7 Tage Östliches
Mittelmeer ab/bis Venedig mit Anläufen von Izmir und Istanbul – eine
Traumkreuzfahrt zwischen Okzident und Orient, sollte man meinen. Doch dann
gab es Ende Mai plötzlich Proteste und Bürgerunruhen in allen türkischen
Großstädten, und Kreuzfahrtreedereien routeten ihre Schiffe um. Sollte etwa
auch unsere Sommerreise mit der COSTA
FASCINOSA
statt zur Blauen Moschee nur bis zum Fährhafen Piräus führen?
Was waren die Zeiten
früher doch einfach. Von Bürgerunruhen in fremden Städten erfuhr man, wenn
überhaupt, erst Tage später aus der Zeitung, und wer auf Kreuzfahrt ging,
bekam auch erst mit dem Tagesprogramm, das nachts unter der Kabinentür
hindurchgeschoben wurde, davon Notiz, dass sein Schiff „aus aktuellem
Anlass” morgen auf See bleiben oder einen anderen Hafen ansteuern werde.
Doch diese Zeiten sind vorbei. Als Ende Mai im Istanbuler Gezi-Park
friedliche Demonstrationen eskalierten, dauerte es nur wenige Tage, bis der
Autor am 4. Juni aus dem Hause Costa die Nachricht erhielt, dass „seine” COSTA
FASCINOSA bereits auf der laufenden Reise
umgeroutet würde. Der Anlauf von Izmir wurde durch einen Stopp im
beschaulichen Kusadasi (5. Juni) ersetzt, und statt nach Istanbul ging es
(am 6. Juni) nach Piräus. Da waren es keine drei Wochen mehr, bis auch er am
23. Juni mitsamt Frau und Kindern an Bord des Schiffes gehen würde. Doch wohin würde die Reise überhaupt führen? Es folgten bange Minuten vor der
Tagesschau, jeden Tag vor der Reise. Die folgende Abfahrt (9. bis 16. Juni
ab Venedig) wurde planmäßig durchgeführt, doch am 15. Juni wurde der
Gezi-Park gewaltsam geräumt, und die Unruhen in den türkischen Großstädten
flammten wieder auf. Ein Blick auf Marine Traffic (ein Webportal, das
Kursverläufe von Handelsschiffen in Echtzeit dokumentiert) am 19. Juni, und
tatsächlich: Erneut änderte die COSTA FASCINOSA
ihren Kurs.
Diesmal ging es nach
Marmaris an der türkischen Südküste und abermals nach Piräus; um die
türkischen Metropolen machte man also einen großen Bogen. Da waren es noch
vier Tage bis zu unserer eigenen Reise. Würden wir nun ebenfalls nach
Marmaris fahren und die geplante Besichtigung des antiken Ephesus somit
vergessen können? Oder überhaupt nicht in die Türkei fahren? Oder besuchen
wir mitten im Hochsommer zusammen mit fünf anderen Schiffen unserer Größe
das heiße und stickige Athen, wo wir als Deutsche ohnehin nicht sonderlich
willkommen sind? Wir mussten uns überraschen lassen, was sonst blieb uns
übrig?
Never seen you
looking so awful
Venedig empfängt uns
am ersten Tag der Reise mit Traumwetter. Der Flieger ist pünktlich, der Bus
in die Innenstadt schnell, und die Gepäckaufbewahrung am Terminal kostenlos,
was will man mehr? Wo anderswo der erste Tag der Kreuzfahrt mit endlosen
Stunden in überfüllten Terminals beginnt, entdecken wir Venedig, während die
über die Toppen geflaggte COSTA FASCINOSA
im Hafen gerade mal neu proviantiert wird und die letzten Gäste noch die
Gangway verlassen. Als wir drei Stunden später zurückkehren zum „Terminal
Passeggeri”, verläuft die Einschiffung zügig, und auch die Kabine ist
schnell gefunden. Schon die Kabinenkorridore sind unheimlich breit auf der COSTA
FASCINOSA, hier muss man nicht
stehenbleiben und den Bauch einziehen, wenn jemand vorbei möchte.
Auf dem Tisch vor
dem Spiegel steht eine Flasche Sekt, und auch kleine Häppchen kommen von nun
an regelmäßig auf die Kabine. Nur um die Route des Schiffes herrscht
weiterhin Verwirrung: Je nachdem, ob man das interaktive Fernsehprogramm in
der Kabine aufruft, die Flottenpositionen der einzelnen Schiffe auf den
großen Flachbildschirmen auf den öffentlichen Decks oder einen Blick ins
gedruckte Programm wirft, geht es entweder nach Izmir und Istanbul oder eben
nach Marmaris und Piräus. Nichts Genaues weiß man also nicht. Ganz im
Gegensatz zur Seenotrettungsübung, die kommt noch vor dem Auslaufen wie das
Amen in der Kirche. Und wird auf dem Costa-Schiff aus bekannten Gründen
besonders genau genommen. Doch während die Anweisungen in fünf Sprachen
wiederholt werden, beginnen immer mehr Säuglinge zu schreien, immer mehr
Kinder zu quengeln und immer mehr auch noch so rüstige Rentner in der Enge
und der warmen Luft nach Atem zu ringen. Bis es den ersten Kreislaufkollaps
gibt und die bleiche Dame an die Reling vorgelassen wird, wo ihr etwas Luft
zugefächert wird. Alle sind froh, als die Übung endlich vorbei ist.
Die Abfahrt erfolgt
um 17:30 Uhr mit einer halben Stunde Verspätung, vor uns musste noch die MSC
FANTASIA
durch die enge Lagune von Venedig, und außerdem kommt es auf ein paar
Minuten ohnehin nicht an. Die COSTA FASCINOSA
schafft im Zweifel 23,2 Knoten, da holen wir eine halbe Stunde in der Nacht
locker wieder auf. Doch noch ist es lange nicht soweit. Zum Entdecken des
riesigen Schiffes bleibt allerdings zunächst keine Zeit, nur einen ersten
flüchtigen Eindruck können wir uns zwischen Auslaufen und Abendessen
verschaffen. Und der fällt überraschend positiv aus, denn die COSTA
FASCINOSA kommt nicht so grellbunt daher
wie auf den Prospektfotos und schon gar nicht so glitzernd und funkelnd und
übertrieben verspielt in der Inneneinrichtung wie einige ihrer (älteren)
Flottenkameradinnen. Stattdessen gibt es wohltuend harmonische
Farbkombinationen und interessante architektonische Details wie die diversen
Decksdurchbrüche. So kann man auf Deck 5 vom Kasino aus das Treiben in der
Disco auf dem Deck darunter beobachten oder auf Deck 4 achtern im kleinen
„Paradise Now”-Atrium einen Blick ins Il
Gattopardo Restaurant ein Deck tiefer werfen.
A propos Restaurant:
Wir speisen im Otto e Mezzo-Restaurant mittschiffs, wo wir einen Tisch
direkt am abends hellblau erleuchteten Bootsdeck bekommen, also mit
Meerblick. Doch statt des erwarteten Vierertisches werden wir an einen Tisch
mit sechs Plätzen platziert. Einer von uns bekommt noch einen Stuhl an den
Kopf des Tisches gestellt, so dass hier auf wenig Raum gleich zwei Familien
Platz haben. Das ist nicht schlimm, aber mit der gewohnten familiären
Intimität beim Essen ist es nun erst einmal vorbei. Auch die Kellner sind
plötzlich nicht mehr so bemüht und fröhlich wie letztes Jahr noch auf der COSTA
DELIZIOSA.
Auf der größeren FASCINOSA hat das
Abendessen im Hauptrestaurant plötzlich etwas von Massenabfertigung; die
Kellner gucken beim Servieren weg, versuchen es bei den Kindern gar nicht
erst mit kleinen Scherzen und Neckereien und wirken oftmals gestresst und
genervt. Aber vielleicht ist das auch nur der erste Abend, wo sich alles
noch einspielen muss, wenn die neuen Passagiere an Bord sind. Komisch nur,
dass auch in der Version von „Lady in red”,
die wenig später aus der Lounge hinüber zum Atrium dringt, die berühmte
Zeile verdächtig nach „Never seen you looking so awful as you did tonight”
klingt. „Awful”? Auch in Sachen englischer
Aussprache ist offenbar in den nächsten Tagen noch die berühmte „Luft nach
oben”.
Fröhliche Anarchie auf dem Pooldeck
Der nächste Morgen
beginnt entspannt, jedenfalls wenn man nicht allzu spät aufsteht und sich
das Büffetrestaurant „Tulipano Nero” dann
nur noch mit einem Großteil der über 3.000 Passagiere an Bord teilen kann.
Frühaufsteher hingegen finden nicht nur im Restaurant noch einen Tisch für
sich alleine, sondern mit etwas Glück anschließend auch noch eine Liege am
Pool. Denn auch dort sind die Plätze begehrt, zumal das Bordprogramm für
heute 32 Grad in Aussicht gestellt hat, also bestes Poolwetter. Nicht zu
vergessen übrigens die Informationsveranstaltung für die deutschsprachigen
Passagiere (9:15 Uhr im Theater, eine gehetzte Aneinanderreihung
altbekannter Informationen und Tipps) und den Hafen, den wir schließlich
auch noch anlaufen.
Um 11:30 Uhr kommen
wir in Bari an, doch das Interesse an einem Landgang hält sich nicht nur
angesichts der Hitze, sondern auch aufgrund der kurzen Liegezeit („Alle an
Bord: 14:00 Uhr”) vielerorts an Bord in
Grenzen. Und zu alledem verliert man auch noch kostbare Minuten, wenn man
sich Deck und Treppenhaus für den Landgang nicht gemerkt hat und sich
plötzlich in den Katakomben des Schiffes verirrt, während andere längst in
der Altstadt angekommen sind. Doch am Ende entschädigt uns Bari zumindest
mit einer sehenswerten Besichtigung des mittelalterlichen „Castello Svevo”,
ehe der Weg um 13 Uhr in der prallen Mittagshitze auch schon wieder zurück
zum Schiff führt.
Und an Bord
angekommen, dürfen die Kinder nun endlich die große gelbe Wasserrutsche
ausprobieren! Zumal sie trotz Beaufsichtigung und sehr gesittetem
Schwimmverhalten kurz zuvor erst aus dem Pool auf dem achteren Sonnendeck
hinauskomplimentiert worden waren. Dieser ist nun einmal ein „Adults only”-Pool,
doch mit dem „Kinder”-Pool mittschiffs ist
es leider so eine Sache. Die COSTA FASCINOSA
ist ein italienisches Schiff, und das bedeutet nicht nur viele erwachsene
Italiener an Bord, sondern auch ein stattlicher Anteil von „bambini azzuri”.
Und von denen denkt natürlich keines an geordnete Schwimmzüge von einer
Beckenseite zur anderen. Stattdessen ist das Becken praktisch zu jeder
Tageszeit völlig überfüllt, was die Halbstarken allerdings selten davon
abhält, trotzdem von allen Seiten ins Becken hinein oder vielmehr auf die
anderen planschenden Kindern drauf zuspringen. Und das natürlich unter einem
ohrenbetäubenden Gejohle und Gekreische, das selbst das Animationsprogramm
auf der anderen Seite des Decks übertönt.
Seltsamerweise
scheint dieses Chaos aber zumindest von den italienischen Eltern niemanden
zu stören, es herrscht einfach dieselbe fröhliche Anarchie, wie man sie
vermutlich auch in jedem Kindergarten zwischen Mailand und Messina antrifft.
Wobei sich die Szene ein Deck höher im Innern des Schiffes noch einmal
wiederholt. Dort befindet sich nämlich der Squok Club, das Kinderspielzimmer
der COSTA FASCINOSA,
wo die kleinen Passagiere tagsüber in die Hände erfahrener Betreuer gegeben
werden können. Doch erstens führt auf diesem ansonsten riesigen Schiff aus
unerfindlichen Gründen nur ein winzig schmaler Gang hin zum
Kinderspielzimmer, so dass sich die unzähligen Mamas und Papas (die ihre
Kinder natürlich rein zufällig immer alle zur selben Zeit abholen oder
bringen wollen) dort ständig anrempeln und auf die Füße treten. Und zweitens
ist der Squok Club so groß und der Lärm darin so ohrenbetäubend, dass die
Kinder ihren Aufruf zum Abholen selbst dann nicht hören, wenn er per
Mikrofon erfolgt. Ein Kulturschock? Nein, Alltag auf einem italienischen
Kreuzfahrtschiff.
Derweil erfreut uns
das interaktive Kabinen-Fernsehen mit einer Einladung zum Kapitänscocktail
für den frühen Abend. Überhaupt könnte man die komplette Reise hervorragend
von der Kabine aus managen und müsste auch nicht mal mehr einen Fuß an Land
setzen, um einen Eindruck von den Häfen zu bekommen. Die Webcams an Bug und
Heck sowie die Video-Aufzeichnungen der wichtigsten Bordveranstaltungen
übertragen alles Wesentliche in die vier Wände unter Deck, letzteres sogar
x-fach wiederholt. Doch zumindest die E-Mail-Funktion des Fernsehers ist
Segen und Fluch zugleich. Denn wo man früher noch kunstvoll gestaltete
Einladungskärtchen mit Unterschrift und Reederei-Logo für das Fotoalbum zu
Hause auf die Kabine bekam, hat man im 21. Jahrhundert als Erinnerung an
solche und andere Bordanlässe – nichts.
Doch das
Händeschütteln mit Giulio Valestra, dem sympathischen Kapitän der COSTA
FASCINOSA, lässt man sich natürlich
trotzdem nicht entgehen. Praktischerweise geht es danach gleich weiter zum
Abendessen im Restaurant, das sich allerdings wieder über anderthalb Stunden
hinzieht – für kleine Kinder eine qualvoll lange Zeit. Immerhin gibt es
Buntstifte zum Zeitvertreib zwischen den einzelnen Gängen, doch das Eis zum
Nachtisch kommt am Ende wieder nur halb geschmolzen auf den Tisch. Da sind
die Kinder aber mit ihren Gedanken schon längst wieder in der Bibliothek, wo
Mama und Papa einen Spiele-Abend angesetzt haben, zur Belohnung fürs
Ausruhen am Nachmittag. In der „Bestseller Library”
ist es trotz der Nähe zum lauten Atrium nicht nur angenehm ruhig, sondern
auch Meerblick kann man hier genießen. Trotzdem: Vom Schiff selber haben wir
noch immer nicht viel gesehen. Am ersten Reisetag ging es wegen der
anstrengenden Anreise früh ins Bett, und heute ist die nächtliche
Zeitumstellung schuld daran, dass irgendwann auch mit Uno- und
Quartettspielen „Finito” ist.
Griechische Idylle und bayerische
Festlichkeit
Am nächsten Tag steht das griechische Katakolon auf
dem Programm, das für seine Nähe zum antiken Olympia bekannt ist. Doch
öffentliche Verkehrsmittel dorthin gibt es nicht, weshalb sich die
Reedereien ihre organisierten Landausflüge gut bezahlen lassen. Zu gut für
das Dafürhalten des Autors, der sich stattdessen für einen Strandbummel
entlang der Tavernen des Urlaubsortes selber entscheidet. Umso größer ist
daher das Erstaunen, als es im Tagesprogramm plötzlich in eigenwilligem
Deutsch heißt: „Für alle Gäste, die keinen Ausflug gebucht haben, gibt es
ebenfalls die Möglichkeit, Olympia auf eigene Faust zu profitieren”.
Und das für nur 19 € pro Person. Super Idee, eigentlich. Allerdings steht
dort weiter: „Buchen Sie im Ausflugsbüro zwischen 7:30 Uhr und 9:00 Uhr”.
Und das ist der Haken.
Denn weder war
das Tagesprogramm am Vorabend rechtzeitig für eine eingehende Lektüre auf
der Kabine, noch wurde es vor dem Frühstück studiert, um die Tickets noch
rechtzeitig buchen zu können. Wir ärgern uns also – ob der verpassten
Gelegenheit und ob dieser unehrlichen Informationspolitik.
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Auch das Frühstück
selber wollte übrigens zuvor schon nicht richtig schmecken, was aber eher an
der aufdringlich lauten und wenig massentauglichen Musik lag und daran, dass
das angebissene Brötchen plötzlich abgeräumt wurde, nachdem der eigene Platz
in Abwesenheit ungefragt okkupiert worden war. Dabei hatte man doch nur eben
schnell eine neue Tasse Tee holen wollen.
Auf eine ganz andere
Art aufmerksam ist dagegen wenig später unser lieber Kabinensteward Neto.
Der sieht, dass wir erst spät von Bord gehen, folgert daraus, dass wir
offenbar keine organisierte Tour gebucht haben und bietet uns spontan einen
Satz Strandhandtücher für den Familienausflug an. Wir danken es ihm mit
einem Lächeln und entschwinden mitsamt Handtüchern in Richtung Landgang.
Katakolon wartet mit
der typisch griechischen Mischung aus geschäftigem Treiben rund um die Kais
und umso idyllischeren Ecken jenseits der Hafenpromenade auf.
Doch da mit uns auch
die MSC FANTASIA
im Hafen liegt, füllen sich die Gassen selbst dann schnell, wenn ein
Großteil der Kreuzfahrtpassagiere direkt unten am Kai in die Reisebusse nach
Olympia steigt. Also gibt es nur eines: An den Strand. Dort ist Platz für
alle, das Wasser verschafft Abkühlung, und kleine Fischschwärme ziehen die
Kinder in den Bann. Heiß ist es aber dennoch, daher ist niemand traurig,
dass auch hier die Liegezeit auf die Vormittagsstunden begrenzt ist und alle
um 12:30 Uhr an Bord sein müssen. Alle? Nein. Ab 12:45 Uhr wiederholt sich
das bekannte Spiel, dass über die Bordlautsprecher Herr und Frau XY aus
Kabine sowieso gebeten werden, sich an der Rezeption zu melden. Sie sind
also offenbar noch nicht an Bord.
Der Aufruf erfolgt einmal, zweimal, dreimal, dann
werden die ersten Leinen losgemacht. Das Schiff lässt sein mächtiges Typhon
über die halbe Halbinsel Peloponnes erschallen, doch noch immer taucht weder
Familie XY auf, noch wird die Gangway eingezogen. Dann endlich unter Beifall
und Gejohle von den Mitpassagieren der ersehnte Anblick. Die Vermissten
kommen den Kai entlang gerannt, die Kinder auf den Armen, wild
gestikulierend. Da ist es 13:15 Uhr, aus der akademischen Viertel- ist also
eine schlappe Dreiviertelstunde geworden. Viermal hat der Kapitän das
Schiffshorn ertönen lassen, die meisten Leinen waren längst los, und
trotzdem waren Reederei und Schiffsführung wieder einmal gnädig. Es gibt
eine saftige Ermahnung durch den Security Officer, doch dann legt die
COSTA
FASCINOSA endlich ab. Alle Mann an
Bord. Und siehe da: Auf dem Landgangsschild steht: „Departure for Izmir”.
Und auf den Computer-Bildschirmen im Schiff jetzt auch. Also doch. Unser
Schiff verlässt Katakolon und nimmt wie geplant Kurs auf die türkische
Westküste.
Der Costa-Liner ist
derweil festlich geschmückt, und zwar mit blau-weißen Fähnchen. Animations-
und Küchenteam laden auf dem Pooldeck zum „Bierfest”. Dort gibt es zwar kein
Freibier, aber das Angebot des Tages ist günstig, und natürlich dürfen auch
Schweinebraten und Sauerkraut bei dieser Gelegenheit nicht fehlen. Und vor
allem letzterer macht bekanntlich satt. Am Nachmittag stehen die Liegestühle
daher in Millimeterabständen auf den Sonnendecks. Die Leute lassen sich
halb- oder ganz nackt die Mittelmeersonne auf die Haut scheinen und dösen
bei der Umrundung der Südspitze Griechenlands friedlich vor sich hin. Selbst
das Animationsprogramm wird irgendwann eingestellt, so dass nur noch das
Gekreische der planschenden Kinder und Jugendlichen über das Pooldeck
schallt. Auch die Schlange vor der Wasserrutsche nimmt allmählich epische
Dimensionen an, was die Kinder aber nicht stört. Sie warten geduldig, und
außerdem genießen sie vom Startplatz der Rutsche aus den besten Blick über
das Pooldeck. Zu dumm nur, dass dort oben niemand eine Kamera zur Hand hat.
Am Nachmittag wartet
außerdem Hotel Manager Oscar Salvi in einem kurzen Gespräch mit
interessanten Zahlen zu „seinen” Passagieren auf. 3.690 Passagiere seien auf
dieser Reise an Bord, und das bei einer Gesamtkapazität (bei Belegung
sämtlicher Betten) des Schiffes für 3.780. Die Reise ist also ausgebucht;
schon am Einschiffungstag hatte man ein Schild mit dem Hinweis „No cabins
available” an der Rezeption aufgestellt. Und dass die COSTA
FASCINOSA ihre „reguläre”
Kapazität von 3.004 Passagieren so mühelos überschreitet, hat natürlich den
Grund, dass viele Familien mit Kindern an Bord sind, die in der Kabine der
Eltern reisen. 400 Kinder unter 12 Jahren seien es im Moment, erzählt der
„Hot Man”, dazu noch einmal 300 Teenager zwischen 12 und 18. Kein Wunder
also, dass es laut und wild zugeht auf den 14 Decks des Schiffes.
Zudem kommen 2.700
(und damit fast 75 Prozent) der Gäste aus Italien, die COSTA
FASCINOSA ist also fest in der Hand von
Bürgern des Landes, dessen Flagge das Schiff am Heck trägt. Da laufen selbst
die zweit- und drittstärksten Nationalitäten an Bord unter „Beifang”:
die 220 Deutschen etwa oder die 154 Spanier. Der Rest kommt aus aller Herren
Länder, genauso wie die Besatzung, die sich aus stolzen 1.031 Männern und
Frauen zusammensetzt. Wer auf eine familiäre Atmosphäre und persönliche
Ansprache wert legt, sollte sich daher überlegen, ob er sich mit der COSTA
FASCINOSA das richtige Schiff ausgesucht
hat. Intime Gemütlichkeit findet man jedenfalls eher auf solchen Schiffen,
die eine Nummer (oder mehr) kleiner sind als das gegenwärtige Flaggschiff
von Costa Crociere.
Und dass bei so vielen Menschen an Bord nicht alles
reibungslos verläuft, ist auch klar. Am Abend dauert es im Restaurant wieder
anderthalb Stunden, bis alle Gänge serviert und verputzt sind. Dass die
Portionen dabei klein und offenbar nicht zum Sattessen gedacht sind –
geschenkt. Aber die Butter fürs Brot fehlt nun schon den dritten Tag in
Folge, und dass eine Stunde lang niemand Wasser und Wein nachschenkt, ist
dann auch ungewöhnlich. Sind wir etwa am Katzentisch gelandet? Immerhin
singen die Kellner nun fröhlich ihre Liedchen beim Servieren, heute ist es
„Why does the Sun keep on shining?”. Draußen versinkt gerade die
untergehende Sonne am Horizont.
Massentourismus zwischen Ruinen
Als wir am nächsten
Morgen türkischen Boden betreten, kommt es uns fast wie ein kleines Wunder
vor. Die Demonstrationen und Bürgerunruhen der letzten Wochen sind
vergessen, der Landausflugsbus steht bereit, und die Ruinen des antiken
Ephesus warten. Dazu führt uns Tour-Guide Özay in perfektem Deutsch (kein
Wunder, er stammt aus Essen) noch auf der Fahrt dorthin durch die komplette
Geschichte des Osmanischen Reiches und der Türkei, auch wenn diese arg
geschönt daherkommt und einige weniger ruhmreiche Taten wie die misslungene
Eroberung Wiens und den Völkermord an den Armeniern galant unter den Tisch
fallen lässt. Doch wie sinnvoll es ist, im antiken Ephesus einen kundigen
Führer dabei zu haben, erweist sich spätestens, als wir gegen 10:30 Uhr
inmitten Dutzender anderer Reisebusse und umringt von Hunderten, wenn nicht
Tausenden, anderer Touristen am Eingang ankommen. Keine Chance, sich hier
als Einzelkämpfer seinen Weg durch die Massen zu bahnen und dann auch noch
allein mit Reiseführer „bewaffnet” in der Gluthitze die wichtigsten
Ausgrabungen finden zu wollen.
Denn allein in Izmir
liegen heute außer uns noch zwei weitere Kreuzfahrer; von den Schiffen, die
das Ephesus näher gelegene Kusadasi anlaufen, einmal ganz zu schweigen.
Insofern gleich die Führung über die antiken Kopfsteinpflaster zum Portal
der Celsus-Bibliothek der Wallfahrt eines riesigen Heeres aus lustig bunten
Sonnenhüten und ebenso farbenfrohen T-Shirts. Für die sachkundigen
Erklärungen sind wir aber dankbar, schließlich ist auch hier die Zeit knapp.
Fast zwangsläufig kommt es daher bei der Rückkehr von den Landausflügen aus
Ephesus zu Verspätungen, doch da es diesmal keine einzelnen Passagiere
betrifft, sondern ganze Busladungen, muss der Kapitän warten. Statt um 14:30
Uhr macht die
COSTA FASCINOSA
erst um 16:00 Uhr die Leinen los, da sind im Büffetrestaurant an Bord längst
keine Tische mehr frei, und an den Wasserautomaten bilden sich lange
Schlangen. Doch überall blickt man in abgekämpfte, aber zufriedene
Gesichter, zumal unten am Kai auch das erhoffte „Departure for Istanbul”
angeschlagen war. Ende gut, alles gut?
Nicht ganz, denn ein
weiteres Mal ist am Abend das Essen im Restaurant ein Ärgernis. Unter dem
Tisch gibt es blaue Flecken, weil die Kinder der Familie an unserem Tisch
ihre Beine nicht auf ihrer Hälfte behalten können; ein paar Tische weiter
schreit ein Baby unentwegt, und das nun schon den vierten Tag in Folge. Der
Parmesankäse wird auf die Pasta eher raufgeklatscht als gestreut, und der
Wein ist viel zu warm. Das Eis sowieso, aber dann fauchen sich beim
Servieren die Kellner auch noch gegenseitig an. Zu guter letzt ist auch die
Kabine noch nicht gemacht, als wir nach anderthalb Stunden vom Abendessen
zurückkehren, was dann nun doch eher selten vorkommt auf einem Schiff dieser
Größe und einer Reederei dieser Klasse. Doch im weiteren Verlauf des Abends
entschädigt uns wenigstens die Crew-Show „I have a Dream”, bei der
talentierte Besatzungsmitglieder vor großem Publikum im Theater ihre
Sanges-, Handwerks- und anderen Künste darbieten dürfen.
Die Stücke sind
anrührend emotional, doch leider gibt es keinen Moderator, der das
interessierte Publikum darüber aufklärt, wer da eigentlich gerade auf der
Bühne steht und sich die Seele aus dem Leib singt bzw. aus Obst und Gemüse
lustige Gesichter zaubert. Doch ihrem Slogan „Come and join the Show”
hat die
COSTA FASCINOSA
an diesem Abend alle Ehre gemacht, denn gerade diese Show wollte sich
natürlich niemand entgehen lassen. Nur vom Rest des abendlichen
Unterhaltungsprogramms bekommt man wieder eher wenig mit, weil morgen mit
Istanbul der Höhepunkt der Reise auf dem Programm steht. Und da will man
dann doch lieber gut ausgeschlafen in den Tag starten.
Der Orient hautnah
Das
Büffet-Restaurant öffnet seine Pforten am nächsten Morgen um 6:30 Uhr, und
das ist keine Minute zu früh. Denn zu diesem Zeitpunkt sind wir bereits
mitten im Marmarameer, die Meerenge der Dardanellen haben wir in der Nacht
passiert. Doch das Timing stimmt. Kaum sind der letzte Schluck Tee getrunken
und das letzte Stück Brötchen vertilgt, kommen auch schon die drei
berühmtesten Sehenswürdigkeiten Istanbuls in Sicht – die Blaue Moschee, die
Hagia Sophia und der Topkapi-Palast.
Und auch der nicht
enden wollende Strom an großen und kleinen Pendlerfähren, die bereits am
frühen Morgen in alle Richtungen über den Bosporus ausschwärmen, gehört zum
typischen Bild einer der wohl schönsten Hafeneinfahrten der Welt. Schnell
noch mit Sonnencreme eingecremt und die Schirmmütze aufgesetzt, und schon
geht es, frisch gestärkt, an Land. Heute stehen als Höchsttemperatur „nur”
29 Grad im Bordprogramm, doch wählen wir für unsere Erkundung Istanbuls zu
Fuß trotzdem lieber den Weg am Wasser entlang, der frischen Brise halber.
Ein Muss ist dabei
die Galatabrücke mit ihren vielen Anglern, Kaffeestuben und fliegenden
Händlern. Danach gleich links an den Anlegern der Bosporus-Fähren vorbei,
und schon steht man kurze Zeit später am Eingang zum Gülhane-Park, der den
altehrwürdigen Topkapi-Palast beherbergt. Jener versteckt sich allerdings
hinter Bäumen und dicken Mauern, doch die nächsten Sehenswürdigkeiten sind
nicht weit entfernt. Die Hagia Sophia ist schon äußerlich beeindruckend,
schreckt uns aber durch ihre nicht enden wollende Touristen-Schlange am
Eingang ab. Stattdessen besuchen wir die unterirdischen römischen Zisternen
ein paar Straßen weiter. Die warten nicht nur mit angenehm kühler Kellerluft
und überschaubaren Besuchermengen auf, sondern imponieren auch durch ihre
schiere Größe. Man mag kaum glauben, dass dieser riesige Wasserspeicher
bereits im 6. Jahrhundert angelegt wurde, um Wasser aus der näheren Umgebung
der Stadt sammeln zu können. Ein echter Geheimtipp.
Von nicht weniger
faszinierender Architektur ist wenig später auch die Blaue Moschee, doch die
für westeuropäisches Empfinden allzu aufdringlichen „Guides”
und Straßenhändler machen allein den Versuch einer Besichtigung zu einem
Spießrutenlauf. Doch wir sind im Orient – andere Länder, andere Sitten.
Nicht zuletzt die Kinder staunen und bewältigen nebenbei ein für ihre
kleinen Füße fast unmögliches Laufpensum. Denn Istanbul ist riesig; allein
der Hinweg vom Kreuzfahrtanleger zur Blauen Moschee bemisst sich auf 6
Kilometer, Um- und Schleichwege in der Altstadt nicht eingerechnet. Und dann
müssen wir ja auch noch in der Mittagshitze zurück.
Eine
Bosporus-Rundfahrt mit dem Schiff soll den müden Beinen Erholung
verschaffen, doch da ist es auch schon wieder fast 14:00 Uhr. Einstündige
Bosporus-Rundfahrten gibt es seltsamerweise nicht, und für die zweistündige
Tour würde die Zeit zu knapp werden, wenn sie nicht pünktlich ab- und wieder
anlegt. Also geht es am Ende die gleichen 6 Kilometer wieder zu Fuß zurück
zum Schiff, wo sich die Familie Erholung am und im erfreulich leeren Pool
verdient hat.
Dass es, was das
Zeitmanagement angeht, allerdings auch ganz anders gehen kann, erfährt das
ganze Schiff um 18:00 Uhr, als eigentlich „Alle an Bord”
sein sollen, damit wir ablegen können. Immerhin steht im Tagesprogramm unter
18:30 Uhr: „Die COSTA FASCINOSA
nimmt Kurs auf Dubrovnik”. Doch von wegen
...
Lesen Sie den 2. Teil dieses Berichtes in der Ausgabe 6/2013 am 1.
November.
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