MIT DEM CON-RO-FRACHTER ZUM FERIENHAUS | AUSGABE 2/2013 | ||||||
Kapitän Geroud Tempelman auf seiner Honda vor seiner GENCA. |
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Dr. Peer Schmidt-Walther Weißer Riese auf Finnland-Kurs – mit mehr Segelfläche, als der größte Windjammer der Welt |
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Über die Baumkronen hinter dem Deich von Brunsbüttel
schiebt sich eine alles überragende Wand. Weithin sichtbar die meterhohen
Aufschriften TRAFEXPRESS auf dem
Wellenbrecher und TRANSFENNICA an den
Flanken. Respekt! Die GENCA und ihre
fünf Schwestern repräsentieren einen von der Stettiner Werft SSN und der
Amsterdamer Traditions-Reederei Spliethoff neuentwickelten Schiffstyp: ein
ConRo-Frachter, mit einer mächtigen 23 Meter breiten Heck- und weiteren
Innenrampen, ausgelegt sowohl für den Transport von rollender Ladung und
Containern. Nach dem Prinzip: zwei Schiffe in einem mit noch mehr
Flexibilität, Geschwindigkeit und Stärke. Das Superschiff ist meins für die nächste Woche.
Einmal Brunsbüttel-Finnland-Antwerpen und zurück. An der Seitenpforte empfängt Dritter Offizier Veiko
Simm einen Schiffsmakler und den Autor: „Nach oben müssen Sie nur den gelben
Strichen in den Gängen folgen, die auf Deck gemalt sind”, sagt der junge
Este lächelnd, als er den fragenden Blick bemerkt. Das sind die Wegweiser
für Lotsen, Trucker und Passagiere. Wobei man auch ein achtzigstufiges
Treppenhaus bewältigen muss und die Strichmarkierungen als Wegweiser
fungieren.
Richtiger Kanal-Mercedes „Geroud”, stellt sich Kapitän Tempelman
freundlich-unkompliziert vor. Dann widmet sich der Master wieder dem
Papierkram mit Unterschriften und Stempeln. Fertig ist die Prozedur für die
Kanal-Passage. Der Lotse und einer von zwei Steurern warten schon auf der
Brücke. Auch die Beiden staunen über die lichtdurchflutete, hochmoderne
Kommandozentrale der GENCA:
„Technisch-nautisch lässt sie absolut keine Wünsche offen”. Nur der
Kaffeeduft erinnert noch an die „gute alte Zeit”. „Nach der sich niemand
mehr zurücksehnt”, ist der 52-jährige Kapitän überzeugt, „wenn er ehrlich
ist und so ein Schiff wie dieses erlebt hat”. In seiner Klasse ist der
2007er-Neubau – gemeinsam mit den fünf
Schwesterschiffen – Primus im Ostseeraum und im „Kieler Kanal”, wie
ihn der Kapitän in perfektem Deutsch
mit holländischem Akzent nennt. Im Zeitlupentempo schiebt sich der 205 Meter lange
und 25,50 Meter breite Spezialfrachter aus der Schleusenkammer in den NOK.
„Mit der tiefgangsbedingt höchsten Verkehrsgruppe sechs haben wir erst mal
freie Fahrt”, erklärt der Lotse, „damit ist die GENCA
ein sogenannter Absoluter”. Der Steurer indes schwärmt vom
Manövrierverhalten: „Ein richtiger Kanal-Mercedes”. Als Passagier kann man
jederzeit auf die Brücke und den Nautikern über die Schulter schauen. „Das
mag sogar meine 78-jährige Mutter”, lächelt Kapitän Tempelman, „die ist
Frachterreise-Fan und hat schon mehr GENCA-Fahrtzeit
als mancher Dritte Offizier”. Sein Hobby sei, so bekennt er, das
Motorradfahren. Im Schiffsbauch parkt ein Honda-Oldtimer, den er stolz auf
seinem I-pad zeigt: „Damit fahre ich in jedem Hafen ein paar Runden”. Einen
Monat habe Chief-Ingenieur Koen Knuvers gebraucht, um das „Motorfahrrad”,
wie er liebevoll sagt, innen und außen wieder auf Hochglanz zu bringen. Besorgter Passagiers-Blick nach oben, denn unter den 42 Meter hohen Kanalbrücken bleiben nur noch knapp zwei Meter Luft für den Signalmast. Von unten gesehen täuscht das. Atemberaubend ist auch das weitschweifende 360-Grad-Panorama über Wiesen, Felder und Wälder von Schleswig und Holstein. Und den auf die GENCA in den Weichen wartenden Schiffen kann man problemlos in den Schornstein schauen.
Vom
tiefen Süden in den hohen Norden Überraschung beim Betreten der Kabine: unverbaubarer
Blick voraus durch zwei große Fenster über die Dächer der LKW-Trailer hinweg
– mit 180 Grad-Sicht auf den Horizont. Fast wie drei Decks höher von der
Brücke aus. Eine Doppelstock-Koje, und das Kopfkissen mit dem passenden
Aufdruck: „Less worry, more dreams”. Das wird man hier garantiert haben:
keine Sorgen und mehr Träume. Darüber freuen sich auch die sechs
mitfahrenden Fernfahrer. „Endlich mal ausschlafen können”, strahlt Andreas
aus Berlin, „und dann in die Sauna”. Er ist mit seinem Sattelzug seit drei
Tagen von der französischen Mittelmeerküste unterwegs gewesen. Ladung seines
Aufliegers mit Überlänge: eine Zehn-Tonnen-Luxusyacht für Finnland. Bei
deftigem Essen – Koch Anne Luhoff hat Pizza gebacken und sein
philippinischer Kollege Nicmar Salat und Dessert zubereitet, „lecker,
lecker” – in der Fahrer-Messe kommt man ins Gespräch und erfährt viel
Spannendes vom harten Leben auf europäischen Pisten: dass die Männer
manchmal wochenlang unterwegs sind und mit den Hürden der Bürokratie genauso
zu kämpfen haben wie mit Müdigkeit, vollen Autobahnen und Staus. „Nach dem
Schlaf kommt der Papierkram”, stöhnt der rundliche Mittvierziger, der sein
Büro in Form von Laptop und Handy immer dabei hat. Den Bordtag samt zwei Nächten auf See kann er so
voll ausnutzen, um wieder Kraft zu tanken für die nächste große Fahrt vom
hohen Norden in den tiefen Süden. Und wer als Passagier sein Auto dabei hat,
kann in Finnland einen langen Tagesausflug machen oder gleich in den Urlaub
im Land der 180.000 Seen zu machen. Hier ein Vorschlag zur Urlaubseinstimmung: Entspannen mit
Mökki – Ich greife schon mal vor Nach flotter Fahrt mit urlaubseinstimmender
Kreuzfahrtatmosphäre über die kajakruhige Ostsee. Ausschiffung in Hanko am
äußersten Südwestzipfel von Finnland. Vier geruhsame Stunden Autofahrt –
ohne deutschen Straßenstress – sind es bis zu „unserem” Ferienhaus mitten im
westkarelischen Seen-Gebiet. Die Blechlawine verflüchtigt sich Gott sei Dank
schon gleich hinter dem Hafen. Tervetuloa! Hügelauf, hügelab, durch dichtes Nadel- und
Birkenwaldspalier, windet sich das schwach befahrene Asphaltband. Immer
öfter blitzt ein Seestück von insgesamt 188.000 durchs Gehölz. Das älteste
Gestein der Welt, der granitene Baltische Schild, und die Eiszeiten standen
Pate für diese attraktive Landschaftstrilogie aus Wald, Wasser und Fels. Um überhaupt zu unserer Hütte – sie soll uns die
nächsten zwei Sommerwochen gehören – zu finden, haben wir vom Vermieterbüro
eine detaillierte Wegbeschreibung mitbekommen. Letztes Stück: eine
kilometerlange Sandpiste, auf der der Wagen ins Schleudern gerät wie im
Winter auf eisglattem Untergrund. Die Kajak-Resonanzböden verstärken das
markerschütternde Rütteln der Wellblechpiste. Undurchdringliche Staubwolken
vernebeln die Sicht nach hinten. Ende der Wüsten-Wald-Strecke. Vor uns das
mökki, unsere Blockhütte aus hellen, abgeschälten Kiefernstämmen, gleich
dahinter der See. Weit und breit kein Nachbarhaus. Das soll laut Katalog in
einem Kilometer Entfernung liegen. Da ist Stille garantiert. Erste „Amtshandlung”: Abladen der Boote und „Taufe”
mit Saima-See-Wasser. „Tervetuloa!” „Willkommen!” Die Besitzer-Familie, zu
unserem Empfang 100 Kilometer weit angereist, versucht uns dann in bestem
Finnisch und wenigen Brocken Englisch mit dem Häuschen vertraut zu machen.
Dazu gehören eine separate Schlafhütte, Ruderboot, Sauna, Herd, Kühlschrank
und Quelle im Wald. Gas, Holz und sogar Solarkraft sind unsere
Energiequellen. Bis ich deutschsprachige Gebrauchs- und
„Verhaltensanweisungen” entdecke. Beide Seiten sind zufrieden, und die
Finnen verabschieden sich, unaufhörlich lächelnd, landesüblich mit:
„Näkemin!” „Auf Wiedersehen!” Knisterndes Kaminfeuer Wir sind allein in der Wildnis. Ringsum, so Karte
und Augenschein, nur die typischen Landschaftselemente. Vor allem viel, viel
Wasser. Das ideale Kajakrevier. Früher ging so eine Tour nur per Zelt ab.
Heute, „ein bißchen älter geworden”, freuen wir uns auf das gemütliche Haus
mit seinem bescheidenen Komfort. Bei Regen in ein nasses Zelt zu kriechen –
keine wahre Freude. Nach einem langen Tages-Kajaktörn noch in der „eigenen”
Sauna zu schwitzen und anschließend vor dem knisternden Kaminfeuer zu hocken
– ein durchaus angenehmes Gefühl. Außerdem ist dies die landestypische
Urlaubsform. Der riesige 400 Kilometer lange Saimaa-See bietet so
viele Tourenmöglichkeiten – auch mit dem hauseigenen Boot, wenn man kajaklos
ist –, die vom jeweiligen Standort aus unternommen werden können. Das
Landschaftsbild ändert sich auch nicht entscheidend, so dass wir auf eine
Wanderfahrt im klassischen Sinne verzichten können. Kilometerfresserei adé.
Durch schmale Felskanäle Wir staunen, was man so alles im Umfeld einer
Finnenhütte unternehmen kann. Nach der Morgentoilette – für „das andere”
gibt’s ein Trockenklo – vom Bootssteg aus, dort liegt auch der Kahn vertäut,
gehen wir erst mal auf „Kontrolltour”, die Fischreusen nachsehen. Könnte ja
das „Abendbrot” drin sein. Auf der topografischen Karte (am besten 1:20.000)
wird ein Rundkurs abgesteckt, der mit Pausen gut abzupaddeln oder -rudern
ist. Mal geht es über den offenen See, so dass das Seayak PERO wellenfreudig
reagiert; mal durch schmale Felskanäle und an Dutzenden von Inseln vorüber.
Deren glattgeschliffene Buckel mit vom Eis ausgeschürften Einlaufbuchten
verlocken zum Anlegen. FKK-Baden im klaren See, Sonnen auf durchwärmtem
Fels, Blaubeeren- oder Pilzesammeln – oder auch nur ein entspannendes
Erholungsschläfchen halten. Die Seele vom Boot aus baumeln lassen, das läßt
sich hier trefflich machen. Zum „Fünfuhrtee”, je nach Lust und Laune, aber ohne
Uhr, machen wir wieder am heimischen Steg fest. Die Sauna soll angeheizt werden (etwa eine Stunde
braucht’s bis zur Schwitztemperatur zwischen 60 und 75 Grad Celsius);
vielleicht muss noch Holz gehackt – das ist zwar vorhanden, die Arbeit macht
aber Spaß – oder Wasser neben dem Ofen aufgefüllt werden. Mit Gänsen auf Du Zwischenspiel: Das intensive Abendlicht bietet sich
Hobbymalern an zum Aquarellieren und Fotografieren. Unsere vier
Privatinselchen rings um das Haus sind ideale Standorte dafür. Sie dienen
allerlei Vogelarten wie Kanadagänsen – sie lassen sich sogar vom Steg aus
füttern – Kranichen, seltenen Enten und Tauchern als Rast- und Ruheplätze. Übrigens: Gegen das Finnland-Vorurteil Nummer eins
„Mücken” kann man sich schützen; die Nummer zwei heißt „Kälte”. In der
Schule mal was von „kontinentaler Sommerwärme” gehört? Na, also, die hatten
wir nämlich schon ein paar Mal mit 32 Grad im Schatten „satt”. Apropos: An
Verpflegung haben wir fast alles im Auto aus Deutschland mitgenommen (in
Finnland ist so manches doch teurer, vor allem Alkoholika). Dazu kommt, dass
der nächste Laden 22 Kilometer von unserer Hütte entfernt ist. Sinnvoll
erweist es sich, schon zu Hause einen Menüplan zu erstellen, so dass wir
nicht in „Proviantnot” geraten können. Außerdem wollen wir nicht Auto
fahren. Lebensnotwendige Vitamine ergänzen wir gratis während unserer
Streiftouren direkt aus der Natur. Angel-Freaks
kommen zudem auf ihre fischigen Kosten.
Unendliches Gefühl Nach der Sauna mit Abkühlungssprüngen in den See ein
eiskaltes Helles zum Abendbrot auf der Terrasse mit Naturblick – doppelter
Genuss. Vor uns leuchten Wald und See im letzten Abendlicht. Die
Tagesabschluss-Kajakfahrt zum Sonnenuntergang muss einfach noch sein. Wir
durchschneiden die kilometerlange gleißende Sonnenbahn mitten auf dem
stillen Seespiegel. Ein unendliches Gefühl der Ruhe durchströmt uns. Ich
habe Hemmungen, dieses Bild durch Paddelschläge zu zerstören. Der hohe,
weite Mittsommernachtshimmel glüht in allen Rottönen noch lange nach,
während wir nur Wellenkreise hinterlassen. Tagesausklang bei Spiel, Büchern und Wein. Kerzen
und Kamin liefern stimmungsvoll Licht und Wärme. Die Kiefern rauschen uns in
einen kuschligen Schlaf. Doch zurück an Bord: Windjammer mit
Bord-U-Bahn Nach rund acht Stunden weitet sich die Kieler Förde zur Ostsee-Bucht. Hebel auf den Tisch. Mit 20 Knoten prescht der weiße Riese durch die Nacht. Es bläst schräg von vorn. „Das kann doch”, so Chief Knuvers „meine 25.200 kW-Doppelmotorenanlage nicht bremsen”. Wie es denn in einem engen Revier sei? „Da müsste man allerdings kräftig gegensteuern”, erklärt Andrey Prohorov, der Chief mate aus Nishni Novgorod an der Wolga. Das liege an der enormen Außenfläche von über 4000 Quadratmetern, „mehr als der größte Windjammer der Welt Segelfläche hat”.
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Veiko Simm, der Dritte, macht mit den Sicherheitseinrichtungen
vertraut: von der Brücke bis zum Schiffsboden kriecht er mit den beiden
Passagieren durchs Schiff, klettert mit ihnen ins Rettungsboot und lässt sie
tief unten im Doppelboden U-Bahn fahren. Richtig gelesen: ein Schienenroller
sieben Meter unter Wasser direkt über dem Kiel. So können die dort
verlaufenden Rohrleitungen auf Dichtigkeit gecheckt werden. Ein Job, den der
Kontrolleur im Liegen verrichten muss, weil
für den aufrechten Gang kein Platz ist. Schönster Teil
des Tages trotz Alarm Er und seine Kollegen freuen sich auf das „soziale
Sonntags-Bier” an der Bar in der Offiziersmesse, wobei auch auf den
Geburtstag vom Chief an der Bar in der Offiziersmesse angestoßen werden
soll. Der Kapitän spendiert vor dem Mittagessen auch ein Gläschen Genever.
In der Woche herrscht Alkoholverbot für die Crew, aber Dosenbier können
Passagiere für einen Euro beim friesischen Smutje Anne Luhoff kaufen. Die Appetizer in Form von Snacks mit scharfer Sauce
haben Anne und sein philippinischer Kollege Nicmar vorbereitet. „Esst nicht
zu viel davon”, warnt er, „denn das dicke Ende kommt noch”. Das besteht aus
einer Zwiebel-Tomaten-Suppe, Spargel, Bouletten, neuen Kartoffeln, Salat –
und zum Schluss ein schaumig-leichtes Erdbeer-Dessert. Ein echtes Captains
dinner. Wobei die Fische im Aquarium scheinbar neidisch zuschauen. Kapitän Tempelman verabschiedet sich mit den Worten:
„Jetzt kommt der schönste Teil des Tages” und meint den durch kein Manöver
gestörten Mittagsschlaf an dem einzigen Seetag. Aus- und Einlaufen bedeuten
für ihn immer, zu jeder Tages- und Nachtzeit auf der Brücke zu sein. An Steuerbord grüßt die felsige Nordküste mit der
Burgruine Hammershus von Bornholm herüber. Zum Abendbrot wird auch ein
schmaler Landstrich an Backbord serviert, Gotland, ein besonders schönes
Stück Schweden. Chance vor beiden Inseln, mal wieder telefonieren zu können. Alarm! Ein schwedischer SAR-Hubschrauber steht mit
knatterndem Rotor neben dem Schiff. Der Pilot ruft die Brücke. Ob sie eine
Rettungsübung machen dürfen. GENCA soll
Statist spielen. Der Kapitän checkt den Stauplan nach Gefahrgut auf dem
Wetterdeck. Alles clean, es kann losgehen. Ein Mann in orangefarbenem
Overall schwingt sich aus der Luke und baumelt an einem Stahlseil über dem
Vorschiff. An Deck klinkt er sich aus. Auf seine Handzeichen schwingt der
Pilot das Rettungsseil mehrmals in seine Nähe, bis er selbst wieder nach
oben schwebt und dabei zum Dank und Abschied winkt. Die Übung ist beendet
und die Maschine dreht wieder ab nach Gotland. „Die kleine Show-Einlage”, so
der Kapitän grinsend, „habe ich extra arrangiert”. Am Limit und Kolben wechseln Pünktlich, nach einem Seetag und zwei Nächten, kommt
am übernächsten Morgen Hanko in Sicht. Kapitän Tempelman dreht den
Frachter auf dem Teller und manövriert ihn an seinen Liegeplatz. Und das
auch noch rückwärts um die Ecke. „Bei diesem ruhigen Wetter kein Problem”,
lächelt der Kapitän entspannt, „vor allem nicht mit zwei Verstellpropellern
und je zwei 1250 kW-Bugstrahlrudern”. Einen Lotsen braucht er nicht, da er
dank seiner vielen Reisen und einer Spezialprüfung davon befreit ist.
GENCA und ihre
fünf Schwestern bewegen sich wegen ihrer Größe in diesem Hafen allerdings
schon am Limit, meint Geroud. Rapide gewachsen sei nur das Ladungsaufkommen.
Das Gelände platzt förmlich aus den Nähten und ist zugestellt mit
LKW-Trailern und Neuwagen. Klirrend und polternd krachen jetzt Ketten an
Deck, als würden Riesen daran zerren. Aber es sind nur die LKW-Trailer, die
von der Philippino-Crew befreit werden, damit sie so schnell wie möglich an
Land rollen können, wo schon die Rückladung wartet. Für Chief Koen Knuvers und seine Maschinen-Männer
tickt jetzt die Uhr. Sie müssen bis zum Auslaufen einen Kolben von der
Hauptmaschine auswechseln. Das ist Knochen- und Dreckarbeit, „aber”, so
Koen, „er hat seine Betriebsstunden erreicht, egal ob er in Ordnung ist oder
nicht”. Im „Keller” wie auch sonst glänzt die schneeweiße pikobello
gepflegte GENCA. „Hier könnte eine Braut
im Hochzeitskleid herumlaufen und dann trotzdem noch ‚rein’ vor den
Traualtar treten”, sagt der Kapitän nicht ohne Stolz, während er mit
fachmännischem Blick das Kolbenziehen beobachtet.
Zwischen Nostalgie und Modernität Gegenüber liegt seit dem späten Nachmittag der
RoRo-Frachter AURORA der Rostocker
Reederei Scandlines. Ihr Kapitän Jörg Ellner, auch er Motorradfan mit
Maschine an Bord, nutzt die Liegezeit zu einem Besuch bei seinem GENCA-Nachbarn.
Der führt seinen deutschen Kollegen stolz durch das hypermoderne Schiff. Die
Beiden kommen ins Fachsimpeln und Vergleichen. Zwischen seinem gemütlichen
Dampfer aus den Achtzigern und dem 2007er-Neubau lägen Welten, zieht Ellner
nach einer Kaffeerunde auf der Brücke Bilanz. Seine mit 30 Jahren schon fast
nostalgische AURORA behält er dabei
liebevoll im Blick. Ebenso wie die GENCA-Fahrer
das erste Schiff dieses Namens, ein kleiner Küstenfrachter aus den fünfziger
Jahren. Ihr Bild dient nun als Bildschirmschoner. „Der damalige Kapitän”,
erzählt Geroud Tempelman, „ist hier vor kurzem mitgefahren. Er war erst
skeptisch, dann aber total begeistert”. Man kann den Tag vielfältig nutzen: ob Stadtbummel,
Ostseebad, Strand- und Waldspaziergang. Oder alles zusammen. Das ist locker
zu schaffen. Selbst ein Ausflug nach Helsinki mit Bahn oder PKW. In der Zwischenzeit rollen Lastzüge an Bord, werden
3500 Tonnen Papier als tonnenschwere Rollen in den Laderäumen gestapelt.
Dazu jede Menge Container auf dem Wetterdeck, bis zu vier übereinander, und
Schwergut von jeweils 80 Tonnen Gewicht. Geladen auf Kassetten, wie die
radlosen Gestelle genannt werden. Herangeschafft von Spezialgabelstaplern.
„Das spart enorm viel Zeit”, erklärt Chief mate Andrey, der von seinem
Ladebüro aus alles überwacht und durch das Pumpen von Wasserballast für die
richtige Stabilität sorgt. Schwarzes Eis und wissbegierige Damen Etwas früher als geplant ist GENCA
fertig. Als sie gegen 21.30 Uhr deutscher Zeit ausläuft, vergoldet der
Mittsommernachtshimmel die karge Schärenlandschaft. Gefährlich lauernd
markieren sie die Fahrrinne. „Schwarzes Eis” nennt sie der Kapitän und ist
froh, dass die steinernen Walrücken achteraus bleiben. Nördlich von Gotland hüllt eine pottendicke
Nebelwand den Frachter ein. Der nimmt’s gelassen. Auf seinem Kurs zum
Nord-Ostsee-Kanal lässt er, trotz spritsparender Öko-Speed, alles hinter
sich, auch die AURORA.
Schließlich befährt GENCA eine
Express-Route. Pünktlich kommt am nächsten Morgen der rot-weiße
Leuchtturm Kiel in Sicht. Bei Nübbel hinter Rendsburg steigt nicht nur der
nächste Lotse über. Auch zwei staunende junge Frauen, die „noch nie auf
einem so großen Schiff” waren. Juristinnen der Wasser- und
Schifffahrtsdirektion Kiel, wie bei der Vorstellungsrunde zu erfahren ist.
Der Ältermann der Brüderschaft hat extra die GENCA
ausgesucht, um den Damen auf Informationstour ein Spitzenschiff vorzuführen.
In der Schleuse Brunsbüttel wird das Erlebnis noch getoppt, als in die
gegenüberliegende Kammer das Transfennica-Express-Schwesterschiff TRICA
auf Gegenkurs einläuft. Kein Traum, aber ein seltener Anblick: zwei weiße
Riesen auf Augenhöhe und Tuchfühlung. Bis sie sich zwischen Nord- und Ostsee
wieder aus den Augen verlieren.
Informationen MS GENCA Bauwerft Stocznia Szczecinska Nowa S.A. (SSN),
Szczecin/Stettin, Polen; Baujahr 2007; Indienststellung 26.5.2007; Typ ConRo
„B-201-11”; Schwesterschiffe TIMCA, KRAFTCA,
PLYCA, TRICA,
PULPCEA; Reederei: Spliethoff’s
Bevrachtingskantoor B.V., Amsterdam; 28.289 BRZ; Displacement 31.105 Tonnen;
Länge 205 Meter; Breite 25.50 Meter; Tiefgang (maximal) 8,50 Meter; Höhe
46,30 Meter; 2900 Lademeter; Container-Kapazität 640 TEU; Eisklasse 1 A
Super; Hauptmaschinen 2 x Wärtsilä 12 V46C zu je 12.600 kW; Tagesverbrauch
(bei Öko-Speed mit 75 Prozent Auslastung) rund 60 Tonnen schwefelreduziertes
Schweröl; Geschwindigkeit (maximal) 23,5 kn; Bugstrahlruder 2 x 1250 kW;
Propeller 2 x Verstellpropeller (6,20 Meter Durchmesser); Ruder 2 x
Hochleistungsruder; Stabilisatoren 2 x (6,50 x 1 Meter); Crew 21; LKW-Fahrer
12; Rufzeichen PHKD; IMO-Nr. 9307372. Route (wöchentlich): Antwerpen (Fr) - NOK (Sa) -
Hanko (Mo) - Rauma (Di) - NOK (Do) - Antwerpen (Fr); wechselnder Einsatz der
Schwesterschiffe. Gut zu wissen: Viel Seefahrt zu günstigem Preis;
freundliche Crew (Niederländer, Esten, Russen, Philippinos); gepflegte,
zweckmäßige Kabinen; jederzeit offene Brücke; sehr sauberes,
seegangsstabiles Schiff; gut bürgerliche Küche; jederzeit Kaffee, Tee und
Milch; aus dem Kühlschrank in der Messe kann man sich auch außerhalb der
Essenszeiten bedienen; Sauna und Fitnessraum; Fernsehen im
Gemeinschaftsraum; Fahrrad-, PKW- und Motorradmitnahme möglich. Buchung Seereise Frachtschiff-Touristik Kapitän Zylmann, Mühlenstraße
2, D-24376 Kappeln; Telefon 04642-96550;
www.zylmann.de – 8-Tage Rundreise 755 € pro Person in der Doppelkabine;
Doppel- als Einzelkabine 888 €. Warum Finnland-Ferienhaus-Urlaub? Eine Entscheidungshilfe Der Urlaub beginnt schon an Bord der Fähre. Die
Anfahrt zum Ferienhaus kann schon ein paar Stunden dauern, ist aber – da die
Finnen im Allgemeinen diszipliniert und langsam fahren – weitgehend
stressfrei. Was man alles tun kann: Tiere (insgesamt wenig) wie
Polartaucher, Kraniche, Greifvögel beobachten; angeln; Boot fahren, sonnen,
baden, Beeren (Blau- und Preißelbeeren, Walderdbeeren, Himbeeren), Pilze
sammeln; Holz hacken; saunieren; laufen; wandern; Spiele spielen; beim Wein
auf der Terrasse mit Naturblick oder vor dem Kamin sitzen; grillen; lesen;
schlafen. Langeweile in den finnischen Wäldern? Gibt’s nicht! Infos Ferienhaus Kartenmaterial Finnland (Topografinen Karta
1:20.000, 1:50.000, 1:100.000; Routen-Übersichtskarte 1:500.000): am besten
über die Spezial-Buchhandlung
www.geobuchhandlung.de in Kiel.
Lebensmittel Nach eigenen Vorstellungen zusammenstellen und aus
Deutschland mitnehmen, auch Getränke. Kühltasche für den Transport von
empfindlichen Produkten zu empfehlen. Küchengeräte und Geschirr sind
vorhanden. In den finnischen Supermärkten kann man seinen Proviant ergänzen
(Obst, Gemüse, Frischmilch, Fleisch etc.). Zur Erleichterung beim
Blaubeerenpflücken sollte man dort auch für rund 24 Finnmark (Kurs etwa 1:3)
das entsprechende Kämmgerät kaufen. Zu empfehlen sind außerdem frisch
geräucherte oder gebratene Saiblinge und Maränen auf den lokalen Märkten.
Kleidung So wenig wie möglich, so viel wie nötig –
Jogginganzug, Sweat- und T-shirts, Turnschuhe, Hausschuhe, Regenzeug. Mit
dem warmen Saunawasser lässt sich auch schnell etwas durchwaschen und in der
Sauna über Nacht trocknen. Ansonsten kann frau/man hüllenlos herumlaufen,
sofern man kann und mag. Bettwäsche ist mitzubringen, ebenso Körper- und
Geschirrtücher.
Dies und das Mit dem Kohleanzünder lassen sich Sauna- und
Kaminfeuer problemlos entfachen. Auch sollte man an Mückenmittel, Saunakonzentrat,
Bücher, Spiele, Kerzen, Bademantel und Badelatschen denken. Eine kleine
Hausapotheke ist ratsam. Keine Angst vor Transportproblemen: in den meisten
Autos findet all das ohne weiteres Platz. Am besten, man legt sich vorher
eine Checkliste an, die immer wieder benutzt und ergänzt werden kann.
PKW-Anfahrt: am besten mit Navi. Buchung Ferienhaus Fintouring,
www.fintouring.de – Tipp: je weiter der Abstand zum nächsten
Nachbarhaus, desto größer die Chance auf Stille und Ruhe ringsum. Auch
sollte man Hauptdurchfahrtsgebiete von Motorbooten meiden (Lärm trägt über
Wasser besonders weit), was aus Karten ersichtlich ist. Unser favorisiertes
Haus steht allein an einem 2 Kilometer langen See. |
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Die GENCA in der Schleuse Brunsbüttel. |
Die GENCA auslaufend in Brunsbüttel mit Ziel Kiel. |
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Die Rendsburger Hochbrücke voraus. |
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Schwesterschiff TRICA kommt im NOK entgegen. |
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Eine Standard-Kabine, die alle Passagiere nutzen. |
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Das Brückenhaus der GENCA ragt über finnische Schärenfelsen hinaus. |
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Blick über die Schären zur Altstadt von Hanko mit schönen alten Holzvillen. |
Am
Strand von Hanko mit Schärenfelsen und Hafenblick. |
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Blick vom Brückendeck auf den Hafen von Hanko. |
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Die große Rampe vom Wetterdeck zur Pier. |
Papierrollen werden in einem Laderaum gestaut. |
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Die Sonne und die GENCA
verabschieden sich für diesen Rückreisetag auf der Ostsee von Finnland. |
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