FLUSSREISE BRAHMAPUTRA | AUSGABE 2/2012 | ||||||
Ein Fischer auf dem Brahmaputra wirft sein Netz aus. |
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Flusskreuzfahrten auf den großen Flüssen im asiatischen Raum haben Hochkonjunktur. Schiffe aller Größen und Kategorien sind im Angebot. Nur ein einziges Schiff für maximal 24 Passagiere fährt auf dem Brahmaputra in Assam, im Nordosten Indiens: die ABN CHARAIDEW.
Ankunft in Guwahati, der größten Stadt des indischen Bundesstaates Assam
ganz im Nordosten Indiens. Eine Flugstunde von Kolkata (Kalkutta) entfernt.
Saftiges Grün schimmert durch die Wolkenfetzen, als der Flieger zum
Landeanflug ansetzt. Von hier stammt also der Tee, den man in Europa im
English Breakfast Tea oder in der Ostfriesen-Mischung wieder findet. Aber
bevor es in die Plantage geht, dauert es noch ein paar Tage. Erst mal geht
es aufs Schiff. Runter zum Brahmaputra. Dort ankert sie, die
ABN CHARAIDEW. 1973 wurde sie in Guwahati gebaut und transportierte bis 1994 Kohle, Holz und Tee auf dem großen, braunen Strom. 2003 wurde das dem Kolonialstil nachempfundene Schiff renoviert und befördert seitdem nur noch Kreuzfahrtpassagiere zwischen Guwahati und Dibrugarh. Fast 2.900 Kilometer strömt der Brahmaputra durch China, Indien und Bangladesh. Er entspringt im Himalaya in Tibet. Im bengalischen Tiefland vereinigt er sich mit dem heiligsten aller indischen Flüsse, dem Ganges, und mündet schließlich in den Golf von Bengalen. Je nach Land hat er unterschiedliche Namen. Der Name Brahmaputra stammt aus dem Sanskrit und bedeutet „Sohn des Brahma”, einem der Hauptgötter im Hinduismus. Der Brahmaputra ist die Lebensader Assams, dem „gewellten Land”. Es ist die erste Fahrt in dieser Saison. Die
Monsunzeit ist gerade erst vorüber. „Er kam spät in diesem Jahr”,
sagt Bordmanager Pratik Mazumder und tupft sich den Schweiß von der Stirn.
Auch einen Einheimischen bringen 35 Grad und 95 Prozent Luftfeuchtigkeit ins
Schwitzen. Nur fünf Passagiere aus Deutschland, Japan und Australien sind an
Bord. Die CHARAIDEW lichtet den Anker. Von
Guwahati gleitet sie mit gemütlichen fünf Knoten Geschwindigkeit, das sind
zehn Stundenkilometer, stromaufwärts. Das Schiff passiert die Pfauen-Insel
mit dem Umananda Tempel, der Gott Shiva geweiht ist. Einige Fischer staken
ihre Boote durch den Fluss oder werfen von kleinen Flößen aus Netze ins
Wasser. Zwölf Doppelaußenkabinen mit Dusche/WC und
Klimaanlage stehen auf dem Oberdeck zur Verfügung. Mit elf Quadratmetern
wirken sie geräumig. Wandverkleidung und Mobiliar sind aus Bambus und geben
den Zimmern eine „tropische” Atmosphäre.
Auf gleicher Ebene befindet sich auch ein Aufenthaltsraum mit
Panoramafenster, Bar und Bibliothek. Zum Duschen dient Brahmaputra-Wasser.
Dafür gibt es unter Deck eine Aufbereitungsanlage. Gekocht aber wird mit
Mineralwasser. Und auch die Zähne putzt man besser mit Wasser aus der
Flasche, denn Indien ist berüchtigt für Magen-Darmerkrankungen. Das
Abendessen wird auf dem Unterdeck direkt über der Wasseroberfläche serviert.
Es gibt einen Mix aus indischer und europäischer Küche. Auf Touristenmägen
ausgerichtet. Nicht zu scharf gewürzt. Die Küchencrew geht auch gerne auf
individuelle Wünsche ein. Mit Einbruch der Dunkelheit darf die
ABN CHARAIDEW
nicht mehr fahren und legt am unbefestigten Ufer an. Zwischen 23 und sechs
Uhr morgens bleibt der Generator stets ausgeschaltet, was eine hervorragende
Nachtruhe garantiert. Die Fenster sind mit Gase bespannt und halten Moskitos
und sonstiges Ungeziefer fern. Da der Brahmaputra ein schnell fließender
Fluss ist und Moskitos stehende Gewässer bevorzugen, hält sich die Gefahr
ohnehin in Grenzen. Am nächsten Morgen tuckert die fünfköpfige
Touristengruppe mit dem knallblauen und mit Tiermotiven bemalten Beiboot ans
Ufer, um ein kleines Dorf zu besichtigen. Über einen schmalen Pfad stapft
sie durch grüne, meterhohe Reisfelder. „In wenigen Wochen ändert sich der
Anblick”, erzählt Reiseleiter Udit: „Dann
werden die Felder ockergelb, und der Reis kann geerntet werden”.
Er bildet die Lebensgrundlage der meisten Dorfbewohner. Andere verdienen
ihren Unterhalt mit Fischfang und mit Obst und Gemüse, das sie in ihren
kleinen Gärten anbauen und zum Teil auf Märkten verkaufen. Über die lehmige
Dorfstraße werden zwei Ochsen getrieben. Auf einem kargen Feld bekommen sie
einen Holzpflug umgehängt, um den Boden umzupflügen. Vor einer Hütte sitzt
eine fast zahnlose alte Frau und fertigt mit einem einfachen Holzwebrahmen
Kleidung für die Familie. Strom für einige Stunden am Tag gibt es bisher nur
für die Häuser einer Straßenseite. Und Wasser holt man immer noch aus dem
Ziehbrunnen in der Dorfmitte. Mal im traditionellen Sari, mal in engen Jeans
und T-Shirt. Tezpur ist das nächste Ziel. Die CHARAIDEW
ankert am Rande der Stadt. Diesmal kann man zu Fuß an Land gehen. Im
Brahmaputra nehmen an diesem späten Vormittag einige Inder ein religiöses
Bad. In farbenfrohen Saris steigen drei Frauen in das schlammhaltige Wasser
des Flusses. Andächtig tauchen sie ein paar Mal unter, schäumen ihre Haare
mit Seife ein. Durch die Reinheit möchte man dem Kreislauf der
Wiedergeburten entgehen und direkt zur Erlösung gelangen. Bevor die Frauen
tropfnass aus dem heiligen Fluss steigen, befüllen sie noch einen
Kunststoffkanister mit dem braunen Wasser: „Für kranke oder sterbende
Angehörige”, flüstert Udit und drängt zur
Besichtigung der Tempelruine Dah Parbatia und des Shiva-Tempels Maha
Bhairab. Auf den Straßen lärmen Tuktuks (Motoradrikschas) und Mopeds, auf
denen vierköpfige Familien sitzen, quietschen Fahrradrikschas, und heilige
Kühe wühlen im Abfall. Viele Häuser sind von Abgasen geschwärzt. Häufig
notdürftig geflickt. Ein Gewirr von Kabeln durchzieht die Gassen.
Schmuddelige, verstaubte Geschäfte bieten Gemüse, Obst, Backwaren an. Eier
schmoren in der Sonne. Verschiedene Arten von Kringeln brutzeln in großen,
runden Pfannen im Fett. Danach werden sie in aus Zeitungspapier gefaltete
Tüten gefüllt. Dort sitzt ein Schuhputzer, hier ein Schneider. An der
nächsten Ecke wird Zuckerrohr zu Saft verarbeitet. Gehwege und Straßen sind
von Menschen überfüllt. Es ist Durga-Puja-Zeit. Durga Puja ist ein hinduistisches Festival, das vor allem in Ostindien zu Ehren der Schöpfungsgöttin Durga gefeiert wird. „Göttin Durga lebt im Himalaya. Wir feiern ihren Sieg über den bösen Rakshas Mahisasura”, belehrt Udit: „Einmal im Jahr kommt Durga nach Hause, weshalb auch viele Inder aus anderen Teilen Indiens oder aus dem Ausland während dieser Tage zu ihren Familien zurückkehren”. Menschen, die es sich leisten können, machen sich Geschenke, kaufen neue Kleidung, feiern ausgiebig und genießen gutes Essen. In den Städten und Dörfern werden Zelttempel errichtet, in denen Durga-Figuren aufgestellt und fünf Tage lang religiöse Bräuche zelebriert werden. Am letzten Tag findet eine große Parade statt. Die Puppen werden auf Wagen geladen und mit lauter Musik durch die Orte gefahren. Ähnlich den Umzügen beim rheinischen Karneval. Schließlich führen alle Wege hinunter zum Brahmaputra. Auf Holzgestellen tragen mit roter Farbe, der Farbe der Freude, bemalte Männer die Skulpturen andächtig zum Wasser. Dann folgt der ergreifende Moment, in dem Durga |
voller Inbrunst dem heiligen Fluss übergeben wird
und ihre Seele für ein Jahr in den Himalaya zurückkehrt.
Im offenen Jeep fährt die Gruppe weiter in den
Kaziranga Nationalpark. Er gehört zum Weltnaturerbe der UNESCO und umfasst
430 Quadratkilometer. Im Norden wird er vom Brahmaputra begrenzt. Gleich am
Eingang grast – wie bestellt – das Wahrzeichen des Parks, das einhornige,
weiße Nashorn. 1.800 soll es im gesamten Areal geben. Eine Elefantenwaschung
im Teich und ein kurzer, schaukeliger Ritt auf Bimbos Rücken sorgen selbst
im heftigen Nieselregen für Erheiterung bei den noch wenigen Besuchern. Berühmt ist Assam aber nicht nur für Tee, sondern
auch für die goldfarbene Naturseide „Muga”.
In Kaziranga Haat betreibt Rupjyoti Saikia Gogoi eine Weberei. „Village
Weaves” nennt sich die Firma der jungen
Unternehmerin. Auf riesigen, Bambuswebrahmen fertigen zehn Frauen des Dorfes
Tischdecken, Sets, Wandbehänge, Kleidung und Gamosas, weiße Schals mit
eingewebten roten Motiven. Sie werden zu religiösen Anlässen getragen und
Gäste bekommen sie zur Begrüßung umgehängt. 180 Kilometer hat die ABN CHARAIDEW in sieben Tagen zurückgelegt. Am letzten Abend ankert das Schiff noch einmal mitten in der Natur. Früh am Morgen bringt das Beiboot die Passagiere zum Anleger Silghat. Es ist fast noch dunkel, doch erste Sonnenstrahlen zeigen sich schon in weiter Ferne über dem heiligen Fluss Brahmaputra.
Mit Lufthansa 3 x pro Woche direkt von Frankfurt
nach Kolkata (Kalkutta) www.lufthansa.com · Weiterflug nach Assam (Guwahati oder Jorhat) mit Jet Airways www.jetairways.com oder Kingfischer Airlines www.flykingfisher.com
Für Indien ist ein Reisepass erforderlich, der bei
Abreise noch mindestens sechs Monate gültig ist. Es wird ein Visum benötigt.
Ein Touristenvisum ist ab dem Ausstellungsdatum sechs Monate gültig und
berechtigt zur mehrmaligen Einreise, jedoch muss zwischen Aus- und
Wiedereinreise ein Zeitraum von zwei Monaten liegen. Kosten für ein Visum
betragen 50 Euro zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr des jeweiligen
Visa-Centers.
Subtropisches Monsunklima. Beste Reisezeit für
Ostindien: Oktober bis April. Temperaturen tagsüber bis 35 Grad, nachts 20
bis 25 Grad. Hohe Luftfeuchtigkeit. Juni bis Ende September: Regenzeit
Neben den üblichen Impfungen gegen Tetanus,
Kinderlähmung, Diphtherie und Hepatitis A wird je nach Jahreszeit für
Ostindien Malaria-Prophylaxe angeraten.
1 Euro sind etwa 60 Rupien. Die Ein- und Ausfuhr von
Rupien ist nicht erlaubt. Geldwechsel gegen Euro oder US$ ist problemlos bei
Banken, Wechselstuben und internationalen Hotels möglich.
Hindi und Englisch sowie 21 regionale Amtssprachen
und zahlreiche Dialekte.
Winterzeit MEZ + 4,5 Stunden, Sommerzeit + 3,5
Stunden
mit ABN CHARAIDEW
auf dem Brahmaputra: Assam Bengal Navigation Company, Guwahati, Assam/Indien
Comtour, Cornelius Straße 2 Lotus Travel Service, Baaderstraße
3 Phoenix Reisen, Pfälzer Straße 14
Baujahr 1973; 2003 vollständig renoviert; |
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Die ABN CHARAIDEW fährt mit maximal 24 Passagieren auf dem Brahmaputra in Assam, im Nordosten Indiens. |
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Eine Kabine auf der ABN CHARAIDEW. |
Auf dem Sonnendeck der ABN CHARAIDEW. |
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Ein Dorf am Ufer des Brahmaputra. |
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Gegen Hochwasser gerüstet: Ein Häuser auf Stelzen. |
Die Dorfbewohnerinnen weben die Stoffe für ihre Kleider selbst. |
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Dorfbewohnerinnen in ihren Saris. |
Auf dem Dorf-Markt. |
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Auf dem Blumen- und Gemüsemarkt. |
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Eine Fisch-Verkäuferin. |
Die Mädchen des Dorfes schauen skeptisch. |
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Reisfelder soweit das Auge reicht. |
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In Kaziranga Haat betreibt Rupjyoti Saikia Gogoi eine Weberei – „Village Weaves”. |
Auch im örtlichen Seidengeschäft werden ihre Stoffe verkauft. |
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Wieder auf dem Brahmaputra: Das Schiff passiert eine Rinderherde auf einer Sandbank. |
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