HISTORIE   AUSGABE 3/2013
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 Ein Gemälde von Carl Frederik Sørensen (1818-1879) stellt eine Szene der Seeschlacht bei Lissa dar: Die RN RE D’ITALIA sinkt, nachdem sie von Tegetthoffs Flaggschiff,
der SMS FERDINAND MAX gerammt worden war

Ein Gemälde von Carl Frederik Sørensen (1818-1879) stellt eine Szene der Seeschlacht bei Lissa dar: Die RN RE DITALIA sinkt, nachdem sie von Tegetthoffs Flaggschiff,

der SMS FERDINAND MAX gerammt worden war. Foto: Heeresgeschichtliches Museum, Wien

     

Harald Krachler

Admiral Wilhelm von Tegetthoff

Österreichischer Seeheld und Forschungsreisender

Admiral Baron Wilhelm von Tegetthoff, Lithographie von Joseph Kriehuber, 1866.

Admiral Baron Wilhelm von Tegetthoff, Lithographie von Joseph Kriehuber, 1866.

Foto: GFDL Sammlung Peter Geymayer

 

Achtung der Regeln, Respekt gegenüber dem Vaterland und Widerstand gegen jede Versuchung, seine eigene Person in den Vordergrund zu rücken – das waren die herausragendsten Charaktereigenschaften des Seehelden, Forschers und Reisenden Admiral Wilhelm von Tegetthoff (1827 bis 1871). Berühmt ist das im Wiener Schloss Belvedere hängende Gemälde von Anton Romako, das den von Schiffsoffizieren umgebenen Admiral auf der Kommandobrücke seines Flaggschiffes FERDINAND MAX zeigt, als er 1866 bei der Seeschlacht von Lissa den Angriffsbefehl gab: „Muß Sieg von Lissa werden. Das Bild war aber erst 1880, 19 Jahre nach Tegetthoffs Tod, gemalt worden.

 

Admiral Tegetthoff in der Seeschlacht bei Lissa.

Admiral Tegetthoff in der Seeschlacht bei Lissa.

Foto: Österreichische Galerie Belvedere, Wien

 

Früh zur Seefahrt hingezogen

Tegetthoff wurde am 23. Dezember 1827 in Marburg in der Untersteiermark (heute Maribor in Nordslowenien) als Sohn eines Stabsoffiziers geboren. Seine aus Westfalen stammenden Vorfahren waren 1765 von Kaiserin Maria Theresia in den Adelsstand erhoben worden. Früh hegte er den Wunsch, Seeoffizier zu werden. Nach dem Besuch des Gymnasiums erlernte er die italienische Sprache, um 1840 in das Marine-Kolleg (Collegio di Cadetti di Marina) in Venedig, dem damaligen Kriegshafen Österreichs einzutreten, wo Italienisch die Unterrichtssprache war. Nach fünfjährigem Studium wurde er als „effektiver Marinekadett ausgemustert und unternahm als solcher eine Reihe von Seefahrten in der Adria und im Mittelmeer. Einige dieser Fahrten dienten dem Kampf gegen damals operierende Seeräuber in den Gewässern Griechenlands.

Der Anfang 1848 während seines Dienstes auf der Korvette ADRIA zum Fregattenfähnrich, drei Monate später zum Linienschiffsfähnrich avancierte Tegetthoff hatte auch politisches Gespür: Österreichs Reaktion auf die 1848 in Venedig ausgebrochene Revolution veranlassten ihn in einem Schreiben an seinen Vater zur Bemerkung „Energie hat Österreich immer gefehlt. Als Linienschiffsfähnrich erlebte Tegetthoff seinen ersten Einsatz 1849 bei der österreichischen Blockade von Venedig, die die rebellierende „Serenissima schließlich zwang, sich wieder den Österreichern zu ergeben.

Nach weiteren längeren Reisen im Mittelmeer erhielt Tegetthoff sein erstes, selbständiges Kommando im April 1854 auf dem nach der Kaiserin benannten Segelkriegsschiff ELISABETH, mit dem er dann Fahrten an die anatolische und  syrische Küste unternahm und dabei die Auswirkungen des Krimkrieges (1854 bis 1856) in diesen Meeresregionen verfolgen konnte. Erzherzog Ferdinand Max, der Bruder Kaiser Franz Josefs und spätere Kaiser von Mexiko, seit 1854 österreichischer Marinekommandant, war auf die Fähigkeiten des jungen Mannes aufmerksam geworden.  

Aber auch Tegetthoff erwartete von den höchsten Marinestellen technische Neuerungen auf dem Sektor Kriegsschiffe. Es war die Zeit, da Schiffe, auch Kriegsschiffe, auf Dampfkraft umgerüstet wurden. 1855 entsandte ihn der Erzherzog als Kommandant des Raddampfers TAURUS zum Schutz österreichischer Handelsinteressen vor Zwischenfällen und Gewaltakten in das Donaudelta, wo die Interessen Österreichs, Russlands und des Osmanischen Reiches auf das wachsende Selbstbewußtsein der dort siedelnden Völker stießen.

 

Österreich verpasste die Erwerbung der Insel Sokotra am Südausgang des Roten Meeres

Angesichts der näherrückenden Verwirklichung des Suezkanalprojekts (die zehnjährigen von dem französischen Ingenieur Ferdinand de Lesseps nach den Plänen des Österreichers Alois Negrelli verwirklichten Bauarbeiten begannen 1859)  erkannte Erzherzog Ferdinand Max die Notwendigkeit, für Österreichs Handels- und Kriegsmarine auf der Ostasien-Route Stützpunkte einzurichten, wie es auch die anderen Seefahrtnationen bestrebt waren. Tegetthoff wurde beauftragt, sich im Roten Meer nach solchen umzusehen, dabei wurde er von arabischen Räubern gefangen genommen und erst gegen Lösegeld freigelassen. 1857 hatte Tegetthoff die Insel Sokotra am Südausgang des Roten Meeres erreicht. Sie wäre um 100.000 Taler den Arabern abzukaufen gewesen, um dort eine Flotten- und Kohlenstation einzurichten, doch die Wiener Bürokratie lehnte das ab. 1878 besetzten die Engländer Sokotra.

Nach seiner Rückkehr von der Rotmeerexpedition übernahm Tegetthoff die Leitung der ersten Sektion des Marineoberkommandos in Triest und konnte in dieser Stellung maßgeblich an der Neuorganisation der Flotte Österreichs mitwirken. So begann man in dieser Zeit, wenn auch eher zögernd, mit dem Bau gepanzerter Schiffe als kampfkräftigen Kern der Marine.

 

Reiche wissenschaftliche Ausbeute einer Brasilienreise 1859

Tegetthoff, seit 1858 Korvettenkapitän, folgte 1859 einem Angebot von Erzherzog Ferdinand Max, ihn als Adjutant auf einem Raddampfer, der ebenfalls den Namen ELISABETH trug, auf einer Reise nach Brasilien zu begleiten. Die mehrmonatige Reise, in deren Verlauf Tegetthoff auch mit dem brasilianischen Kaiser Dom Pedro II. zusammengetroffen war, erbrachte ebenso wie die zuvor beendete Weltumsegelung der Fregatte NOVARA (1857 bis 1859) eine reiche wissenschaftliche Ausbeute. Nach der Rückkehr wurde Tegetthoff in Anerkennung seiner überragenden Leistungen 1860 zum Fregattenkapitän und 1862 nach weiteren Kreuzfahrten zum Linienschiffskapitän befördert. Letzterer Rang entspricht in der deutschen Marine einem Kapitän zur See, in den Landstreitkräften dem Rang eines Oberst.

Den Seesieg bei Helgoland 1864 über die Dänen im Krieg Österreichs und Preußens gegen Dänemark um den Besitz von Schleswig-Holstein, erfocht Tegetthoff als Befehlshaber eines österreichisch-preußischen Geschwaders am 9. Mai 1864 bei Helgoland einen Sieg über eine artilleristisch und in der Tonnage überlegenen

 

Admiral Baron Wilhelm von Tegetthoff im Alter von 41 Jahren

Admiral Baron Wilhelm von Tegetthoff im Alter von 41 Jahren.

Foto: Heeresgeschichtliches Museum, Wien

 

dänischen Flotteneinheit, welche die Mündungen von Elbe und Weser blockierte. Die dänische Blockade wurde gebrochen und die Nordsee für den deutschen Handel wieder freigemacht. Auch an Land gab es österreichische und preußische Siege über die Dänen. Tegetthoff wurde zum Konteradmiral befördert, er erhielt auch das Ritterkreuz des Maria Theresien-Ordens.

Weitere Mittelmeerreisen als Geschwaderkommandant folgten, bei einer dieser Reisen konnte er die Fortschritte beim Bau des Suezkanals verfolgen. 

 

Kriegsjahr 1866 gegen Preußen und Italien

Der Plan einer Ostasienreise nach China und Japan zerschlug sich 1866 angesichts des wegen der offenen Fragen der Zukunft von Schleswig-Holstein und der Deutschen Bundes heraufziehenden Krieges mit Preußen und Italien. Das mit Preußen verbündete Italien erklärte am 20. Juni 1866 Österreich den Krieg. An Land wurden die Italiener bei Custoza am 24. Juni 1866 schwer geschlagen. Die Italiener wollten die als Schlüssel für die Beherrschung der Adria angesehene Insel Lissa (heute Vis, zu Kroatien gehörend, südwestlich von Spalato/Split) in Besitz nehmen.

Tegetthoff, am 9. Mai zum Flottenkommandant ernannt, arbeitete, immer wieder durch die Zentralstellen in Wien behindert, an der Erhöhung der Schlagkraft der den Italienern vor allem artilleristisch unterlegenen Flotte Österreichs und sammelte seine Einheiten am 23. Juni nördlich von Pola (heute Pula in Kroatien), das nach dem Verlust Venedigs 1866 zum neuen Kriegshafen Österreichs bis 1918 werden sollte: sechs Panzerschiffe (die Italiener hatten elf), vier Fregatten, eine Korvette, sieben Kanonenboote und fünf Raddampfer. Als Taktik wählte Tegetthoff den Nahkampf, verbunden mit Rammtechnik.

Bei der Rammtechnik ging es darum, mit einer Ramme, einem kräftigen, am Bug eines Kriegsschiffes unter der Wasserlinie vorspringenden Sporn (Rammsporn) oder vorspringenden Steven (Rammsteven)  ein feindliches Schiff zu rammen, d.h. dessen seitliche Außenwand zu durchstoßen. Die im Altertum angewandte Rammtechnik ist zuletzt im Amerikanischen Bürgerkrieg und bei der Seeschlacht von Lissa angewendet worden.

 

Ehrengeschenk der Stadt Triest an Tegetthoff nach seinem Seesieg bei Lissa: Es stellt Neptun dar, der ein Schiff in seinen Händen hochhält.

Ehrengeschenk der Stadt Triest an Tegetthoff nach seinem Seesieg bei Lissa: Es stellt Neptun dar, der ein Schiff in seinen Händen hochhält.

Foto: Heeresgeschichtliches Museum, Wien

 

Seesieg am 20. Juli 1866 über die italienische Flotte bei Lissa

Die von Admiral Graf Carlo Persano befehligte italienische Flotte traf am 17. Juli vor Lissa ein, alle ihre Landungsversuche wurden aber abgeschlagen. Am 20. Juli griff Tegetthoff mit seinen Kriegsschiffen die italienische Flotte an. Das von ihm persönlich befehligte Flaggschiff FERDINAND MAX (5.130 t Wasserverdrängung) rammte das Panzerschiff RE DITALIA mit seiner Wasserverdrängung von 5.700 t. Die RE DITALIA sank binnen weniger Minuten, nur wenige Besatzungsmitglieder konnten gerettet werden. Das von den Österreichern in Brand geschossene Panzerschiff PALESTRO explodierte später, mehrere andere italienische Schiffe, aber auch einige österreichische wurden schwer beschädigt. Die Italiener hatten in der über zehnstündigen Seeschlacht 612, die Österreicher nur 38 Tote zu beklagen.

Tegetthoff wurde nach der Seeschlacht zum Vizeadmiral befördert und erhielt das Kommandeurskreuz des Militär-Maria-Theresienordens, eine der höchsten militärischen Auszeichnungen des alten Österreich, während sein Gegner Persano in Florenz (der damaligen provisorischen Hauptstadt des vereinigten Italien, Rom wurde erst 1870 definitive Hauptstadt) vor ein Kriegsgericht gestellt wurde. Obwohl bei Custoza und Lissa siegreich, bestimmte die Niederlage der Österreicher gegen Preußen bei Königgrätz am 3. Juli 1866 die Friedensverhandlungen, denen zufolge Österreich die Auflösung des Deutschen Bundes anerkennen und Venetien an Italien abtreten mußte.

Nach Reisen nach Frankreich, England und in die USA, wo maritime Einrichtungen dieser Staaten studiert wurden, erhielt Tegetthoff von Kaiser Franz Josef den Auftrag, den Leichnam seines in Mexiko 1867 erschossenen Bruder Ferdinand Max, wo er zwei Jahre Kaiser war, nach Österreich zurückzubringen. Dies gelang ihm erst nach schwierigen Verhandlungen mit Mexikos Präsidenten Benito Juarez, der darauf bestand, dass Österreich als Vorleistung Mexiko als Republik anerkennen müsse. Die Überführung des Leichnams erfolgte auf der Fregatte NOVARA, mit der Ferdinand Max 1864 auch sein verhängnisvolles Abenteuer in Mexiko begonnen hatte.

Das Tegetthoff nach dem Seesieg bei Lissa verliehene Kommandeurskreuz des Maria Theresien-Ordens, die höchste militärische Auszeichnung im alten Österreich.
Das Tegetthoff nach dem Seesieg bei Lissa verliehene Kommandeurskreuz des Maria Theresien-Ordens, die höchste militärische Auszeichnung im alten Österreich.
Foto: Heeresgeschichtliches Museum, Wien

 

Zäher Kampf mit Österreichs Parlamenten und Bürokratie um das Marinebudget – Tod 1871 im Alter von erst 44 Jahren

1868 wurde Tegetthoff zum Marinekommandanten und Chef der Marinesektion des Reichskriegsministeriums in Wien ernannt. Als solcher führte er einen zähen Kampf mit der österreichischen Bürokratie und nach dem Ausgleich mit Ungarn 1867 mit den beiden Parlamenten der österreichischen und ungarischen Reichshälfte in Wien bzw. Budapest um das jährliche Marinebudget und  um die Reorganisation der Kriegsmarine. Die Betonung lag dabei auf der Neugliederung der Marinesektion, der verbesserten Ausbildung von Seeoffizieren  und Mannschaften, sowie dem Flottenbauprogramm. Seine Innovationen in der Marine blieben bis zum Ende der Donaumonarchie in Kraft.

Seine letzte längere Seefahrt unternahm Tegetthoff 1869, als er Kaiser Franz Josef  in das Heilige Land und zur Eröffnung des Suezkanals begleitete. Am 7. April 1871 starb Tegetthoff in Wien an den Folgen einer Lungenentzündung im Alter von erst 44 Jahren. Er wurde zunächst auf einen protestantischen Friedhof in Wien beigesetzt, seit 1872 ruht sein Leichnam auf dem Friedhof der Grazer Vorstadt St. Leonhard.

Die 1872 gestartete österreichisch-ungarische Polarexpedition erfolgte an Bord eines zu Ehren des Seehelden ADMIRAL TEGETTHOFF genannten Dreimast-Schoners. 1873 entdeckten die Expeditionsmitglieder in der Arktis eine Inselgruppe, die den Namen Franz Josef-Land erhielt. Der Schoner mußte aber wegen Eispressungen aufgegeben werden, mit einer Ausnahme kehrten aber alle Expeditionsteilnehmer nach Österreich zurück. Das 1877 in Pola aufgestellte Tegetthoff-Denkmal wurde in der Zwischenkriegszeit nach Graz gebracht. In Wien wurde 1886 in Anwesenheit des Kaisers auf dem verkehrsreichen Platz Praterstern im zweiten Wiener Gemeindebezirk ein Tegetthoff-Denkmal enthüllt. Der 1867 am ersten Jahrestag der Seeschlacht auf der Insel Lissa zur Erinnerung an die Schlacht und die dabei Gefallenen aufgestellte Löwe steht heute auf dem Gelände der italienischen Marineakademie in Livorno.

 

Modell des Dreimast-Schoners ADMIRAL TEGETTHOFF, mit dem die Östereichische Arktis-Expedition unter Julius Payer und Carl Weyprecht die Inselgruppe Franz-Josef-Land 1873 entdeckte.

Modell des Dreimast-Schoners ADMIRAL TEGETTHOFF, mit dem die Östereichische Arktis-Expedition unter Julius Payer und Carl Weyprecht die Inselgruppe Franz-Josef-Land 1873 entdeckte. Foto: Heeresgeschichtliches Museum, Wien

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