Die Donau
Wer weiß schon, dass die Donau ‒ abgesehen von der
Wolga ‒ der längste Fluss Europas ist? Der Rhein misst 1320 Kilometer, die
Donau 2888 Kilometer. Und je weiter sich der Fluss nach Osten hin entfernt,
desto weniger wissen wir über ihn.
Daher kurz das Wichtigste. Zwei Bäche aus dem
Schwarzwald, „Brigach und Breg, bringen die Donau zu Weg”. Die schön
gefasste Donauquelle in Donaueschingen ist nur eine „Zugereiste”. Die Quelle
der längeren Breg liegt nur 45 Kilometer östlich vom Oberrhein, und
dazwischen muss das Schwarzwald-Wasser sich entscheiden: zur Nordsee oder
zum Schwarzen Meer.
Während sich um den Rhein eine Zivilisationsballung
von enormer Dichte, sozusagen das Herz Mitteleuropas, entwickelt hat,
enteilt die Donau immer weiter in die dünnbesiedelte Randzone Europas, die
uns immer weniger bekannt und vertraut ist. Zehn Staaten durchfließt oder
streift sie dabei, und vier Hauptstädte.
Auf dem Weg zum Schwarzen Meer hatte der Fluss vor
Urzeiten einige Hindernisse zu überwinden. Heute sind sie alle bewältigt.
Wir sehen nur noch die Spuren, die zum Teil gewaltigen Durchbrüche, an denen
der Fluss Jahrmillionen gearbeitet hat. Es sind die landschaftlich
schönsten, romantischsten Abschnitte. Im Wechsel mit den dazwischenliegenden
Becken und Städten machen sie die Reise zu einem großen Landschaftserlebnis.
Denn ein Tal, eine Flusslandschaft, kann von nirgends so intensiv erlebt
werden wie vom Flussschiff aus, wo kein Verkehr den Reisenden ablenkt, wo
man rundum nur schauen und genießen kann.
Umgekehrte Fluss-Vermessung
Da über den „Geburtsort”, die Quelle der Donau,
keine Einigkeit besteht, weil manche die Quelle im Fürstenbergpark zu
Donaueschingen als Ursprung annehmen, hat man die Vermessung flussaufwärts
vorgenommen, was sonst nur bei Nebenflüssen der Fall ist. Der Kilometer 0
liegt also bei Sulina am Schwarzen Meer. Damit liegt die Quelle im
Fürstenbergpark bei Kilometer 2850 und die Quelle der Breg bei Kilometer
2888 auf einer Höhe von 1078 Metern im Schwarzwald. Und der Ausgangspunkt
dieser Donaufahrt in Passau am Zusammenfluss von Donau und Inn liegt bei
Kilometer 2225,4.
Passau
In der alten Bischofsstadt beginnt und endet unsere
Donaufahrt. Gewiss ist das heutige Passau, eine geschäftige Stadt mit 50.000
Einwohnern, nicht mehr vorwiegend Bischofsstadt. Aber in den Zeiten, in
welchen sich das Gesicht der Stadt so unverwechselbar formte, da hatte der
Bischof das große Sagen, denn er war gleichzeitig auch der weltliche
Herrscher seines Bistums. Es war das größte im alten Reich und reichte weit
die Donau hinunter, bis Ungarn. Das geht auf Karl den Großen zurück. Der
führte von hier aus seine Ostpolitik, und er setzte in der Verwaltung mit
Vorliebe auf Kirchenmänner.
Ab Passau hat die Donau ihre Fülle, denn hier stößt
der mächtige Inn dazu. Der führt zwar mehr Wasser, aber die Donau ist
länger, und damit bleibt es beim Namen Donau.
Auf der spitzen Landzunge zwischen den beiden
Flüssen liegt die Altstadt mit schönen Bürgerhäusern, Plätzen, Kirchen und
dem prachtvollen, teils gotischen, teils barocken Dom. Etwas südländischer
Einfluss ist bei manchen Bauten deutlich zu spüren. Man sollte Passau
gesehen haben.
An der unteren Donau-Uferpromenade der Altstadt
sind in langer Reihe die Anlegestellen der Kreuzfahrtschiffe. Die
hochliegende Veste Oberhaus auf dem gegenüberliegenden Ufer war Zufluchtsort
der geistlichen Herrscher, wenn sie das Aufbegehren der geplagten Untertanen
fürchten mussten. Diese taten sich nachweislich schwer gegen den Bischof und
brauchten lange, bis sie ihr schönes Rathaus zugestanden bekamen. Doch heute bilden die alten steinernen Zeugen einen
ausgesprochen schönen Auftakt ‒ oder auch Abschluss ‒ einer langen,
hochinteressanten Flussreise.
MS ARIANA nimmt Fahrt auf
Sobald wir beim Passieren der Landspitze, mit dem
Ende der Altstadt, die Einmündung des Inn erreicht haben, sehen wir auch
schon den dritten der drei Passauer Flüsse, die Ilz, zwischen der Veste
Niederhaus und der hübschen Häuserzeile der Ilzstadt daherkommen. Hier ist
es, wo zur Zeit der Schneeschmelze die berüchtigten Hochwasser entstehen.
Die Landspitze am Zusammenfluss von Donau und Inn
hat die Marke 2225,4 Kilometer und das ist auch eigentlich die Länge der
Fluss-Strecke bis ins Delta. Bis dorthin schlängelt sie durch weite Ebenen
oder schrammt am Rande einer Ebene entlang, folgt hunderte von Kilometern
einer Löß- oder Felskante oder sie hat einige massive Hindernisse im Wege,
die sie durchstoßen muss. Durchbrüche, die teils für ihre Dramatik berühmt
sind.
Der Streckenabschnitt vor uns ist einer der
erwähnten Durchbrüche. In der sanften Berglandschaft des Voralpengebietes
erreicht er keine Dramatik. Es ist zunächst das Passauer Tal zwischen Passau
und Aschach. Die Grabarbeit des Flusses hat eine eher liebliche
Tallandschaft hinterlassen, die an ihrer Nordseite noch ein Stück weit dem
Bayerischen Wald folgt. An der Südseite, die von Passau an bereits
österreichisch ist, zieht sich in Anlehnung an den Inn das weitläufige
Innviertel hin. Mit Viertel werden in Österreich auch große, wenig
unterschiedene Landschaftsteile bezeichnet.
Yachthafen Schlögen an der Außenseite des ersten
Bogens. Hier verlässt auch die Straße auf dem südlichen Ufer das Flusstal
und überlässt so das Tal einer wundervollen Atmosphäre der intimen Stille.
Schlögener Schlinge
Zwei große S kennzeichnen schon den Namen des
einzigartigen Flussabschnittes, wo zwei ineinanderlaufende Bögen durch die
„Verkehrsfeindlichkeit” ihrer Natur den kurzen Moment wohltuender Stille
aufkommen lassen, während die gegenläufigen Wendungen des Schiffes uns beim
lautlosen Durchgleiten ein reizvolles Naturerlebnis vermitteln.
Hier ist das Passauer Tal zu Ende, das, von
Vilshofen über Passau her kommend, einen deutlichen Einschnitt, einen
kleinen Durchbruch, vorgeführt hat. Flussabwärts folgt nun das kleine
Eferdinger Becken. Auf eine Länge von etwa 6 Kilometer, zwischen Aschach und
Ottensheim, gleitet die ARIANA gelassen durch eine flache, baumbestandene
Flussaue. Eferding liegt im Abseits, aber die nächste Staustufe macht sich
bereits bemerkbar. Das Flussbett ist durch Dämme eingefasst und der
Wasserspiegel liegt bereits höher als die Umgebung.
Machland-Becken
Auf eine Länge von etwa 6 Kilometer zieht die Donau
an einer niedrigen Bergkette entlang und tritt ab Kilometer 2108 in das 20
Kilometer lange, fruchtbare Machland-Becken ein, das sich bis zum Strudengau
hinzieht.
Strudengau
Der langgezogene Kollmitzberg begrenzt das
Machland-Becken im Osten und zwingt die Donau in einen weiteren Durchbruch.
Die etwa 24 Kilometer lange Durchbruchstrecke, der Strudengau, ist berühmt
für seine Schönheit, war aber auch berüchtigt wegen seiner Gefahren für die
Schifffahrt. Was wir heute in den engen Windungen zwischen Felsspornen in
sicherer Fahrt als romantisch schön genießen, war für die Schiffer noch im
19. Jahrhundert eine harte Herausforderung. Doch der Strudengau verbindet
mit dem Schroffen auch das Liebliche.
Nibelungengau
Bei Persenbeug ist der Strudengau zu Ende und
stromabwärts erstreckt sich auf etwa 22 Stromkilometer der Nibelungengau. Es
ist eine offene, weite und landwirtschaftlich genutzte Landschaft, die bei
Melk an die Wachau heranreicht. Einige Episoden des Nibelungenliedes haben
sich hier abgespielt.
Die Wachau
Mit der Passage von Melk ist der Nibelungengau zu
Ende. Donauabwärts beginnt hier die Wachau, eine bergige Landschaft, aber
von einem Durchbruch mag man beim Anblick dieser lieblichen Gefilde nicht
reden. Nur an einigen Stellen wird die harte Arbeit des Flusses beim
Durchnagen von aufgefalteten Gesteinsschichten sichtbar.
Für den heutigen Betrachter hat die Donau hier ein
Gesamtkunstwerk geschaffen und lässt uns bei der Flussfahrt genug Zeit, es
genüsslich zu betrachten. Mal steiler, mal sanfter neigen sich die Hänge
beidseits dem Ufer zu, die steilen bewaldet, die sanften mit Weinbergen
überzogen, in welchen mit viel Sorgfalt edle Rebensorten gezogen werden, die
in Kellern zu den erstklassigen Wachauer Weinen heranreifen.
Zwischen den Rebzeilen stehen Marillenbäumchen
(Aprikosen), aus welchen ein beliebter Likör gemacht wird. Fürstenhöfe und
reiche Klöster, die ganz woanders liegen, unterhielten hier üppige Weingüter
mit stattlichen Höfen, die noch heute die Landschaft bereichern.
Grüner Veltliner und exzellenter Riesling
Ohne den Wein ist die Wachau nicht denkbar.
Wahrscheinlich wurde hier schon vor der Römerzeit Wein angebaut. Die
Voraussetzungen des Bodens und des Klimas sind optimal. Dazu kommt eine Art
von Hingabe der Menschen an das „Weinmachen”, sodass durch den sorgfältigen
Ausbau und die Pflege des gekelterten Saftes höchste Qualitätsstufen
erreicht werden.
Das Weinbaugebiet Wachau ist relativ klein. Nur gut
20 Kilometer lang von Schwallenbach bis Krems. Auf dem Lößboden der unteren
Lagen erreicht der Müller-Thurgau und vor allem der beliebte Grüne Veltliner
höchstmögliche Qualitäten, während auf dem Urgestein der höheren und
steileren Lagen der Riesling Spitzenqualität erreicht.
Eigentlich ist es unnötig zu sagen, aber Wein wird
nicht von selbst. Viel Aufwand vom Winzer ‒ er heißt hier „Weinhauer” ‒, ist
nötig, und für die Erzeugung von Spitzenqualitäten ist außer optimalen
Voraussetzungen viel Erfahrung, Feingefühl und Hingabe gefordert. Das hat
seinen Preis, aber der Kenner weiß es zu schätzen, und der Wachauer Wein hat
seine Liebhaber.
Burg Dürnstein und der treue Sänger Blondel
Wie um Spannung zu erzeugen, setzen nun auf eine
Länge von 4 Kilometer die Weindörfer aus. Die Donau setzt zu einem Bogen an
und aus dem Scheitelpunkt des Bogens erscheint der 722 Meter hohe Sandl
dessen Ausläufer zum Fluss hin eine prächtige Staffage von Felskulissen
bilden, als hätte jemand Regie geführt. In diese Staffage eingefügt
erscheint Dürnstein, die berühmte „Perle der Wachau”.
Über ihr auf den Felskulissen thronen die Reste der
Burg Dürnstein. In ihr wurde 1192/93 Richard Löwenherz, der König von
England, drei Monate lang gefangen gehalten. Er hatte bei einem Kreuzzug ins
Heilige Land den österreichischen Herzog Leopold tödlich beleidigt und
musste fliehen. Beim Versuch, nach einem Schiffbruch in der Adria über Land
nach Hause zu kommen, wurde er erkannt und festgesetzt, später an Kaiser
Heinrich IV. übergeben, der ihn dann gegen hohes Lösegeld freiließ.
Eine hübsche Sage erzählt, dass des Königs Sänger
Blondel seinen Herrn suchte und hier fand, weil Richard auf das Lied des
Sängers Antwort gab. Es ist erstaunlich, was sich an diesem Ort alles
zusammenfindet, um ihn wirklich zu einer Perle werden zu lassen.
TulIner Becken
Mit dem Eintritt ins Tullner Becken unterhalb von
Krems hat die Donau wieder Ostkurs aufgenommen. Zuerst wird das nördliche
Ufer flacher, dann aber auch das südliche. Es ist das langgestreckte Tullner
Becken, durch das sich der Fluss nun breit und gemächlich schlängelt und
sich nach Lust und Laune verzweigt. Etwa in halber Länge des Beckens liegt
der Namensgeber, die Stadt Tulln.
Der Wienerwald
Mit dem Burgberg Greifenstein reicht das bewaldete
Hügelland des so genannten Wienerwalds unmittelbar an die Donau heran. Über
dem südlichen Ufer ist damit das Tullner Becken zu Ende. Der Fluss biegt
satt um den Greifenstein herum und schwenkt in einen kurzen, südöstlich
verlaufenden Abschnitt ein, der fast ganz durch die ausufernde Fläche Wiens
besetzt ist. Der Wienerwald begrenzt mehr oder weniger die Donaumetropole im
Westen, wo die Rebhänge und die berühmten Weindörfer wie Grinzing,
Sievering, Neustift am Wald, Pötzleinsdorf u.a. liegen. Er nimmt eine Fläche
von rund 20 mal 30 Kilometer ein und ist für die Wiener ein unverzichtbares
Erholungsgebiet.
Für den Flussfahrer sind nur seine Ausläufer an der
Donau zwischen Greifenstein und Leopoldsberg zu sehen. Dort holt der Fluss
seine letzten Nebenarme ein, bevor er für den Stadtdurchlauf in zwei
disziplinierte und parallel geführte Flussläufe gezwungen wird.
Wiener Melange
Diese Stadt mit wenigen Sätzen zu beschreiben, ist
eigentlich unmöglich. Dafür ist sie in jeder Hinsicht zu vieldeutig, zu
differenziert, zu unterschiedlich. Sie ist wie eine Bühne, auf der
unterschiedliche Spiele, von unterschiedlichen Seiten, zu unterschiedlichen
Zeiten gespielt wurden. Alle haben etwas hinterlassen. Von allen ist etwas
geblieben. Es hat sich vermengt zu einer typischen Wiener Melange.
Keiner war stark genug, ihr „seinen” Stempel
aufzuprägen. So ist Wien, so ist das Stadtbild, so sind die Menschen
vielschichtig, oberflächlich und hintergründig, und was zwischen den
Schichten ist, das hat für den Interessierten einen eigenen Reiz. Wien ist
unerschöpflich. Also braucht man dafür ein Faible und viel Zeit.
Da ist die Altstadt mit ihrem Herzstück, dem
Steffl, wie die Wiener ihren Stephansdom liebevoll nennen. Das kurze, hohe
Schiff mit den farbigen Ziegeln, dem asymmetrisch sitzenden filigranen Turm
und dem schönen Innenraum ‒ das Wahrzeichen Wiens. Dahinter ein
stimmungsvolles Altstadtviertel mit dem Mozarthaus. Auf der anderen Seite
ein liebenswertes Gemisch von Bauten aus den letzten dreihundert Jahren, vom
Barockpalais über Jugendstil-Bauten bis zum postmodernen Bürohaus. Feine
Geschäftshäuser, Kaffeehäuser, und gotische Kirchen. Am Rande die Hofburg
mit Nationalbibliothek, Schatzkammer und Hofreitschule.
Gemessen an der einstigen Weltbedeutung der Stadt
als Residenz der deutschen Kaiser ist das fast bescheiden. Als die
Glanzzeiten der immer noch beachtlichen k.u.k. Donaumonarchie schon fast zu
Ende waren, empfand dies auch Kaiser Franz
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Joseph. Mitte des 19. Jahrhunderts ließ er die
Wehrmauer um die Altstadt abreißen, und an deren Stelle einen breiten Gürtel
mit Prachtbauten anlegen, die der Hauptstadt einer Großmacht angemessen sein
sollten. So entstand der repräsentative „Ring” mit Oper, Museen,
Hofburg/Heldenplatz, Parlament, Burgtheater und Rathaus.
Um den Ring legt sich ein Gürtel, in dem viel
Interessantes untergemischt ist. Da ist eine Vielzahl von Museen, da ist der
Naschmarkt, da sind prächtige Bauten im Jugendstil, das pittoreske
Wohnparadies von Hundertwasser, die von ihm verschönte Müllverbrennung, das
herrliche Stadtschloss Belvedere des Türkenbezwingers Prinz Eugen, das
Riesenrad im Prater, das barocke Paradeschloss Schönbrunn, um nur die
wichtigsten zu nennen. Sie sollten sehr aufgeschlossen nach Wien kommen,
denn eigentlich ist ein Tag selbst für eine Kostprobe zu kurz.
Die Stadt und die Donau
Stadt und Fluss ‒ dies ist nicht wie etwa in
Budapest eine Einheit geworden. Die Stadt entstand abseits vom Fluss und die
heutige Donau eilt in ihrem begradigten Bett kühl und abweisend durch die
Riesen-Siedlung und teilt sie in zwei Teile. Sechs Brücken im Stadtgebiet
versuchen Klammer zu spielen, und auch die vielen Anlegestellen für die
kreuzfahrenden Wien-Besucher haben etwas Kontaktprobleme mit der
vielbesungenen „Stadt an der schönen blauen Donau”.
Das Donauknie
Das ist die Biegung, mit der die Donau aus einer
anhaltenden Osttendenz abrupt in eine Südrichtung wechselt. Unterhalb von
Sturovo/Esztergom geht die Ebene über dem nördlichen Ufer zu Ende, das
Börzsöny-Gebirge steht an. Es bildete einst mit dem südlich der Donau
anstehenden Visegradi-Gebirge (Pilis-Gebirge) eine Einheit, ‒ für die Donau
eine Barriere. Der Fluss musste hier durchkommen, um ins Ungarische Becken
fließen zu können. Nach einem ausgiebigen Hochstau fand er an der
niedrigsten Stelle den Durchfluss und grub sich das dreimal gewundene
Durchbruchtal, das Donauknie. Es ist bekannt als reizvolle Tallandschaft
zwischen den Highlights Esztergom und Budapest und, geschichtlich gesehen,
als Demarkationspunkt der Türkenzeit. Bis hierhin hatten die Türken sich
nach der ersten, missglückten Belagerung Wiens 1529 zurückgezogen und
verharrten hier bis zu ihrem zweiten Vorstoß auf Wien 1683.
Margarethen-Insel, 2,6 Kilometer lang,
mitten im Fluss
Wie um die Spannung zu erhöhen, kommt vor dem geballten
Zentrum diese wundervolle, autofreie, grüne Insel der Ruhe und Erholung, mit
schön angelegten Spazierwegen, Spielplätzen, Schwimmbädern und einer
Freilichtbühne.
Der Name der Insel geht zurück auf eine ungarische
Königstochter, die hier in einem Nonnenkloster lebte und heiliggesprochen
wurde. Die Schiffe passieren die Insel im Einbahnverkehr ‒ talwärts folgen
sie dem südlichen, zu Berg dem nördlichen Ufer.
Durch das Herz der Stadt
Die kurze Fahrt ‒ nur eine Viertelstunde ‒ zwischen
Margarethen-Brücke und Freiheits-Brücke im Stadtzentrum, ist sicher eines
der schönsten Erlebnisse der Donaufahrt ‒ soweit das Wetter die Sache
unterstützt.
Da das Vorbeiziehen der wichtigen Dinge relativ schnell
geht, wird es für Sie einfacher sein, wenn wir für die Talfahrt die Ufer mit
„rechts” und „links” bezeichnen.
Also: rechts, ‒ mit dem Burgberg, ist Buda, links, ‒ wo
es flach ist, ist Pest. „Pescht”, wie es ausgesprochen wird ‒ entsprechend
„Budapescht” für Budapest.
Budapest
Inbegriff einer schönen Fluss-Stadt, entstanden aus
Buda über dem südlichen und Pest über dem nördlichen Ufer. Es ist
städtebauliche Kunst, einen Flussraum aktiv in ein Stadtgebilde einzubinden,
aber selten gelingt es so überzeugend wie in Budapest. Zwei unterschiedliche
Stadtteile, Buda, die Burgstadt, und Pest, die Flächenstadt, haben jede
ihren eigenen Charakter entwickelt, und damit ein eigenes Gesicht zum Fluss
hin gewandt. Ihr Zusammenspiel über den Fluss hin, zusammen mit den
zahlreichen Brücken, bildet ein einzigartiges Ensemble, eine Ganzheit, die
man bei aller Aufmerksamkeit für das Einzelne nicht übersehen sollte.
Wenn die Wiener darüber neidisch werden, dann kann
man das verstehen. In der k.u.k. Monarchie kam Budapest schließlich erst
lange hinter Wien, aber gerade in dieser Zeit entstanden die meisten
Beiträge zu dem lebendigen Gesicht der Stadt. Und das hat viel mit dem schon
erwähnten erwachenden Selbstbewusstsein, mit dem aufkommenden Nationalstolz
der Ungarn im 19. Jahrhundert zu tun. Sie wollten Aufbegehren gegen die
Bevormundung durch die Österreicher.
Man kann die Schönheit dieser Stadt nirgends so
total und intensiv erleben wie vom fahrenden Schiff aus, das langsam und
doch viel zu schnell durch diese herrliche Mitte der Stadt gleitet.
Rechts: Der Burgberg, Krone der Stadt. Die Mitte
ist die gotische Matthiaskirche mit hoher Turmspitze. Davor in hellem Stein
die turmreiche „Fischerbastei”, eine köstliche Architekturphantasie aus der
Zeit um 1900.
Neben St. Matthias der großklotzige Glaskasten des
Hilton Hotels über alten Klosterruinen. Hinter der Kulisse dieser Bauwerke
liegt verdeckt die reizvolle Altstadt von Buda, das Burgviertel.
Kettenbrücke (Szechenyi-Brücke), 1839 bis 48
erbaut, eine der großartigsten Brücken überhaupt. Von einem englischen
Ingenieur nach dem damaligen Stand konstruktiver Kenntnisse und mit viel
stilistischem Aufwand gebaut. Nach der Zerstörung im letzten Krieg
authentisch wieder hergestellt.
Rechts: In der Verlängerung der Brücke der 1857
durchgebrochene Burgberg-Tunnel zum Stadtteil Sasad.
Rechts: Nach der Kettenbrücke südlicher Teil des
Burgbergs mit dem majestätischen Komplex des Königspalastes (heute Museum)
in neobarockem Stil mit prächtigen Terrassen. Kaiser Franz Josef ließ die
Gebäude anstelle der alten, im Türkenkrieg völlig zerstörten Königsburg Ende
des 19. Jahrhunderts als Versöhnungsgeste erbauen. Auf der oberen Terrasse
vor der Schlossmitte, hoch zu Ross, der Befreier vom Türkenjoch, Prinz
Eugen.
Elisabeth-Brücke (Erzsebet hid). Weiße Hängebrücke.
Benannt nach Kaiserin Elisabeth (Sissy). die auch Königin von Ungarn und den
Bewohnern des Landes sehr zugetan war. Nach Zerstörung im letzten Krieg
modern wieder erbaut.
Rechts: Der Gellertberg mit dem Monument des Hl.
Geliert, der beim Versuch, die Magyaren zu missionieren, hier den
Märtyrertod erlitt. Auf dem Gellertberg die Zitadelle, unter Kaiser Franz
Josef nach der niedergeschlagenen Erhebung von 1848 zur Einschüchterung der
Ungarn erbaut. Die hoch aufragende Frauengestalt mit dem Palmzweig wurde
1947 errichtet zum Gedenken an die „Befreiung” durch die Sowjetarmee.
Links: Nach einem Wendemanöver macht MS ARIANA
unterhalb der Elisabeth-Brücke am Elisabeth-Ufer fest.
Die Slowakei
Unsere Donaufahrt führt flussaufwärts für 120
Kilometer Flusslänge der slowakisch-ungarischen Grenze entlang und auf einer
Strecke von 53 Kilometer ganz durch slowakisches Gebiet. Dabei fällt uns
auf, dass wir über das Land und seine Bewohner eigentlich wenig wissen.
Dass die Slowaken Slawen sind, geht aus dem Namen
hervor. Im 6. Jahrhundert wanderten verschiedene slawische Stämme, von Osten
kommend, in ihre Siedlungsgebiete ein, die sie im Wesentlichen noch heute
bewohnen. Nur für eine kurze Zeit bildeten sie im 9. Jahrhundert eine große
Einheit, das legendäre Großmährische Reich. Doch dies brach im 10.
Jahrhundert unter dem Ansturm der Magyaren auseinander. Diese waren die
Vorfahren der Ungarn und waren keine Slawen.
In der Folge kamen Böhmen und Mähren ‒ heute
Tschechien ‒ für Jahrhunderte unter den starken Einfluss des Deutschen
Reiches. Das östlich anschließende Gebiet der Slowaken geriet unter die
Herrschaft der dynamisch aufstrebenden Ungarn und blieb ‒ man staunt ‒ bis
1918 ein Teil Ungarns und damit der k.u.k. Donau-Monarchie.
Allerdings war die Macht Ungarns unter dem
donau-aufwärts gerichteten Vormarsch der Türken um 1526 zusammengebrochen.
Aber den Habsburger Herrschern gelang es nach der ersten Türkenbelagerung
Wiens 1529 die Türken bis ans Donauknie zurückzutreiben und sie per Abkommen
zu zwingen, zwischen dem habsburgischen Österreich und dem türkisch
besetzten Ungarn eine Pufferzone „Österreichisch Ungarn” zu akzeptieren, die
von den Habsburgern beherrscht wurde. Dies entsprach im Donaubereich in etwa
der heutigen Slowakei. Damit wurde Pressburg (Bratislava) für rund 250 Jahre
die provisorische Hauptstadt „Ungarns”, so lange Buda türkisch war. Die
Slowaken mussten also die ungarische Rolle übernehmen. Das war immerhin
besser als die türkische Herrschaft.
Von den Habsburger Herrschern wurde für dieses
„Rest-Ungarn” vertragsgemäß die ungarische Krone respektiert. Pressburg war
also vorübergehend Krönungsort der ungarischen Könige. Aber wer hätte die
Krone beanspruchen können, wenn nicht die Habsburger? So waren diese sowohl
Erzherzoge von Österreich sowie Kaiser des Hl. Römischen Reiches Deutscher
Nation und gleichzeitig Könige von Ungarn. Dazu mussten sie sich aber in
Pressburg eigens krönen lassen, bis 1830.
1806 hatte sich das deutsche Kaiserreich unter dem
Druck Napoleons aufgelöst. Franz II. legte die deutsche Kaiserkrone nieder.
Österreich wurde Kaiserreich und Franz ließ sich ‒ er wäre kein Habsburger
gewesen ‒ zur ungarischen Königskrone auch die österreichische Kaiserkrone
aufsetzen. Damit war die k.u.k. Donau-Monarchie geboren ‒ für 114 Jahre. Die
Slowakei war ein Teil davon.
Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs kam der große
Zusammenbruch. Eine Katastrophe für die k.u.k. Großmachtträumer. Was nicht
zusammengehörte, fiel auseinander.
Auf Betreiben der Tschechen (Böhmen und Mähren) und
mit Unterstützung durch die Siegermächte kam eine Vereinigung zustande, die
unter erzwungenem Einschluss von ungarischen, polnischen und ukrainischen
Minderheiten sich Republik Tschechoslowakei nannte. Die Slowaken machten nur
widerwillig mit. Hitler nützte dies aus. Bei der Zerschlagung der
Tschechoslowakei im Frühjahr 1939 annektierte er Böhmen und Mähren als
Protektorat, holte das Sudetenland mit etwa 3 Millionen Deutschen „heim” und
ließ der Slowakei unter dem Priester Dr. Tiso eine scheinbare
Selbstständigkeit.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Tschechoslowakei
ohne den ukrainischen Zipfel wieder hergestellt und 1948 durch Putsch
kommunistisch gleichgeschaltet.
1958 erhielt die Slowakei eine Teilautonomie und
löste sich nach der Wende 1993 ganz aus der nie ganz glücklichen Ehe mit den
stets dominierenden Tschechen.
Allerdings ist bemerkenswert, dass sowohl Alexander
Dubcek, der legendäre Begründer des „Prager Frühlings”, als auch sein wieder
kommunistisch-linientreuer Nachfolger Gustav Husak Slowaken waren. Sie
wohnten nicht weit voneinander entfernt in Bratislava.
Slowakische Republik (seit 1993)
Größe: 49.000 Quadratkilometer, Einwohner: 5,4
Millionen, davon sind knapp 11 Prozent Ungarn. Deren Wohngebiet wurde 1918
bei Gründung der Tschechoslowakei dem neuen Staatsgebiet zugeschlagen. Der
Kampf der ungarischen Bevölkerung um Minderheitsrechte ist der Anlass für
anhaltende Spannungen zwischen den Nachbarstaaten. Seit 2004 ist die
Slowakei EU-Mitglied und trat 2009 in die Eurozone ein.
Bratislava
450.000 Einwohner, größte Stadt der Slowakei und
Hauptstadt der Slowakischen Republik. Die relativ kleine Stadt scharte sich
um den markanten Burghügel an der Donau und bettete sich locker an die Hänge
der auslaufenden Kleinen Karpaten. Aber seit den 60er Jahren ist sie mit
zunehmender Industrialisierung mächtig am Wachsen und hat sich mit dem neuen
Stadtteil Petrzalka in sozialistischer Gleichmacherei auch jenseits des
Stromes ausgedehnt.
Die Burg von Bratislava ist in ihrer markanten
Gestalt mit den vier Ecktürmen das alte Wahrzeichen der Stadt. Sie hat aber
in ihrer Geschichte keine große Rolle gespielt und weder ihr gotischer
Ursprung noch die unter Maria Theresia erfolgte barocke Umgestaltung sind
sichtbar. Sie wurde mehrfach umgebaut und nach ihrer Beschädigung im letzten
Krieg lieblos restauriert.
Westlich der Burg liegt der 1994 fertiggestellte
weiße Gebäudekomplex des Parlaments. Am südwestlichen Rand der Altstadt, von
der Straßenschneiße hart tangiert, steht mit hoher Turmspitze die gotische
Martinskirche, Krönungskirche der ungarischen Könige während der Besetzung
Budapests durch die Türken.
Seit der Wende wurde in der etwas verkommenen
Altstadt vieles restauriert. So hat sie insgesamt ein sehr ansprechendes
Image bekommen. Auffallend sind schöne Patrizierhäuser, kleine Kirchen mit
Barocktürmen, Heurigenlokale, das Michaelistor, das gotische Rathaus, das
barocke Primatialpalais und auch das slowakische Nationaltheater.
Der östliche Teil der Stadt ist weitgehend Bereich der
Industrie, die größte Industriekonzentration in der Slowakei ‒ viele
europäische Automarken lassen hier produzieren.
Stift Melk
Gewiss war es in der Zeit von Barock und Rokoko
gegenreformatorische Absicht der katholischen Kirche, Kirchen und Klöster
vor allem an erhöhten Plätzen zu einem steinernen Halleluja werden zu
lassen. Aber wohl nirgends ist das überzeugender gelungen als hier mit dem
Bau des Benediktinerstifts Melk. Ein erst dreißigjähriger Abt hatte um 1700,
vom allgemeinen Baufieber der Barockzeit erfasst, die ehrgeizige Idee, sein
altes, unkomfortables Kloster durch einen großartigen Neubau zu ersetzen. In
Jakob Prandtauer hat er zweifellos den richtigen Baumeister gefunden.
Das Zusammenspiel von Architektur, Fluss und
Natur ist einmalig. Aber ebenso faszinierend ist die innere Abfolge
zauberhafter Raumgebilde bis zu dem überwältigenden Innenraum der Kirche,
der nicht durch Überschwang überzeugt, sondern durch die Kraft
majestätischer Ausgewogenheit. Vielleicht der schönste Raum des Alpenlandes.
Überraschend erweist sich die Anmut des Ortes Melk
(6.500 Einwohner) zu Füßen des Klosterfelsens. Zwischen Melk in der Wachau und Passau liegen 17
Stunden.
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