Reisen zum
Svalbard-Archipel, wie „Spitzbergen” richtigerweise seit dem
Svalbard-Vertrag von 1920 genannt wird, starten meistens in Oslo, der
Hauptstadt Norwegens. Denn der gesamte Archipel wird seither offiziell von
Norwegen verwaltet. Auch für uns 43 Schweizer und Deutsche fängt unser
Besuch mit dem Flug ab Oslo an. Nach einem Zwischenstopp in Tromsø landen
wir in Longyearbyen, dem Hauptort auf der Hauptinsel Spitzbergen und
Ausgangspunkt unserer Reise. Denn in dem rund 1800 Einwohner zählenden Ort
hat der Sysselman, wie der Verwalter hier genannt wird, seinen Sitz.
Ausserdem befindet sich hier der einzige Flughafen und der Haupthafen für
Schiffe wie unsere PLANCIUS.
Unsere ersten
neugierigen Blicke auf die erwarteten Gletscher und hohen Berge werden durch
Nebel und tiefhängende Wolken getrübt, erst beim Landeanflug erhaschen wir
durch die Fenster die eine oder andere Aussicht. Vielleicht sah der
holländische Seefahrer Willem Barents auch bloss Wolkenvorhänge, als er 1596
den Archipel entdeckt hatte.
Doch trotz grauer
Suppe und ein wenig Nieselregen ist es immer noch hell. Denn dank der Lage
auf 78 Grad nördlicher Breite geht hier mitten im Juli die Sonne nicht
unter. Allerdings ist dieser Tage von Sonne nicht viel zu spüren. Gerade
erst der mitteleuropäischen Hitze entflohen, sind nun Regenjacken,
Handschuhe und Mützen unser Sommeroutfit.
Das Wetter ändere
sich schnell auf Spitzbergen, meint unser lokaler Guide Marcel Schütz
lakonisch, deshalb sei man irgendwann plötzlich richtig angezogen. Er muss
es wissen, lebt er doch seit einigen Jahren hier oben, nachdem er der
Schweiz Adieu gesagt hat. Hier oben führt er Besucher durch Longyearbyen und
das Advendalen und kann einiges über die Geschichte des Ortes und Svalbard
erzählen.
Ein Besuch im
Svalbard-Museum führt uns vor Augen, was uns in den nächsten zehn Tagen
erwartet. Um aber dies alles live zu sehen, müssen wir zunächst unser neues
Heim beziehen, MS PLANCIUS. Sie wird als Basis
dienen während unserer Reise.
Nur gerade eine
Woche ist es her, als ich das Schiff verlassen hatte mit einer Gruppe, deren
Reisebegleiter ich war. Deshalb ist die Rückkehr mit vielen freudigen
Begrüssungen seitens der Crew-Mitglieder verbunden. Bald schon sind alle
Gäste an Bord, und nach den obligatorischen Sicherheitsvorträgen und
-übungen stechen wir in See, den Wundern und Bewohnern der Arktis entgegen.
Gletscher und erste Wunder
Die ersten
Eindrücke der Arktis erhalten wir am 14.-Juli-Gletscher im Krossfjord, einem
Seitenarm des mächtigen Kongsfjorden. Delphine Aurés, unsere
Expeditionsleiterin, möchte uns eine erste Gelegenheit für eine
Schlauchbootfahrt entlang einer imposanten Gletscherfront geben. Obwohl für
uns Schweizer solche Gletscher nichts Neues sein sollten, staunen wir über
die Mächtigkeit der Wand, die sich am Ende der Bucht zeigt. Das Wetter ist
einmal mehr Spitzbergen-typisch: bewölkt, leicht nieselnd und etwas windig,
was das Einsteigen in die Schlauchboote zu einem kleinen Abenteuer macht.
Doch die Szenerie
entschädigt für die Schaukelei: Überall treiben Eisbrocken des Gletschers im
Wasser mit Dreizehenmöwen als Passagiere; in den Felsen an der
Küste sitzen Dickschnabellummen und sogar Papageientaucher beim
Brutgeschäft, und hoch oben fliegen Eismöwen und andere Seevögel; an den
Hängen der Berge entdecken wir sogar Rentiere.
Zum Glück sind wir
am Nachmittag in Ny Ålesund, der nördlichsten Siedlung der Welt, um diese
ersten Eindrücke zu verarbeiten. Denn der Ort ist klein und übersichtlich
und erlaubt es uns, noch einmal einen Hauch von Zivilisation zu geniessen.
Die rund 150 Wissenschaftler, die hier im Sommer leben, teilen sich trotzdem
den Raum mit Weisswangengänsen, Küstenseeschwalben, Eis- und
Elfenbeinmöwen und unzähligen anderen Vogelarten, die hier auch als
Sommergäste brüten.
Gemütlich können
wir der Strasse entlang gehen und erhalten dennoch Gelegenheiten, die Tiere
aus nächster Nähe zu beobachten. Noch ein paar Postkarten vom nördlichsten
Postamt abschicken, etwas Geschichte über Amundsen und die Luftfahrt in der
Arktis lernen, und schon ist auch der Nachmittag vorbei. Wir machen uns auf
den Weg in den wilden Norden des Archipels.
Glück gehabt
Der Norden der
Hauptinsel Spitzbergen wird von zwei Fjorden tief eingeschnitten, dem
Wijdefjord und dem Woodfjord. Letzterer ist auch unser erstes Ziel für eine
Anlandung in der arktischen Tundra. Passend dazu hat sich das Wetter
signifikant verbessert, hin und wieder bricht die Sonne durch die
Wolkendecke. Genau das Richtige für eine kleine Wanderung über weichen
Tundraboden mit unzähligen Fotostopps. Svalbard-Mohn, verschiedene
Steinbrecharten und sogar Pilze lassen beinahe jeden auf die Knie gehen
... Fantastisch, wie die Farben der Blüten, der
Moose und Flechten leuchten, umrahmt von Bergen, Gletschern und dem Meer.
Hier sieht es völlig anders aus als das Bild, das sich die meisten Leute von
der Arktis machen.
Auch am Nachmittag
am Monacobreen, einer der bekanntesten Gletscherfronten, sind unsere Gefühle
zweigeteilt: Hohe Berge, massive Gletscher und Eis im Wasser sind zwar
untrügliche Zeugnisse der Arktis; aber gleichzeitig scheint die Sonne, und
die Temperaturen sind auf der eher angenehmen Seite.
Ist das vielleicht
das Resultat der globalen Erwärmung, fragt sich mancher insgeheim.
Jedenfalls geniessen wir die ruhige und friedliche Atmosphäre. Doch nicht
für lange: Ein Eisbär auf einer kleinen Insel der Andøyane. Unverzüglich
bringt Kapitän Alexey Nazarov das Schiff in eine geeignete Halteposition,
während wir eilig die Schlauchboote bemannen. Gespannte Aufmerksamkeit macht
sich breit.
Doch der Bär spielt
Verstecken mit uns. Zuerst noch näher am Ufer, verzieht er sich bald in eine
Senke in der Mitte der Insel, um sich – auszuruhen und Energie zu sparen.
Denn der Sommer ist die Fastenzeit für Eisbären, und wenn nur wenig Nahrung
zu finden ist, müssen längere Ruhepause eingelegt werden. Und wir gelangen
unversehrt zurück an Bord der PLANCIUS.
Zauberhafte Szenerie
Dafür präsentieren
sich andere Tiere umso lebendiger, wie beispielsweise die Eiderenten, die
auf den Inseln nisten und als Namensgeber der Enteninseln dienen. Herrlich,
wie die schwarz-weissen Erpel und die fast perfekt getarnten Enten vom
Wasser zu ihren Brutplätzen watscheln und wie Küstenseeschwalben im
Sonnenlicht über dem Wasser schweben auf der Suche nach Nahrung.
Kann die Szenerie
noch besser werden? O ja, sie kann! Denn die weiter nördlich gelegenen
Sieben-Inseln (Sjuøyane), die uns zuerst mit Nebel empfangen, sind genau
das, was wir uns zu Hause unter Arktis vorgestellt haben: Eis und Schnee
sind immer noch an den Hängen zu sehen, Pflanzenwuchs ist praktisch nicht
sichtbar, im Wasser treiben Eisschollen … und eine grosse Zahl
Walrosse.
Auch am Strand
liegen mindestens 100 der urtümlichen Kolosse dicht an dicht und ruhen sich
von der Suche nach Muscheln, ihrer Hauptnahrung, aus. Diese Ruhe strahlt
auch auf uns aus. Wir geniessen das Schauspiel, obwohl uns hin und wieder
eine Wolke der Marke „Chanel Walrus” entgegenweht. Eines ist sicher: Dieses
Parfum wird es nicht in die Geschäfte der Zürcher Bahnhofstrasse schaffen.

Hin und wieder
können wir auch das Sportprogramm von Walrossen beobachten. Es ist schon
spektakulär, wie die Tiere ihre bis zu 1,5 Tonnen schweren Körper
hochwuchten und wie wendig sie sich bewegen können. Die Stosszähne, die wie
Dolche aus den Schnauzen ragen und derentwegen die Tiere an den Rand der
Ausrottung getrieben wurden, leuchten aus dem rostbraun-roten Gewimmel der
Leiber heraus. Einfach grossartig und faszinierend.
Doch gestreng dem
Motto: „Und wenn man glaubt, es kann nicht mehr besser werden, kommt es
knüppeldick” wird der Nachmittag zum grossartigen Spektakel: Delphine und
Kapitän Nazarov haben die PLANCIUS ins Eis geführt, um uns die Gelegenheit
zu geben, nach Robben und vor allem nach Eisbären Ausschau zu halten. Und
tatsächlich: Kaum sind wir im Eis, entdecken wir unseren ersten Bären – der
allerdings von uns weg wandert.
Eisbären!
Noch gleich darauf
finden die Expeditionsguides einen weiteren, diesmal schlafenden Bären auf
einer Scholle. Gekonnt steuert der Kapitän unser Schiff zur Scholle, und wir
werden Zeugen, wie Eisbären aufwachen. Doch damit nicht genug:
Das Tier hat uns gewittert und will unbedingt herausfinden, was sich da
seiner Scholle genähert hat. Der Bär kommt näher und näher, bis er
schliesslich direkt an der Bordwand steht und zu uns hoch blickt.
Ein atemberaubender
Moment, der von unzähligen Kameras festgehalten wird. Niemand scheint mehr
zu atmen. Nur das Klicken der Fotoapparate ist zu hören. In der glatten
Wasseroberfläche zwischen den Schollen spiegelt sich das Tier perfekt und
bietet ein unglaubliches Bildmotiv.
Mehr als 15 Minuten
bleibt das imposante Männchen bei uns, bevor es weiter seiner Wege geht.
Noch haben wir uns nicht richtig von diesem einzigartigen Moment erholt, als
bereits der nächste Eisbär entdeckt wird …und der direkt in unsere Richtung
läuft.
Auch dieses
Männchen kann seine Neugier nicht bezähmen und kommt vorsichtig immer näher
an die PLANCIUS heran. Nur wenige Meter
vom Schiff entfernt bleibt der Eisbär stehen und begutachtet uns, die Nase
immer wieder in die Luft haltend.
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Eisbären sind
mit einem sehr sensiblen Geruchssinn ausgestattet. Auch
dieser Bär bleibt länger als eine Viertelstunde am Schiff, um dann wieder
weiter über das Eis zu ziehen, auf der Suche nach Robben. Wir können unser
Glück kaum fassen und sind noch voll euphorisch, als auf einer Eisscholle
gleich eine ganze Gruppe von Eisbären entdeckt wird, und auch diese Bären
scheinen keinerlei Eile zu haben.
Noch mehr Eisbären!
Als wir langsam
näher kommen, wird uns klar, wie viel Glück wir haben: Insgesamt sechs (!)
Eisbären sind um eine frisch geschlagene Bartrobbe versammelt, drei davon
fressen genüsslich und friedlich an den Überresten. Ihre roten,
blutverschmierten Gesichter blicken immer wieder in unsere Richtung, sie
lassen sich aber nicht stören. Die Zeit scheint stillzustehen. Sprachlos
betrachten wir die gleichermassen unheimliche und faszinierende Szene, hören
das Brummen und Brüllen der Bären und das Geschrei der Möwen, das Knacken
des Eises und das Summen des Schiffs.
Einer der Bären
folgt seiner Neugier und kommt mit vorsichtigen Schritten näher an uns
heran. Sein Gesicht ist komplett eingefärbt mit dem Blut der Robbe. Er setzt
sich nahe bei uns einfach hin, betrachtet uns eine Weile und kehrt dann zum
Kadaver zurück.
Eine Stunde sitzen
wir schon da und haben weder Kälte noch Hunger noch Durst gespürt und kaum
ein Wort gesprochen. Doch langsam wird es Zeit, das schaurige Mahl zu
verlassen und uns wieder in Richtung Süden zu wenden. Die Bilder werden uns
noch lange begleiten … zumindest bis zum nächsten Morgen. Denn Spitzbergen
steckt voller Überraschungen.
Die grosse Wal-Show
Am nächsten Morgen
fahren wir bereits in der Hinlopenstrasse und wollen gerade ein leckeres
Frühstück geniessen, als das Schiff eine scharfe Drehung vollführt und wir
die Durchsage erhalten, dass Buckelwale hinter uns gesichtet worden sind.
Soviel zum Thema „ruhiges Frühstück”. Kamera und Jacke geschnappt und nichts
wie raus an Deck.
Tatsächlich sind
nur ein paar hundert Meter vom Schiff entfernt Kreise im Wasser zu sehen, wo
die Wale noch vor ein paar Sekunden zuvor aufgetaucht waren. Unzählige
Dreizehenmöwen und Eissturmvögel, Eismöwen und Dickschnabellummen sitzen in
der Nähe auf dem Wasser. Sie bilden ein ideales Wal-Auftauch-Frühwarnsystem,
denn sie fliegen immer dorthin, wo ein Wal gerade auftauchen wird.

Tatsächlich stieben
die Vögel urplötzlich auseinander, und schon steigen die Giganten aus der
Tiefe auf. Drei Meter hohe Blaswolken, dunkle Rücken und zum Schluss riesige
Fluken lassen unsere Herzen höher schlagen und die Finger auf den Auslösern
kleben.
Und schon
verschwinden die sanften Riesen wieder in der Tiefe, um erneut kleine Fische
und Krebse an die Oberfläche zu treiben. Wir stehen gespannt an der Reling
und spähen in alle Richtungen, bis wieder das charakteristische Ausschnaufen
zu hören ist, diesmal hinter uns. Zwei Wale schwimmen tatsächlich in
Richtung unseres Schiffes. Einmal auftauchen, zweimal auftauchen und schon
sind sie direkt vor unserem Bug. Was für ein Augenblick.
Knapp unter der
Wasseroberfläche schwimmen die beiden Wale direkt an uns vorbei. Wir können
die fünf Meter langen weissen Flipper genau erkennen, die Follikel auf dem
Kopf ... und sogar die einzelnen Markierungen auf
der Fluke, als beide Tiere abtauchen. Jetzt gibt es kein Halten mehr: Jede
freie Platz an der Reling wird bemannt, die Kameras werden neu eingestellt.
Gespanntes Warten.
Wo sind die Vögel? Endlich wieder das Brummen des Ausatmens, direkt hinter
uns ... und dann taucht der erste Wal direkt quer
zum Schiff unter dem Kiel langsam auf, und alles geschieht wie in Zeitlupe:
Das Auftauchen der Blaslöcher an die Oberfläche, das Aufklappen und die
Entstehung der Blaswolke, der Rücken und die Flipper, die Finne, und zum
Schluss die Fluke ... alles ist ganz genau
sichtbar.
Und dann kommt
Nummer zwei mit derselben Show. Ungläubiges Schweigen auf Deck. Geschieht
das wirklich? Oder ist das nur ein Traum? Schon kommen die Tiere wieder an
die Oberfläche, mit weit geöffneten Mäulern und klar sichtbaren Barten, der
Kehlsack riesig aufgebläht mit Wasser und Krill. Frühstücken auf Walart.
Eine halbe Stunde lang
sind die Wale ums Schiff herum mit Fressen beschäftigt, bis sie weiterziehen
... und wir vor Freude auf dem Vordeck tanzen. Und
das vor dem Frühstück.
Zirkusreifer Eisbär
Zur Abkühlung der
Kameras und unserer Köpfe, die eigentlich immer noch die grossartigen
Eindrücke vom Vortag zu verarbeiten haben, setzen wir uns in die
Schlauchboote und fahren den mächtigen Basaltfelsen des Alkefjellets
entlang.
Über 120.000
Dickschnabellummen, unzählige Eis- und Dreizehenmöwen fliegen über unseren
Köpfen, schiessen neben und hinter uns ins Wasser oder schwimmen gemächlich
dahin. Ein Eisfuchs bietet uns einen Einblick in seine Fressgewohnheiten und
präsentiert sich den Kameras beinahe wie ein Profi am Strand. Da erklingt
schon wieder der Ruf „Eisbär!”.
Wir fahren langsam
an das südliche Ende des Fjellets und suchen zuerst auf der Oberkante nach
dem Tier. Doch zu unserer Überraschung sitzt der Bär, ein junges Männchen,
nicht auf den Felsen, sondern mittendrin in der Felswand. Ein Kletterbär auf
der Jagd nach Lummenküken. Eine unglaubliche Leistung für ein über 400
Kilogramm und mehr als zwei Meter grosses Tier.
Fasziniert sitzen
wir in unseren Booten und beobachten, wie der Bär auf einem Vorsprung
kopfüber eine tiefergelegene Stelle erreicht und geschickt mit seinen
riesigen Tatzen ein Küken packt. Wenn er jetzt abstürzt, ist der nächste
Halt rund 80 Meter weiter unten. Doch der Bär zeigt keinerlei Unsicherheit,
sondern verblüfft uns im Gegenteil mit seiner Akrobatik. Keiner von den
Guides, die schon seit Jahren hier hoch kommen, hat jemals etwas
Vergleichbares beobachtet.
Nach fünf Minuten
entschliesst sich der Eisbär, weiter nach oben zu klettern. Nun wird es
spannend, denn wie sollte das Tier an dieser steil aufragenden Wand
klettern? Wie beim Höhepunkt einer Zirkusnummer stockt uns der Atem, als der
Bär anfängt, die Felsen zu erklimmen. Er ist ruhig und bedacht. Im Geist
höre ich den Trommelwirbel, während der Bär immer weiter nach oben klettert.
Wie ein Freihandkletterer. Trrrrrrrrrrrrr ... und
täräää: Er hat es geschafft. Er steht oben auf der Kante. Und wie ein
richtiger Artist präsentiert er sich uns auch noch in voller Grösse.
Spontaner Applaus und Jubelschreie für
einen Eisbären in freier Wildbahn, das hat es wohl noch nie gegeben, aber
jetzt tobt das Publikum förmlich.
Endlich „ruhige” Tage
Nach diesen
aufregenden Erlebnissen, die den Adrenalinspiegel auf das Maximum
hochgeschraubt und die Speicherkarten gefüllt haben, sind die folgenden Tage
etwas ruhiger. Aber nicht weniger speziell: Wir erkunden die zweite grosse
Insel des Archipels, Nordaustlandet, und geniessen die karge Schönheit der
Polarwüste. Stehen staunend vor der längsten Gletscherkante Europas und
betrachten die Schmelzwasserfälle, die sich tosend ins Meer ergiessen.
Auf Barentsøya
wandern wir zwischen zehntausenden nistenden Dreizehenmöwen, beobachten
einen Eisfuchs auf der Jagd und geniessen den Anblick weidender Rentiere;
die Mitternachtssonne scheint uns auf der Fahrt um die Südspitze der
Hauptinsel mitten ins Gesicht. Wir beobachten einige Finn- und Zwergwale,
die am Eingang zum Hornsund am Frühstücken sind. Mit den Schlauchbooten
kurven wir zwischen grossen Eisbrocken und einer Gletscherkante entlang und
wandern zwischen Überresten aus der Walfang- und der Pelztierjägerzeit.
All dies sind
wunderbare Erlebnisse, die uns die Wunder und die Vielfältigkeit der Arktis
vor Augen führen. Doch am Abend im Hornsund kommt noch einmal der
Adrenalinspiegel in Wallung.
Wir möchten uns
gerade für das traditionelle Grillfest auf dem Schiff vorbereiten, als eine
grosse Gruppe von Belugawalen auftaucht. Über zwanzig Minuten dauert die
Parade dieser weissen Meeressäugetiere, die hier auf Spitzbergen einst zu
tausenden gejagt und getötet wurden.
Ein wunderbarer
Abschluss. Unseren letzten Tag auf Spitzbergen lassen wir dann nochmals
zwischen tausenden von Krabbentauchern, die mit ihrem lauten Geschrei
trotzdem eine entspannende Wirkung auf uns haben, und auf einer letzten
Tundrawanderung ausklingen.
Hier können wir
noch einmal tief durchatmen, in uns gehen und uns von Spitzbergen und all
seinen Wundern in aller Ruhe verabschieden. Diese Inselwelt hat uns auf
einer aussergewöhnlichen Reise einen tiefen Einblick in seine Schönheit,
seine Wildheit, aber auch in seine Zerbrechlichkeit gewährt.
Wie auf jeder Reise
hierher haben wir die Wunder der Arktis gefunden. Und eines ist uns allen
klar gemacht worden: Spitzbergen ist wirklich Top of Europe, wie das
Archipel genannt wird. In jeder Hinsicht.
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