Florian Herzfelds ganz persönliche Wunschziele: Hawaii, die Routen
Alaska-Mexiko und Senegal-Namibia.
Kreuzfahrtdirektor Florian Herzfeld
„Flori” wird er nur kurz, aber liebevoll genannt,
der freundlich-strahlende Riese mit dem jungenhaften Charme. Als
Kreuzfahrtdirektor hat er – bis auf Nautik und Maschine – „den Hut auf” an
Bord der MS HAMBURG. Und eine „bunte”
Biografie, die auf allen Weltmeeren stetig erweitert wurde.
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Sein Leben begann 1960 an der Spree. Die Bundeswehr
„vergaß” ihn daraufhin, „weil Berliner nicht eingezogen wurden”, lächelt er
zufrieden. Entsprechend früher konnte er sein BWL-Studium an der FH Worms
beginnen, das er als Diplom-Betriebswirt
abschloss. Doch sein Lebenstraum ließ ihn nicht los. Elfjährig
stand er in Cuxhaven an der Alten Liebe und bestaunte die HANSEATIC
(ex HAMBURG, ex MAXIM
GORKI). „Einmal auf so einem Schiff
fahren und die Welt kennenlernen”, sagt er versonnen an diese Zeit
zurückdenkend. Er fackelte nicht lange und heuerte schon während seiner
Semesterferien als Reiseleiter an: auf der Jungfernreise von MS BERLIN. 1982
startete er an Bord der COLUMBUS C (ex EUROPA
des NDL) seine erste Weltreise. 1984, nach dem Studium, holte ihn Neckermann
Seereisen auf die MAXIM GORKI,
später auch auf die FUNCHAL und die VASCO
DA GAMA.
Ende 1989 führte ihn sein Weg wieder auf die MAXIM
GORKI, jetzt für Phoenix Reisen, die er
als Junge an der Elbmündung weltsehnüchtig bewundert hatte.
Es folgte ein Zwischenspiel mit dem türkischen
Oldtimer AKDENIZ, der ursprünglich als
Kombi-Frachter fuhr. Nächster Schritt auf der Karriereleiter:
Assistant-Kreuzfahrtdirektor auf „seiner” MAXIM
GORKI.
Plantours engagierte ihn schließlich als CD (Cruise
director) für die VISTAMAR, auf der er
von 1991 bis 1998 unterwegs war. Auf dem Schiff heiratete er seine erste
Frau. Standesbeamter war der legendäre Kapitän Reimund Krüger. Nach der VISTAMAR
hängte er noch drei Monate auf der ARKONA
sowie auf der TS ALBATROS an.
2000 machte er eine Pause, weil seine erste Tochter
Vanessa eingeschult wurde. In dieser Zeit kümmerte er sich um seine kleine
Tochter und arbeitete im Vertrieb bei Swiss International Airlines.
Seine Liebe zur See war aber so groß, dass er 2005
den Weg auf die MONA LISA
fand, die Schiffsdame mit dem geheimnisvollen Lächeln. Er verließ sie 2007
für die DELPHIN VOYAGER
und DELPHIN, sowie PRINCESS
DAPHNE, wo er auch bei Delphin
Kreuzfahrten im Vertrieb arbeitete, bis die Firma 2010 in Konkurs ging.
Auf der PRINCESS DAPHNE
traf er „die Chiefpurserin seines Lebens”, die er schließlich auch
heiratete. Mariana und er haben seit Dezember 2012 zusammen eine kleine
Tochter, Felicia.
Nach dem Konkurs von Delphin Kreuzfahrten trat
Plantours wieder auf den Plan, so dass er 2011 wieder VISTAMAR-Gäste
betreuen konnte. Seit Mai 2012 sorgt er für gute Laune, Organisation und
Informationen auf MS HAMBURG.
„Floris” stolze Bilanz seither: neun Weltreisen,
diverse Karibik-, Südamerika- und Fernost-Törns; dazu 13 Antarktis-,
sieben Grönland- und 55 (!) Spitzbergen-Törns.
„Meine spezielle Liebe”, gesteht er, „sind
Expeditionskreuzfahrten”. Wie man unschwer aus seiner Reise-Bilanz ablesen
kann.
Der welterfahrene Mann hat aber auch noch
Wunschziele: Hawaii, die Routen Alaska-Mexiko und Senegal-Namibia. Privat
liegt sein Schwerpunkt jetzt auf der Familie: bei Frau und zwei Kindern.
Über Deutschland geht es dabei nicht hinaus, „wohl aber in die Heimat
meiner Frau Bulgarien”.
Was ein guter CD braucht? Herzfeld nennt nach kurzer
Überlegung vier Punkte: Menschenkenntnis, Einfühlungsvermögen,
Organisationstalent, hohe Belastbarkeit.
Diese Fähigkeiten brauche man, um die
multifunktionalen Aufgaben bei der Leitung des Gesamtbetriebes zu
bewältigen. Dazu gehören: Hotel-Department, Absprache des Routen-Timings
mit Alternativ-Angeboten sowie Ausarbeitung von Routenplänen,
Koordination der Spitzenessen, Gestaltung der
Abendprogramme (Künstler),
Einteilung der Reiseleiter, Koordination der
Tagesabläufe, Hauptansprechpartner für Gästereklamationen, als „Stimme des
Schiffes” die Ansagen und Gästeinformationen durchzuführen.
Wir wünschen Florian „Flori” Herzfeld zur Bewältigung des
Schiffsbetriebs auf der MS HAMBURG
stets ein glückliches Händchen und immer eine Handbreit Wasser unterm
persönlichen und Schiffskiel. Dr. Peer Schmidt-Walther |
Wer Kriminalromane nicht mag, die in England auf dem
Lande spielen, sollte hier nicht weiterlesen. Wer aber englisches Landleben
und klug konstruierte Geschichten liebt, wird an diesem Buch Freude der
besonderen Art haben.
Luise Berg-Ehlers gilt als exzellente Kennerin der
englischen Kultur, reist leidenschaftlich gerne durch Großbritannien und
erweist sich hier als Kennerin jener englischen Krimis, die auf dem Land
spielen und von Frauen geschrieben wurden. Agatha Christie, Dorothy Sayers,
P.D. James, Ruth Rendell, Ngaio Marsh und Daphne du Maurier sind die wohl
bekanntesten der 15 Autorinnen, die in diesem Buch vorgestellt werden. Wir
lesen, wie die Damen lebten und wie sie zum Schreiben kamen, häufig in
späteren Jahren, wenn die Kinder aus dem Haus waren oder sie ihren Männern
finanziell helfen wollten – und dabei sehr erfolgreich wurden.
Die knappen Biografien enthalten oft unbekannte
Einzelheiten wie – bei Daphne du Maurier – aus dem Eheleben der Autorin und
ihres Mannes, einem englischen General des Zweiten Weltkriegs. Wir erfahren
natürlich, wo geschrieben wurde und genießen ganz nebenbei Fotos englischer
Landschaften, wie wir sie etwa aus Zeitschriften wie „Country Life”
und „Country Living”
kennen, Idylle – auch auf Friedhöfen.
Das englische Landleben, in dem die Romane spielen,
gibt es so nicht mehr, doch wer wünschte es sich nicht wieder herbei? Die
gemütlichen Pubs, in denen das Bier noch von Hand ins Glas gepumpt wird, der
Tea Room, in dem man sich trifft, wenn das Gasthaus noch geschlossen hat?
Wer liebte nicht den kleinen Dorfladen, in dem es alles gibt, die winzige
Posthilfsstelle, die Dorfwiese, auf der Sonntags Crickett gespielt wird, die
Kirche mit einem Pfarrer, der jedes Gemeindemitglied kennt – London oder
andere Städte sind da sehr fern. Doch auch in diesem anscheinend friedlichen
Umfeld blüht der Hass und wird gemordet.
Die Verfasserin liebt nicht nur die berühmten
Kolleginnen, sondern auch die englische Küche. Man erfährt von den beiden
Arten, Scones und Clotted Tea zuzubereiten (erst Sahne und dann Marmelade
oder umgekehrt?), liest von Sandwiches mit frischen Gurken (ohne Rinde zum
Tee) und was alles in den berühmten Pimms No.1 gehört:
Zitronenlimonade oder Champagner, einige Minzblättchen, Zitrone oder besser
noch Limette, etwas Orange, Gurkenstücke und einige Erdbeeren, klein
geschnitten – so schmeckt der Sommer in England. Zwischen
diesen Appetit machenden Details geht’s dann immer wieder in
die Literaturkritik: Was macht diese Autorinnen so erfolgreich?
Das Buch ist einfühlsam und kenntnisreich
geschrieben, mit Liebe zum Detail. Und ist vergnüglich zu lesen, etwa
zwischen zwei Krimis, beim Nachmittagstee oder zum
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Gin Tonic. Die liebevolle Aufmachung und Ausstattung machen es zum idealen
Geschenk bei der nächsten Einladung zu Freunden der englischen Szene. Der
Umschlag empfiehlt zwei weitere Titel aus dem gleichen Verlag. „Elizabeth
II. – Ihr Leben auf dem Thron”
und „Was trägt die Queen, wenn sie verreist?”
Das sollte man nun wirklich wissen, wenn man sich mit Miss Marple aufs Land
begibt.
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Luise Berg-Ehlers
Mit Miss Marple aufs Land
Erschienen im Elizabeth Sandmann Verlag,
München,
ISBN 978-3-938045-77-0,
€19,95.
Mit Miss Marple aufs Land
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Tja, Hein liebt an diesen
Sommermorgen das frühe Aufwachen. Die Vorhänge im Schlafzimmer halten das
Tageslicht noch ab, werden nur etwas heller. Stille ringsum, nur
Vogelstimmen sind schon zu hören. Hein weiß, dass sich die Insektenfresser,
die Körnerfresser und die Würmerfresser zu unterschiedlichen Zeiten melden.
Das Piepsen der Mätze nimmt zu, Hein hört Meisen und Amseln heraus und
bedauert wieder mal, dass er nicht mehr Vogelstimmen
unterscheiden kann. In diesen Morgenstunden, wenn seine Herzallerliebste
noch tief schläft, denkt Hein gern nach, plant manche Reisen voraus oder
erlebt die Höhepunkte vergangener nach. Den anbrechenden Tag hat er schon am
Abend vorher bedacht, also kann er sich leisten, manchmal nur vor sich hin
zu träumen. Er hört das Gurren der Tauben, die in der Erle im Garten nisten
– und auf das Dach der kleinen Laube scheißen. Seit er zwei Bewegungsmelder am Zaun installiert
hat, die für Menschen unhörbare Töne ausstrahlen, meiden die Katzen aus der
Nachbarschaft seinen Garten. Die warnenden Töne, die Amseln oder Häher
ausstoßen, wenn eine Katze durch die Büsche streicht, hat Hein schon lange
nicht mehr gehört. Eine friedliche Welt erwacht in seinem Garten zum Licht.
Bald ist es Zeit, in die Küche zu gehen und den Early Morning Tea zu brühen.
Wenn er den, mit Sahne und Zucker gemischt, ins Schlafzimmer bringt, ist es
Zeit, die Vorhänge zu öffnen. Der Tag kann einziehen.
Doch der letzte Morgen war ganz anders. Plötzlich
durchdrang ein schriller Ton das friedliche Gezwitscher. Viermal hinter
einander schrie erschütternd laut ein junger Vogel, das allgemeine Gezirpe
wurde sofort leiser, der Schrei wiederholte sich, verstummte jäh, und es
herrschte Todesstille. Hein stand auf, schob einen Vorhang zur Seite und
entdeckte natürlich nichts. Doch er war sich sicher, ein junger Vogel war
gerade getötet worden. Hein schlich in die Küche, wissend, dass so etwas in
jedem Garten mal passieren kann. Trotzdem taten ihm der Vogel
und das Elternpaar leid.
Als er dann mit dem Tee ins Schlafzimmer
zurückkehrte, war die Herzallerliebste wach, der Tag blühte vor dem Fenster
und der Vogelchor jubelte wieder, als sei nichts geschehen, in den Tag
hinein.
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Tja, es ist Sommer
in der Stadt, Ferienzeit. Heins Freunde sind verreist, er wird mit seiner
Herzallerliebsten erst nach der Hochsaison an
Bord gehen und erlebt so eine Stadt, die seltsam leer ist. Keine
Staus vor Ampeln oder Kreiseln, mäßig volle Parkhäuser und immer wieder
Gruppen von Menschen, die mit schräg nach oben gewandten Gesichtern über den
Markt und durch die Straßen wandern. Manchen sieht man an der Bräune des
Gesichts an, dass sie wohl von Bord her einen Ausflug machen. Wenn dann noch
die Schönheit der Stadt in einer fremden Sprache erklärt wird, ist Hein
sicher, es können nur Schiffsgäste sein.
Er selber ist also Objekt einer Beobachtung, er, der
sonst gern auf Reisen Fremde anschaut. Er stellt sich dann manchmal neben
die Gruppe und blickt neugierig zur Fassade des Rathauses hoch, das zum
Welterbe gehört. Oft hört er Unverständliches, das er für Japanisch oder
Chinesisch hält. Kameras klicken ja nicht mehr, sind überall und
unterbrochen im Einsatz. Wenn sich eine Gruppe Asiaten vor einer
Sehenswürdigkeit aufstellt und sich von einem je wechselnden Mitglied
mehrmals fotografieren lässt, handelt es sich meistens um Japaner, hat Hein
mal gehört. Bei solchem Anblick denkt er immer an seine eigenen
Reisen, wenn er in einer Gruppe durch ferne Orte wandert. Fallen wir auch so
auf, woran erkennt man uns als Deutsche, woran andere Europäer? Sind die
Schiffsgäste aus der Stadt verschwunden, übernehmen sehr junge Fremde ihre
Stelle. Nur an ihren Gesichtern kann man ihre Herkunft erkennen, denn die
Kleidung der jungen Leute ist in aller Welt gleich. Hein erinnert sich, dass
es mit den Jeans angefangen hat. Sie waren das erste Kleidungsstück, das
plötzlich weltweit von allen jungen Leuten getragen wurde.
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Tja, was man nicht
kennt, sieht man nicht. Aber nicht alles, was man kennenlernen will, kann
man auch finden. Hein hält viel davon, seine Reisen gut vorzubereiten,
also über das zu lesen, ob auf Papier oder auf dem Schirm, was er besuchen
wird. Natürlich weiß er, dass es an Bord immer einen gedruckten
Reiseführer und auch einführende Vorträge und Filme gibt. Doch Hein ist
von Natur aus neugierig und möchte schon vor Beginn der Reise viel
erfahren. Denn, so sagt er sich, hier an Land kann er noch beschaffen, was
ihn interessiert. Meistens klappt das.
Jetzt wollte er sich auf eine Schwarzmeerreise
vorbereiten, die einmal rundum führte, rechtsrum nach Verlassen des
Bosporus. In seiner Buchhandlung verwies man ihn auf mehrere Reiseführer.
Jedes Land hatte seinen eigenen Führer, in dem auch das Stückchen Küste
abgehandelt wurde, an dem sie vorbeifuhren und die Häfen, die sie besuchen
würden.
Vier oder sechs Führer kaufen, wenn man eigentlich
nur alles über Meer und Küste erfahren will, nicht über das Hinterland? Also
– ins Internet und ausdrucken, was man braucht. Eine übliche Lösung. Hein
klickte fremdsprachige Literatur beim bekannten Versandhändler an und fand
tatsächlich einen Titel für ein Buch über das Schwarze Meer. Es war kein
Bildband, kein Fachbuch, sondern eins, das bereits als Taschenbuch
erhältlich war: Black Sea, The Birthplace of Civilisation and Barbarism.
Hein war glücklich und las und las. Just das, was er suchte. Was er nicht
erwartet hatte, war, dass dieses Buch seine Neugier vergrößerte. Denn jetzt
wollte er alles über die Georgier wissen und über die Sprachen, die am
östlichen Ufer des Schwarzen Meeres gesprochen werden. Batsisch zum
Beispiel. Was es alles gibt?
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Tja,
Fremantle, dachte Hein, ist ja für eine Stadt
ein seltsamer Name. Fremantle liegt als eine Art Vorort von Perth als
Hafenstadt an der australischen
Küste
zum Indischen Ozean hin. In all den Büchern über die Entdeckung der Südsee
und des Erdteils hatte Hein immer wieder von der Not der Entdecker
gelesen, Inseln, Kaps und Küsten zu benennen. Irgendwann war auch eine
lange Liste leer. Fremantle wurde nach einem Admiral benannt, der als
junger Offizier noch unter Horatio Nelson gekämpft hatte, zum Admiral
befördert und später geadelt wurde: Sir Charles Howe Fremantle lebte von
1800 bis 1869. Die Stadt in Australien wurde nach ihm
benannt. Soweit so gut.
Auch bei uns gibt es Orte mit solchen Ursprüngen,
Karlshafen etwa, Oranienburg oder Ludwigslust. Namen von
Generälen und Admirälen tauchen eher bei Straßen oder für Kasernen auf.
Hein wollte das Buch, in dem er über Fremantle gelesen hatte, gerade
schließen, als sein Blick auf einen zweiten Block fiel, der einen Sir
Edmund Robert Fremantle erwähnte, der von 1836 bis 1929 gelebt hatte und
Admiral geworden war. Und in einem dritten Block stand ein dritter
Fremantle, ein Sir Sydney Robert Fremantle, der von 1867 bis 1958
lebte und es ebenfalls zum Admiral gebracht hatte. Eine große
Familie also, dachte Hein, sowas hat’s ja wohl bei Preußens
auch gegeben. Dann las er den letzten Abschnitt des letzten Blocks. Bei
den drei Admirälen handelte es sich um Großvater, Enkel und Urenkel, die
alle drei in der Royal Navy Karriere gemacht hatten.
Die Engländer hätten in ihrer Liebe zu
martialischen Denkmälern dem Stadtgründer sicher ein Denkmal gesetzt. Aber
die Australier …? Auf der offiziellen homepage der Stadt suchte Hein
vergeblich nach einer Erwähnung des Admirals. Ende des Jahres wird Hein
dort sein und sich dann mal umsehen und umhören.
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Tja,
Hein wollte den Sommer, als er endlich da war,
genießen. Die Herzallerliebste drängelte ans Meer, die nahe Nordseeküste
lockte, der Himmel war blau, der Wind wehte aus dem richtigen Quadranten,
also auf an die See und die Füße ins Wasser halten. Ein Parkplatz, der
nichts kostete, fand sich zwei Minuten vom Strand entfernt. Den zu
betreten, kostete Geld, ebenso wie die Miete eines Strandkorbs, für den
die beiden sich entschieden.
Und so begannen die Freuden eines Strandtages.
Wohin den Strandkorb drehen? In die Sonne? Dann hielt der Wind auf die
beiden, der am Wasser kälter war, als im Binnenland vermutet. Den Korb zu
drehen erwies sich im lockeren Sand als schwierig. Schließlich war die
endgültige Stellung ein Kompromiss zwischen Ausblick, Sonnenstrahlen und
Windschutz.
Die Nachbarn in den dicht stehenden Körben hatten
das Manövrieren beobachtet und demonstrierten nun ihre Lösung. Einer baute
eine Art Zelt auf, das vor Wind und Sonne schützte und ein turtelndes
Pärchen verbarg. Ein anderer senkte die Sonnenblende ab und hielt nur
Bauch und Beine ins Licht.
Kindergeschrei, denn es wurde Mittag. Hunger
meldete sich auch bei Hein und seiner Herzallerliebsten. Anziehen, den
Korb verschließen, durch den tiefen Sand stapfen, auf einer Bank die Füße
säubern, Socken und Schuhe anziehen, ein Restaurant suchen, das nicht nur
Pasta, Pizza oder Matjes anbot.
In einer Art Kantine mit Selbstbedienung gab es
eine Scholle Büsumer Art, gebraten und mit Krabben garniert. Zurück gegen
den Wind, der Espresso beim Italiener war großartig. Schuhe ausziehen,
durch den Sand gehen, den Korb aufschließen, weiter drehen. Die Flut war
gekommen, das flache Ufer bot modderiges Meerwasser. Zum Schwimmen hätte
man hunderte von Metern weit ins Wasser laufen müssen. Also Mittagsschlaf
im Sitzen im Windschatten und im Sonnenlicht. Beim Aufwachen
ein Hautgefühl wie Sonnenbrand. Kühler werdender Wind, Aufbruch.
Oben auf dem Deich standen dann Hein und seine
Herzallerliebste, verschwitzt, Sand an Beinen und Händen und sahen übers
Meer. Gar nicht so weit weg zogen im auflaufenden Wasser schwer beladene
Containerschiff in die Flussmündung, scharf auf der Kimm gegen den klaren
Himmel abgesetzt. Eine Fähre eilte, dichter unter Land auf
eine nahe Insel zu, eine Gischtwolke hinter sich ziehend. Ist doch schön
hier, sagte die Herzallerliebste. Denk ich auch, stimmte Hein ihr zu.
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Tja, dreimal hat Hein
bisher Venedig real besucht, virtuell war er sehr viel öfter mit
Commissario Brunetti in der Lagunenstadt unterwegs. Er mag Venedig, das er
vom Boot aus kennt, vom Deck eines Kreuzfahrtschiffes und aus langen
Spaziergängen. Er weiß, wo er den besten Dry Martini Cocktail trinken kann
und wo die Pasta einzigartig gut schmeckt. Und er kennt Buchläden und
kleine Geschäfte, in denen er Notiz- und Tagebücher in jeder Größe
erstehen kann.
Neuerdings hört er und sieht er mehr über Venedig
als früher. Das Fernsehen berichtet über alte Ehepaare, die vereinsamt in
der Stadt leben, in einer Illustrierten schreibt Donna Leone über ihre
Stadt. Auch in anderen Texten ist der Tenor immer der gleiche: die großen
Kreuzfahrtschiffe, die in Venedig ablegen oder die Venedig anlaufen,
machen die Stadt kaputt, die Fundamente der Häuser und Palazzi und die
Lungen der Bewohner. Die Gebäude sacken ab und in keiner anderen
italienischen Stadt ist der Lungenkrebs so weit verbreitet wie in Venedig.
Alle beklagen diese Zustände und den Mangel an
städtischem Eingreifen. Niemand weiß, wohin das Geld wandert, das der
Kreuzfahrtverkehr in den Stadtsäckel spült. Hein hat keinen Grund, an
diesen Aussagen zu zweifeln, hat aber bisher keine Stellungnahme von Amts
wegen gelesen.
Als er selber mit seiner Herzallerliebsten einmal
im späten Herbst aus Venedig auslief und Markusplatz und Dom, Bar und
Restaurant vom Oberdeck eines Kreuzfahrtriesen aus sah, konnte er sich dem
Reiz des Anblicks nicht widersetzen.
Aber wenn die Stadt so gefährdet ist, würde er
von sich aus gern auf solches Auslaufen verzichten. Ließe sich das
Kreuzfahrtterminal nicht nach Lee verlegen? Und könnten besuchende Schiffe
nicht weit draußen ankern und ihre Gäste mit Tendern an Land setzen? Warum
reden die beiden Parteien nicht miteinander, fragt sich Hein? Vermutlich
müsste der Commissario sich mal der Sache annehmen und den Vize-Quästore
zu einer Gesprächsrunde anstiften.
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