Seereisenmagazin Die ganze Welt der Kreuzfahrt

 

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„Big Daddy” wird Larry Jackson liebevoll von seiner Crew genannt. „Big Daddy”
wird Larry Jackson liebevoll von seiner Crew genannt.
Foto: PSW

ASTOR-Persönlichkeiten

„Big Daddy” …

 

… wird Larry Jackson liebevoll von seiner Crew genannt. Das sagt schon vieles über den ausgeglichenen Charakter des Hoteldirektors aus Südafrika. MS ASTOR ist für ihn seine „Familie”, die 180 Untergebenen sind seine „Kinder”. Das ist für ihn „faszinierend”, wie er in seinem unverkennbar englisch gefärbten Deutsch zugibt.

Seit 36 Jahren fährt das TransOcean-Urgestein zur See. Acht Jahre davon litt er unter Seekrankheit. Bei einem Seenotfall in der stürmischen Biskaya war es besonders schlimm. „That’s it!”, rief ihm ein Kollege zu, „Das war’s! ”, als der Untergang kurz bevor stand. „Zum Glück wurden wir gerettet”, seufzt Larry, „sonst säße ich jetzt nicht hier“. Ob Seeleute immer noch abergläubisch sind? „Natürlich!”, ist der 67-Jährige, der weiter arbeiten möchte, überzeugt. Für ihn sei die Seefahrt sein Leben.   

„Es wird mir nie langweilig” sagt er verschmitzt lächelnd, auch wenn er manchmal „mit wenig Schlaf sowie organisatorischen und technischen Unzulänglichkeiten kämpfen muss”. Viel weniger mit disziplinarischen Problemen. Dafür hat er einen Satz parat: „My way oder Gangway!” Wer nicht spurt im großen Bord-Getriebe, der muss gehen.

„Früher”, weiß er, „war das Personal über Jahre an Bord und wusste bald, wo´s lang geht, doch heute läuft ein Vertrag nur ein paar Monate”. Das bedeutet für ihn, sich immer wieder auf neue Charaktere und Arbeitsstile einzustellen. So wie er das mit seiner Crew schafft, macht er es auch mit „seinen” Gästen: immer für sie da sein, von der persönlichen Begrüßung an der Gangway bis zur Verabschiedung.

Dr. Peer Schmidt-Walther (PSW)   

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Stelios Vafiadis ist mit 36 Jahren jüngster Kreuzfahrtdirektor seiner Branche. Stelios
Vafiadis ist mit
36 Jahren jüngster Kreuz-fahrtdirektor seiner Branche.
Foto: PSW

ASTOR-Persönlichkeiten

Hamburger Jung mit griechischen Wurzeln …

 

… das ist Stelios Vafiadis, mit 36 Jahren jüngster Kreuzfahrtdirektor seiner Branche. Das will schon was heißen, denn die Konkurrenz ist groß. „Ich wollte die Welt kennen lernen”, strahlt Stelios, „am Hamburger Hafen war mir das immer besonders bewusst”. Dann machte es bei ihm „Klick!” und er bewarb sich bei TransOcean.

Als Weinkellner fing der braungebrannte junge Mann mit den zur Bürste gegelten schwarzen Haaren und der sonoren Stimme an. Von der Pike auf sozusagen. Inzwischen sind 13 Jahre bei derselben Firma daraus geworden. Weitere karrierefördernde Stationen: Reiseleiter, Assistent des Kreuzfahrtdirektors und schließlich Kreuzfahrtdirektor mit vier Streifen. Da steht er auf Augenhöhe mit dem Kapitän und dem Hoteldirektor. „Wir alle sind Dienstleister”, definiert er seine Rolle, „wobei in Führungspositionen besonders Menschenkenntnis gefragt ist”, ergänzt der CD, wie sein Posten im Fachjargon kurz genannt wird.   

Die ASTOR sei für ihn genau das richtige Maß: „Ein schönes, überschaubares Schiff mit sehr familiärer Atmosphäre, die gegen Massenabfertigung steht”. Der Gast sei hier keine Nummer, sondern ein Mensch. Nicht ohne Grund bestehe die Klientel zu 70 Prozent aus Repeatern, „und die wachsen nach”, meint er, „denn alle werden älter”. Da brauche es auch mehr Kapazität. Im April 2017, verraten die beiden Männer lächelnd, „stößt ein neues und noch größeres Schiff zur Flotte ‒ für 1.700 Gäste”. MS COLUMBUS wird dann neben ASTOR, ASTORIA und MAGELLAN das vierte TransOcean- und Flaggschiff sein. Mit Stelios und seiner Erfahrung ist dann zu rechnen. Dr. Peer Schmidt-Walther (PSW)  

 

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Ferienkrimi

Rezension von Dieter Bromund

„Tja”, sagte Storm, „das war schon fast ein Auftrag.” Der das auf Seite 124 des Taschenbuches äußert, heißt mit Vornamen Theodor, lebt als Anwalt in einer grauen Stadt am Meer und ist in Deutschland vor allem als Verfasser sehr schöner Gedichte und vieler Novellen bekannt. Tilmann Spreckelsen, 1967 in Kronberg am Taunus geboren, studierte Germanistik und Geschichte und ist heute Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. In seinem ersten Krimi „Das Nordseegrab” stellte er 2012 Storm als Kriminalisten vor, wurde 2014 prompt mit dem Theodor Storm Preis der Stadt Husum ausgezeichnet und setzt nun im „Nordseespuk” den Erfolg fort. Theodor Storm, seine Cousine Constanze und sein Schreiber Peter Stör lösen das, was man auch den Fall der Antoinette de Bourignon in Nordfriesland nennen könnte.

Die Dame lebte zwischen 1618 und 1680 unter anderem in Husum, also lange vor Theodor Storm (1817 bis 1888). Bei Wikipedia und an anderen Orten kann man einiges über sie und ihr unglückliches Schicksal erfahren. Storm hat daraus keine Novelle gemacht, ihr Thema ist nur einmal 1927 von Walter Mehring in einem Polit-Thriller „Paris in Brand” behandelt worden. Und jetzt von Tilmann Spreckelsen in einem Krimi, den der Verlag als „Theodor-Storm-Krimi” vorstellt.

Einen Krimi in der Historie spielen zu lassen, ist seit langem üblich und gelingt häufig auch ganz gut. Eine historische Gestalt als Ermittler auftreten zu lassen, ist schon seltener. Den Verfasser von herzbewegenden Gedichten und spannenden Geschichten, der im Hauptberuf Anwalt war, als Kriminalisten einzusetzen, ist einzigartig. Doch der Husumer, der mit Anhang und Umwelt porträtiert wird, kann natürlich nicht als Detektiv arbeiten. Er braucht also einen Helfer, der – wie in manchen Krimi TV-Serien üblich – die „Drecksarbeit” erledigt. Und just das tut der Schreiber des Anwalts, Peter Söt, der mit einem speziellen Auftrag bereits in Spreckelsens erstem Krimi auftauchte und inzwischen das Vertrauen des Anwalts gewonnen hat.

Diesen Fall für zwei erzählt Peter Söt in Ich-Form, historische Rückblicke sind in eigenen Kapiteln kursiv dargestellt, am Endes des Romans werden die wichtigsten Figuren vorgestellt, am Anfang des Buches steht eine Landkarte, am Ende ein Porträt der Antoinette de Bourignon. So eingefangen kann der Leser dem Geschehen kaum entrinnen.

„Wir hatten bei Hans Blunck Branntwein getrunken, bis Blunck den Krug vor mich hingestellt hatte und schlafen gegangen war, weil ich schon lange der letzte Gast gewesen war.” Und so taumelt der Erzähler im ersten Kapitel am Hafen von Husum vorbei, in dem gerade Ebbe ist. „Ein goldener Kelch lag wie umgestürzt im Hafenbecken, die glatte Trinkschale ruhte auf einem breiten Sockel. Ich war nicht betrunken genug, mich für einen Kelch in den Hafen zu werfen. Im Schlick würde ich nicht weit kommen, wusste ich, und seit ich mich im letzten Sommer mit Theodor Storm in Moor verirrt hatte und beinahe untergegangen war, hütete ich mich vor unsicherem Grund.”

Soweit Peter Söt. Sein Erfinder, Tilman Spreckelsen, bewegt sich auf sehr sicherem Grund, kennt seine Geschichte, die Örtlichkeiten, den Schreiber und Anwalt, die Gepflogenheiten des Genres und er kann erzählen – sehr dicht, ohne Hast, gradlinig und mit Liebe zu Details. Ein Buch ist da entstanden, das zu lesen lohnt, nicht nur dort, wo der Nebel die Dächer schwer drückt und es in der Stille rauscht, in der grauen Stadt am Meer.

Tilmann Spreckelsen

DER NORDSEESPUK

Erschienen im

S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main,

ISBN 978-3-596-03441-3,

€ 9,99


Fischer/Nordseespuk

 

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Seemannsgarn mit Käpt'n Hein Mück

►►► Tja, wieder mal war Hein mit seiner Herzallerliebsten unterwegs auf einer Reise von zehn Tagen. Ihre Kabine lag an Backbord, also in Fahrtrichtung links. Auf der Fahrt nach Süden sahen sie links Land und auf der Rückreise links See. Hein war damit zufrieden. Doch er erinnerte sich an ein Wort, das er in England von Seereisenden gehört hatte. Man reiste „posh” übers Meer. Posh?

Als Hein nachfragte, erfuhr er, dass es sich bei dem Wort um eine Regel handelte, die sich aus den Anfangsbuchstaben eines Satzes ableitete: port outward, starboard home: backbord wegfahrend, steuerbord heimwärts. Mit diesem Satz im Kopf wählte man bei Reisen nach Indien zum Beispiel seine Kabine. Spleenige Engländer? Warum nach Indien eine Kabine links im Schiff buchen und zurück nach England eine rechts im Schiff? Als es noch keine Klimaanlagen an Bord gab, hing die Temperatur drinnen von der Sonne ab. Wenn ihre Strahlen die Bordwand erwärmten, war es drinnen warm und je weiter nach Süden man kam, immer noch wärmer. Der beste Schutz vor der Hitze war also die Lage der Kabine, im Sonnenlee, sozusagen. Darum bevorzugte man nach Indien eine Backbordkabine, nach England eine an Steuerbord. Und um das nicht zu vergessen, merkte man sich das Wort „posh”. Die Reisenden waren also keine spleenigen Engländer, sondern praktisch eingestellte. Natürlich gilt die Regel heute zu Zeiten vollklimatisierter Schiffe nicht mehr. Doch das Wort hat sich im Englischen gehalten. Es bedeutet heute so viel wie erstklassig, tiptop oder schick.

 

►►► Tja, Hein hört Wetterberichte gern, auch im Fernsehen und mag Wetterkarten. Mit denen hat er als Schüler viel in Erdkunde gelernt. Und als er vor Jahren mit dem Hochseesegeln begann, hat er schnell begriffen, dass es ohne Wetterkarten nicht ging. Einer, der sein Boot neben Heins liegen hatte, war Meteorologe und sprach gerne über seinen Beruf. Wenn Hein mal einen längeren Törn vorhatte, konnte er bei ihm die Großwetterlage erfahren. Manchmal verschob er mit diesem Wissen eine Reise oder änderte Anläufe. Damals gab ihm der Freund stapelweise Papier, das mit Karten bedruckt war. Die Papiere zeigten Tiefdruckgebiete, Hochdruckgebiete, Wetterfronten über dem Nordatlantik – alle paar Stunden gab es eine neue Karte. Damals wünschte der Freund sich Computer, die das Papier überflüssig machten. Mittlerweile gibt es sie, die ungeheure Mengen von Daten verarbeiten und  speichern können. So vermag Hein auf Bildschirmen zu erkennen, wo Regenfronten entlang ziehen, ob es Nebel gibt und woher und wohin der Wind weht, nicht nur heute, sondern auch für die nächsten drei Tage. Vom Freund weiß er, dass die Vorhersagen Hochrechnungen sind. Neue Daten werden mit alten verglichen und was geschehen ist, wird eingearbeitet in das, was gerade geschieht. Je mehr Daten man hat, desto genauer die Vorhersage.

Und dann las Hein, dass man jetzt über eine ganze andere Datentechnik nachdenkt, nicht mehr mit Bits und Bytes sondern mit Qubits rechnen will, die so genannte Quantencomputer quantenparallel nutzen. Hein schwirrte der Kopf, als er davon las. Neue Materialien will man mit dem neuen Wissen entwickeln, Prozesse abkürzen und vermutlich auch Vorhersagen noch präziser machen. Hein findet solche Entwicklungen ganz spannend. Aber ein bisschen wehmütig ist ihm schon ums Herz, wenn bald die alten Wetterregeln überflüssig werden könnten. Als er anfing half ihm noch so eine simple Regel wie „linksrum ins Tief.” Es gab auf der Nordhalbkugel die Windrichtung an.

 

►►► Tja, Hein hatte in einem Aufsatz etwas gelesen, was ihn nachdenklich machte. Einer jungen Wissenschaftlerin war es gelungen, aus dem Gen eines Lebewesens etwas rauszunehmen und es in ein anderes Gen einzusetzen. Was da noch sehr abstrakt klang, wurde an Viren und Bakterien erläutert. Wenn ein Virus eine Bakterie angreift, kann die sich nicht wehren. Entnimmt man aber dem Virus ein Teil seines Gens und pflanzt es in die Bakterie, kann die sich gegen den angreifenden Virus sehr wohl verteidigen.

Ein fantastisches Forschungsergebnis, fand Hein. Wenn man dieses Verfahren auch in anderen Lebewesen und kostengünstig einsetzen kann, wird unsere Welt bald anders aussehen. Krankheiten, die heute noch als unbesiegbar gelten, könnten beherrscht werden. Pflanzen könnten mehr oder größere Früchte tragen, Tiere mehr Fleisch entwickeln. Niemand müsste mehr hungern. Andererseits könnte man mit dieser Technik auch am Menschen rumhantieren und etwa Kinder nach dem Katalog auf die Welt bringen.

Hein schaudert manchmal, wenn er über diese Konsequenzen nachdenkt. Hat nicht alles, was man so entdeckt oder erfindet, seine zwei Seiten? Hein liebt seit Kindesbeinen Messer, er braucht sie beim Segeln oder in der Küche. Doch wie viele Millionen Menschen sind durch Messer umgekommen, durch Schwerter, Dolche, Seitengewehre, Bajonette und Lanzen?

►►► Tja, im Programm stand als Kleidungsvorschlag für diesen Abend in der Mitte einer Kreuzfahrt „leichte Eleganz”. Tja; fragte sich Hein, was heißt das denn nun? Er machte sich schick und sah sich unter den Gästen um, als er mit seiner Herzallerliebsten das Restaurant betrat und an seinem Tisch Platz nahm. Unter leichter Eleganz verstand offensichtlich jeder etwas Anderes. Hein sah Herren in Anzügen, dunklen wie hellen, den einen oder anderen Blazer, das eine oder andere Tweedsakko, viele leichte, leuchtende Pullover und immer wieder auch nur frisch gebügelte Oberhemden zu sommerlichen Hosen. Und ganz selten war auch wieder die Strickjacke zu sehen – wie an jedem anderen Abend auch. Beim ersten Glas Wein fragte Hein seine Herzallerliebste, ob sie mit der Art, wie die Herren sich präsentierten, zufrieden sei. Sie dachte kurz nach und dann begann ein längeres Gespräch über alle Essenspausen hinweg. Beim Kaffee waren sich die beiden einig. Eleganz bedeutet Wissen um Was und Wie. Was trägt man abends überhaupt, sollte man schon wissen. Vom Frack bis zu Blue Jeans war alles möglich, solange es etwas anderes war, als das, was man den ganzen Tag getragen hatte. Doch was war unter dieser Maßgabe möglich? Etwas anderes als das tagsüber sonst getragene, hieß für den einen dies, für den anderen das. Entscheidend für die „leichte” Eleganz war wohl die Distanz zwischen Tagesdress und Abenddress. Wie weit konnte man sich vom Gewohnten entfernen, ohne zu übertreiben? Für den Mann im blauen Arbeitskittel war ein frisches weißes Hemd zu einer weißen Hose sicher schon mehr als „leichte” Eleganz. Aber was sollte der nehmen, der tagesüber einen grauen Anzug trug? Ein Smoking wäre übertrieben! Hein hatte Freunde, die behaupteten, noch nie einen Schlips getragen zu haben. Eleganz als Wissen um Was und Wie, meinte die   Herzallerliebste zum Schluss, sei zwar ein kluger Satz, mit dem man aber nicht wirklich viel anfangen könne. Hein musste dem zustimmen und lobte Einladungen, die sehr viel präziser waren. „Abendanzug”, zum Beispiel hieß für ihn in Deutschland „Smoking”. In England stand auf Einladungen manchmal auch „white tie” – und damit war der Frack gemeint. In Dänemark hatte er „Anzug Schwarz weiß” gelesen und das hatte alles bedeutet, Gehrock, Frack und Smoking.

 

►►► Tja, alle sprachen Englisch – ihre Muttersprache. Hein hörte gern zu und konnte manchen der mitreisenden Herren an seinem Dialekt orten, Engländer, Schotten, Australier, Amerikaner, Kanadier. Bei Damen fiel ihm das nicht ganz so leicht. Die große Gesellschaft an Bord bestand also aus vielen kleineren Gruppen. Früher, erinnerte Hein sich, konnte er Mitreisenden auch an ihrer Kleidung noch einordnen, an Krawatten, Anzügen, Schuhen. Doch seit Jeans und T-Shirts die ganze Welt erobert haben, fällt Hein das Einordnen immer schwerer. Auf der letzten Reise entdeckten Hein und seine Herzallerliebste eine neue Art, Mitreisende zu erkennen, jedenfalls zwei Gruppen sehr deutlich. Sie unterschieden sich an der Art, wie sie mit Messer und Gabel hantierten. Da gab es die Gruppe, die die Gabel in der linken Faust wie einen Schlegel hielt und in der Rechten mit dem Messer das Fleisch in kleine Bissen zerteilte. Sobald daraus ein kleiner Haufen Fleischstücke entstanden war, legte der Schneidende sein Messer auf den Tisch, nahm die Gabel in die rechte Hand und legte die Linke unter der Tischplatte auf den Oberschenkel. So – leicht nach links gebeugt – piekte der Essende mit der Gabel Fleisch, Kartoffeln und Gemüse auf und transportierte alles bissenweise in den Mund. War das Fleisch verschwunden, wanderte die Gabel in die Linke, die Rechte griff nach dem Messer und das Gesehene wiederholte sich. An solchem Essen waren Amerikaner auszumachen. Ihre englischen Vettern waren Meister darin, die Gabel in der linken Hand nicht konkav, sondern konvex zu halten. Erbsen wurden so auf einem Hügel statt im Tal in den Mund befördert, was nur gelang, indem die Zinken der Gabel ein Stück Fleisch aufgespießt hatten, das als Wegrutschbremse wirkte. Wer „ganz normal” aß, war Kontinentaleuropäer. Hein fragte sich, warum die Engländer diesen Balanceakt verinnerlicht hatten, vermutlich, um langsam und vornehm zu essen. Doch was hatte die Amerikaner zu dieser Essensgymnastik gebracht? Frühe Pionierzeiten, in der das Messer vor allem Waffe war? Vielleicht kam daher auch die amerikanische Sitte, jedem Gast, sobald er am Tisch saß, erst einmal ein großes Glas Wasser zu servieren. Denn schließlich war jeder, der kam, durch die schattenlose Prärie geritten. Und solch ein Weg machte nicht nur Pferde durstig.

 

►►► Tja, und noch was fiel Hein und seiner Herzallerliebsten auf, wenn sie im Büffetrestaurant an Bord aßen: der Mut, Essen in die Hand zu nehmen, das höher war als der offene Mund. Hamburger quetschte man mit beiden Händen flach, doch die meisten blieben so hoch, dass der Essende nicht abbeißen, sondern nur abknabbern konnte und darauf achten musste, dass nichts aus dem Brötchen zur Seite wegrutschte. Hein konnte dem nicht viel abgewinnen, wollte Hamburger aber in dem Land, in dem sie entwickelt worden waren, wenigstens mal probieren. Er bat um Messer und Gabel und zerteilte, was auf dem Teller lag, in Schichten. Rechts lag schließlich in drei Scheiben das Brötchen, durchsuppt und weich und rechts daneben der große Klops, unter ihm ein Salatblatt, auf ihm eine Scheibe geschmolzenen Käse und weiche Zwiebelringe. Rote und gelbe Soßenspuren hatte Hein zu Seite geschoben. Und so genoss er, was einst kunstfertig gestapelt worden war. Auf den Käse verzichtete er beim zweiten Bissen. Das reine Rindfleisch war ein Hochgenuss. Eigentlich, dachte Hein, als er sich schließlich die Lippen mit einer Papierserviette abwischte, könnte man das Gehackte ja ohne alles anbieten, einfach so. Und vielleicht ein Glas Wein dazu.

hr