribbean International, Celebrity Cruises und Azamara Club Cruises). Solange jedoch die mächtige Carnival Corporation für alle ihre in Nordeuropa operierenden Tochterunternehmen (Aida Cruises, Costa Crociere, Cunard Line, P&O Cruises, Princess Cruises, Holland America Line) zu dem Schluss kommt, dass sich die Inanspruchnahme des ausfahrbaren Piers nicht rechnet, geht auch bei der SeaWalk Geiranger AS die Rechnung nicht auf – 60 Schiffe pro Saison wären nach deren Angaben nämlich notwendig für einen kostendeckenden Betrieb der Anlage.

Die Firma hat daher nun den Druck auf die beteiligten Behörden verstärkt, die Nutzung des SeaWalk zur Pflicht zu machen, doch daraus ergeben sich weitere Probleme. Denn es gibt in Geiranger nur einen SeaWalk, also kann pro Tag auch immer nur ein Schiff die Anlage in Anspruch nehmen. Aber welches will man verpflichten, wenn zwei oder drei Kreuzfahrtschiffe vor Ort sind – das größte, das emissionsstärkste, das mit den meisten Passagieren an Bord?

Die Behörden – Stranda Port Authority (Hafenbehörde Geiranger), Kystverket (Küstenwache) sowie die Umweltbeauftragte der Provinz Møre og Romsdal – wiegeln daher ab und plädierten bisher auf „nicht zuständig”. Und verweisen stattdessen auf das „Sjøfartsdirektorat”, die staatliche norwegische Seefahrtsbehörde. Denn eines ist auch klar: Macht man die Nutzung des SeaWalk in Geiranger zur Pflicht, könnten Reedereien den Fjord in Zukunft ganz meiden oder die Anläufe dort reduzieren – so geschehen 2014 bereits bei der Cunard Line und P&O (die beide einen geplanten Anlauf von Geiranger kurzerhand durch Andalsnes ersetzten). Und das kann in Geiranger niemand wollen, der dort in der Sommersaison auf den lukrativen Besuch der Schiffe angewiesen ist. Kai Ortel                                                               

Zu Fuß über den Fjord: Die LEGEND OF THE SEAS (Royal Caribbean International) gehörte 2014 zu den Schiffen, die den SeaWalk in Anspruch genommen haben.

Zu Fuß über den Fjord: Die LEGEND OF THE SEAS (Royal Caribbean International) gehörte 2014 zu den Schiffen, die den SeaWalk in Anspruch genommen haben.

hr

Innovation Motor. Vier Takte bewegen die Welt 

 

Sven Tode, Marco Hölscher, Beate John

Innovation Motor. Vier Takte bewegen die Welt

150 Jahre Deutz AG

„Eine Reise durch 150 Jahre Motorengeschichte”

Köln im Jahr 1864. In einer kleinen Werkstatt in der Servasgasse tüfteln der Kaufmann Nicolaus August Otto und der Ingenieur Eugen Langen an einer Idee, die die Welt verändern wird. Ihre Vision: Eine Maschine zum Antrieb von Fahrzeugen und für den Einsatz in Industriebetrieben.

Gelingen sollte ihnen jedoch weitaus mehr. Mit der Entwicklung des Viertaktmotors im Jahr 1876 begründete Otto von Köln aus die Motorisierung der Welt und veränderte damit das Leben der Menschen nachhaltig.

Aus der kleinen Werkstatt ist heute ein Unternehmen mit einer weltweiten Spitzenstellung in der Motorentechnik geworden.

Die vorliegende Chronologie beschreibt die Stationen der heutigen Deutz AG in den vergangenen 150 Jahren: Von der Entwicklung der legendären luftgekühlten Dieselmotoren, den weltbekannten Schiffsdieselmotoren bis hin zu mehrfachen Strukturanpassungen.

Das Buch beschreibt leider nur in sehr wenigen Worten die viele Jahre dauernden Erfolge der Deutzer Großmotoren. Großmotoren, die äußerst zuverlässig und lange Jahre ihren Dienst als Schiffsantriebe getan haben. Sie sind verschwunden. Heute beschränkt sich die Deutz AG auf Kompaktmotoren im Leistungsbereich bis zu rund 600 kW. Lesenswert – gehört in jeden Bücherschrank von Lesern, die sich mit deutscher Firmenhistorie beschäftigen.

 

Sven Tode, Marco Hölscher, Beate John

Innovation Motor. Vier Takte bewegen die Welt

Erschienen im Greven-Verlag, Köln, ISBN: 978-3-7743-0629-5, 200 Seiten mit 246 farbigen Abbildungen, gebunden mit Schutzumschlag, Format 23,10 x 29,70 Zentimeter, 24,90 €.

www.greven-Verlag.de/Innovation-Motor

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