DONAUDELTA · AUSGABE 4/2019
Vor dem Bau der Schleusen gab es immer wieder gefährliches Hochwasser am Fluss. Das prachtvolle Kloster liegt sicher auf einem Berg am Ufer über der Stadt Melk. Vor dem Stadttor liest man erschreckt, wie hoch das Donauwasser einst steigen konnte. Starke Regenfälle am Oberlauf der Donau sind jetzt für die Stadt nicht mehr gefährlich. Fotos: Petra Bromund, Bremen
Dieter Bromund (Text) und Petra Bromund (Fotos)
Ziele hinter Budapest
Mit der A-SILVER elf Tage auf der Donau
Warum sollte man über Budapest hinaus die Donau befahren, wenn Wien und die ungarische Hauptstadt in ihrem Glanz kaum zu übertreffen sind? Auf dem Weg von Passau fährt man durch die sanfte Schlögener Schlinge, passiert das lockende Dürnstein, das prächtige Melk, lernt Gaue kennen, deren Weine berühmt sind und nimmt, wenn’s der Fahrplan will, auch noch Juwelen wie Estergom am rechten Ufer oder wie Bratislava am linken mit.
Was lockt also noch hinter Budapest weiter flussab bis zum Eisernen Tor zu fahren? Das Schiff und die Ziele, die Stille, die Weite des Wassers und die Ausflüge in Geschichte und in die eigene Seele. Flussreisen tun dem unruhigen Menschen gut, wenn das Schiff passt.
Ein schönes Schiff
Die A-SILVER, von Lüftner Cruises, Linz, gebaut und von Phoenix Reisen, Bonn, gechartert und jetzt ganzjährig auf der Donau eingesetzt, ist ein Fünf-Sterne-Schiff, das passt. Sie kann bis zu 180 Passagiere aufnehmen und hat unter Deck ein ruhiges, eher klassisch sanftes Design. Auch Lounge und Restaurant gefallen ebenso wie die Inseln der Stille – im Vorschiff oder auf dem Sonnendeck.
Die Kabinen überraschten. Unsere zwei großen Koffer füllen sie fast ganz. Das Doppelbett braucht viel Platz, einen Schreibort gibt es nicht, die Nasszelle, Dusche und Toilette, ist nur durch eine Schiebetür aus Mattglas abgetrennt. Doch in Eckschrank und Kommode passte alles, was unsere Koffer füllte, die leer unter den Betten Platz fanden. Und dann entdeckten wir das Fenster, das von der Decke bis zum Fußboden reicht und von oben bis zur halben Höhe geöffnet werden kann. Wenn wir wollten, war der Fluss mit seinen Ufern präsent und der blickdichte Vorhang schützte vor neugierigen Blicken, wenn wir am Kai oder im Päckchen mit anderen Schiffen lagen. Zu hören war nichts – weder von außen noch von Nachbarn. So lässt sich reisen, wenn man loslassen will.
Neue Ziele im Süden
Von Passau bis Budapest präsentiert die Donau sich prachtvoll, Burgen, Klöster, Kirchen, Dome und die großen Städte sind immer wieder und wieder ausgelobt und präsentiert worden. Wenn man in Budapest ablegt Richtung flussabwärts, bleibt ganz lange die Frauengestalt auf dem Gellertberg sichtbar mit ihrem goldenen Palmwedel – nach Südwesten blickend. Von dort kamen in alten Zeiten die Land und Hauptstadt erobernden Türken und 1944 die „ruhmreiche Sowjetarmee”, um Land und Menschen von NS-Besatzern und Machthabern dieser und jener Herkunft zu befreien. An diese Retter erinnert die Palmenbewehrte.
Zwischen Passau und Budapest regulieren elf Schleusen den Fluss, nehmen ihm seine Unberechenbarkeit, an die immer mal erinnert wird, wie etwa in Melk mit seinen Hochwassermarken am Stadtrand. Hinter Budapest gibt es erst am Eisernen Tor zwei Schleusen hinter der Kataraktenstrecke. Es sind die letzten auf dem langen Lauf bis zum Schwarzen Meer.
Menschen und Fluss
Menschen und Fluss haben sich also geeinigt. Über weite Strecken macht der Fluss, was er will, doch vor dem Eisernen Tor zeigt der Mensch sich als Sieger. 140 Kilometer lang ist die so genannte Kataraktenstrecke, die bis ins letzte Jahrhundert eine der gefährlichsten Flussstrecken Europas war.
Katarakte bedeuten Hindernisse, Strudel und Stromschnellen, Tiefen, Untiefen und rasendes Wasser. Bis 1972 brauchte jedes Schiff Lotsen, aber auch die waren keine Garantie für eine sichere Passage auf der Donau durch die Ausläufer der Karpaten auf ihrem Weg zum Ziel, dem Schwarzen Meer hinter der Unendlichkeit der pannonischen Tiefebene. Flussauf brauchten Schiffe hinter dem Eisernen Tor schließlich treidelnde Eisenbahnen.
1841 Kilometer hat die Donau hinter sich, 942 noch vor sich und zum letzten Mal maßen hier Mensch und Fluss ihre Kräfte.
Auf dem Berliner Kongress erhielt 1878 die österreichisch-ungarische Monarchie den Auftrag, diese Strecke des inzwischen internationalisierten Fahrwassers von ihren Gefahren zu befreien. Ernst von Wallandt übernahm zwischen 1890 und 1896 diese Aufgabe. Unterwasser Sprengungen halfen – aber auch nur manchmal.
Herrscher, die man kennen sollte
1964 entschlossen sich die Staats- und Parteichefs Gheorgio-Dej und Tito, also Rumänien und Jugoslawien, den Fluss zu bändigen. Ein Damm stoppte den schnellen Lauf des Wassers, hob den Wasserspiegel hinter sich in Richtung Budapest um 35 Meter auf einer Länge von 150 Kilometern. Dörfer mussten verlegt, Gehöfte geräumt, neue Brücken gebaut werden.
Was der Damm durchlässt, erzeugt Strom oder Staunen. Am Eisernen Tor werden über 2200 Megawatt produziert und Schiffe über eine Höhe von 30 Metern geschleust.
Heute erinnert nichts mehr an die Machthaber von einst. Rumänien ist seinen letzten Diktator Nicola Ceausescu seit 1990 los, der Flussnachbar ist jetzt der Staat Serbien, der bis 1991 unter Tito Teil Jugoslawiens war.
Zwei andere Herrscher sind noch immer präsent. Kaiser Trajan, der zwischen 98 und 117 n. Chr. in Rom herrschte, ließ an der Nordseite des Flusses eine Straße und eine Brücke bauen. Sie hatten große strategische Bedeutung im Kampf gegen die immer wieder von Norden anstürmenden Nachbarn des römischen Reiches. Dem Kaiser war dieser Bau so wichtig, dass er ihn in Rom auf der Trajanssäule verewigen ließ. An der Donau ließ er eine Tafel anbringen, drei mal zwei Meter groß, die an ihn und den Bau erinnert. Sie ist heute nur vom Wasser aus an Stromkilometer 965 zu besichtigen.
Erst Jahre nach dem Bau von Kraftwerk und Schleuse ehrten die Rumänen ihren eigenen Helden mit einem 40 Meter hohen Relief gegenüber der Tafel. Decebalus, König der Daker, verlor zwar alle Schlachten gegen die Römer, wird aber immer noch von den Nachfahren der Daker geschätzt.
Rätselhafte Friedliebende
Die Kataraktenstrecke war bei Hin- und Rückfahrt in bestem Tageslicht passiert worden – dank guter Regie von Fausto Gencarelli, Kreuzfahrtdirektor von Phoenix Reisen. Die Rückfahrt barg noch einmal eine Überraschung. Was aussah wie ein gewaltiges Gewächshaus im Wald am Nordufer des Flusses, war ein Museum, das die älteste Kultur Europas dokumentierte. Vor etwa 8.000 Jahren, als in Ägypten noch keine einzige Pyramide stand, lebte am Donaustrand südlich von Donji Milanovac bei Lepenski Vir eine Gemeinschaft, die Skulpturen, Werkzeuge, Häuser und Gräber zurückließ. Die Skelette zeigen keine Verletzungen, niemand war durch Gewalt ums Leben gekommen. Die Kultur wurde kurz vor dem Beginn des Rückstaus der Donau erst 1960 entdeckt. Noch immer ist sie weitgehend unbekannt. Woher kamen diese Menschen? Vom Oberlauf der Donau, vom Schwarzen Meer oder aus den Weiten des Nordens?
Europa – einst und jetzt
Immer wieder hat die Donau Menschen flussauf oder flussab gelockt. Die alten Griechen versuchten den Fluss, den sie Ister nannten, von der Mündung her rudernd zu gewinnen, um Handel zu treiben. Sie kamen, so liest man, nur bis zum Eisernen Tor.
Jahrhunderte später wurde der Fluss für viele zu einem Weg in eine freiere Gemeinschaft, in der man sein Glück machen konnte, das einem zu Hause verwehrt war. Im achtzehnten Jahrhundert holten vor allem österreichische Kaiser und Könige aus dem Quellgebiet des Flusses und seinem Oberlauf Deutsche in ein Land, das Seuchen oder Kriege geleert hatten und das an seinen Grenzen wehrhafte Männer gegen die Türken brauchte. In Bessarabien etwa, in der Datschka im Banat, in Siebenbürgen siedelten Deutsche, Schwaben vor allem. Manche Städte trugen einheimische und deutsche Namen, Pecs im heutigen Ungarn etwa heißt auf Deutsch Fünfkirchen und Sibiu in Siebenbürgen heißt auf Deutsch Hermannstadt.
Ehe Nationalideen in Europa zu Wahnvorstellungen führten, lebten Menschen mit unterschiedlichen Sprachen, Sitten und Religionen freiwillig friedlich im Reich der Habsburger zusammen. Unterschiede lassen sich aushalten, in Pecs heißt es, trinken Serben den Wein aus der Batschka, Deutsche bevorzugen den aus Mecseck, Ungarn beide. In Serbien fanden wir auf der ganzen Reise immer wieder die freundlichste Hilfe, wenn wir Straßen oder Plätze suchten, die nur kyrillisch ausgezeichnet waren, also mit Buchstaben, die wir nicht lesen konnten.
Und dann erlebtem wir Europa wieder wie in den schlimmen Zeiten des Eisernen Vorhangs. Wir verließen die EU an der Donau von Ungarn kommend und reisten wieder ein – von Serbien kommend, also über eine Außengrenze. Und da kann der, der die Grenze beherrscht, seine Macht zeigen. EU-Verträge geben ihm das Recht dazu, aber muss er es einsetzen? Auch ein deutsches Kreuzfahrt- Schiff unter der EU-Flagge muss an der ungarischen Grenze anlegen und Papiere präsentieren. Danach kommen Uniformierte zu Gesichtskontrollen an Bord, tagsüber oder nachts, und erfüllen ihren Auftrag: Ist der oder die an Bord wirklich der oder die, wie auf dem Passbild abgelichtet? Wir waren’s alle und kehrten zurück in die EU – mit neuen Erkenntnissen. www.phoenixreisen.com
Die A-SILVER ist auf der Donau das neuste Schiff von Phoenix. Ihr Heimathafen ist Passau. Sie kann bis zur Donaumündung fahren. Hier hat sie in der Hauptstadt der Slowakei, in Bratislava, festgemacht. Auf dem 85 Meter hohen Pfeiler der „Neuen Brücke”, die 1972 fertiggestellt wurde, lädt ein Panoramarestaurant auch zum Blick über die schöne Stadt ein.
Wer einst den Fluss befuhr, musste Maut bezahlen. Wer am Ufer eine Burg besaß, konnte sie einstecken. Im zwölften Jahrhundert gab es allein zwischen Linz und Wien 77 Mautstellen. Gut befestigte Burgen waren schwer zu belagern und kaum einzunehmen, solange es noch kein Schießpulver und schwere Kanonen gab. Schloss Schönbühl in der Wachau ist heute Privatbesitz und nicht zu besichtigen.
An allen Ufern der Flüsse Europas finden sich solche Sonntags-Szenen. Man parkt sein Auto am Ufer, stellt einen Sonnenschutz auf und beginnt vom Sessel oder Hocker aus zu angeln, wohl eher kleine Fische. Ehe es Schleusen gab, konnte der Stör, weltbekannter Kaviar-Lieferant, bis in die obere Donau wandern. Heute kommt er nur noch bis zum Eisernen Tor.
Kreuzfahrtdirektor Fausto Gencarelli, einziger Phoenix Mann an Bord, kümmert sich nicht nur ums Wohl der Gäste. Den Show-Abend der Crew leitete Hoteldirektor Roland Zahnd. Fausto machte mit, wechselte seine Kleidung, öffnete eine Kiste und bezauberte seine staunenden Zuschauer.
20 Meter hohe Wände glitzern feucht beim Abstieg der A-SILVER in der Schleuse, auch ein Motiv für Fotografen. Das Sonnendeck ist frei für die Gäste, die die beste Position für eigene Fotos suchen. Die gute Abstimmung zwischen Kapitän Julian Ciobanu, dem Hotelmanager und dem Kreuzfahrtdirektor verhindert unnötige Wartezeiten vor den Schleusen.
Pécs, einst auch als Fünfkirchen bekannt, gilt als eine der schönsten Städte in Ungarn. Das Zentrum der Donauschwaben ist Bischofssitz und Ort einer bekannten Universität. Die Kathedrale von Pécs mit ihren vier Türmen beherrscht einen gewaltigen Platz in der Oberstadt.
Auch das Äußere von Kathedralen wird in Pécs gepflegt. Eins der Turmkreuze erhielt neuen Goldglanz und wird jetzt für das Hissen zur Turmspitze vorbereitet.
Pécs ist ein pieksauberer Ort, der Marktplatz verbindet die Oberstadt mit der Altstadt. In ihr gibt es ein berühmtes Theater mit eigenem Ensemble und sehr bekannte traditionelle Hotels und Restaurants. Weine aus der Umgebung von Pécs sind in ganz Ungarn beliebt.
Die Kataraktenstrecke der Donau beginnt an der Festung Golubac am rechten Ufer. Sie ist eine römische Gründung, die im Lauf der Jahrhunderte viele Herren hatte, Serben, Ungarn, Türken und Habsbuger. Ehe die Donau gestaut wurde, lag die Festung sehr hoch über dem Wasser.
Das Kloster Mraconia liegt auf der rumänischen Seite an der engsten Stelle der Kataraktenstrecke. Der jetzige Bau ist ein Nachbau aus dem Jahr 2000. Das ursprüngliche Gebäude lag tiefer und versank in den Fluten. Am Sockel des Felsen gibt es Zeichen für die Flussfahrer, weiter oben ist ein Mast zu entdecken für den Funkverkehr zwischen den Schiffen und mit dem Land.
Aus jüngster Zeit stammt – der Trajanstafel gegenüber – das 40 Meter hohe Relief mit dem Gesicht des dakischen Kaisers Decebal, der gegen Trajan kämpfte. Er konnte zwar die Römer nie besiegen, wird aber immer noch als Held verehrt.
Was wie ein riesiges Gewächshaus im dichten Wald über dem Ufer aussieht, ist das Museum Lepenski Vir. Es wurde kurz vor dem Stau der Donau gebaut. Am Fluss hatten Archäologen 1965 etwas entdeckt, was die Welt noch nie gesehen hatte.
In der riesigen Halle des Museums von Lepenski Vir werden die Überreste einer Siedlung am Fluss lagegerecht dargestellt – in Kopien und hoch über ihrem ursprünglichen Ort, den jetzt das Stauwasser bedeckt. Häusergrundrisse, Gebrauchsgegenstände und Gräber mit Skeletten zeigen eine Kultur, die über 8.000 Jahre alt ist.