CRUCEROS AUSTRALIS   AUSGABE 1/2013
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Foto: Regina Fischer-Cohen

In der Allee der Gletscher.

   

Regina Fischer-Cohen Südpatagonien, Feuerland-Mystische Inselwelt

Genial, stahlblauer Himmel und Sonnenschein. Dazu vierzehn Grad Celsius bei völliger Windstille. Das straft nun wirklich alle Wetterunken Lügen. Dabei ist schon klar, dass es auch ganz anders aussehen könnte. Vier Jahreszeiten an einem einzigen Tag mit Sonne, Orkanwinden, Schnee und Regen sind in dieser Region keine Seltenheit. Doch davon hat sich niemand abschrecken lassen.

Fast 200 Menschen aus siebzehn Nationen sind diesmal im chilenischen Ausgangshafen Punta Arenas an Bord gegangen. Und keiner davon hat die lange Anreise in den äußersten Süden des Landes auf sich genommen, um sich danach fünf Tage lang faul und entspannt zwischen Kabine und Deck zu bewegen. Südpatagonien, Feuerland. Das war der Lockruf. Das ist das große Abenteuer, das jung und alt hier auf der STELLA AUSTRALIS (Schiffsportrait) vereint. Jenes mystische Labyrinth aus Fjorden, Inseln und Kanälen mit dem berühmt-berüchtigten Kap Hoorn. Sturmgepeitscht, kaum besiedelt und bis heute nicht vollends erforscht. Expeditions-Kreuzfahrt heißt es deshalb auch werbewirksam in den Broschüren von Betreiber Cruceros Australis. Was man darunter versteht, zeigt sich tags darauf.

Im letzten Licht des Tages ging es gestern hinaus auf die Magellanstraße, die bis zur Eröffnung des Panamakanals als eine der wichtigsten Handelsrouten für die Dampfschifffahrt galt. Geruhsam hat Kapitän Oscar Sheward sein schmuckes Schiff in dieser Meeresenge dann durch die Nacht gesteuert. Immer auf den Spuren des portugiesischen Seehelden Ferdinand Magellan, der den Durchschlupf vom Atlantik bis zum Pazifischen Ozean 1520 entdeckt hat. Bei einem grandiosen Sonnenaufgang im Almirantazgo Sund haben sich dann in Herrgottsfrühe die ersten Gletscher der Darwin Kordillere aus nächster Nähe gezeigt. Und jetzt? »Das bisschen Wind, das ist doch gar nichts«, lacht Eduardo, der zum mehrsprachigen Expeditions-Team gehört und mit den deutschen Passagieren soeben die Trockenübung für die Ausschiffung durchgeführt hat. »Vergesst nur nicht, das kleine Schild von eurer Schwimmweste in den Heckschrank zu hängen. Sonst wissen wir nachher nicht, wer verschollen ist, wenn beim Mittagessen einer fehlt«, ruft er seiner Truppe noch mit schelmischem Grinsen hinterher und meint es doch keineswegs im Scherz.

Kurze Zeit später saust das erste Zodiak dann auch schon mit dreizehn grellorangeleuchtenden Gestalten übers aufgewühlte Wasser dahin. Zum Glück strahlt einer an Bord absolute Souveränität und Ruhe aus. Wie alle Zodiak-Fahrer auf der STELLA AUSTRALIS ist es ein Kerl von einem Mann, dem man ansieht, dass er mit Naturgewalten umzugehen versteht. Also, kein Grund zur Panik. Nach kurzer, stürmischer Fahrt mit dem Schlauchboot kommen alle entspannt und wohlbehalten in der Ainsworth Bucht an, wo das eigentliche Abenteuer jetzt erst beginnt.

Es ist eine fast unwirkliche elysische Natur, die den Besucher hier im Alberto de Agostini Nationalpark erwartet. In der Seehundkolonie, die sich vorn in der Bucht auf einer Sandbank angesiedelt hat, gibt es heute allerdings Ärger. Revierkämpfe unter den Bullen. Da bleibt man besser fern. Stattdessen schwärmen die Guides mit ihren Gruppen aus, um weit voneinander getrennt durch einen verwunschen daliegenden Urwald zu wandern. 

»Schaut euch mal hier diese prachtvollen antarktischen Scheinbuchen an«, empfiehlt Eduardo, um dann hinter einer Biegung auf eine Fläche mit kahlen abgestorbenen Bäumen hinzuweisen. Kreuz und quer liegen die Stämme dort wie ein überdimensionales Mikado-Spiel herum. »Schuld daran«, sagt Eduardo, »sind die harmlos aussehenden kleinen Biber, die hier früher einmal einen Damm gebaut haben«. Das heißt, der eigentlich Schuldige ist wie so oft der Mensch, denn im frühen 19. Jahrhundert hatte ein Rancher auf Feuerland die Idee, Biber aus Kanada einzuführen, um die damals so begehrten Pelze zu verkaufen. 

Der Markt dafür brach schnell ein. Aber den Bibern gefiel diese Gegend, in der sie sich ohne natürliche Feinde prächtig vermehren konnten. Und so fressen sich die Tiere heute, im wahrsten Sinne des Wortes, durch die hiesige Inselwelt und gefährden mittlerweile das gesamte biologische Gleichgewicht. Da passen die bizarren Eisvögel, die am anderen Ende des Waldstücks unvermutet in der Bucht auftauchen, dann doch weitaus besser zur Landschaft. Aus abgebrochenen Eisbergen haben Sonne und Wind hier am Fuße des Marinelli Gletschers im Laufe der Zeit herrliche Riesenskulpturen geformt. Eine zartblaue Quietsche-Ente, ein Huhn ... der Fantasie des Betrachters sind keine Grenzen gesetzt.

 

Natürlich dürfen auf einer Feuerland-Expedition aber auch die echten quietsch-lebendigen Magellan-Pinguine nicht fehlen. Dumm nur, dass es wie aus Eimern schüttet, als ihre Brutkolonien auf den Tuckers Islets am Nachmittag vor uns liegen. Den Vögeln ist es egal. Mit stoischer Gelassenheit dösen sie auf den Felsen vor sich hin wie unsereiner beim Sonnenbad. Mit solch hartgesottenen Überlebenskünstlern kann und will niemand konkurrieren. Expedition hin oder her – bei gefühlten Minusgraden gehts diesmal gleich wieder zurück aufs Kreuzfahrschiff.

Auch ein Abenteurer darf sich schließlich mal bequem zurücklehnen. Beim gemütlichen Cocktail denkt manch einer dann doch etwas wehmütig an den Zwischenstopp in Santiago vor zwei Tagen zurück. Bei 29° Celsius zum Sonnenuntergang rauf auf den Cerro San Cristóbal, wo einem die chilenische Hauptstadt mit den Anden im Hintergrund malerisch zu Füßen liegt. Anschließend auf ein Gläschen Wein ins Künstler- und Szeneviertel Bellavista. Das war schon was.

Schlechte Laune kommt aber auch hier an Bord nicht auf, denn neben spannenden Vorträgen und Filmen sorgt ein buntes Abendprogramm für Abwechslung. Dabei haben wir auf dieser Kreuzfahrt besonderes Glück, denn unter den Passagieren befinden sich zwei begnadete Sänger und Musiker. Der in Paris lebende Exilchilene Jorge Radich und seine Lebensgefährtin Elisa haben ihre Gitarren dabei und untermalen diese Reise mit sehnsuchtsvollen chilenischen Balladen und Pariser Chansons aus Schönste.

Unterdessen zieht das Unwetter so schnell vorüber, wie es gekommen ist, und die Tage vergehen wie im Flug. Die Exkursion zum Pia-Gletscher, der alle entgegengefiebert haben, wird wie erwartet zum grandiosen, unvergesslichen Erlebnis. Genauso wie das plötzliche Auftauchen von drei majestätischen Buckelwalen im Ballenero Kanal. Ganz zu schweigen von der Fahrt durch die Allee der Gletscher, bei deren Anblick man als Mensch geradezu demütig wird. Bei so viel Fortune mit dem Wetter stellt sich am Ende nur die bange Frage: Wird Petrus so gnädig sein und auch noch den Landgang im UNESCO-Biosphärenreservat Cabo de Hornos ermöglichen – vielleicht sogar die Umrundung des gefürchteten Kaps, vor dem sich Pazifik und Atlantik in stürmischer Umarmung vereinen? Er wird.

Glühendes Morgenrot lässt die legendenumwobene Insel am Ende der Welt in wilder Romantik erstrahlen. »Ein seltenes Glück«, lächelt Yvan, der sich als Offizier der chilenischen Marine für ein Jahr zum Dienst auf Kap Hoorn verpflichtet hat. Ehefrau Paula steht ihm dabei tapfer zur Seite. Doppeltes Gehalt und weitere Annehmlichkeiten versüßen den beiden das selbstgewählte Eremitenleben. Doch wer wollte tauschen? 260 Tage im Jahr soll es hier aufs Extremste stürmen und regnen oder schneien. Und selbst an guten Tagen wie heute gibt es auf dem 424 Meter hohen Felsplateau nicht gerade viel zu tun.

Drei Holzstege dienen als Wanderwege, und dazu gibt es genau drei Ziele: die in die Felswand hineingearbeitete, steile Holztreppe, die an den Fuß der Klippe führt; den Leuchtturm mit Wohnhaus und kleiner Kapelle und ein gewaltiges Monument, das einen fliegenden Albatros stilisiert. Laut Mythos leben die Seelen der im Meer ertrunkenen Seefahrer in diesen Vögeln weiter. Mindestens 800 Schiffe, so schätzen Experten, liegen allein hier rund um Kap Hoorn auf dem Meeresgrund. Da zieht man dann doch besser mit den Heerscharen von Albatrossen weiter, bevor das nächste Unwetter aufkommt. Schließlich steht ja auch noch ein Landgang im geschichtsträchtigen Wulaia an, wo sich einst eine der größten Siedlungen der Yamana-Indianer befand.

Heute erinnert in der malerischen Bucht nur noch ein Museum an die Ureinwohner, die in dieser eisigen Region man mag es kaum glauben – vollkommen nackt umhergelaufen sind. Ihr einziger Schutz im Winter waren wärmende Feuer, die sie überall entfachten. Als die spanischen Eroberer die Flammen in jenen Tagen von weitem übers Meer lodern sahen, tauften sie die mystische Insel auf ihren heutigen Namen Tierra del Fuego, Feuerland.

Für uns geht das große Abenteuer dort in der argentinischen Hafenstadt Ushuaia nun leider zu Ende. »Ushuaia – Fin del Mundo – Ende der Welt«, so steht es auf dem Stempel, der jetzt den Reisepass schmückt. Geografisch natürlich nicht ganz korrekt, aber als Weltenbummler präsentiert man ihn doch voller Stolz.

Cruceros Australis

Foto: Regina Fischer-Cohen

Bei der Zwischenlandung in Santiage de Chile geht’s bei 29° Celsius rauf auf den Cerro San Cristóbal, wo einem die chilenische Hauptstadt

mit den Anden im Hintergrund malerisch zu Füßen liegt.

Foto: Regina Fischer-Cohen

Am Hafen von Punta Arenas im Süden Chiles. Hier beginnt das Abenteuer.

Foto: Regina Fischer-Cohen

Auslaufen in Punta Arenas.

 

Foto: Regina Fischer-Cohen

Ankunft am Kap Hoorn bei Sonnenaufgang.

Foto: Regina Fischer-Cohen

„Ich bin der Albatros, der am Ende der Welt auf dich wartet. Ich bin die vergessene Seele der toten Seeleute,
die zum Kap Hoorn segelten, von allen Meeren der Erde ...” – so beginnt das Gedicht von Sara Vial aus Chile.

Foto: Regina Fischer-CohenDas Denkmal für die am Kap Hoorn umgekommenen Seeleute lässt die Silhouette eines Albatros frei.

Foto: Regina Fischer-Cohen

 Auf dem Rückweg vom Denkmal der umgekommenen Seeleute.

Foto: Regina Fischer-Cohen

Ausbooten mit Zodiacs ...

 

Foto: Regina Fischer-Cohen

... und Anlandungen im Eis.

Foto: Regina Fischer-Cohen

Eine Kollonie Magellan-Pinguine auf der Isla Martillo.

 

Foto: Regina Fischer-Cohen

Drei Magellan-Pinguin-Babies.

Foto: Regina Fischer-Cohen

In Herrgottsfrühe zeigen sich die ersten Gletscher der Darwin Kordillere ...

 

Foto: Regina Fischer-Cohen

... aus nächster Nähe im ersten Licht des Tages.

Foto: Regina Fischer-Cohen

 Skulpturen aus Eis im Alberto de Agostini Nationalpark.

Foto: Regina Fischer-Cohen

 Blick über einen Scheinbuchenwald auf die STELLA AUSTRALIS.

Foto: Regina Fischer-Cohen

Annabelle und Ryan am Pia-Gletscher.

 

Foto: Regina Fischer-Cohen

Passagiere possieren am Pia-Gletscher.

Foto: Regina Fischer-Cohen
Das Glück der Fotografin: Der Pia-Gletscher kalbt.

Foto: Regina Fischer-Cohen

 Blick über einen Scheinbuchenwald auf die STELLA AUSTRALIS.

Foto: Regina Fischer-Cohen

 Die Wulaia-Bay, wo sich einst eine der größten Siedlungen der Yamana-Indianer befand.

Foto: Regina Fischer-Cohen

Mehrere majestätische Buckelwale im Ballenero Kanal.

Foto: Regina Fischer-CohenWale im Ballenero Kanal.

Foto: Regina Fischer-Cohen
Der Hafen von Ushuaia mit der STELLA AUSTRALIS.

Foto: Regina Fischer-Cohen

Für uns geht das große Abenteuer dort in der argentinischen Hafenstadt ...

 

Foto: Regina Fischer-Cohen

... Ushuaia nun leider zu Ende. »Ushuaia – Fin del Mundo – Ende der Welt«.

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Hier sehen Sie ein Video von Cruceros Australis, die diese Expeditions-Kreuzfahrten durchführt.
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