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VEUS-LOG-Schriftzug

Offizielles Organ der Vereinigung Europäischer Schifffahrtsjournalisten

Dipl.-Ing. Peter Pospiech

1. Vorsitzender der VEUS und

Ressortleiter VEUS-LOG im SeereisenMagazin

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Bald nur noch ein historischer Anblick? Die betagte, aber beliebte Bornholm-Fähre POVL ANKER einlaufend Sassnitz-Mukran.Bald nur noch ein historischer Anblick? Die betagte, aber beliebte Bornholm-Fähre POVL ANKER einlaufend Sassnitz-Mukran. Foto: Kai Ortel, Berlin

Keine Fähre nach Bornholm?  

Die Wogen schlagen hoch auf Bornholm. Mitte Dezember letzten Jahres hatte das dänische Verkehrsministerium den „Trafikforliget 2014” verabschiedet, den Rahmenplan für die Zukunft des Fährverkehrs zur Ostseeinsel. Vor allem auf Bornholm selber sieht man darin aber kaum eine Verbesserung gegenüber dem jetzigen Plan, und zudem droht damit auch noch der beliebten Sommerfährlinie von Sassnitz (Mukran) nach Rønne ab 2017 die Schließung. Doch der Reihe nach.

Der Fährverkehr nach Bornholm hat in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Veränderungen erlebt. Nachdem zunächst im September 2004 die traditionelle Nachtfährlinie von Kopenhagen nach Rønne eingestellt worden und durch die Linie Køge – Rønne ersetzt worden war, wurden 2005 mit der DUEODDE und HAMMERODDE zwei neue Fährschiffe in Dienst gestellt, die weniger auf den Passagier- und mehr auf den Frachttransport zur Insel ausgerichtet waren. Die 1979 gebaute JENS KOFOED wurde verkauft und ihr ein Jahr älteres Schwesterschiff POVL ANKER zur Reservefähre umfunktioniert. Seit der Indienststellung der Schnellfähre VILLUM CLAUSEN auf der Schweden-Route Rønne – Ystad (2000) kommt die POVL ANKER daher hauptsächlich im Saisonverkehr zwischen Rønne und Sassnitz (Mukran) zum Einsatz. Im Oktober 2010 firmierte der Dienst von Bornholmstrafikken in BornholmerFærgen um und nahm ein Jahr später mit der LEONORA CHRISTINA eine weitere Schnellfähre in Dienst; die DUEODDE wurde nach nur fünf Jahren bereits wieder verkauft.

Da viele innerdänische Fährlinien jedoch nicht ganzjährig profitabel betrieben werden können, gewährt der dänische Staat finanzielle Zuschüsse, die an bestimmte vorab verhandelte Bedingungen geknüpft sind. Im Rahmen der gegenwärtigen Konzession, die noch bis Ende 2016 läuft, verpflichtet sich so die Reederei BornholmerFærgen, eine Reservefähre vorzuhalten, die bei Bedarf (z.B. wenn bei zu großen Wellenhöhen die Katamaranfähren im Hafen bleiben müssen oder wenn diese wegen technischer Defekte kurzfristig ausfallen) den Fährverkehr nach Ystad und/oder Køge unterstützt oder komplett übernimmt. In der Sommersaison bedient diese Reservefähre, besagte POVL ANKER also, traditionell die Fährlinie zwischen Deutschland und Bornholm, da diese für die vielen deutschen Bornholm-Urlauber die einzige Möglichkeit darstellt, die Insel direkt zu erreichen.

Der neue Verkehrsvertrag, der Anfang Dezember vorgestellt wurde und ab 2017 gelten soll, hat jedoch für die Linie Sassnitz – Rønne einschneidende Konsequenzen, und das obwohl diese Route genau genommen gar nicht Bestandteil des Verkehrsvertrages ist. Zum einen sollen direkte Subventionen in Höhe von 17 Millionen DKK für eine Reduzierung der Ticketpreise bei BornholmerFærgen (in der Nebensaison) um 10 Prozent verwendet werden. Geknüpft sind diese aber an Einsparungen, die sowohl die Zugverbindung von Ystad nach Kopenhagen als auch die Tonnage der Reederei betreffen. So werden nämlich alle durchgehenden IC-Verbindungen zwischen dem südschwedischen Hafen und der dänischen Hauptstadt abgeschafft; die Alternative ist ab 2017 der schwedische Regionalzug bis Malmö, wo dann ein Umsteigen in den Öresundzug nach Kopenhagen erforderlich wird. Diese Maßnahme allein führt zu Einsparungen in Höhe von 31 Millionen DKK. Die zweite und aus deutscher Sicht bedeutendere ist jedoch, dass Zuschüsse ab 2017 nur noch für eine Reservefähre mit einer Kapazität für „mindestens 400 Passagiere” gewährt werden. Was faktisch zur Außerdienststellung der betagten, aber populären POVL ANKER nach dem Sommer 2016 und somit zu Einsparungen in Höhe von weiteren 30 Millionen DKK führt. Das Reserveschiff von BornholmerFærgen ist dann nämlich die HAMMERODDDE. Und damit fangen die Probleme an.   

Denn während auf Bornholm allein wegen der so empfundenen Verschlechterung der Verkehrsanbindung an Kopenhagen via Ystad bereits fleißig Unterschriften gesammelt werden, sorgen sich deutsche wie dänische Ferienhausvermieter um ihr Geschäft auf der Insel, wenn nun auch noch die Zukunft der Fähre von Rügen nach Rønne in Frage steht. Eines ist nämlich sicher: Die Hauptlast des Saisonfährverkehrs von Deutschland nach Bornholm hat in den letzten Jahren nicht umsonst nicht etwa die kleine HAMMERODDE (400 Passagiere, 200 PKW, 1.500 Meter Frachtstellfläche), sondern die wesentlich größere POVL ANKER (1.500 Passagiere, 256 PKW, 540 Meter Frachtstellfläche) getragen. Wenn BornholmerFærgen jedoch ab 2017 mit der HAMMERODDE nur noch über eine einzige konventionelle Fähre verfügt, die darüber hinaus nicht nur mit ihrer täglichen Rundreise nach Køge fest in den Fahrplan eingebunden ist, sondern im Notfall auch noch auf der Linie nach Ystad aushelfen muss, ist für eine Verbindung nach Sassnitz weder genügend Zeit noch genügend Kapazität vorhanden. Davon, dass ein konventionelles Fährschiff mit 400 Passagieren Fassungsvermögen eine mitten im Hochsommer (bis zu 8.200 Passagiere täglich!) ausfallende Schnellfähre auch nicht annähernd ersetzen kann, einmal ganz abgesehen. Wie könnte also die Zukunft des Fährverkehrs zwischen Deutschland und Bornholm aussehen? Fünf Szenarien:

1. Die kleine HAMMERODDE übernimmt die Fährlinie

Die HAMMERODDE dürfte auch weiterhin die Nachtfährlinie zwischen Køge und Rønne bedienen, wäre also tagsüber durchaus für eine Rundreise nach Sassnitz frei. Dies würde allerdings einen drastischen Einschnitt an Kapazität auf der Deutschland-Route bedeuten. Die Preise dürften steigen, und eine Überfährt für den Sommer muss man dann noch früher buchen als aktuell ohnehin schon. Wer keinen Platz mehr bekommt oder sogar spontan nach Bornholm will, dem bleibt nur der Weg über Køge oder (via Sassnitz – Trelleborg) über Ystad. Was nicht nur eine deutlich längere und teurere, sondern auch wesentlich umständlichere Anreise wäre. Außerdem ist der Fahrplan der Route Køge – Rønne eng (Ankunft in Rønne aus Køge: 06:00 Uhr, Abfahrt von Rønne nach Køge: 17:00 Uhr), die HAMMERODDE darf sich also weder auf der einen noch auf der anderen Linie Verspätungen leisten, wenn sie tagsüber dann zusätzlich noch nach Sassnitz und zurück muss. Und in Ystad darf keine Schnellfähre ausfallen, denn dann müsste die Reservefähre ohnehin auf der subventionierten Verbindung nach Schweden aushelfen. Eine Rechnung mit vielen Unbekannten und alles andere als eine Ideallösung.

 

2. Schnellfähre VILLUM CLAUSEN übernimmt die Fährlinie

Die zweite Schnellfähre von BornholmerFærgen liegt außerhalb der Hochsaison schon jetzt überwiegend auf, und ihr Einsatz auf der Sassnitz – Rønne-Route würde nicht nur alle Kapazitätsprobleme mit einem Schlag lösen, sondern auch die Überfahrtszeit von Deutschland aus signifikant verkürzen. Allerdings ist der Treibstoffverbrauch der bis zu 41 Knoten schnellen VILLUM CLAUSEN enorm hoch und der Saison-Fährverkehr auf der Sassnitz – Rønne-Linie schon jetzt bestenfalls kostendeckend. Um den Einsatz der VILLUM CLAUSEN nach Rügen zu rechtfertigen, müssten die Treibstoffpreise also schon ziemlich weit in den Keller gehen. Außerdem sind die Tage, an denen das Schiff in der Hochsaison als Unterstützung nach Ystad gebraucht wird (Fr – So), dieselben, an denen man es auch nach Sassnitz einsetzen müsste. Höchst unrealistisch.

3. Die POVL ANKER bleibt

BornholmerFærgen könnte den bisher quersubventionierten Fähr-Oldtimer POVL ANKER behalten und auch noch nach 2017 zwischen Sassnitz und Rønne einsetzen – dann allerdings auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko. (Letzteres könnte man höchstens mit der Option abfedern, das Schiff außerhalb der Saison als Wohnschiff oder anderweitig gewinnbringend zu verchartern.) Auf diese Möglichkeit angesprochen, hat der Færgen-Direktor aber schon frühzeitig abgewinkt. Die Sassnitz-Linie ist bisher schon kaum kostendeckend gewesen, und daran wird sich

erst recht nichts ändern, wenn die Zuschüsse für die POVL ANKER als Reservefähre wegfallen. Seit dem 1. Januar 2015 fährt das Schiff darüber hinaus übrigens aufgrund der neuen Schwefelemissionsobergrenzen im SECA-Raum mit teurem Marine Diesel Oil (MDO). Mit dann 38 Dienstjahren hat die POVL ANKER 2016 vermutlich das Ende ihres Schiffslebens erreicht; jede künstliche Verlängerung (wie auch immer finanziert) wäre höchstens eine Übergangslösung.

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4. Neue Reederei, neues Schiff

Da die Linie Sassnitz – Rønne nicht Bestandteil des Verkehrsvertrages der dänischen Regierung ist, kann theoretisch jede Reederei diese Linie bedienen, die sich vorstellen kann, sie profitabel zu betreiben. Dass man mit einem solchen Vorhaben nicht nur bei den Bornholmern selbst, sondern auch auf deutscher Seite offene Türen einrennen würde, versteht sich von selbst. Doch die Realität sieht auch hier anders aus, denn wenn die Linie eine Goldgrube wäre, würde es schon jetzt einen Mitbewerber für BornholmerFærgen geben. Der einzige ernst zu nehmende Konkurrent, die staatliche polnische Fährreederei Polferries, hat jedoch auch seine Direktverbindung von Swinoujscie nach Rønne 2010 eingestellt. Ein Newcomer müsste also nicht nur ein Schiff mitbringen, das gleichzeitig groß, modern und wirtschaftlich ist, sondern das auch noch sämtliche aktuellen Umweltauflagen erfüllt. Ein Wunschtraum, leider.

 

5. Ein Ende mit Schrecken

BornholmerFærgen stellt die Linie Sassnitz – Rønne nach der Sommersaison 2016 komplett ein, weil sie mit reduzierter Kapazität nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann, und ein Nachfolger findet sich auch nicht. Die Route wäre damit Geschichte und der einzige Weg, Bornholm von Deutschland aus zu erreichen, würde fortan über Rostock, Gedser und Køge oder gleich über Südschweden führen. Die Konsequenz: ein Alptraum für das Tourismusgeschäft auf der Insel. Denn aktuell liegt der jährliche Umsatz mit deutschen Touristen auf Bornholm bei cirka 500 Millionen DKK. Rund 525.000 Übernachtungen deutscher Touristen auf Bornholm zählte man zuletzt pro Jahr, davon 325.000 in den bei deutschen Reisegästen so beliebten Ferienhäusern. Sollte die direkte Fährlinie nach Rønne eingestellt werden, so schätzt man, würden mit einem Schlag auch 300.000 bis 400.000 Übernachtungen deutscher Touristen wegfallen, die dann nämlich der Insel den Rücken kehren. (Einer aktuellen Internet-Umfrage zufolge würden 68 Prozent der befragten deutschen Bornholm-Touristen nicht nach Bornholm fahren, wenn es keine direkte Fährverbindung mehr gibt.) Ein Horrorszenario, schließlich stellen Deutsche in der Herkunftsstatistik den größten Anteil an ausländischen Touristen auf der Insel.

Hinzu kommt, dass der deutsche Reisemarkt in Sachen Bornholm schon jetzt tief verunsichert ist, nachdem infolge der Diskussion um den neuen Verkehrsvertrag Anfang des Jahres diverse Falschmeldungen und Halbwahrheiten diesbezüglich im Internet kursierten. Tatsache ist: 2015 gibt es noch eine Fähre nach Bornholm, sogar mit einer erhöhten Abfahrtsfrequenz in der Hauptreisezeit und einer ausgedehnten Saison, die dieses Jahr von Ende März bis Ende Oktober geht. Und auch 2016 fährt die POVL ANKER von Sassnitz nach Rønne. Bis sie außer Dienst gestellt wird und eine neue Lösung gefunden ist, sind also noch knapp zwei Jahre Zeit. Kai Ortel  www.faergen.dk     

 

Beförderungszahlen Sassnitz (Mukran)–Rønne 2004 bis 2013

Jahr Passagiere PKW
2004 121.642 32.003
2005 90.816 25.395
2006 95.795 26.633
2007 101.787 28.263
2008 101.105 27.991
2009 93.046 26.038
2010 93.241 26.290
2011 102.746 28.568
2012 98.410 28.158
2013 94.623 26.977

 

Schon optisch mehr als Fracht- denn als Passagierfähre zu erkennen: Die HAMMERODDE im neuen Anstrich von BornholmerFærgen.

Schon optisch mehr als Fracht- denn als Passagierfähre zu erkennen: Die HAMMERODDE im neuen Anstrich von BornholmerFærgen.

Foto: Ehrenberg Kommunikation, Hamburg

Wegen ihres hohen Treibstoff-Verbrauchs nur in der Theorie ein Ersatz für die populäre POVL ANKER: Schnellfähre VILLUM CLAUSEN.

Wegen ihres hohen Treibstoff-Verbrauchs nur in der Theorie ein Ersatz für die populäre POVL ANKER: Schnellfähre VILLUM CLAUSEN.

Foto: Kai Ortel, Berlin

Dunkle Wolken über Rønne: Die Pläne für die Zukunft der Fähranbindung zum Festland haben auf Bornholm für einen Sturm der Entrüstung gesorgt. Dunkle Wolken über Rønne: Die Pläne für die Zukunft der Fähranbindung zum Festland haben auf Bornholm für einen Sturm der Entrüstung gesorgt. Foto: Kai Ortel, Berlin
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Ohne Zweifel gilt der Containertransport unter Experten als die wichtigste Transport-Revolution des 20. Jahrhunderts.

Ohne Zweifel gilt der Containertransport unter Experten als die wichtigste Transport-Revolution des 20. Jahrhunderts.

20/8/8 Fuß – die Maßeinheit der Globalisierung

Während am 13. Januar diesen Jahres die CSCL GLOBE auf ihrer Jungfernfahrt im Hamburger Hafen fest macht und als der neue Gigant der Meere gefeiert wird ‒ der Containerriese der Großreederei CSCL (China Shipping Container Lines) hat eine Länge von 400 Meter, eine Breite von 59 Meter und die Stellplatzkapazität von unfassbaren 19.100 Standardcontainer (TEU-Twenty-foot Equivalent Unit), verlässt im gleichen Zeitraum und medial eher unbeachtet die MSC OSCAR ihre Werft in Südkorea und stößt mit einer Stellplatzkapazität von 19.224 TEU die aktuelle Königin schon wieder vom Thron. Sie ist zwar um 4,5 Meter kürzer als ihre Vorgängerin, aber TEUs sind TEUs. Es lebe die neue Königin der Containerschifffahrt! Lange wird ihre Regentschaft wohl nicht dauern, sie steht aber dennoch an der Spitze einer Entwicklung, die Ihren Anfang in den 1950er Jahren in den USA nahm.

Ohne Zweifel gilt der Containertransport unter Experten als die wichtigste Transport-Revolution des 20. Jahrhunderts. Mitte der 1950er Jahre stellte die Bewältigung der rasant gewachsenen Gütermenge im internationalen Warenaustausch für die Logistikbranche eine gewaltige Herausforderung dar. Die Abwicklung der Güter, die sich in Größe und Gewicht stark unterschieden, war zeitintensiv und benötigte viel Arbeitskraft. Gleichzeitig stiegen in den westlichen Industriestaaten die Löhne, was zu Kostensteigerungen führte. Eine Lösung des Problems musste rasch gefunden werden.

Der US-amerikanische Transportunternehmer und spätere Reeder Malcom McLean entwickelte die Idee, statt einzelne Güter in Form von Kisten oder Säcken vom LKW bzw. dessen Auflieger zu entladen und dann wieder mühevoll auf ein Schiff zu laden, den ganzen Auflieger als Einheit zu verschiffen und am Zielort wieder auf eine Zugmaschine zu setzen.

Da er jedoch Schwierigkeiten hatte, andere Reedereien von seiner Idee zu überzeugen, verkaufte er 1955 seine Anteile an seinem Transportunternehmen McLean Trucking Company und übernahm die Reederei Waterman Steamship mit ihrem Tochterunternehmen Pan-Atlantic Steamship (1960 wurde sie in Sea-Land Service umbenannt). Um seine Idee zu verwirklichen, baute er einen gebrauchten Tanker, den er zuvor von der US Marine gekauft hatte, so um, dass sich auf der dafür gefertigten Deckskonstruktion Trailer, anfangs mit und später dann ohne Fahrgestelle, stauen ließen.

Am 26. April 1956 stach das auf den Namen IDEAL X getaufte Schiff von Port Newark (New Jersey) nach Houston (Texas) in See und machte die Reise somit zur Jungfernfahrt des Containertransports. Nach anfänglicher Zurückhaltung entschlossen sich Ende der 1950er Jahre auch andere Reedereien der USA das Erfolg versprechende Transportsystem zu testen.

Mit der Zeit wurde es aber dringend notwendig, einheitliche Maße für die Boxen festzulegen, damit sie unabhängig von der jeweiligen Reederei auf den dafür ausgerüsteten Schiffen Platz hatten. Die Maße wurden 1964 von der Internationalen Organisation für Standardisierung auf eine Länge von 20, 30 und 40 Fuß und einer Breite und Höhe von 8 Fuß festgelegt. Heutzutage haben sich im internationalen Seeverkehr die 20 und 40 Fuß Container durchgesetzt. Ein weiteres Merkmal der Standardisierung waren und sind bis heute die Eckbeschläge der Container. Sie gewährleisteten, dass die Container in jedem Hafen weltweit von den Umschlagbrücken gleich angefasst bzw. mit den jeweiligen Transportträgern verriegelt werden können ‒ eine unerlässliche Maßnahme, um einen Transportbehälter für ein internationales intermodales Verkehrsnetz zu konstruieren.  

1966 brachten die amerikanischen Reedereien mit einem Containerliniendienst ihr neues Transportsystem über den Atlantik nach Europa. Die ersten Schiffe waren noch Semi-Containerschiffe, doch im Mai desselben Jahres erreichte die MS FAIRLAND als erstes Vollcontainerschiff von Malcom McLeans Reederei Sea-Land Service, beladen mit 255 Boxen, Bremen.

Mit der BELL VANGUARD lief am 26. März 1966 das erste deutsche Containerschiff mit einer Stellplatzkapazität von 67 TEU vom Stapel. Es wurde in der Sietas-Werft in Hamburg gebaut und stand im Dienst der Hamburger Reederei J. Breuer.

Der Containerliniendienst über den Nordatlantik nach Nordwesteuropa war nur der Anfang für ein weltumspannendes Logistiknetz, das rasch neue Fahrtgebiete eroberte. Bis Ende der 1960er Jahre etablierte sich der Containerverkehr über den Pazifik zwischen Europa und Australien bzw. Neuseeland und Anfang der 1970er Jahre zwischen Nordamerika und Australien bzw. deren benachbarten Inseln. Die dänische Reederei Maersk Line kooperierte 1968 mit der Kawasaki Line, um einen Liniendienst in den fernen Osten zu starten, in Deutschland vereinigten sich Hapag und Lloyd und starteten mit der WESER EXPRESS den ersten europäischen

 

Vollcontainerdienst nach New York. Auch in Asien wurde eine der heute weltweit größten Reedereien gegründet. Aus der 1947 in Shanghai (China) als Orient Overseas International Ltd. gegründeten Reederei entstand 1969 die Orient Overseas Container Line (OOCL) mit Sitz in Honkong. Ein Jahr davor war die Evergreen Marine Corp. Ltd. mit Sitz in Taipeh (Taiwan) ins Leben gerufen worden, heute einer der fünf größten Containerschiff-Reederei der Welt.

Unter der Schirmherrschaft der UN / IMO (International Maritime Organisation) fand Ende 1972 eine internationale Konferenz über den Containerverkehr in Genf statt. Am 2. Dezember wurden zwei internationale Abkommen beschlossen, die für die weitere Entwicklung des Containerverkehrs von entscheidender Bedeutung waren: Die „International Convention for Safe Containers (CSC)” und die „Customs Convention on Containers (CCC)” regeln seitdem Fragen der Sicherheit sowie des Zollrechts im internationalen Containerverkehr.

Der unaufhaltsame Aufstieg der Containerschifffahrt ‒ die Containerflotte ist bis zum heutigen Tag in Bezug auf ihre Tragfähigkeit, sowie auf ihre Größe, der Flotte der Öltanker und Massengutschiffen weit unterlegen ‒ und die damit einhergehende Containerisierung der wichtigsten Handelsrouten trug viel zur Globalisierung der Wirtschaft bei. Die Idee, Güter in einen Standardcontainer mit einer Länge von 20 Fuß und einer Breite und Höhe von etwa 8 Fuß zu packen, war genial. Das einmalige Verpacken und der anschließende Transport über lange Distanzen auf verschiedenen Verkehrsträgern (Schiff, Bahn, LKW) sparte enorm Transportkosten. Die Liegezeiten der Schiffe in den Häfen wurde deutlich verkürzt, Hafengebühren für das Lagern und Verstauen sanken. Die größte Ersparnis war und ist wohl der Transport auf See selbst. Durch immer größere und schnellere Schiffe sanken die Kosten pro Tonne-Seemeile und halfen dabei, ganze Produktionsprozesse aus Hochlohnländern der  industrialisierten Welt in Niedriglohnländer zu verlagern.

Die Schattenseiten dieses effizienten Systems sollten jedoch nicht unbeachtet bleiben. In gleichem Zusammenhang vernichtete es seit seiner Entstehung, angefangen vom Hafenarbeiter bis zum Arbeiter in Produktionssystemen der industrialisierten Welt, unzählige Arbeitsplätze.

Seit 1985 verzeichnete der Gütertransport in Containern auf See Zuwachsraten von rund 10 Prozent jährlich. Mit der gleichzeitig stetigen Vergrößerung der Containerflotte stiegen nicht nur die Investitionskosten für Neubauten, sondern auch die Kosten für Schiffstreibstoffe (Bunkeröl). Die Zuwachsraten beim Ölpreis lagen von 1982 bis 2007 bei durchschnittlich 11 Prozent. Zusätzlich stiegen aufgrund der erhöhten Nachfrage nach Personal die Lohnkosten, was Mitte der 2000er Jahre bei steigendem Ladungsaufkommen zu deutlichen Erhöhungen der Frachtraten führte. Die Importflut aus China, hauptsächlich auf der Europa-Asien Route sowie der Transpazifik Route, brachte zusätzlich die Umschlagskapazitäten der Haupthäfen in Europa und an der amerikanischen Westküste an Ihre Grenzen.

Aber das neue Jahrtausend war nicht nur vom starken Flottenzuwachs und der Vergrößerung der Stellplatzkapazität geprägt – von 1975 bis heute stellte alleine die dänische Reederei Maersk 5 mal die Siegerin im Rennen der größten Containerschiffe der Welthandelsflotte. Übernahmen machten einzelne Reedereien immer größer, die somit den größten Teil der Stellplatzkapazität stellten. Anfang 2000 verfügten die 10 größten Reedereien über etwas mehr als 49 Prozent der Stellplatzkapazität, 2006 waren es schon 60 Prozent, was rund  6 Millionen TEU entsprach.

Bis zum heutigen Tag befindet sich die dänische Reederei Maersk, mit einer Flotte von mehr als 600 Schiffen und der sagenhaften Stellplatzkapazität von über 2,9 Lillionen TEU, unangefochten an der Spitze der Containerreedereien. In Ihrem Gefolge befinden sich illustre Namen wie die Mediterranean Shipping Co (MSC), die CMA CGM Group, Hapag-Lloyd und die Evergreen Line.

Doch die Zahlen können über eine Tatsache nicht hinwegtäuschen. Die Containerbranche steckt, spätestens seit Ausbruch der globalen Finanzkrise, in Schwierigkeiten. Überkapazität an Frachtraum, einbrechende Wachstumsraten und ein hoher Konkurrenzdruck ‒ das alles drückt auf die Frachtraten und die Erträge der Reedereien. Nach der Krise halbierten sich die Zuwachsraten auf 4 bis 5 Prozent jährlich.

Um weiter konkurrenzfähig zu bleiben, hilft nur die Flucht nach vorne. Das bedeutet Fusionierungen zwischen den Reedereien und der Bau größerer Schiffe. So paradox das bei bestehenden Überkapazitäten klingen mag, doch ein großes Schiff das langsam fährt, wenig verbraucht und dabei viel transportiert, spart Kosten und hilft bei sinkenden Frachtraten mehr zu verdienen als nur die Tankrechnung.

Thomas Jantzen (Text + Foto)

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Eisbrecher SAMPO im Ostsee-Eis vor Kemi.
Eisbrecher SAMPO im Ostsee-Eis vor Kemi. Foto: nordicpress, Vuokatti (FIN)

Eis-Theater am Polarkreis

Auf Tagestörn mit einzigem Passagiereisbrecher der Welt

Mühsam kriecht der Sonnenball über den vom Wald gezackten Horizont – und bleibt dort kleben. Zu höheren Kletterkünsten reicht ihre polarnächtliche Kraft nicht. Wohl aber für jungfräuliches Eis in der Bottenvik, im nördlichsten Zipfel der Ostsee. Saisonbeginn für SAMPO.

Samen in traditionell-bunter Tracht schenken heißen Multbeeren-Tee aus. Schließlich gilt es, die frierenden Polarfahrer auf das eiskalte Abenteuer einzustimmen. Das sie in der südlichen Ostsee in diesem Winter vergeblich suchen.

Über dem Hafen der nordfinnischen Stadt Kemi schwebt eine ganz besondere „Duft”-Wolke: Der Kenner tippt auf Zellulose. Stichwort Papier: Davon lebt man hier am Bottnischen Meerbusen. Weithin sichtbar die wolkenhohen Dampfschwaden.

200 Millionen Tonnen Zelluloseprodukte verlassen dort jährlich die Fabrikhallen. 85 Prozent werden über See exportiert. Unentbehrlich dabei modernste Eisbrecher. Sie brechen den Frachtern winters (von November bis Mai) die Bahn. Unsere SAMPO ist nach dreißig Jahren Eiseinsatz entbehrlich geworden: zu schwach auf der Brust, technisch veraltet und zu schmal für die immer breiter ausladenden Papiertransporter.  

 

Winter-Knüller

Touristisch hat die 20.000-Einwohner-Papierstadt Kemi im lappländischen Winter keine ausgesprochenen „Knüller” zu bieten – außer der größten zusammenhängenden Eisfläche Europas vor ihrer Haustür und einen Eisskulpturen-Park. Die Stadtväter haben sich noch etwas Bemerkenswertes einfallen lassen: Kurzerhand kauften sie der finnischen Seefahrtsbehörde den Eisbrecherveteran SAMPO ab, bewahrten ihn damit vor dem Hochofen und funktionierten das technische Denkmal zum weltweit einzigen reinen Passagiereisbrecher um.

Damit nicht genug. SAMPO heißen zwar viele finnische Männer, aber auch die Maschine, die im Volksepos „Kalevala” (Geld) herstellt. Aus der klimatischen Not ist eine touristische Tugend geworden. Seitdem lockt der schwarz-gelbe Stahlkoloss allwinterlich Eis(brecher)-Fans aus aller Welt nach Kemi – und zieht ihnen das Geld aus der Tasche.  

Exklusiv ist das Vergnügen allemal. Sogar erklärte „Frostbeulen” geraten ins Schwärmen, wenn die 8.800 Pferdestärken des schmucken 3.450-Tonners unter ihren Füßen zu vibrieren anfangen.  

 

Schauer über den Rücken

Krachend, knackend, knirschend und knisternd kämpft sich der bullige Kraftprotz durch das bis zu einem Meter mächtige Eis aus dem Hafen. Der abgeknickte Steven schneidet sich durch das beinharte Element. An den SAMPO-Flanken schaben die zerborstenen Schollen entlang, stellen sich wie aus Protest sekundenlang senkrecht, um dann ohnmächtig klatschend in die frisch gepflügte Fahrrinne zurückzugleiten.

Die Brücke ist gerammelt voll. Jeder will den Eispiloten beim Navigieren über die Schulter sehen. Auf der Back recken anscheinend kälte- und windresistente Seh-

Leute ihre Hälse nach unten, um das Eisbrechspektakel hautnah beobachten zu können. „Das jagt mir regelrecht wohlige Schauer über den Rücken”, strahlt mein Nebenmann vor Begeisterung. Und selbst sonst so „coole” Banker geraten schier aus dem Häuschen: „Unglaublich faszinierend, dieses Eis-Theater!” Obwohl den „Verrückten” spitze Eisnadeln das Gesicht röten, noch verstärkt durch die gleißende Lichtbahn der am frühen Nachmittag untergehenden Sonne. 

 

Herzensbrecher und Eis-Schlachtschiffe

Von Eisbarrieren, die der Wind aufgeschoben hat, und verbackenem Treibeis wird SAMPO schon mal gestoppt. Mit Anlauf und geballter Kraft werden auch solche Hindernisse geknackt, ein besonderes Erlebnis für die Eisbrecher-Passagiere. „Ein Schauspiel, das seinesgleichen sucht”, entfährt es spontan einer zierlichen, kleinen Frau, die sonst gar nichts von solchen Abenteuern gehalten hat. Ein Geschäftsmann hingegen: „Ich habe nicht viel Zeit für größere Reisen, aber das hier ist eine tolle Alternative.”

Der „Herzensbrecher mit der rauhen Schale” (so eine Broschüre) nimmt den Rummel auf seine alten Tage gelassen. Schließlich werden seit 1877 „Schlachtschiffe gegen den nordischen Winter” in Finnland gebaut, deren stärkste 33.000 diesel-elektrische PS ins Eis bringen. Sechzig Prozent aller Eisbrecher dieser Welt stammen von finnischen Werften, insbesondere der Wärtsilä-Masa-Yards-Schmiede in Helsinki (auch Spitzenprodukte der Kreuzschifffahrt stammen da her).

Wir passieren die NORDICA, einen der modernsten finnischen Großeisbrecher, der auf einen Frachter-Konvoi wartet. Geradezu futuristisch wirken seine Linien; kein Vergleich zur musealen, aber gemütlichen SAMPO.

 

Polar-Schwimmer

Höhepunkt des eisigen Ein-Tages-Törns: wenn Kapitän Janni Lamila zum Badevergnügen – richtig gelesen! – am frostigen Busen der Natur lädt. Keine Angst, denn die mutigen Polar-Schwimmer zwängen sich erst einmal in knallrote Gummianzüge, die ein sechsstündiges Überleben im Eiswasser, auch für Nichtschwimmer, garantieren (ohne diesen Schutz wären es nur qualvolle Minuten). In ungelenker Pinguinmanier watscheln die Freiwilligen die Gangway abwärts auf das rutschige Eis. Vor Lust kreischend, plumpsen sie in das aufgebrochene Kielwasser, von oben bestaunt und fotografiert von den weniger Mutigen. Da strampeln sie nun wie aufgeblasene Frösche auf dem Rücken liegend und genießen die eisige Badeshow, eifrig versichernd, wie „warm” ihnen doch sei.  

Im stilechten Salon aus Edelholz und Messing dampft schon eine köstliche Dill-Lachssuppe zum Aufwärmen.

Beim Abschied drückt uns der SAMPO-Kapitän höchstpersönlich ein „Diplom” in die Hand. Das ist  d e r  Beweis: Wir sind Zeugen des Eis-Theaters am Polarkreis gewesen. Dr. Peer Schmidt-Walther

Info: Zu buchen direkt bei :Sampo Tours, Torikatu 2, FIN-94100 Kemi; Telefon +385-16-256 548. sampo@kemi.fi · www.sampo-tours.com

Berstendes 50-Zentimeter-Festeis. 

Berstendes 50-Zentimeter-Festeis.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Finnischer Eisbrecher OTSO mit Frachter in Konvoifahrt vor Kemi.Finnischer Eisbrecher OTSO mit Frachter in Konvoifahrt vor Kemi.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

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Seelotse Jens Mauksch vor MS STAVFJORD im Südhafen.

Seelotse Jens Mauksch vor MS STAVFJORD im Südhafen. Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

MS STAVFJORD kam durch

Mit Stralsunder Gold durch den Graben gerutscht

Tiefgangsbeschränkungen in der Stralsunder Ostansteuerung, der Hauptverkehrsader des Hafens, ließen kürzlich aufhorchen. Bislang durften Schiffe bis zu 6,50 Meter tief eintauchen, jetzt nur noch 5,90 Meter bei Tag und 5,80 bei Nacht. PSW fuhr mit der STAVFJORD raus.

Schauplatz Südhafen. Schiffsmakler Thorsten Müller „verkleidet” sich, indem er seinen orangefarbenen Overall überzieht. Seelotse Jens Mauksch aus Devin, seit 13 Jahren im Geschäft, stakt durch das gelbe Gips-Schneematsch-Gemisch am Schiff entlang und liest an Heck und Steven die Tiefgänge ab. „Na ja”, meint der erfahrene Seemann, „geht man gerade so”. Plötzlich rollt der schwere bordeigene Bagger auf Schienen Richtung Vorschiff. „Um durch die Gewichtsverlagerung den Tiefgang von achtern nach vorn auszugleichen”, erklärt Mauksch.   

 

Schon 30 Prozent größere Schiffe

Kurze Begrüßung auf der Brücke. Der norwegische Kapitän Per Helge Kaland aus Bergen und sein Zweiter Offizier Richard Calleja von den Philippinen geben kurz Auskunft über Schiff und Zielhafen, wie das so üblich ist. „Mit 5800 Tonnen Gips via Nord-Ostsee-Kanal nach Immingham in Ost-England”, informiert Kaland, „200 Tonnen weniger als geplant”. Während Mauksch ihm die beschränkte Situation im Fahrwasser erklärt, startet der Zweite die Kaffeemaschine. Kaffeeduft verdrängt allmählich Tabaksgeruch.

„‚Stralsunder Gold’ im Bauch”, grinst Mauksch, „denn Gips ist mit 575.000 Jahrestonnen unser Standbein”. Der Hafen sah schon seine Felle davon schwimmen. Nachdem jahrelang dafür getrommelt wurde, größere Schiffe an den Sund zu holen, habe man sie jetzt, aber mit geringerer Auslastung. Seehafen-Chef Sören Jurrat versteht die Welt nicht mehr, „denn größere Schiffe mit bis zu 6,50 Meter Tiefgang machen immerhin schon dreißig Prozent der Anläufe aus”.   

 

Unbürokratische, schnelle Hilfe

Kaland schaut jetzt auf die Brückenuhr: „Let’s go!”, gibt er locker das Kommando. Über Walkie-Talkie verständigt er „seine Jungs” unten an den Winden. Auf der Pier streift Thorsten Müller die Leinen von den Pollern.

Kurzer Gruß auf die Brücke: „Alles klar!” Schwerfällig dreht der 114 Meter lange, 15 Meter breite norwegische 6000-Tonner STAVFJORD unter niederländischer Flagge nach Steuerbord.

An Backbord hat vor der Ziegelgrabenbrücke gerade ein kleiner dänischer Bagger festgemacht, der dabei von einem NDR-Nordmagazin-Team gefilmt wird. WSA-Chef Holger Brydda hat prompt reagiert und den Schaufler kurzerhand von der Peene abgezogen. „Damit können wir unbürokratisch kurzfristig helfen”, sagte der Leitende Technische Regierungsdirektor noch beim Nautischen Essen am Freitag, „wir wollen ja dem Hafen keinen Schaden zufügen”. Zunächst sei der Ziegelgraben dran, in dem es durch strömungsbedingte Sandeintreibungen von der Ostseeküste her Mindertiefen gebe. 7,50 Meter ist für die Fahrrinne garantiert, so dass noch ein Meter Luft nach oben für den Tiefgang bleibt.   

 

Auf Sicherheit gehen

Jens Mauksch schaltet das Echolot ein, um zu sehen, wo es „patches”, wie er die Sandhügel nennt, gebe. Das Gerät zeigt 2,50 Meter und mehr an. „Kein Problem”, strahlt Jens Mauksch beruhigt, „wenn du Mitte Bach steuerst und mit maximal sieben Knoten schleichst”. Man dürfe nur nicht an die Seiten kommen, „da wird’s dann problematisch und man kann sich festfahren”. Selbst in der als kritisch eingestuften Palmerort-Rinne am Ausgang in den Greifswalder Bodden und im Landtief-Fahrwasser südöstlich von Thiessow meldet das Echolot noch 1,50 Meter unterm Kiel. „Selten ist außerdem eine Begegnungssituation unter großen Schiffen”, weiß Mauksch aus langjähriger Revier-Erfahrung. Auch er wünscht sich dringend eine Vertiefung der Nordansteuerung nicht nur für Frachter, denn „die ist mit zwei Meter Tiefgangsbeschränkung selbst für manchen Segler schon ein Problem”.

„Wir müssen auf Sicherheit gehen”, begründet Holger Brydda den behördlichen Schritt. Ein Argument, dem sich niemand entziehen kann.    

Nach dreieinhalb Stunden und 28 Seemeilen kommt das Freester Lotsenboot KLAASHAHN längsseits. Wir wünschen Kapitän Per Helge Hansen und seiner siebenköpfigen Crew gute Reise und hoffen: „bis zum nächsten Mal in Stralsund!”

Dr. Peer Schmidt-Walther   

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Hochseebagger IDUN R im Greifswalder Bodden.
Hochseebagger IDUN R im Greifswalder Bodden. Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

In vier Wochen 100 mal nach Drigge

Ostansteuerung um rund 70.000 Kubikmeter Schlick erleichtert 

Stralsund – Seit dem 5. Februar war der dänische Hochseebagger unter holländischer Flagge IDUN R auf dem Sund im Einsatz. Die Versandung der Fahrrinne verlangte ein schnelles Handeln. Im Schichtdienst rund um die Uhr sorgte die Besatzung endlich wieder für klare Verhältnisse.

Mühsam kriecht die Sonne an diesem 6. März durch letzte Nebelwolken über dem Spülfeld der Halbinsel Drigge. Für die IDUN R ist das schon fast zur zweiten Heimat geworden. Hier legte sie an, wenn sie ihre Ladung aus grauem Schlick und Sand aus der Ostansteuerung loswerden wollte. Noch 750 Tonnen schwappen jetzt als Ballast und „Sund-Souvenir” im Laderaum des Hopper-Baggers. In einem Stahlkasten winden sich 20 fette Aale. „Leckerer Beifang zum Räuchern”, wie Kapitän und ehemaliger Hochseefischer Peter Högenhaul erklärt, „die gehen auch mit nach Dänemark”.

 

Gravierender Nachteil

Weil die Unterwasser-Böschungen im Laufe der Zeit nachgaben und ihre Massen in die Fahrrinne drückten, musste das Wasser- und Schifffahrtsamt Stralsund (WSA) unbürokratisch aktiv werden. „Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs”, wie das die Vorschriften fordern, waren nicht mehr garantiert. Statt 6,50 durften Schiffe bei Tagfahrt nur noch 5,90 Meter eintauchen. Mit der Folge, dass weniger Ladung verfrachtet werden konnte. Manchmal pro Frachter mehrere hundert Tonnen, ein gravierender ökonomischer Nachteil.

 

Peilungen und Restarbeiten

Die dänische Baggerei Rohde Nielsen A/S erhielt den 500.000-Euro-Zuschlag, auch weil ihre IDUN R sofort verfügbar war. Zwischen der Landtiefrinne im Südosten Rügens und dem Ziegelgraben hat der 79 Meter lange 2772-Tonner den 23 Seemeilen-Weg ausgeputzt. „Nach abschließenden Peilungen und Restarbeiten durch einen kleineren Bagger”, erklärt Lotse Jens Mauksch, der an diesem Morgen zum letzten Mal Kapitän Peter Högenhaul berät, „wird das Fahrwasser wieder freigegeben”. Im Sommer 2016 sollen noch einmal über 700.000 Tonnen gebaggert werden. 

 

Nordansteuerung längst überfällig

Auch die immer stärker versandende Nordansteuerung müsste, fordert der erfahrene Seelotse in diesem Zusammenhang, endlich ausgebaggert werden: „Statt 3,70 Meter

dürfen Schiffe hier nur zwei Meter tief eintauchen, ein Unding!” Frachter in Ballast können da nicht mehr durchfahren, sind um Rügen fünf Stunden länger unterwegs, verbrauchen mehr Kraftstoff, sind abhängig von den Brückenzeiten und verursachen 50 Prozent mehr Lotskosten, rechnet Mauksch vor. Das schadet dem Hafen genauso wie dem Segeltourismus, klagt er, „würde man das Problem zügig anpacken, kämen auch wieder mehr Schiffe”. WSA-Chef Holger Brydda sieht das Land in der Pflicht, aber die Schweriner überzeugt seine Kosten-Nutzen-Rechnung nicht ‒ auch wenn die Rinne immer weiter versandet und das Baggern, schon jetzt in Millionenhöhe, noch teurer werden würde.  

 

Stralsund geschrumpft

Nach einem kräftigen Frühstück – der Koch wünscht „well bekomm! Guten Appetit!” ‒ in der gemütlichen Messe klettern Högenhaul und Mauksch auf die Brücke. Kaffeeduft und Kapitäns-Pfeifenschwaden sorgen fast schon für Gemütlichkeit, während die beiden Seeleute sich entspannt – „easy, easy!” – über das Ablegemanöver verständigen. Sie kennen sich aus vielen gemeinsamen Bagger-Schichten, die jeweils zwölf Stunden gedauert haben.

„Leggo! Leinen los!” Die 2283-kW-Maschine grummelt im „Keller”. Abschied von Stralsund, dessen Kulisse im Kielwasser langsam auf Spielzeuggröße schrumpft, ein letztes Mal vorbei an Drigge.

 

Zum Karneval nach Rio

Auf den bunten Displays ist die saubere Schürfarbeit von IDUN R deutlich zu sehen und abzulesen. Auch das Echolot zeigt wieder die alten Werte. „Gute Arbeit!”, ist man sich auf der Brücke einig, nicht zuletzt dank einer ausgefeilten Bagger- und zentimetergenauen Anzeigetechnik.

Die weiß man auch in Brasilien und Afrika zu schätzen, erfährt man vom Kapitän, „dahin sind wir mit unserem kleinen, aber seetüchtigen Schiff schon fünf Mal über den Atlantik gefahren”. In Rio habe er beim Karneval sogar seinen Geburtstag gefeiert. Jetzt freuen sich die Dänen auf ihren nächsten Job in Esbjerg, das sie durch den Nord-Ostsee-Kanal ansteuern: „Da sind wir fast schon zu Hause”.

Von Freest prescht das orangefarbene Lotsenboot KLAASHAHN heran. Zeit zum Abschiednehmen. „Thank you for good cooperation”, bedanken sich die Seeleute gegenseitig, „bis zum nächsten Mal in Stralsund – hoffentlich zur Ausbaggerung der Nordansteuerung!” Dr. Peer Schmidt-Walther

Kapitän (links) mit Seelotse im Fahrstand.

Kapitän (links) mit Seelotse im Fahrstand.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

 

Im Pumpenraum unter der Back.Im Pumpenraum unter der Back.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Fahrrinne mit Bagger und flacherer Kante.Fahrrinne mit Bagger und flacherer Kante. Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund
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