INSELN DES EWIGEN FRÜHLINGS | AUSGABE 2/2012 | ||||||
Ein sehenswertes Museumsdorf in Mocanal auf El Hierro. |
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Krass, dieser Gegensatz, denkt man. Wer den
Riesen und den Zwerg hinter- oder nebeneinander sieht, kann gar nicht
anders, als das zu empfinden. So im Hafen von Santa Cruz de Tenerife. Doch bevor es aus dem frostigen Deutschland
in den frühlingshaften kanarischen Süden geht, kommt man noch in den Genuss
einer Gratis-Sonnenpause im tief verschneiten österreichischen Graz.
Zwischenlandungen haben manchmal auch etwas Positives an sich. Was ist schon Größe? „Wahrhaftig eine Schönheit!” stellt ein Mitpassagier fest und meint damit die vor ihm liegende LA BELLE DE L’ADRIATIQUE. Ein (zu) langer, weil französischer Name, aber fortan nur noch liebevoll verkürzt LA BELLE genannt. Das passt zu dem schneeweißen 110-Meter-Schiff mit den flachen, windschnittigen Aufbauten und dem abgeschrägten Heck. Und mein Nachbar spinnt den Gedanken weiter: „Kommt mir vor wie eine Millionärsyacht”. Mit dem Unterschied, dass jetzt 200 „Millionäre” an Bord sind, ohne dass sie es wissen. Aber sie werden mindestens so umsorgt. Von 50 internationalen Crewmitgliedern, die dem Gast das Wohlgefühl vermitteln, als sei er der Größte. Nach dem Motto: klein, aber fein. A propos: Eingekeilt wird die LA
BELLE am Kreuzfahrtterminal von zwei
wirklich Großen, in die sie mindestens dreißig Mal hineinpassen würde. Aber
die auch zwanzig Mal so viele Passagiere mitnehmen. „Nee, da finde ich das
hier doch angenehmer”, sagt jemand, der
den Anreisetrubel auf der Pier verfolgt. Bus auf Bus rollt heran, deren
Ladungen ameisengleich von den Seitenpforten aufgesaugt werden. Aus der Foto-Froschperspektive lassen sich die
Größenverhältnisse allerdings auch umkehren: Wenn man den scharf
geschnittenen LA BELLE-Steven
bildfüllend vor den geschrumpften Riesen im Hintergrund stellt.
Doch kaum ist die Kabine bezogen, piept das im
entscheidenden Moment lebensrettende Signal aus sieben kurzen und einem
langen Ton – Generalalarm und erste Passagierspflicht: Alle Sammeln! Mit
umgelegter Rettungsweste im achteren Salon. Obwohl das Signal nur piepsig ist und viele Gäste
schwerhörig sind, finden alle in Minutenschnelle die vorgeschriebene
Musterstation. Die Kreuzfahrtdirektorin hakt anhand einer Liste die auf die
Westen gemalten Kabinennummern ab.
Probleme haben einige mit dem Gurt, den Schnallen und der Art, sie
ineinander zu verhakeln. „Très compliqué”,
machen sich ein paar Franzosen Luft. Freundliche Crewmitglieder leiten sie
an, bis jeder verstanden hat, wie’s geht.
Dann folgt die vorgeschriebene Ansage – „im unwahrscheinlichen Fall”,
wie die Uniformierte verkündet –, dass man von hier aus zu den Booten
geführt werde und dann weitere Anweisungen abzuwarten habe. Das gehe auf
einem kleinen Schiff wie unserem, so ein Gast optimistisch, sicherlich
reibungsloser und schneller als auf einem Riesenpott. Und wirklich, die BELLE
präsentiert sich überschaubar. Schnell hat man die wichtigsten Richtungen
verinnerlicht, und niemand muss herumirren auf der Suche nach seinem Ziel.
Kaum sind alle „gerettet”,
versammeln sie sich schon wieder: dieses Mal im vorderen Salon. Der
Hoteldirektor stellt die Crew vor, und zwar komplett: vom T-Shirt und Jeans
tragenden Decksmann bis zum goldbetressten Kapitän. Eine freundliche,
respektvolle Geste allen seinen Mitarbeitern gegenüber, die aus Kroaten,
Franzosen und Philippinos besteht. „Auf eine erlebnisreiche Reise”
stößt man zweisprachig und gläserklingend an auf eine erlebnisreiche Reise. Es geht Schlag auf Schlag. Nach dreißig Minuten
Crew-Parade öffnen sich die Restaurant-Türen. Alle 200 Gäste versammeln sich
zu einer Sitzung, wohlsortiert an denen ihnen zugewiesenen Tischen. Ich
finde mich – als einer von insgesamt nur sechs Deutschen – an einem
Fünfer-Tisch wieder – und bin gespannt auf meine „Mitesser”.
Vier Franzosen, und wie ich bei der Vorstellungsrunde schnell feststelle,
außer ihrer Muttersprache gibt es keine anderen Verständigungsmöglichkeiten.
Englisch? Non! Geschweige denn alleman, Deutsch. „Nur ein bisschen”,
strahlt meine Nachbarin, der ich schnell erwidern kann: „Moi, un petit peu
francais!” Schulwissen, dass ich hier
auffrischen kann, denke ich. Wobei es mir zunehmend schwerfällt, dem immer
schneller fließenden französischen Wortschwall zu folgen. Zumal alle –
sympathische, kontaktfreudige Menschen – davon ausgehen, dass ich alles
verstehe. Da lächelt man lieber freundlich, Verständnis vorgebend, und
widmet sich Speisen und Getränken. Selbst nach mehreren Gläsern Rotwein
erscheint es mir irgendwie noch anstrengend, so dass ich schon mal das
Dessert ausfallen lasse, um an Oberdeck frische Luft zu schnappen und die
Ruhe zu genießen.
Drei Busladungen voller Gäste machen sich am
Vormittag auf, um die größte und vielfältigste der sieben Kanaren-Inseln zu
erkunden: einerseits durch den grünen Norden mit seinen fruchtbaren Tälern
und dicht bewaldeten Bergen, andererseits durch den trockenen Süden mit
tiefen Schluchten und kargen Berghängen. Durch den Nationalpark Teide mit
seinen bizarren Felsformationen, roten und schwarzen Lavadecken und weiten
Aussichten auf Land und Meer schlängelt sich ein Bus bis auf 2200 Meter Höhe
empor – und gibt dann seinen Geist auf. Als Retter in der Not erweisen sich
die beiden nachfolgenden Busse. Mit doppelter Belegung erreichen sie – zum
Mittagessen leicht verspätet – das Schiff. LA BELLE
nimmt Über Nacht dampft LA
BELLE im rauen Schwell des
Nord-Ost-Passats ihrem nächsten Ziel entgegen. 188 Seemeilen bis Lanzarote.
Gewiegt in den Schlaf vom sanft rollenden Schiff.
Atlantische Wellen stimmen frühmorgens ihr Wecklied
an, indem sie sanft gegen die LA BELLE-Flanken
klopfen. Kurz vor neun Uhr rauscht das Lotsenboot vor Arrecife, der
Inselhauptstadt, längsseits. Blendend
weiße Würfelhäuser, gesprenkelt über die rostbraunen vulkanischen Hänge –
die „Feuerinsel” kann ihre unterirdische
Herkunft nun mal nicht verleugnen –, grüßen von Land herüber. Im 18.
Jahrhundert versanken weite Teile der Insel durch eine Eruptionsserie in
Schutt und Asche und verwandelten sie in eine Mondlandschaft. Im (deutschen)
Tagesprogramm erfährt man dazu den Titel des Abendvortrages: „Wenn die Erde
wütend wird in den Kanarischen Inseln”. Der Architekt César Manrique schließlich machte aus
seiner Heimatinsel eine faszinierende Symbiose aus Kunst und Natur. Die
Flaggenfarben der Kanaren – weiß, gelb, blau quergestreift – symbolisieren
das lebensspendende Wasser aus den Bergen, den singenden Kanarienvogel und
den unendlich blauen Himmel. Dazu gehören eigentlich auch noch das Schwarz
der Sände und Lavabrocken-Mauern um die Weinpflanzen samt dem
frühlingsfrischen Grün der Kakteenfelder. Aber so viele Streifen verträgt
keine Flagge.
Zu Fuß – immer am Atlantik entlang, auch an einem
kleinen Strand vorüber, der zum Baden verführt, und durch Lavafelder –
erreicht man in gut dreißig Minuten Arrecife mit seiner pittoresken
Altstadt. Vor der kanonenbewehrten 400 Jahre alten Festungsinsel Castillo de
San Gabriel sollte man erst mal links abbiegen – über die mindestens ebenso
alte Brücke Puente de las Bolas. Sie gilt als Wahrzeichen der Stadt, auf die
man von dort aus einen 180-Grad-Panoramablick genießen kann. Und vielleicht
das Glück hat, einen Großsegler an der Mole zu entdecken. In diesem Fall das
norwegische Vollschiff CHRISTIAN RADICH.
Ein echter Hingucker, das Ausbildungs-Schiff der norwegischen Marine. Das
erinnert mich an meine Kadetten-Zeit auf dem Segelschulschiff GORCH
FOCK. Genau vor 47 Jahren lagen wir am
selben Liegeplatz. Arrecife galt damals als exotisch und abgelegen. Als
„marineros alemanos” und ganz in Weiß
wurden wir 1965 noch bestaunt, während heute jede Menge Touristen durch die
Altstadtgassen bummeln. Vier sturmgepeitschte Wochen hat die deutsche
Vorzeige-Bark zu jener Zeit gebraucht. Heiß ersehnt von uns „jungen Kerls”,
die dann nur in Gruppen Landgang hatten. Von wegen „in jedem Hafen eine
Braut ...” – weit entfernt davon. Heute
dagegen jetten Sonnenhungrige in viereinhalb Stunden in das lockere
Touristen-Paradies.
Der Nachmittag gehört dem Norden: per Bus auf den
höchsten Punkt der Insel, hinab nach Teguise ins „Tal der tausend Palmen”
und hinauf zum 400 Meter über See gelegenen Mirador del Rio mit seinem
fantastischem Ausblick bis hinüber zur Insel La Graciosa. Insel-Architekt
César Manrique hatte auch hier seine gestalterischen Hände im Spiel bei der
Einrichtung des schon legendären Restaurants. Andere begeben sich im Nationalpark Timanfaya auf
heißen Boden. An vielen Stellen liegt die Temperatur nur wenige Meter unter
der Erdoberfläche bei über 400 Grad. Wir sind zu Gast bei „El Diabolo”,
dem Teufel. Auch dieses „feurige”
Restaurant, in dem mit reiner Vulkanhitze gekocht wird, ist eine Schöpfung
von Manrique. Unterwegs werden kleine Weingüter passiert. Jeder
Stock ist umgeben von einer schützenden und wärmenden Steinmauer. Die Pflege
ist aufwändig und das Produkt daher nicht ganz preiswert. Selbst im
Supermarkt muss man für die Billigvariante über fünf Euro pro Flasche
hinblättern. Kurz vor Sonnenuntergang, der die Vulkankette zum
sanften Scherenschnitt degradiert, nimmt LA
BELLE wieder Kurs auf die offene See. Am
späten Abend leuchten Lichter an Steuerbord: die von Puerto del Rosario,
Fuerteventuras Hauptstadt. Sie passt leider nicht in den Zeitplan von LA
BELLE, die im 130-Seemeilen-Nachtsprung
Gran Canaria ansteuert und dabei ruhig liegt wie ein Brett. Nur das Knarren
der Inneneinrichtung verrät, dass das Schiff über den Atlantik reitet.
Bis es am nächsten Morgen vor Las Palmas aufkreuzt.
Das vormittägliche Ausflugsprogramm bietet sich für einen ersten Gran
Canaria-Überblick an. Der Bus-Reiseleiter kann es kaum glauben, dass wir mit
dem „kleinsten Kreuzfahrtschiff” gekommen
sind, das jemals den Hafen angelaufen hat. „Euer Schiff”,
findet er, „sieht eher aus wie ein Flusskreuzer, aber noch viel eleganter”.
LA BELLE
eben! „Wie Sie sehen, messieurs et mesdames”,
fährt er wenig später fort, „bietet Cran Canaria mehr als Sonnengrills und
Amüsiermeilen”. José preist nicht nur das
vorübergleitende fruchtbare Kulturland des Nordens, sondern auch die
grandiose Dünenlandschaft im Süden. Beides wird durch ein zerklüftetes
Bergmassiv in der Mitte getrennt. Wie ein Miniaturkontinent. Abgesehen von
der quirligen 400.000-Einwohner-Hauptstadt Las Palmas, die noch vom
„Carnaval” gezeichnet ist. Bunte Kostüme
bevölkern die Straßen, Musik dröhnt über den kilometerlangen Badestand und
der Wind treibt Restmüll durch die Straßenschluchten. Im Angostura-Tal können sich Pflanzen-Freunde nicht
sattsehen an den diversen heimischen Kakteenarten im Jardin Canario.
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Aussicht vom „Mirador de Balcon”.
Ihnen liegt das wildzerklüftete Küstenland zu Füßen, in der Ferne der
silbrig schimmernde Atlantik und die hochhausgespickte Metropole Las Palmas.
Aber auch der Bandama-Krater mit einem Kilometer Durchmesser. Die Altstadt von Vegueta schließlich, Gründungskern
von Las Palmas, verzaubert die LA BELLE-Fahrer
durch ihre engen, autofreien Gassen und historischen Häuser mit
mittelalterlichem Flair. Eins davon ist das Haus des Gouverneurs, in dem der
große Seefahrer Christoph Kolumbus 1492 wohnte, bevor er zur Entdeckung
Amerikas aufbrach. Das war kein Zufall, wie aus den im Museum ausgestellten
Dokumenten hervorgeht. Die Inselgruppe liegt quasi auf dem Weg quer über den
Atlantik, begünstigt durch Nordost-Passat und Meeresströmungen, die beide
schieben helfen. Auch LA BELLE
nutzt sie, als sie am Abend stampfend Kurs auf El Hierro nimmt. Ans „Ende
der Welt” im äußersten kanarischen Westen,
auf den nur noch das große, tiefe Wasser folgt. Untermalt von einer
fulminanten Crew-Show und der Glühwürmchen-Lichterkette von Teneriffa an
Steuerbord.
Pünktlich zum Frühstück serviert der Kapitän die
westlichste, kleinste, kühlste, aber schönste der Kanarischen Inseln. Das
findet auch Peter, der Bus-Reiseleiter aus Saarbrücken. Während eines Törns
mit dem Eckernförder Großsegler ROALD AMUNDSEN
hat er sich – Seemannsschicksal (?) – in El Hierro verliebt und zog mit
seiner Frau hierher. Beide verdienen sich ihren Unterhalt als Reiseleiter
und Sprachlehrer. „Die Insel-Spanier”,
sagt er, „begreifen allmählich, dass man mit Fremdsprachen auf dem
europäischen Kontinent weiter kommt”. „Nur wenige Individualisten wissen die Randlage der
Insel zu schätzen”, weiß er und ergänzt im
gleichen Atemzug: „Und das soll möglichst auch so bleiben!”
Das 25 mal 30 Kilometer messende Eiland gilt mit rund 10.000 Einwohnern –
die Hauptstadt Valverde, einzige der Kanaren auf 600 Metern im Hochland,
bringt es gerade mal auf 2000 – nicht nur als dünn besiedelt, sondern auch
wenig besucht. Besonders gut erschlossen ist El Hierro allerdings durch ein dichtes Netz von Wanderwegen. So lässt sich die erstaunliche Vielfalt der auf engstem Raum nebeneinander bestehenden Landschaften, von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt, am besten erkunden: ob karge Lavawüsten, mystische Nebelwälder, saftig-grünes Weideland oder weite Obstplantagen. Von diversen atemberaubenden Aussichtspunkten wie zum Beispiel dem 700 Meter hohen Mirador de la Pena bieten sich fantastische Weitblicke über die Insel mit ihren schroffen Steilküsten und aufs Meer hinaus.
Durch El Hierro verlief bis Ende des 15.
Jahrhunderts auch der Null-Meridian, der das Ende der damaligen Welt
markieren sollte. Kolumbus schließlich räumte mit dieser Vorstellung auf,
indem er „hinter den Horizont” segelte und
1492 Amerika entdeckte. Lokale Einblicke indes verschafft das ökologische
Museum. Vor allem das Dorf mit den niedrigen Hütten aus schwarz-braunen
Lavabrocken. Karg war das Leben der Landbevölkerung unter den besonderen
Boden- und Klimabedingungen. Ein „heißes Pflaster”
von gut 1000 Vulkanen, die hin und wieder noch aktiv und mit heftigen
Erdbeben verbunden sind. Bis Peter seine Schäflein wieder in die Gegenwart
zurückruft und zum Aufbruch ruft. „Wir müssen noch zum Apéritif!”,
lockt er sie in die Busse. Der Weg dahin ist wahrhaft paradiesisch: an
Mango-, Papaya-, Bananen- und Ananas-Plantagen vorüber. Einzigartig in der
Europäischen Gemeinschaft. Die Weinkooperative schenkt großzügig aus, so dass
alle fröhlich beschwingt die Serpentinenfahrt abwärts genießen und an Bord
gehen. Sofort werden die Leinen losgemacht zur 59-Seemeilen-Überfahrt nach
Norden auf La Palma zu. Gegen Wind und Wellen, die am LA
BELLE-Steven in Gischtkaskaden zerstäuben. Wiederum preußisch pünktlich zum Abendessen liegt
das Schiff ruhig an der Mole, die mir noch aus GORCH
FOCK-Zeiten in Erinnerung geblieben ist.
Als strammer Wachtposten an der Gangway. Und ohne Landgang. Den haben die LA
BELLE-Passagiere reichlich, verbunden mit
einer „Bauernnacht”. Auf unserem
Marine-Schulschiff hieß das: einmal ausschlafen dürfen.
Beatrix, die mehrsprachige Reiseleiterin aus
Deutschland, schwärmt von La Palma, auf der ihr Mann und sie nach einer
Weltumsegelung vor 25 Jahren „hängengeblieben”
seien. Irgendwie haben die Inseln das an sich, könnte man vermuten. Peter
auf El Hierro ging es nicht anders. „Hier versteht man zu leben”,
begründet sie ihren „Ankerplatz”, und man
arbeitet nur um zu leben – anders als in Deutschland. Die „Isla bonita”
(schöne Insel) habe es ihr angetan: nicht nur die Kolonialarchitektur der
Hauptstadt Santa Cruz de la Palma, sondern auch ihre üppige, ursprüngliche
Natur als „Isla verde” (grüne Insel). Bis
auf knapp 2500 Meter schwingt sich die berlingroße wilde Schönheit auf und
gilt als eine der steilsten weltweit. Zum Glück ist sie auch verschont
geblieben vom Massentourismus, zumal sie nur mit wenigen Sandstränden
glänzen kann, die auf anderen Inseln Hauptanziehungspunkte sind. Den Vormittag verbummeln die meisten Gäste in der
malerischen Altstadt oder tauchen ab unter Palmen in den glasklaren
Atlantik. Der brandet gegenüber der Mole, nur fünfzehn Fußminuten entfernt
vom Liegeplatz, auf den gepflegten schwarzsandigen Strand. Nachmittags ist die Erkundung des Südens von La
Palma angesagt. Vom Kraterrand des Vulkans San Antonio kann man fast 100
Meter tief in den Höllenschlund hinabsehen, aus dem noch 1971 monatelang
Lava sprudelte. Oder von hoch oben den Blick schweifen lassen über die
Küstenorte mit ihren Ferienhäusern, Bananenplantagen und Weinfeldern. Das von einem üppig-idyllischen Garten umgebene Keramikmuseum „El Molino” hingegen beschert Einblicke in die Töpferei, ein typisches Inselhandwerk. Dazu gehört auch der Weinbau, dessen Produkte wie der likörartige Malvasia in einer Bodega kredenzt werden. Zum Glück wird man gefahren und kann den Abend an Bord weinselig bei dem – mit viel Liebe zelebrierten – recht zwanglosen Gala-Dinner beschließen.
Mit gemächlichem Öko-Tempo wird La Gomera, bekannt
auch durch die Pfeifsprache der Berghirten, angesteuert. Nach 59 Seemeilen
macht LA BELLE
in San Sebastian fest. Ein deutsches Paar schaut interessiert zu und staunt
über das „hübsche, kleine Kreuzfahrtschiff. Und nur so wenig Leute an Bord!”
Die Beiden – „wir mögen es lieber individuell” –
beschließen spontan, im nächsten Jahr mitzufahren. Zumal man in einer Woche
nicht nur eine, sondern fast alle Inseln besuchen könne. Trotzdem schwärmen
sie von „ihrer” Insel mit dem
„märchenhaften Urwald im UNESCO-Nationalpark Garajonay, den typischen
gomerischen Dörfern Hermigua und Agulo und den traumhaften Meerblicken”.
Am Nachmittag wird den Gästen das alles während der Rundfahrt geboten. Vor
allem Ursprünglichkeit. Die zog vor Jahren „Aussteiger”
nach La Gomera, das sich zum Szenetreffpunkt von Rucksack-Touristen
entwickelte. Nur noch wenige dieser „rudimentären Blumenkinder”
im Rasta-Look schlendern noch über die Hafenpromenade oder sonnen sich am
nahen Strand. Statt ihrer haben sich mittlerweile betuchte Yachties samt
Segelbooten aus aller Welt in der Marina versammelt. Ein Ausstieg der
anderen Art. Leinen los am späten Nachmittag zum finalen 66-Seemeilen-Törn. Voraus reckt sich die markante Vulkanspitze des Pico del Teide, mit 3718 Metern höchster Berg Spaniens, über eine zähe Wolkenbank, während im Kielwasser der braune Felsklotz von La Gomera versinkt. Abschiedsstimmung vor dem letzten und ersten Hafen Santa Cruz de Tenerife. In der Meeresstraße zwischen den beiden Inseln wird eifrig nach Walen und Delfinen Ausschau gehalten, die sich hier tummeln sollen. „Das Winken einer Walfluke wäre noch das letzte große Highlight gewesen”, meint ein Gast, „aber wir können uns über mangelnde Höhepunkte während dieser Reise nun wirklich nicht beklagen”.
Das Schiff: MS LA
BELLE DE L’ADRIATIQUE,
Baujahr 2007; Bauwerft Chantier naval Meuse et Sambre de Namur, Belgien;
Eigner Croisi Europe, Strasbourg; BRZ 3500 t; Länge 110 m; Breite 12,80 m;
Tiefgang (maximal) 3 m; Antrieb 3 Cummins-Diesel-Maschinen à 1600 PS;
Geschwindigkeit (maximal) 14 kn; Stabilisatoren; Kapazität 200 Passagiere;
Kabinen (auf vier Decks, ausgestattet mit Dusche, WC, Sat-TV, Fön, Safe,
regelbare Klimaanlage, Internet-Zugang, Telefon; 1 Kabine
behindertengerecht), 1 Restaurant, 2 Bars, 1 großes Sonnendeck (über die
gesamte Schiffslänge) mit 3 Hometrainern; Terrasse (achtern am Heck); 2
Whirlpools auf dem Sonnendeck, 1 Internet-Ecke (sowie Zugang von der Kabine
aus), Boutique, Bibliothek, Krankenstation (kein Arzt an Bord, aber Hilfe
jederzeit dank Landnähe verfügbar); Heimathafen Brüssel; Flagge Belgien. Die Bauart erinnert in ihren Abmessungen und vom
Stil her an Flusskreuzfahrtschiffe derselben Reederei von derselben Werft;
die LA BELLE
ist jedoch ein Seeschiff mit entsprechender Ausstattung und fährt unter dem
Programm „CroisiMer” nach dem Motto: „Une
autre idee de la mer” – oder: die etwas
andere Hochseekreuzfahrt. Sozusagen für Flussschiffs-Fans mit
Hochseegelüsten. Fahrtgebiet von Frühjahr bis Herbst: kroatische
Adria sowie Montenegro und Griechenland mit Kanal von Korinth; via Suezkanal
mehrere Reisen durchs Rote Meer (zwischen Aquaba, Hurghada, Sharm-El-Sheik),
aus politischen Gründen (Unruhen in Ägypten) 2012/13 ausgesetzt. Die Route (Ausflüge): Santa Cruz de
Tenerife/Teneriffa (Stadtführung, Nationalpark Teide); Arrecife/Lanzarote
(der Norden, Nationalpark Timanfaya); Las Palmas/Gran Canaria (Tal von
Angustura, Teror und die Gärten von Arucas); Puerto de la Estaca/El Hierro
(Inselrundfahrt mit Weinprobe); Santa Cruz de la Palma/La Palma (Vulkane und
Wein); San Sebastian/La Gomera (Inselrundfahrt). Zurückgelegte Strecke: 650
Seemeilen/1203 Kilometer. Besonderheit: besucht werden sechs von sieben
Kanarischen Inseln (außer Fuerteventura), davon El Hierro, La Gomera und La
Palma, die abseits der Routen von großen Kreuzfahrtschiffen liegen und eine
herrlich-ursprüngliche Natur bieten. Die Landschaft: bizarre Vulkane, grüne Bergwälder,
blühende Gärten und subtropische Fruchtplantagen (Bananen), idyllische
Bergdörfer, historische (Kolonialzeit) und moderne Architektur (Manrique),
Weinanbau, lebhafte Küstenorte und Strände. Teneriffa ist die größte, spektakulärste, vielseitigste und mit dem Pico de Teide (3718 m) höchste Insel. La Palma ist als grünste Insel bekannt; La Gomera mit seinen Nebelwäldern, Schluchten und Palmentälern als Wanderparadies; El Hierro als kleinste Insel und bisher vom Tourismus wenig berührt; Gran Canaria als Badeparadies, Fuerteventura als Wüsteninsel und Lanzarote als vegetationsärmste mit bizarrer Mondlandschaft. Die Reisezeit: Dezember bis März. Die Literatur: Polyglott on tour: Kanarische Inseln,
ISBN 978-3-493-55738-1
Ausflugspreise moderat (zwischen 8 und 41 Euro);
Getränkepreise moderat (1 Glas Wein € 3,50, Cocktails € 4 - 6, Spirituosen
ab € 4, 1 Bier/Büchse/gezapft € 2,50, 1 Cola € 2,50, 1 Flasche Stilles
Wasser € 2,50, 1 großer Milchkaffee € 2,60; Tischwein, Softdrinks, Wasser,
Espresso zu allen Mahlzeiten inklusive; Schiff yachtähnlich, überschaubar,
gepflegt; selten während einer Woche befahrene Route; Essen jeweils 1
vorgegebenes Drei-Gänge-Menü (1 Vorspeise, 1 Hauptgericht, 1 Nachspeise)
völlig ausreichend; 1 Sitzung; keine Kleidervorschriften; kein Caiptains
Dinner; familiäre Atmosphäre; freundliche, hilfsbereite mehrsprachige Crew
(Französisch, teilweise Deutsch, Englisch); alle Transfers inklusive; gutes
Schiffsverhalten bei Seegang (dank Stabilisatoren). |
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Die LA BELLE DE L’ADRIATIQUE am Liegeplatz in Santa Cruz de Tenerife. |
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Die LA BELLE DE L’ADRIATIQUE (3.500 BRZ, 200 Passagiere) vor der INDEPENDENCE OF THE SEAS (154.407 BRZ, 4.000 Passagiere) von Royal Caribbean Cruise Line. |
Der Hafen von Santa Cruz de Tenerife ist umgeben von mächtigen Bergen aus Lavagestein, das in vielen Farben leuchtet. |
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Höhenblick in ein Tal an Teneriffas Ostküste. |
Tunnelblick in einen Höhenwanderweg auf Teneriffa. |
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Touristen auf einem Kamelritt in die Feuerberge – Montañas del Fuego – Lanzarotes, in den Nationalpark Timanfaya. |
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Das Eruptivmaterial der sechs Jahre dauernden Ausbrüche vom 1. September 1730 bis 16. April 1736 bedeckt etwa 167 Quadratkilometer Lanzarotes. Der Timanfaya Nationalpark im Südwesten der Insel erstreckt sich über 51,07 Quadratkilometer. |
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Als sich der Bus auf fast 500 Meter in die Höhe geschraubt hat, staunen alle über die Aussicht vom „Mirador de Balcon” auf Gran Canaria. |
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Staunen im Jardin Canario von Las Palmas mit der Unzahl von Kakteen. |
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Insel El Hierro, tobende Brandung an der Nordkueste. |
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Abendstimmung auf einer stillen Küstenstraße auf El Hierro. |
Die raue Nordküste von El Hierro mit Blick auf den weiten Atlantik. |
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Die „Isla bonita” (schöne Insel) wird La Palma genannt. Die Kolonialarchitektur der Hauptstadt Santa Cruz de la Palma und ihre üppige, ursprüngliche Natur rundum weist sie auch als „Isla verde” (grüne Insel) aus. |
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Der Kirchplatz in der Altstadt von Santa Cruz de La Palma. |
El Molino-Idylle über Santa Cruz de La Palma. |
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San Sebastián de la Gomera, die Hauptstadt vom La Gomera, mit ihrem Yachthafen. |
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