HISTORIE   AUSGABE 2/2013
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Das 
	  Denkmal von Heinrich dem Seefahrer am Tejo in Belém im Westen der 
	  portugiesischen Hauptstadt Lissabon. Er trägt eine 
	  Karavelle auf den ArmenDas Denkmal von Heinrich dem Seefahrer am Tejo in Belém im Westen der portugiesischen Hauptstadt Lissabon. Er trägt eine Karavelle auf den Armen.

   

Harald Krachler

Heinrich „der Seefahrer” – Begründer der portugiesischen Thalassokratie (Seeherrschaft)

Seefahrer vom Schlag eines Kolumbus oder Vasco da Gama war Prinz Heinrich nicht

„Talant de bien faire” (sinngemäße Übersetzung „Was du tust, versuche es gut zu tun”) lautete das Motto des kurz vor der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert geborenen portugiesischen Prinzen Dom Henrique (Heinrich) de Avis, dessen Organisationstalent und Initiative Portugal den Aufschwung seiner Handels- und Kriegsflotte, die spätere Entdeckung des Seeweges nach Indien und den darauf folgenden Aufbau seines Kolonialreiches verdankt. Trotz seines Beinamens „O Navegador”  („Seefahrer”) war Heinrich kein Seefahrer vom Schlag eines Kolumbus oder Vasco da Gama, seine Erfahrungen zur See beschränkten sich lediglich auf einige Überquerungen der Straße von Gibraltar. Er hat an keiner einzigen der von ihm ausgesandten Entdeckungsfahrten teilgenommen.

 

dieses Bild von Heinrich dem Seefahrer hängt in der 
			Nationalen Kunstgalerie in Lissabon
















Dieses Bild von Heinrich dem Seefahrer hängt in der Nationalen Kunstgalerie in Lissabon.
Foto: GFDL und Museu Nacional de Arte Antiga, Lissabon

1415 Teilnahme an der portugiesischen Eroberung von Ceuta

Heinrich wurde am 4. März 1394 in Porto als vierter Sohn von König Joao (Johann) I. (regierte 1385 bis 1433) und seiner englischen Gemahlin Philippa von Lancaster geboren. 21-jährig begleitete er seinen Vater auf dem Feldzug gegen Ceuta in Marokko, das 1415 nicht zuletzt dank Heinrichs Tapferkeit unter nur wenigen Verlusten erobert wurde. Damit hatte Portugal einen Brückenkopf im islamischen Afrika und einen wichtigen Handelsposten gewonnen. Der auf dem Schlachtfeld zum Ritter geschlagene, 1420 zum Großmeister des aus dem Templerorden (einer der im Zuge der Kreuzfahrerherrschaft im Heiligen Land gegründeten Ritterorden)  hervorgegangenen portugiesischen Christusritter-Ordens erhobene Prinz wurde zunächst Gouverneur von Viseu in Zentralportugal. Als viertgeborener Sohn hatte er kaum Chancen, dem Vater auf den Thron zu folgen. Ihn hatten aber Afrika und die See in Bann geschlagen. Bei einem zweiten Aufenthalt in Ceuta (das seit 1640 übrigens in spanischem Besitz ist) begann er, systematisch Informationen über Afrika einzuholen, so über den Gold-, Elfenbein- und Salzhandel in Guinea, über das geheimnisvolle Königreich Mali, die reiche Handelsstadt Timbuktu, usw. Außerdem sammelte er Portulare (Segelhandbücher), Seekarten und arabische Werke über Nautik, Mathematik und Geographie.

Der Wunsch, die vorhin genannten Länder auf dem Seeweg zu suchen, bildete den Ausgangspunkt seiner systematischen  Förderung der Seefahrt. Es ging auch um die Ausweitung der Handelsbeziehungen Portugals und die Brechung des Gewürzmonopols islamischer Kauffahrer. Später kam die Hoffnung hinzu, die Moslems von ihren afrikanischen Nachschubbasen abzuschneiden und mit dem im Osten, insbesondere in Äthiopien vermuteten sagenhaften christlichen Priesterkönig Johannes  in Kontakt zu treten, um die islamischen Länder von Süden her aufzurollen. Angebote aus dem übrigen Europa, als Militärberater gegen die vordringenden Türken zu fungieren, lehnte Heinrich ab.

 

Gründung einer Seefahrerschule an der Südwestspitze des europäischen Kontinents

1419 Gouverneur der Algarve geworden, gründete er auf dem meerumtosten Felsen von Sagres unmittelbar neben dem Cabo Sao Vicente, der äußersten Südwestspitze Europas, die Villa do Infante, eine Seefahrerschule mit Sternwarte. Für den Rest seines Lebens sollte dies sein Hauptquartier bleiben. Hier sammelte der Prinz einen Stab von Gelehrten, Seefahrern, Schiffbauern, Geographen, Kartographen, Ärzten und Astronomen aus Europa und der muslimischen Welt, einen echten „Brain-Trust” um sich. Marco Polos Reisebericht aus Ostasien, aber auch die Berichte des arabischen Weltreisenden Ibn Battuta wurden zu wichtigen Nachschlagewerken. Geographie, Kartographie, Astronomie, Schiffbau und Nautik  wurden auf den letzten Wissensstand gebracht, mit der so entstandenen „Datenbank”, wie man heute sagen würde, wurden die großen portugiesischen Entdeckungsfahrten wissenschaftlich vorbereitet. Davon sollten in der Folge auch andere Entdecker profitieren. Als Großmeister des Christusritter-Ordens standen Heinrich für seine weitgesteckten Pläne die reichen finanziellen Mittel und auch wissenschaftlichen Kenntnisse des Ordens zur Verfügung. Alle von ihn ausgesandten Schiffe, auch der späteren Expeditionen Portugals trugen das Symbol des Ordens, das rote Kruckenkreuz im Segel.

 

Auf dem 
	meerumtosten Felsen von Sagres unmittelbar neben dem Cabo Sao Vicente gründete Heinrich seine Seefahrerschule

Auf dem meerumtosten Felsen von Sagres unmittelbar neben dem Cabo Sao Vicente gründete Heinrich seine Seefahrerschule. Foto: GFDL Huzinho

Neuerungen in der Seefahrt und  bei der Ortsbestimmung zur See In Sagres wurden Prinzip und Bedeutung des Magnetkompasses erkannt und neue Methoden der Ortsbestimmung zur See auf der Grundlage der Messung der Sternkoordinaten eingeführt. Aus der weiteren Entwicklung arabischer Messinstrumente entstand der Sextant. Auch der Quadrant zur Bestimmung der geographischen Breite, gemessen an der Höhe des Polarsternes über dem jeweiligen Ort war den Portugiesen damals bereits bekannt. Arabische Schiffsbauer wurden angeworben, europäische Barken mit neuer, von den Arabern übernommener Segeltechnik ausgerüstet. Das Ergebnis waren drei von den Portugiesen entwickelte Schiffstypen, die im 15. und im 16.

 

Jahrhundert die Meere beherrschten: Lastensegler, Galeone, sowie die gegenüber

der Kogge schnellere und manövrierfähigere Karavelle. Bei letzterer handelte es sich um einen rahgetakelten Schiffstyp, der mit Lateinersegeln und viereckigen Segeln ausgestattet war.

Durch die vergrößerte Segelfläche wurde das Schiff schneller und manövrierfähiger, auch auf Grund des geringeren Tiefganges. Charakteristisch für die Karavelle war auch ihr hoher Aufbau am Achterdeck.  

 

Entdeckung Madeiras und der Azoren, Erforschung von Afrikas Küste bis zum heutigen Sierra Leone    

Die von Heinrich aus dem östlich von Sagres gelegenen Algarvehafen Lagos ausgesandten Kapitäne Joao Goncalves, Tristao Zarco und Tristao Teixeira entdeckten 1419/20 den Madeira-Archipel, Diego de Sevilha und andere von 1427 bis 1431 die Azoren. Dagegen misslangen mehrere Versuche, die in kastilischem Besitz befindlichen Kanarischen Inseln für Portugal zu gewinnen. Erst 1479, lange nach dem Tod Prinz Heinrichs, wurde die Herrschaft Kastiliens über diesen Archipel von Lissabon anerkannt.

Schwieriger war die Erforschung der afrikanischen Küste wegen der Angst der vielfach abergläubischen Seeleute vor den dort lauernden Gefahren. Doch nach der Bezwingung des lange als unpassierbar gehaltenen Kaps Bojador (Kap der Angst südlich der Kanarischen Inseln) 1434 durch Gil Eanes war eine „psychologische Barriere”  durchbrochen. Jetzt stand die weitere Westküste Afrikas offen.

In rascher Folge stießen die von Heinrich ausgesandten Schiffe bis 1456  zu dem wegen seiner grünen Vegetation so genannten Kap Verde („Grünes Kap” – Afrikas Westspitze) und entlang der Küste der heutigen Staaten Senegal, Gambia und Guinea vor. Man versuchte auch über die Flüsse Senegal und Gambia in das Landesinnere vorzudringen und auf diesem Weg Äthiopien zu erreichen. Dem war aber kein Erfolg beschieden. 1456 waren die östlichen, bis 1468 die westlichen Kapverdischen Inseln entdeckt worden. Bei Heinrichs Tod 1460 war die Küste des heutigen Sierra Leone erreicht.

Auch um die wirtschaftliche Erschließung der neu entdeckten Gebiete kümmerte sich Heinrich. So ließ er in Madeira Zuckerrohr aus Sizilien und Malvasia-Reben aus Kreta anpflanzen.

 

Heinrich der Seefahrer ließ auf Madeira Malvasia-Reben 
			aus Kreta anpflanzen Heinrich der Seefahrer ließ auf Madeira Malvasia-Reben aus Kreta anpflanzen.
Foto: GFDL

 

Portugiesen handelten als erste mit Negersklaven

Bei der Entsendung von Kapitänen und Mannschaften wurde oft rüde Gewalt angewendet. Die Ergebnisse der Reisen der immer wieder ausgetauschten Kapitäne, alles Vertrauensmänner Heinrichs, wurden nur im engsten Kreis diskutiert. Seekarten, Steuerkurse und Baupläne der Schiffe wurden aus Furcht, sie könnten Konkurrenten, vor allem aus Kastilien, in die Hände geraten, in geheimen Logbüchern (Roteiros) unter Verschluss gehalten. Mit der Festsetzung an Afrikas Küsten kam auch der Handel mit Negersklaven siehe auch Seite 23 auf – die ersten kamen 1443 im Hafen von Lagos an. Dieser Handel sollte bis in das 17. Jahrhundert vorwiegend in den Händen der Portugiesen bleiben. Heinrich ermutigte diesen Handel in der Absicht, dadurch Negern zur Taufe und damit zum Seelenheil zu verhelfen. Dieser Sklavenhandel wurde auch Profitmotiv für die Seefahrten.

In seinen letzten Lebensjahren musste Heinrich darangehen, seine Forschungsreisen und -projekte immer mehr auf ihre wirtschaftliche Rentabilität hin zu untersuchen. Mit dem weiteren Vordringen der Schiffe nach Süden ergaben sich Versorgungsprobleme – Stützpunkte zur Ausrüstung der Schiffe mit Proviant und Trinkwasser mussten eingerichtet werden. Dies setzte die Befriedung der an den neu entdeckten Küsten lebenden Eingeborenenstämme voraus. Wichtig war für Heinrich das 1443 gewährte Monopol, jenseits von Kap Bojador Schiffe zu entsenden. Es wurde später von den Päpsten Eugen IV. und Nikolaus V. mit der Ergänzung bestätigt, dass alle dabei neu entdeckten Länder Portugal gehören sollten. 

 

„O Navegador” starb 1460 als verschuldeter Mann

Heinrich hatte sein umfangreiches Privatvermögen so für seine Projekte eingesetzt, dass es zuletzt zur Neige ging – er starb am 13. November 1460 in Sagres als verschuldeter Mann. Auch sonst war sein Leben von Tragödien überschattet. 1437 war eine Expedition nach Tanger durch strategische Fehler Heinrichs gescheitert, die Zeche zahlte sein Bruder Fernando mit dem Tod in maurischer Haft. 1438 starb sein ältester Bruder, König Duarte (Eduard) nach nur fünfjähriger Regierung Portugals an der Pest. Im Zuge der Thronstreitigkeiten unter Duartes Sohn und Nachfolger Affonso  (Alfons; regierte 1438 bis 1481), bei denen Heinrich zu vermitteln versuchte, fiel Bruder Pedro in einer Schlacht. Die politischen Turbulenzen in Portugal sollten den Fortschritt der Entdeckungsfahrten längere Zeit behindern, erst in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts ging es dann mit Riesenschritten vorwärts: 1482 Entdeckung der Kongo-Mündung, 1487/88 Entdeckung des Kaps der Guten Hoffnung und damit der Südspitze Afrikas. 1498 war dann Indien auf dem Seeweg erreicht.

 

Heinrichs ehemalige Seefahrerschule ist heute ein Touristenzentrum

Nach seinem Tod wurde Heinrich in der zentralportugiesischen Abtei Batalha beigesetzt, wo auch andere Mitglieder seiner Familie ruhen. Batalha („Schlacht”) war zur Erinnerung an den 1385 errungenen Sieg der Portugiesen über die Kastilier in der Schlacht von Aljubarrota in prachtvollem gotischem Stil errichtet worden.

Heinrichs Seefahrerschule Villa do Infante ist heute eine Touristenattraktion, obwohl nur mehr ein Teil in stark restauriertem Zustand erhalten ist. Im Hof befindet sich eine in den Boden eingelassene Windrose von 25 Meter Durchmesser. Das eigentliche frühere Schulgebäude ist heute eine Jugendherberge. Andere erhaltene Gebäude dienen als Informationsbüro, als Souvenirgeschäft oder als Kinosaal, in dem ein Film über die portugiesischen Entdeckungsfahrten gezeigt wird.  Im benachbarten Hafen Lagos  ist als Folge des verheerenden Erdbebens von 1755 nicht mehr viel aus der Zeit Heinrichs erhalten. Sein Denkmal steht auf dem Hauptplatz am Meeresufer.

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