Admiral Baron
Wilhelm von Tegetthoff, Lithographie von Joseph Kriehuber, 1866.
Foto: GFDL Sammlung Peter
Geymayer
Achtung der Regeln, Respekt gegenüber dem Vaterland
und Widerstand gegen jede Versuchung, seine eigene Person in den Vordergrund
zu rücken – das waren die herausragendsten Charaktereigenschaften des
Seehelden, Forschers und Reisenden
Admiral Wilhelm von Tegetthoff (1827 bis 1871). Berühmt ist das im Wiener
Schloss Belvedere hängende Gemälde von Anton Romako, das den von
Schiffsoffizieren umgebenen Admiral auf der Kommandobrücke seines
Flaggschiffes FERDINAND MAX
zeigt, als er 1866 bei der
Seeschlacht von Lissa den Angriffsbefehl gab: „Muß Sieg von Lissa werden”.
Das Bild war aber erst 1880, 19 Jahre nach Tegetthoffs Tod, gemalt worden.
Admiral Tegetthoff in der Seeschlacht bei
Lissa.
Foto: Österreichische Galerie
Belvedere, Wien
Früh zur Seefahrt
hingezogen
Tegetthoff wurde am 23. Dezember 1827 in Marburg in
der Untersteiermark (heute Maribor in Nordslowenien) als Sohn eines
Stabsoffiziers geboren. Seine aus Westfalen stammenden Vorfahren waren 1765
von Kaiserin Maria Theresia in den Adelsstand erhoben worden. Früh hegte er
den Wunsch, Seeoffizier zu werden. Nach dem Besuch des Gymnasiums erlernte
er die italienische Sprache, um 1840 in das Marine-Kolleg (Collegio di
Cadetti di Marina) in Venedig, dem damaligen Kriegshafen Österreichs
einzutreten, wo Italienisch die Unterrichtssprache war. Nach fünfjährigem
Studium wurde er als „effektiver Marinekadett”
ausgemustert und unternahm als solcher eine Reihe von Seefahrten in der
Adria und im Mittelmeer. Einige dieser Fahrten dienten dem Kampf gegen
damals operierende Seeräuber in den Gewässern Griechenlands.
Der Anfang 1848 während seines Dienstes auf der
Korvette ADRIA zum Fregattenfähnrich, drei
Monate später zum Linienschiffsfähnrich avancierte Tegetthoff hatte auch
politisches Gespür: Österreichs
Reaktion auf die 1848 in Venedig ausgebrochene Revolution veranlassten ihn
in einem Schreiben an seinen Vater
zur Bemerkung „Energie hat Österreich immer gefehlt”.
Als Linienschiffsfähnrich erlebte Tegetthoff seinen ersten Einsatz
1849 bei der österreichischen Blockade von Venedig, die die rebellierende
„Serenissima”
schließlich zwang, sich wieder den Österreichern zu ergeben.
Nach weiteren längeren Reisen im Mittelmeer
erhielt Tegetthoff sein erstes, selbständiges Kommando
im April 1854 auf dem nach der
Kaiserin benannten Segelkriegsschiff ELISABETH,
mit dem er dann Fahrten an die anatolische und
syrische Küste unternahm und
dabei die Auswirkungen des Krimkrieges (1854 bis 1856)
in diesen Meeresregionen
verfolgen konnte. Erzherzog Ferdinand Max, der Bruder Kaiser Franz Josefs
und spätere Kaiser von Mexiko, seit 1854 österreichischer Marinekommandant,
war auf die Fähigkeiten des jungen Mannes aufmerksam geworden.
Aber auch Tegetthoff erwartete von den höchsten
Marinestellen technische Neuerungen auf dem Sektor Kriegsschiffe. Es war die
Zeit, da Schiffe, auch Kriegsschiffe, auf Dampfkraft umgerüstet wurden. 1855
entsandte ihn der Erzherzog als Kommandant des Raddampfers TAURUS
zum Schutz österreichischer Handelsinteressen
vor Zwischenfällen und Gewaltakten in das Donaudelta, wo die
Interessen Österreichs, Russlands und des Osmanischen Reiches
auf das wachsende Selbstbewußtsein
der dort siedelnden Völker stießen.
Österreich verpasste die Erwerbung der Insel Sokotra
am Südausgang des Roten Meeres
Angesichts der näherrückenden Verwirklichung des
Suezkanalprojekts (die zehnjährigen von dem französischen Ingenieur
Ferdinand de Lesseps nach den Plänen des Österreichers Alois Negrelli
verwirklichten Bauarbeiten begannen 1859)
erkannte Erzherzog Ferdinand Max die Notwendigkeit, für Österreichs
Handels- und Kriegsmarine auf der
Ostasien-Route Stützpunkte einzurichten,
wie es auch die anderen Seefahrtnationen bestrebt waren. Tegetthoff
wurde beauftragt, sich im Roten Meer nach solchen umzusehen, dabei wurde er
von arabischen Räubern gefangen genommen
und erst gegen Lösegeld freigelassen. 1857 hatte Tegetthoff die Insel
Sokotra am Südausgang des Roten Meeres erreicht. Sie wäre um 100.000 Taler
den Arabern abzukaufen gewesen, um dort eine Flotten- und Kohlenstation
einzurichten, doch die Wiener Bürokratie lehnte das ab. 1878 besetzten die
Engländer Sokotra.
Nach seiner Rückkehr von der Rotmeerexpedition
übernahm Tegetthoff die Leitung der ersten Sektion des Marineoberkommandos
in Triest und konnte in dieser Stellung maßgeblich
an der Neuorganisation der Flotte Österreichs
mitwirken. So begann man in dieser Zeit, wenn auch eher zögernd, mit
dem Bau gepanzerter Schiffe als kampfkräftigen Kern der Marine.
Reiche wissenschaftliche Ausbeute einer
Brasilienreise 1859
Tegetthoff, seit 1858 Korvettenkapitän, folgte 1859
einem Angebot von Erzherzog Ferdinand Max, ihn als Adjutant auf einem
Raddampfer, der ebenfalls den Namen ELISABETH
trug, auf einer Reise nach Brasilien zu begleiten. Die mehrmonatige Reise,
in deren Verlauf Tegetthoff auch mit dem brasilianischen Kaiser Dom Pedro
II. zusammengetroffen war, erbrachte ebenso wie die zuvor beendete Weltumsegelung der Fregatte NOVARA
(1857 bis 1859) eine reiche wissenschaftliche Ausbeute. Nach der Rückkehr
wurde Tegetthoff in Anerkennung seiner überragenden Leistungen
1860 zum Fregattenkapitän und 1862 nach weiteren Kreuzfahrten zum
Linienschiffskapitän befördert. Letzterer Rang entspricht in der deutschen
Marine einem Kapitän zur See, in den
Landstreitkräften dem Rang eines Oberst.
Den Seesieg bei Helgoland 1864 über die Dänen im Krieg Österreichs und
Preußens gegen Dänemark um den Besitz von Schleswig-Holstein, erfocht
Tegetthoff als Befehlshaber eines österreichisch-preußischen Geschwaders am
9. Mai 1864 bei
Helgoland einen Sieg über eine artilleristisch und in der Tonnage
überlegenen
Admiral Baron
Wilhelm von Tegetthoff im Alter von 41 Jahren.
Foto:
Heeresgeschichtliches Museum, Wien
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dänischen Flotteneinheit, welche die Mündungen von Elbe und Weser
blockierte. Die dänische Blockade wurde gebrochen und die Nordsee für den
deutschen Handel wieder freigemacht. Auch an Land gab es österreichische und
preußische Siege über die Dänen. Tegetthoff wurde zum Konteradmiral
befördert, er erhielt auch das Ritterkreuz des Maria Theresien-Ordens.
Weitere Mittelmeerreisen als Geschwaderkommandant
folgten, bei einer dieser Reisen konnte er die Fortschritte beim Bau des
Suezkanals verfolgen.
Kriegsjahr 1866 gegen Preußen und Italien
Der Plan einer Ostasienreise nach China und Japan
zerschlug sich 1866 angesichts des wegen der offenen Fragen der Zukunft von
Schleswig-Holstein und der Deutschen
Bundes heraufziehenden Krieges mit Preußen und Italien. Das mit Preußen
verbündete Italien erklärte am 20. Juni 1866 Österreich den Krieg. An Land
wurden die Italiener bei Custoza am 24. Juni 1866 schwer geschlagen. Die
Italiener wollten die als Schlüssel für die Beherrschung der Adria
angesehene Insel Lissa (heute Vis, zu Kroatien gehörend, südwestlich von
Spalato/Split) in Besitz nehmen.
Tegetthoff, am 9. Mai zum Flottenkommandant ernannt,
arbeitete, immer wieder durch die Zentralstellen in Wien behindert, an der
Erhöhung der Schlagkraft der den Italienern vor allem artilleristisch
unterlegenen Flotte Österreichs und sammelte seine Einheiten am 23. Juni
nördlich von Pola (heute Pula in Kroatien), das nach dem Verlust Venedigs
1866 zum neuen Kriegshafen Österreichs bis 1918 werden sollte: sechs
Panzerschiffe (die Italiener hatten elf), vier Fregatten, eine Korvette,
sieben Kanonenboote und fünf Raddampfer. Als Taktik wählte Tegetthoff den
Nahkampf, verbunden mit Rammtechnik.
Bei der Rammtechnik ging es darum, mit einer Ramme,
einem kräftigen, am Bug eines Kriegsschiffes
unter der Wasserlinie vorspringenden Sporn (Rammsporn) oder
vorspringenden Steven (Rammsteven)
ein feindliches Schiff zu rammen, d.h. dessen seitliche Außenwand zu
durchstoßen. Die im Altertum angewandte Rammtechnik ist zuletzt im
Amerikanischen Bürgerkrieg und bei der Seeschlacht von Lissa
angewendet worden.
Ehrengeschenk der Stadt Triest an Tegetthoff nach seinem
Seesieg bei Lissa: Es stellt Neptun dar, der ein Schiff in seinen Händen
hochhält.
Foto: Heeresgeschichtliches Museum, Wien
Seesieg am 20. Juli 1866 über die italienische
Flotte bei Lissa
Die von Admiral Graf Carlo Persano befehligte
italienische Flotte traf am 17. Juli vor Lissa ein, alle ihre
Landungsversuche wurden aber abgeschlagen. Am 20. Juli griff Tegetthoff mit
seinen Kriegsschiffen die italienische Flotte an. Das von ihm persönlich
befehligte Flaggschiff FERDINAND MAX
(5.130 t Wasserverdrängung) rammte das Panzerschiff
RE D’ITALIA
mit seiner Wasserverdrängung von 5.700 t.
Die RE D’ITALIA
sank binnen weniger Minuten, nur wenige Besatzungsmitglieder konnten
gerettet werden. Das von den Österreichern in Brand geschossene Panzerschiff
PALESTRO explodierte später, mehrere
andere italienische Schiffe, aber auch einige österreichische wurden
schwer beschädigt. Die Italiener hatten in der über zehnstündigen
Seeschlacht 612, die Österreicher nur 38 Tote zu beklagen.
Tegetthoff wurde nach der Seeschlacht zum
Vizeadmiral befördert und erhielt das Kommandeurskreuz des
Militär-Maria-Theresienordens, eine der höchsten militärischen
Auszeichnungen des alten Österreich, während sein Gegner Persano in Florenz
(der damaligen provisorischen Hauptstadt des vereinigten Italien, Rom wurde
erst 1870 definitive Hauptstadt) vor
ein Kriegsgericht gestellt wurde. Obwohl bei Custoza und Lissa siegreich,
bestimmte die Niederlage der Österreicher gegen Preußen bei Königgrätz
am 3. Juli 1866 die Friedensverhandlungen, denen zufolge Österreich
die Auflösung des Deutschen Bundes anerkennen und Venetien an Italien
abtreten mußte.
Nach Reisen nach Frankreich, England und in die USA,
wo maritime Einrichtungen dieser Staaten studiert wurden, erhielt Tegetthoff
von Kaiser Franz Josef den Auftrag, den Leichnam seines in Mexiko 1867
erschossenen Bruder Ferdinand Max, wo er zwei Jahre Kaiser war, nach
Österreich zurückzubringen. Dies gelang ihm erst nach schwierigen
Verhandlungen mit Mexikos Präsidenten Benito Juarez, der darauf bestand,
dass Österreich als Vorleistung
Mexiko als Republik anerkennen müsse. Die Überführung des Leichnams erfolgte
auf der Fregatte NOVARA, mit der Ferdinand
Max 1864 auch sein verhängnisvolles Abenteuer in Mexiko begonnen hatte.
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Das Tegetthoff nach dem Seesieg bei Lissa verliehene
Kommandeurskreuz des Maria Theresien-Ordens, die höchste
militärische Auszeichnung im alten Österreich.
Foto:
Heeresgeschichtliches Museum, Wien |
Zäher Kampf mit Österreichs Parlamenten und
Bürokratie um das Marinebudget – Tod 1871 im Alter von erst 44 Jahren
1868 wurde Tegetthoff zum Marinekommandanten und
Chef der Marinesektion des Reichskriegsministeriums in Wien ernannt. Als
solcher führte er einen zähen Kampf mit der österreichischen Bürokratie und
nach dem Ausgleich mit Ungarn 1867 mit den beiden Parlamenten der
österreichischen und ungarischen Reichshälfte in Wien bzw. Budapest um das
jährliche Marinebudget und um
die Reorganisation der Kriegsmarine. Die Betonung lag dabei auf der
Neugliederung der Marinesektion, der verbesserten Ausbildung von
Seeoffizieren und Mannschaften,
sowie dem Flottenbauprogramm. Seine Innovationen in der Marine blieben bis
zum Ende der Donaumonarchie in Kraft.
Seine letzte längere Seefahrt unternahm Tegetthoff
1869, als er Kaiser Franz Josef
in das Heilige Land und zur Eröffnung des Suezkanals begleitete. Am 7. April
1871 starb Tegetthoff in Wien an den Folgen einer Lungenentzündung im Alter
von erst 44 Jahren. Er wurde zunächst auf einen protestantischen Friedhof in
Wien beigesetzt, seit 1872 ruht sein Leichnam auf dem Friedhof der Grazer
Vorstadt St. Leonhard.
Die 1872 gestartete österreichisch-ungarische
Polarexpedition erfolgte an Bord eines zu Ehren des Seehelden ADMIRAL
TEGETTHOFF genannten Dreimast-Schoners.
1873 entdeckten die Expeditionsmitglieder in der Arktis eine Inselgruppe,
die den Namen Franz Josef-Land erhielt.
Der Schoner mußte aber wegen Eispressungen aufgegeben werden, mit
einer Ausnahme kehrten aber alle Expeditionsteilnehmer nach Österreich
zurück. Das 1877 in Pola aufgestellte Tegetthoff-Denkmal
wurde in der Zwischenkriegszeit nach Graz gebracht. In Wien wurde
1886 in Anwesenheit des Kaisers auf dem verkehrsreichen Platz Praterstern im
zweiten Wiener Gemeindebezirk ein Tegetthoff-Denkmal enthüllt. Der 1867 am
ersten Jahrestag der Seeschlacht auf der Insel Lissa zur Erinnerung an die
Schlacht und die dabei Gefallenen aufgestellte Löwe steht heute auf dem
Gelände der italienischen Marineakademie in Livorno.
Modell des
Dreimast-Schoners ADMIRAL
TEGETTHOFF,
mit dem die Östereichische Arktis-Expedition unter Julius Payer und Carl
Weyprecht die Inselgruppe Franz-Josef-Land 1873 entdeckte.
Foto: Heeresgeschichtliches Museum, Wien
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