Das alte Kopenhagener Hafenviertel Nyhavn, ist heute eine Amüsiermeile mit bunten Häusern. |
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Thomas Meins
Mit der ASTOR durch den Nord-Ostsee-Kanal |
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Tradition und Moderne liegen manchmal ganz eng beieinander. Das gilt auch fürs Kreuzfahrtgeschäft. Klassische Passagierschiffe aus dem letzten Jahrhundert müssen sich gegen aufsehenerregend gestylte Cruiseliner der neuesten Generation behaupten, Reedereien kämpfen um Stammkunden und neue Zielgruppen. An diesem Mittag in Bremerhaven liegen Tradition und Moderne einträchtig nebeneinander vertäut am Columbus Cruise Center. Die NORWEGIAN BREAKAWAY, gerade von der Meyer Werft ausgeliefert, wartet auf ihre erste Probefahrt im Atlantik. Ein paar Meter weiter liegt die ASTOR, bereit zum Auslaufen für einen Sechs-Tage-Törn nach Kopenhagen über Nord- und Ostsee. Größer könnte der Unterschied zwischen zwei Kreuzfahrtschiffen kaum sein. Die BREAKAWAY ist ein Hotelschiff mit allen Schikanen, ein schillernder Gigant. Der Rumpf ist poppig bunt angemalt, aus dem Promenadendeck ragt in schwindelerregender Höge eine Wasserutsche hervor. Die BREAKAWAY ist mit 324 Metern fast doppelt so lang wie die ASTOR. Knapp 4000 Passagiere passen rauf, die sich in 17 Restaurants, zwölf Bars und Lounges, im Wasserpark und auf einem 9-Loch-Golfplatz vergnügen sollen. Dagegen wirkt das Angebot der ASTOR (Baujahr 1987) bescheiden. Den maximal 578 Gästen stehen vier Restaurants, zwei Bars, eine Lounge und ein kleiner Außenpool zur Verfügung. Hinsichtlich Größe und Aussattung kann die ASTOR gegen Cruiseliner wie die NORWEGIAN BREAKAWAY nicht bestehen. Aber das muss sie womöglich auch gar nicht: Die ASTOR punktet mit Charme und Persönlichkeit und macht ihre Not zur Tugend. Da sie ein verhältnismäßig kleines Schiff ist, kann sie Routen befahren und Häfen anlaufen, die den dicken Pötten versperrt bleiben. Es gibt nicht viele Kreuzfahrtschiffe, die Deutschlands Ferieninsel Nummer eins anlaufen und durch die am meisten befahrene Wasserstraße der Welt dampfen. Die ASTOR kann es – sie steuert auf ihrem sechstägigen Törn durch Nord- und Ostsee Sylt an und befährt den Nord-Ostsee-Kanal. Und bevor sie in Kiel zum Ausschiffen anlegt, nimmt sie sich zwei Tage Zeit für Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen. Man kann’s auch anders ausdrücken: Für die Gäste der ASTOR ist der Weg das Ziel, wer an Bord eines Schiffes der BREAKAWAY-Klasse geht, will eigentlich nirgendwo hin. Er entscheidet sich für eine Destination, nämlich das Schiff selbst. Der Himmel ist grau, es regnet und an Deck pfeift ein ordentlicher Wind, als die ASTOR am nächsten Morgen als erste Station nach Bremerhaven Sylt erreicht. Für den Lister Hafen ist selbst die ASTOR zu groß, also ankert sie mehrere hundert Meter vor der Einfahrt. Die Crew macht zwei Tenderboote zum Übersetzen klar. Durch eine Luke im Caribic-Deck klettern die Passagiere an Bord der Nussschalen, die ganz hübsch schaukeln. 20 Minuten dauert die Überfahrt auf die Insel – Seefahrt pur. Auf dem Ausflugsprogramm stehen Wattwanderung, Sylter Aquarium und eine Inselrundfahrt mit Austern-Verkostung. Einem individuellen Landgang steht auf Sylt aber nichts im Weg. Bis zum Ablegen bleiben gut acht Stunden Zeit, und vom Lister Hafen geht’s problemlos per Linienbus Richtung Westerland. Das reicht locker für einen Bummel durch die Friedrichstraße, einen Spaziergang am Brandenburger Strand – und für eine Insel-Wanderung von Westerland über Wenningstedt nach Kampen. Dort zeigt sich die Insel von ihrer Schokoladenseite. Die Sonne bricht durch und lässt die reetgedeckten Luxusvillen auf der Wattseite des Nobelortes noch prächtiger erscheinen. Der dritte Tag auf der ASTOR steht ganz im Zeichen eines anderen Prachtbauwerks. Das Schiff passiert den Nord-Ostsee-Kanal, eine knapp 120 Jahre alte Meisterleistung der Ingenieurskunst. Das ist erst mal mit Wartezeit verbunden, denn wie so häufig, ist eine der Schleusen in Brunsbüttel defekt. Auf der Elbe stauen sich schon am Morgen die Schiffe, die die Abkürzung von der Nord- in die Ostsee über den Kanal nehmen wollen. Die ASTOR muss eine Stunde im Strom warten, ehe der Lotse an Bord kommt und die Fahrt weitergeht. Die Schleusung in der intakten großen Schleusenkammer dauert eine weitere halbe Stunde. |
von etwa acht Stunden. Den ganzen Tag über gleitet das Schiff mitten durch Schleswig-Holstein: vorbei an Marschen, Wiesen, Campingplätzen, Dörfern, Städten und faszinierenden Brücken-Bauwerken wie der Rendsburger Hochbrücke, die sich in einem weiten Halbkreis auf die Durchfahrtshöhe von 42 Metern schraubt. Auch das Wetter spielt mit, kaum einen Passagier hält es unter Deck. Sonnen-, Boots- und Promenadendeck füllen sich, die Liegen rund um den Pool am Heck sind schnell belegt. Niemand will das Spektakel der Kanalpassage verpassen. Zu sehen gibt es schließlich jede Menge: Segler tuckern im Kielwasser, Fähren huschen alle paar Kilometer von Ufer zu Ufer, entgegenkommende Frachter ziehen vorbei. Etwa 120 Schiffe passieren täglich den Nord-Ostsee-Kanal, die ASTOR ist mit ihren 178 Metern Länge eines der größeren auf dieser Wasserstraße. Bei 235 Metern und 9,5 Meter Tiefgang ist Schluss, größere Schiffe wie die NORWEGIAN BREAKAWAY müssen draußen bleiben. Die ASTOR punktet auf dieser Passage nicht nur mit ihren Abmessungen, sondern auch mit ihren klassischen Kreuzfahrer-Qualitäten. Worauf viele der modernen Cruiseliner aus Platzgründen verzichten, die ASTOR hat's: eine schöne holzbeplankte Promenade. Die Promenade liegt bei der Astor auf dem Bootsdeck und bietet steuer- und backbords windgeschützte Sonnenplätze mit bestem Panoramablick – vom Liegestuhl direkt an der Reling. Auf dem Nord-Ostsee-Kanal ist das der perfekte Platz, um die Landschaft zum Greifen nah und auf Augenhöhe an sich vorüberziehen zu lassen. Wer will, kann den Kanal-Anwohnern auf den Frühstückstisch gucken. Der perfekte Platz für den Sonnenuntergang nach dem Dinner ist wiederum die Terrasse hinter der Hanse-Bar am Heck. Zu dieser Zeit kreuzt die Astor bereits in der Ostsee Richtung Dänemark. Noch einen Cocktail, dann geht’s in die Koje. In Kopenhagen macht die ASTOR zwei Tage fest. Angesichts üblicher Kreuzfahrt-Liegezeiten von nur wenigen Stunden ist das ein echter Luxus. Wer Dänemarks Hauptstadt noch nicht kennt, hat also eine prima Gelegenheit, die Stadt am Öresund ausgiebig zu erkunden. Das klappt sogar zu Fuß, der Kreuzfahrtterminal liegt nur wenige Kilometer von der City und den meisten Sehenswürdigkeiten entfernt. Die kleine Meerjungfrau und Schloss Amalienborg, Residenz der Königsfamilie, sind sogar in Sichtweite des Liegeplatzes. Vom Schloss sind's nur wenige Minuten in das alte Hafenviertel Nyhavn, heute Amüsiermeile mit bunten Häusern, Straßencafés und Traditionsseglern, die gemütlich im Kanal dümpeln. Dahinter beginnt schon die Innenstadt mit dem Kongens Nytorv, dem größten Platz der Stadt, derzeit leider U-Bahn-Baustelle. Davon sollte sich aber niemand aufhalten lassen, denn auf der anderen Seite des königlichen Platzes schlägt das Herz Kopenhagens: der Strøget, die fast zwei Kilometer lange Flaniermeile mit zahlreichen Cafés, Restaurants und Läden. Da die ASTOR ihren Passagieren Zeit lässt, bleibt am zweiten Tag noch Gelegenheit, die Seitenstraßen am Strøget zu erkunden, etwa das Lateinerviertel rund um die Universität. Oder den Vergnügungspark Tivoli zu besuchen, Schloss Rosenborg und seinen großen Park zu bewundern oder gleich dahinter einen Bummel durch den Botanischen Garten zu machen. Tradition und Moderne treffen auch in Kopenhagen aufeinander: Neben Altstadtvierteln, historischen Schlössern und mittelalterlichen Festungsanlagen glänzt die Stadt mit grandiosen Neubauten am Ostseeufer. Eine Bootsfahrt mit der Barkasse (Startpunkt in der Innenstadt gegenüber Christiansborg) führt vorbei an an der schicken Oper mit ihrem weit auskragenden Dach, dem nachtschwarzen Kubus-Neubau der Bibliothek und dem modernen Schaupielhaus. In Kopenhagen vertragen sich Alt und Neu ganz
hervorragend. Vielleicht gelingt das auch bei der Kreuzfahrerei. Die ASTOR
und ihre Reederei TransOcean versuchen jedenfalls auf Kurs zu bleiben. Und
der führt das kleine, aber feine Schiff in diesem Sommer unter anderem nach
Grönland, Kanada und Neufundland. Dabei stößt die ASTOR
in Gegenden vor, die großen Pötten versperrt bleibt oder um die schwimmende
Hotels wie die
BREAKAWAY einen Bogen machen. Etwa ins
grönländische Umanaq jenseits des Polarkreises, oder auf dem
Sankt-Lorenz-Strom bis nach Montréal und Québec. |
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Idylle bei Kampen auf Sylt. Dort zeigt sich die Insel von
ihrer Schokoladenseite.
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Die „Nördlichste Fischbude Deutschlands“ im Hafen von List auf Sylt mit dem Slogan „Gönn Dir Gutes, gönn Dir Gosch”. |
Wartezeit ist angesagt, denn wie so häufig, ist eine der Schleusen in Brunsbüttel defekt. Die ASTOR muss eine Stunde im Strom warten, bevor es weitergeht. |
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Die Rendsburger Hochbrücke, die sich in einem weiten Halbkreis auf die Durchfahrtshöhe von 42 Metern schraubt. |
Der Kreuzfahrtterminal in Kopenhagen liegt nur wenige Kilometer von der City und den meisten Sehenswürdigkeiten entfernt. |
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Eine Bootsfahrt mit der Barkasse führt vorbei an an der schicken Oper mit ihrem weit auskragenden Dach. |
Das Hafenviertel Nyhavn mit Straßencafés und Traditionsseglern, die gemütlich im Kanal dümpeln. |
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Der Tivoli in der Innenstadt von Kopenhagen – hier der Eingang – ist ein weltbekannter Vergnügungs- und Erholungspark. |
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