Editorial 

 

 

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Foto: Herbert Fricke, Hamburg 

Herbert Fricke · Ressortleiter HamburgMagazin

 

 

Es gab eine Zeit, da gab man gern ein bisschen an, welche Länder, welche Städte, welche Gegenden man schon so gesehen hat. Vor allem in der Zeit des touristischen Nachholbedarfs. Danach gab es die Ära, als die Amerikaner und die Japaner alle Besichtigungsrekorde brachen. „Europa in sieben Tagen” wurde in Tokio angeboten. „Make twenty cities in a week!” hieß das in den USA. Da haben wir uns über die rasenden Touristen lustig gemacht, die Vidioten, die Schnellknipser, die Routen-Abarbeiter.

Diese Phasen gab (und gibt es leider immer noch!) auch in der Kreuzfahrt. Möglichst viele Häfen anzulaufen, das – so glauben die meisten Anbieter – wirke als Magnet in all den bunten Katalogen, in den Schaufenstern der Reisebüros, im digitalen Wettbewerb im Internet. Vielfach borden sie geradezu über, die maritimen Reiserouten. Sogar die malerischsten Südsee-Inseln werden meist nur stundenweise angelaufen. Tahiti, Rangiroa, Moorea, Bora-Bora, alles zusammen in weniger als 48 Stunden! 

Welch überholter und abwegiger Ehrgeiz reitet da die Veranstalter? Sie jagen ihre Paxe durch die „Destinationen”, als seien die auf der Flucht. Deshalb rufe ich jetzt hier ein deutliches und lautes STOP! Hört endlich auf mit diesen Wettläufen durch Städte und Landschaften! Liebe Routenplaner, gebeugt über all die Seekarten und Landkarten in den Planungsbüros der internationalen Reedereien, hört auf mit Eurem widersinnigen Ehrgeiz, Eure Dampfer möglichst kurz in möglichst vielen Häfen anlegen zu lassen.

Liebe Kreuzfahrtbucher, sucht Eure Schiffe und Fahrtgebiete nicht nach der Anzahl der Anlaufhäfen, sondern nach deren Reizen aus! Liebe Kapitäne, wehrt Euch gegen die maritime Multi-Manie!

Je mehr Häfen schnell und lieblos abgeklappert werden, desto flacher und oberflächlicher die Reise-Eindrücke der Passagiere. Desto genervter auch die Schiffsbesatzungen, die ja all den Landgangs-Stress in kürzester Zeit bewerkstelligen müssen: Pässe abholen, drängeln, rein in die Schlange, Bordkarte durch den Computer ziehen, runterwackeln über die Gangway, rein in den nummerierten Bus, Kamera raus, zackzack ein paar Halteplätze, rein in die Kathedrale, raus aus der Kathedrale, wieder rein in die richtigen Busse, Nummern merken, Frau Meier fehlt, Herr Müller fehlt, haben wohl einen Herzkasper erlitten bei all der Hektik, und das soll dann das Kennenlernen von Land und Leuten sein?

Ich sage: haltet inne! Gönnt Euren eigenen und den Nerven Eurer Passagiere ein bisschen Luft und viel mehr Lust am Flanieren, am Sehen, Hören, Riechen, Kennenlernen einer fremden Stadt. Palermo zu Fuß, Sevilla am Abend, Barcelona über die Rambla, Venedig in der Gondel, in der Camargue lieber den Galopp der weißen Pferde beobachten, als im Schweinsgalopp durch irgendwelche Touristenviertel stolpern! Gönnt doch in Hamburg den Fremden einen Logenplatz an der Alster, lasst sie das Fluidum der Hansestadt einatmen auf dem Rathausmarkt. Besser als im roten Rundfahrtrennbus durch hundert gleiche Straßen zu rollen. In Warnemünde den Alten Strom hinauf, hinunter zu flanieren bringt viel mehr als hundert Hinterland-Kilometer im Reisebus zu schrubben. Noch fragwürdiger: von Warnemünde werden die Paxe ja gleich verfrachtet in ihre Busse nach Berlin und zurück. Alles an einem Tag. Alles quasi außer Atem. Das soll Erholung sein? Oder gar Kennenlernen eines anderen Landes, einer anderen Stadt?

Die Liegezeiten in den Häfen einer Reiseroute müssten länger bemessen werden. Lieber ein, zwei Häfen weniger als diese Hetzerei. Manche Passagiere fragen sich nach einer solchen Reise: wo war ich eigentlich in all der Eile? Was ist das hier auf diesem Foto? Wo kann das gewesen sein? Ich weiß, dass die meisten Kreuzfahrtschiffe stets um 18 oder 19 Uhr wieder auslaufen aus den Häfen, um nächtliche Liegegebühren zu vermeiden. Aber das so eingesparte Geld verlieren die Reedereien dann wieder durch höhere Treibstoffkosten. Mehr Häfen, mehr Meilen, mehr Tempo! Wie oft wäre weniger viel mehr!

Dabei haben die fremden Städte oft gerade bei Dunkelheit ihren besonderen Reiz. Die romantischen Abende in Florenz oder Marseille, in Athen oder Istanbul … die bewegenden Prozessionen im nächtlichen Sevilla, das atemberaubende Feuerwerk über Monte Carlo, das Tatoo von Edinburgh, die Fackeln der Perlenfischer vor Papeete, den funkelnden Oxford Square Londoner Viertel Paddington, das Lichtermeer von Vancouver oder Montreal – all das hätte ich nie erlebt, wäre ich auf einem dieser Rein-Raus-Schnellanleger unterwegs gewesen. Vom nächtlichen New York oder St. Petersburg oder Sidney ganz zu schweigen. Wer dort in Sidney die einmalige Oper besuchen oder die berühmte Harbour-Bridge funkeln sehen will, der kann nicht um 18 Uhr auslaufen …

Deswegen mein guter Rat an alle, die eine Kreuzfahrt buchen wollen: achten Sie auf die Liegezeiten. Meiden Sie Schiffe, die morgens um 8 einlaufen und mittags um 12 wieder auslaufen, damit sie dann am späteren Nachmittag noch eine weitere „Destination” schaffen können. Meiden Sie Schiffe, die auf der ganzen Reise keine einzige Nacht in einer reizvollen Hafenstadt verbringen. Auf einer 14tägigen Kreuzfahrt reichen fünf, sechs Häfen völlig aus. Alles andere ist touristische Hektik.

Mein Wunsch an die maritimen Routenplaner: Entschleunigt die Kreuzfahrt, plant interessante Aufenthalte, gebt Euren Gästen die Möglichkeit, auch einmal selbst den einen oder anderen Zielort zu erkunden, zu entdecken, zu genießen. Auch während der Bus-Ausflüge. Es ist nicht die Menge der Eindrücke, sondern die Tiefe – die uns eine Reise unvergesslich macht. Es ist nicht die Anzahl der Bilder, sondern ihre Schönheit und Besonderheit, die wir bewahren. Es ist nicht die Masse Mensch an Bord, sondern die persönliche Begegnung, die uns im Gedächtnis bleibt.

Kreuzfahrt ist und bleibt die schönste Reise-Art. Auch international: „travel art” – die Kunst zu reisen. Nehmt der Kreuzfahrt nicht diesen Flair, dieses Besondere, dieses Unvergleichliche. Genuss braucht Zeit. Gut Ding braucht Weile. Kreuzfahrer brauchen keine Eile.

Herzlich, Ihr Herbert Fricke

hr

Auch für Gäste: „Willkommen an Bord”

Ein Buch über die unbekannte Seite der Kreuzfahrten

Kein Zweifel, „Willkommen an Bord” ist ein gründlich recherchiertes und gut geschriebenes Buch für jeden, der auf Kreuzfahrtschiffen anfangen oder Karriere machen will. Es wurde geschrieben, weil es in dieser Branche mehr Stellen als Bewerber gibt. Doch „Leben und Arbeiten” auf Kreuzfahrtschiffen, wie der Untertitel lautet, ist auch ein Buch für Gäste. Es berichtet von den unbekannten Seiten, von dem, was Passagieren selten bekannt ist und kaum sichtbar wird, vom Leben all derer, die das Schiff in Gang halten und uns verwöhnen.

Nicht jeder, der eine Reise beginnt, will wissen, welche Kreuzfahrtreederei zu welcher größeren Reederei gehört, aber ab Seite 35 kann man es erfahren. Auf vier Seiten davor liest man, was es zwischen 2012 und 2015 an Schiffsneubestellungen und Umbenennungen gegeben hat.

Wer ist wer an Bord? Streifen in Gold und Silber beeindrucken jeden Erstreisenden, doch was unterscheidet den „Staff Captain” vom „Captain” eines Schiffes? Man kann geteilter Meinung sein, ob der Kreuzfahrtdirektor neben oder unter dem Hotel

 

Manager steht, aber hilfreich sind solche Organigramme an Bord eines Schiffes allemal.

Aufgaben und Pflichten interessieren den Bewerber sicher mehr als den Gast, aber welchem „IPM” jemand zugeteilt ist, kann sich in der auch dem Gast bemerkbaren Stimmung des Mitarbeiters niederschlagen. Hatte er sich nicht auf den Landgang gefreut, der nun aufgehoben ist, weil ein Kollege krank wurde, der der „In Port Manning Gruppe” zugeteilt war, die bei Notfällen sofort zur Verfügung stehen muss.

Ein Buch also, das Hintergrundwissen vermittelt. Und in dem Erfahrungsberichte auf den Seiten 197 bis 216 vom Leben und Arbeiten an Bord erzählen und auf eine Website verweisen www.connect-willkommenanbord.de mit weiteren Erfahrungsberichten und der Möglichkeit, sich für einen newsletter anzumelden, „um immer auf  dem Laufenden zu bleiben”.

Das wird für Bewerbung, Einstieg und Karrieren auf Flüssen und Hochsee weltweit wichtiger sein, als für die Reise. Doch wer weiß, Neugier hat schon manches losgetreten. Und die wird hier auf lesenswerte Weise gestillt.

Dieter Bromund  

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Willkommen an Bord! Leben und Arbeiten auf Kreuzfahrtschiffen

 

Willkommen an Bord! Leben und Arbeiten auf Kreuzfahrtschiffen

Praxis-Ratgeber, Nachschlagewerk, Tipps & Insider-Wissen für Bewerbung,

Einstieg & Karriere auf Flüssen & Hochsee weltweit.

Herausgeber: Daniela Fahr, Alexis Papathanassis, Petra C. Milde

ISBN 978-3-8448-3603-5, 25,90 €

Bestellung direkt über: www.connect-willkommenanbord.de

 

Kreuzfahrt: Praxis-Ratgeber für das Arbeiten an Bord 

Alles Wissenswerte rund um Jobs auf Kreuzfahrtschiffen – von den ersten Schritten der Bewerbung bis zum Alltag danach

Die Weltmeere befahren und viele Länder sehen, die salzige Seeluft schmecken, Seefahrerromantik pur – das Arbeiten auf einem Kreuzfahrtschiff ist für viele die Erfüllung eines Traums. Eine Hilfestellung auf diesem Weg leistet ein umfangreicher Praxis-Ratgeber, der viele Tipps und Tricks für den Einstieg enthält und die Besonderheiten auf dem Kurs zur Kreuzfahrt-Karriere aufzeigt. Von der Geschichte der Kreuzfahrt bis zum Alltag nach der Zeit auf dem Schiff erfährt das Crew-Mitglied in spe alles Notwendige, um die möglichen Tücken eines Lebens an Bord elegant zu umschiffen – bevor die Reise losgeht, währenddessen und ganz besonders danach.

Gute Chancen: Mehr offene Stellen als Bewerber

Die Kreuzfahrt-Branche boomt. Die Reedereien suchen nicht nur neues Personal für die Restaurants, Bars und Küchen, sondern auch weitere qualifizierte Mitarbeiter von A wie Animateur bis Z wie Zahlmeister, weiß Daniela Fahr, Inhaberin der größten Crewing-Agentur Deutschlands. Durch ihre eigene langjährige Erfahrung auf Hochsee- und Flusskreuzfahrtschiffen und ihre Arbeit als Personalvermittlerin für mehr als 30 Reedereien kennt sie die Branche genau und weiß: Es gibt mehr offene Stellen als Bewerber.

Entscheidungshilfe für oder gegen eine Karriere an Bord

Das 248-seitige Handbuch informiert über das Vorgehen im Bewerbungsverfahren und nimmt die vielfältigen Berufsfelder an Bord von Hochsee- und Flussschiffen unter die Lupe: Was versteckt sich hinter den Job-Bezeichnungen, welche Voraussetzungen sind für die verschiedenen Job-Profile erforderlich? Zu welcher Reederei und zu welchem Schiff passt der Bewerber am besten? Welche Erfahrungen geben Crewmitglieder weiter?

Mit der Lektüre wird deutlich: Nach dem Unterschreiben des Vertrages ist erst ein kleiner Schritt getan. Neben den bürokratischen Hürden vor dem Einstieg als Crew-Mitglied gilt es, sowohl in der Vorbereitung auf den Job an Bord als auch im Anschluss an den Vertrag organisatorische Dinge zu regeln und sich mit der Zeit danach auseinanderzusetzen.

Das Nachschlagewerk soll nicht nur ein Leitfaden, sondern auch eine Entscheidungshilfe für oder gegen eine Karriere auf einem Kreuzfahrtschiff sein. „Es ist immer besser, vorher festzustellen, ob man für eine solche Arbeit geeignet ist, als dass man nach drei Wochen an Bord seine Sachen packt und den Vertrag nicht erfüllt, so Daniela Fahr. Wer den Traum einer Hochsee- oder Flusskarriere leben und nicht nur träumen möchte, sollte sich also genau informieren, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein.

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