TransOcean hat ihr Flaggschiff MS ASTOR
an die britische Reederei CMV, Cruise and Maritime Voyages, verchartert, die
das Schiff mit eigenem Zeichen am Schornstein in unserem Winter in
Australien und Fernost einsetzt. Der erste Törn nach Australien begann am 6.
November 2013 in Civitavecchia, dem Hafen Roms, und endete nach 36 Tagen und
9.832 Seemeilen in Fremantle, dem Hafen von Perth, in Australien. Zum
Frühjahr geht es nach Europa zurück. Der erste Teil des Reiseberichts endete
in Salalah im Oman. Hier folgt nun der Bericht über den zweiten Teil einer
ungewöhnlichen Reise.
Von sicheren Winden und schnellen Motoren
Was es an Wohlgerüchen im Oman zu kaufen gab,
sollte auch in Colombo zu haben sein, hatte Mohammed, der große
Fremdenführer, in Salalah versprochen. Schließlich herrschte zwischen
Arabien und Indien seit Jahrhunderten reger Handel. So verschoben wir also
unsere Einkäufe auf den Halt in Sri Lanka. Die arabischen Händler von damals
hatten für eine solche Reise viel Zeit gebraucht. Ihre segelnden Dhows schob
der Sommer-Monsun zwischen Juni und Oktober nach Colombo. Im November
wechselte der Monsun seine Richtung und erlaubte den Arabern die Heimkehr.
Man brauchte für eine Reise im Gewürzhandel zwischen Arabien und Indien viel
Zeit.
Die ASTOR
schaffte die Reise in vier Tagen, wie uns schien mit höherer Geschwindigkeit
als der vom Mittelmeer gewohnten. In Akaba waren neue Gäste an Bord
gekommen, muskulöse Herren mit glattrasierten Schädeln, die schwere
Halbschuhe, dunkelblaue Hosen und kurzärmelige weiße Hemden trugen und
hinter Sonnenbrillen die Horizonte beobachteten, von den Nocks aus und auf
dem Achterdeck. Sie grüßten freundlich auf Englisch zurück, doch unter sich
benutzten sie eine uns unbekannte Sprache, die aus dem Südosten oder dem
Osten Europas stammen musste.
Auf langen Reisen entstanden zu den Zeiten der
segelnden Dhows Geschichten von „Sindbad, dem Seefahrer”, in denen der Held
allen Gefahren des Meeres trotzt. Die neuen Gäste reizten auch zu
Geschichten, es hieß, sie seien bewaffnet und würden mit Gewehren und
Pistolen verhindern, dass Ungebetene auf See an Bord kämen.
Eines Morgens war das Heck der ASTOR
mit Stacheldraht in großen Windungen dekoriert und in der Nähe lag ein
dicker Wasserschlauch, der vermutlich mit Hochdruck Widerstand gegen
Enternde versprühen würde.
Schüsse und Hochdruckwasser an oder von Bord eines
Kreuzfahrtschiffes? Man hatte Stoff zum Spekulieren. Ein Zettel auf jedem
Bett bat darum, nachts in den Kabinen Vorhänge vor die Bullaugen und Fenster
zu ziehen. Doch just das geschah zu Nachtzeiten weder in den Restaurants
noch in den Bars. Was konnte das bedeuten?
Die ASTOR
erreichte Colombo in der vorgesehenen Zeit – unbehelligt und unbelästigt,
der Stacheldraht blieb, die muskulösen Gäste ebenfalls. Wir erinnerten uns,
lange bevor das Arabische Meer zu einer See mit Piraten aus Somalia wurde,
hatte es Seeräuberei in der Straße von Malakka gegeben, zwischen Sumatra und
dem malaysischen Festland. Wo also endete die Aufgabe der Sicherheitsleute?
Vier Religionen, friedlich miteinander
Colombo stellte sich als eine Stadt dar, die man am
besten allein erkundet: ein sicheres Pflaster, in dem die verschiedenen
Religionen und Völkerschaften einträchtig miteinander leben. Die jeweiligen
europäischen Eroberer, Portugiesen, Holländer und Engländer, haben im
Stadtbild ihre eigenen Spuren hinterlassen. Im Markt von Pettah luden an
einer Kreuzung eine katholische Kirche, ein hinduistischer, ein
buddhistischer Tempel und eine Moschee die Gläubigen ein. Zwar hat es auf
Sri Lanka Kriege gegeben, aber nie religiöse, erklärte der Reiseführer.
Wer das indische Viertel oder das chinesische in
der Altstadt erkunden will, sollte keinen Ausflug mit dem Bus machen. Der
kann sich zwar durch die Straßen bewegen, aber nirgendwo halten. Die bunte
Welt Colombos nahm man also nur durchs Fensterglas wahr –
bedauerlicherweise.
Die Überraschung kam mit der Rechnung zu Hause. Wir
hatten im Grand Oriental Hotel, das aus Joseph Conrads Zeiten zu stammen
scheint, eine große Flasche Wasser und eine Kanne Tee getrunken,
vorzüglichen Ceylon Tee mit dicker Sahne, und mit einer Kreditkarte bezahlt.
Den Internetanschluss, den wir brauchten, gab es gratis. Wie wir zu Hause
sahen, hatten die Kanne Tee und das Wasser ganze zwei Euro gekostet. Doch
als Eintrittsgeld in die Inselrepublik hatten wir vor Beginn der Reise ein
Visum für 30 US $ kaufen müssen. Als wir in Colombo Geld einwechseln
wollten, um ein Souvenirchen zu erstehen, zuckte man mit den Achseln. Die
Landeswährung war nicht frei konvertierbar.
Neunzig Minuten in Phuket
Fünf Stunden waren für eine Bustour unter dem Thema
„Phuket Discovery” vorgesehen, die wichtigsten für uns waren neunzig
Minuten, die wir auf Matratzen verbrachten. Sunset Viewpoint, ein Treffpunkt
für Fromme, und Wat Chalong, die überwältigend schöne Tempelstadt, hatten
wir uns vorher angesehen, im Cultural Village Tänze aus ganz Thailand
bewundert. Godi, unser Guide, ließ uns lächelnd in der Innenstadt zurück.
Hier würde man unsere Wünsche überall erfüllen.
Wir aßen also erst einmal Thailändisches, das in
Phuket kräftiger schmeckte als im Norden Europas. Und fanden dann gleich
nebenan den Massage Salon. Zwei Damen nahmen uns in Empfang, wuschen uns die
Füße, führten uns in eine Kammer zu zwei Matratzen, sahen diskret zur Seite,
als wir uns das übliche kurzärmelige Hemd und eine halblange Hose anzogen,
und ließen uns dann lang auf den Bauch hinlegen.
Das Licht wurde dunkler, Musik war zu hören, leise
kicherten die Damen und eine Erfahrung der besonderen Art begann: eine Thai
Massage – ausgeführt von zwei ausgebildeten Masseurinnen, nein – nicht von
Masseusen. Und so wurden wir durchgeknetet und durchgewalkt, mit Händen,
Unterarmen, Füßen, – unter Einsatz des gesamten Körpergewichts ebenso wie
mit sanftem Streicheln. Gelegentlich stöhnten wir, wenn Schmerz uns
unerwartet traf. Doch als wir aufstanden und nach einem Glas Tee ein Taxi
kommen ließen, fühlten wir uns Jahre jünger und liefen wie auf Wolken zum
Schiff.
Was in Singapore ausfiel und auffiel
Zehn Stunden hatten wir für die Stadt Zeit, viel zu
wenig, wie wir bald merkten. Eigentlich wollten wir nach dem Besuch der
Botanical Gardens einen Tea bei Raffles trinken, am 3. Dezember zwischen
13.00 und 17.30 Uhr. Raffles in Singapore gehört zu den bekanntesten Hotels
der Welt. James Michener, der große amerikanische Erzähler, hat Glück für
sich definiert: Ein Zimmer im Raffles haben und jung sein. Doch unser
Ausflug fiel mangels Interesse aus. Wir bestaunten also beim Ausflug „River
Cruise & Marina Bay Gardens” für 118 australische Dollar pro Kopf die
atemberaubenden Schönheiten dieses Stadtstaates. Hier harmonieren
historische Gebäude aus den Gründerjahren der Stadt mit Bauwerken modernsten
Stils. Als wir eine kurze Strecke per Boot fuhren, passierten wir winzige
Häuser, die immer noch chinesischen Händlern gehören. Die Hütten schmiegen
sich in Reihen an Wolkenkratzer, die Weltkonzerne beherbergen. Vom 56. Stock
des Marina Bay Sands Wolkenkratzers sahen wir auf das alte Zollhaus am
Marina Reservoir. Im benachbarten Wahrzeichen der Stadt tummelten sich auf
höchster Höhe Scharen von Gästen in einem Freibad unter den Wolken.
Auf eigene Faust besuchten wir schließlich Raffles,
das nach dem englischen Stadtgründer benannte Hotel, dessen Ursprünge als
arabische Handelsstation heute noch zu erkennen sind.
Der bekannte Singapore Sling, ein großer Cocktail,
wurde hier kreiert und ist in einigen Variationen ab 22 Singapore Dollars zu
haben. An Bord hatten wir gehört, dass der Cocktail, von dem an manchen
Tagen bis zu zweitausend Gläser serviert werden, bereits fertig gemischt auf
Flaschen gefüllt auf Durstige wartet.
Die Barkarte bot seltene Gins und ungewohnte
Cocktails an, doch seinen Lieblingsaperitif suchte der Autor vergebens: Pink
Gin, bei dem man zuerst ein paar Tropfen Angostura Bitter im (gekühlten)
Glas schwenkt und es dann mit Gin auffüllt.
An Bord der ASTOR
konnte Barman Sugar trostreich beweisen, dass er auch diesen Drink perfekt
beherrscht.
Bali – von Göttern und vom Guten und Bösen
Von Bali hatten wir als von der Insel der Götter
gehört. Hoteldirektor Daniel Reiter bezeichnete die Insel indes als das
Mallorca der Australier, also auf zur ganztägigen „Bali Discovery Tour”. Was
würden wir erleben, lärmenden Tourismus? Wir sahen, wie Batik-Stoffe in
Handarbeit hergestellt wurden und versuchten uns selber an Mustern.
Großartige Holzschnitzereien zeigten Götter und Tiere. Im Ubud Museum wurde
große Kunst besichtigt, die ein völlig unverkrampftes Verhältnis zur
Sexualität bewies. Nach dem Mittagessen im Restaurant „Dirty Duck”
zwischen Reisfeldern und begleitet
von fünftöniger Gemalan-Musik erklärte Steven, unser Guide, in einem großen,
steinernen Hindutempel, welcher Kaste er angehört und dass sich Unbekannte
mit ihrer Kastenzugehörigkeit vorstellen, zu der auch eine bestimmte
Sprachebene gehört. Verblüffend für den Abendländer: Der Gott des Krieges
und der Gott der Weisheit sind in Stevens Glauben in einer Gestalt
vereinigt.
Wir standen vor steinernen Göttern, verhielten uns
ehrfurchtsvoll und wollten wissen, warum es im Hinduismus so viele von ihnen
gibt. Die vielen Gestalten, so Steven, verkörpern Kräfte oder Eigenschaften
oder Tätigkeiten eines einzigen Gottes. Den verehre man auch, indem man
schwarz-weiß karierte Tücher um Göttergestalten drapiert. Der einzige Gott
hinter allen anderen habe Gutes und Böses zusammen geschaffen, nicht eins
allein, sagen die Tücher mit ihren zwei Farben.
Unbekannt ist bei uns ein blutiger Abschnitt
moderner Geschichte. Im frühen 20. Jahrhundert erst eroberten die Holländer
ganz Bali und verloren es im Zweiten Weltkrieg an die Japaner.
Auf der Rückfahrt machten wir einen Umweg und
vermieden das Gedrängel der Käufer in Kuta. Von Bord aus beobachteten wir
die letzten Mitreisenden, die behängt mit Einkaufsbeuteln und Säcken an Bord
zurückkehrten. Bali, die Insel der Götter, ist also auch immer einen Einkauf
wert.
Heißes Willkommen
Vier Tage See zwischen Bali und Fremantle, an denen
wir uns festhielten. Warum müssen wir von Bord gehen, die Reise könnte doch
unendlich weiter führen? An den Wolkenformationen war fernes Land zu ahnen,
auf Deck 5 zeigte die wandernde rote Nadel auf der Seekarte, dass wir den
fünften Kontinent bereits an backbord querab hatten. Wir hörten von hohen
Temperaturen und Waldbränden bei Sydney. Eine dreiwöchige Rundreise hatten
wir von Fremantle aus geplant, doch mit einer Hitzewelle hatten wir nicht
gerechnet. Also wurden die Koffer für Australien umgepackt.
Vierundzwanzig Tage nur See
Viele, denen wir noch in Deutschland von 24
kommenden Seetagen erzählten, hatten fragend den Kopf geschüttelt: „Was
macht Ihr bloß, wenn es nichts zu sehen gibt?” Mal einen Tag nur See konnte
man sich vorstellen, aber drei, vier oder gar fünf Tage hintereinander nur
Wellen und Wolken?
Unsere Aufzeichnungen zeigen, was es alles doch zu
sehen gab. Beim early morning tea im Bett zogen wir die schweren,
bodenlangen Vorhänge vor den Fenstern zur Seite, musterten den Morgen und
schätzten den kommenden Tag ein. Dunkler Himmel über scharfer Kimm,
ätherisch hell nach oben hin, wolkenlos. See wenig bewegt, kein Schwell
mehr. Der hatte uns nachts noch in den Schlaf gewiegt. So die Eintragung am
ersten Seetag zwischen Livorno und Messina. Man spürt die Nähe von Land,
auch wenn man es nicht sieht. Wolken formieren sich über Land anders als
über dem Meer, was jeder Mittelmeerfahrer bestätigen wird.
Im Mittelmeer färbt die Sonne über dem östlichen
Horizont den Himmel so ein: grau,
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blau, rosa, gelb, blau – dann ist der Tag da. Und
in umgekehrter Farbfolge verabschiedet sich die Sonne im Westen.
Notizen unter der Küste von Oman: Seltsamer Sonnenuntergang. Blaues Licht
vor der Kimm, Schiffsrauch liegt auf dem Wasser. Wenig Wind. Es sieht aus,
als ob Priele durchs Meer laufen. Der Wind schafft eigenwillige Muster.
Ganz anders ein Sonnenuntergang auf dem Weg nach
Colombo: Aus nachmittäglichem Dunst entsteht ein roter Himmel, in dem die
Sonne wie eine weiße, glänzende Scheibe steht, in die niemand schauen kann.
Die eine See also gibt es gar nicht. Vorm Bug im Fahrtwind lockt Ferne über
blauem Wasser, gestreifte Wellenkämme, wenn der Wind danach ist. Hinter dem
Heck quirlende Wasser, die sich zu einer Bahn vereinen und erst in der Ferne
wieder die Muster der See annehmen – unsere Spur in unendlicher Leere.
Sonnenluv und Sonnenlee: irgendwann im Tageslauf
verwandelt sich eine Schiffsseite im Licht von Luv nach Lee. Man sucht den
Schatten zum Lesen, oder dehnt sich dösend in der Sonne. Nach dem Mittag hat
sich alles ins Gegenteil verkehrt. Aus der Sonnenseite wird Schatten, die
Schattenseite kocht in der Hitze. Die Reling mit ihren Sparren misst das
Rollen des Schiffes weiter. Nie – auch bei ruhigster See – bleibt die
Distanz von Reling zu Kimm gleich.
Das Achterdeck am Pool war die Liegewiese derer,
die Rot und Teufel nicht fürchteten. Liegestühle wurden nach dem Sonnenstand
gedreht und bald war auch der weißeste Bauch rot und erst viel später braun.
Hatten wir nicht Warnungen gelesen, auch kurze Sonne bringe Brände?
Und dann gab es da die, die im Liegestuhl auf dem
Bootsdeck im Schatten mit wandern und auf Wasser schauen, stumm, unbewegt
und hellwach. Neben ihnen erstaunlich viele Lesende. Noch herrschte das
gedruckte Buch vor, aber ein elektronisches Lesegerät spart bei Reisen Raum
und Gewicht. Man kannte die Leser und die Gucker nach den ersten Tagen,
grüßte schweigend und kam allenfalls an der Bar auf den Tag zu sprechen:
„Nice day today!” Und die Antwort: „Indeed, a very nice day”.
Fremde Freunde – oder?
Sie hießen Frank und Margaret oder stellten sich
als Lorenzo und Wendy vor, als Norm und Bobby, Jenny und Peter, als Allan
und Jane, als Rosslyn und Reinhold. Die Nachnamen las man erst beim
Abschied, wenn Visitenkarten ausgetauscht wurden. So lange grüßte man sich
mit Vornamen und hatte wochenlang keine Ahnung vom Beruf des andern. An der
eher burschikosen Tageskleidung, aber auch am Anzug am Abend war nicht zu
erkennen, was einer besaß. Kein Titel wurde eingesetzt und was einer sagte,
galt, weil es klug war oder wurde abgelehnt, weil es nicht einleuchtete.
Noch nie hatten wir so schnell so viele Menschen
kennen gelernt, wie auf dieser Reise der ASTOR.
Kleine Schiffe schaffen schneller Verbindungen als große, aber selbst eins
mit der dichten Atmosphäre der ASTOR kann
nationale Eigenheiten nicht aushebeln. Wir hatten auf der letzten Reise mit
„den Schobers” den Tisch geteilt, sechzehn Tage lang mit „Herrn” und „Frau”
Schober. Und uns dabei alle vier sehr wohl gefühlt. Jetzt aßen wir mit Ric
und Chris zu Abend, und hörten von Margaret und Frank, wie es den Kindern
ging. Und fühlten uns wohl in der Nähe, die dieses Schiff erlaubt.
Das war keine hingetupfte Freundschaft. Wir gewannen
auf dieser Reise Freunde, die uns in Perth betreuten und eine Wohnung in
Melbourne überließen, andere, die uns das schöne Perth und seine Vororte
zeigten – wir trafen uns zufällig und meinen heute noch, dass das Schiff das
seine dazu beigetragen hat.
Der Entdecker und sein Kurs
Er hatte, sagte er später, mit etwa acht
Teilnehmern gerechnet. Als er seinen Einführungsvortrag hielt, war die
Lounge voll. Die Interessierten drängelten sich danach, um sich in eine
Liste einzutragen. Nach der ersten Stunde zählte er seine Eleven: in zwei
Kursen wollten 42 Männer und Frauen auf Seetagen malen lernen. Noel Gregory
lebt jetzt vor allem im nördlichen Spanien, malt und unterrichtet dort und
gelegentlich auch im südwestlichen England. Vom Verkauf seiner Bilder kann
er leben und in seinen Kursen gewinnt er ständig neue Freunde. Er weiß, das
Maltalent in Menschen zu wecken.
Weil keine Bar selbst für einen einzigen Kurs groß
genug war, wurden Teile des Überseeklubs zum Malstudio umfunktioniert. Man
arbeitete mit Acrylfarben auf Papier. Sein Lehren machte Mut, zwei Äpfel nur
mit schwarzer Farbe und Grautönen zu malen. Lehrreich waren Übungen, in
denen man aus Grundfarben neue Farben und Zwischentöne mischte. Die Äpfel
wurden farbig und dann ging’s an einen Blumenkasten in der Sonne – nach
einem Foto zu malen. Hier schieden sich dann die Geister, die Nachmaler von
den Talenten.
Doch sie blieben zusammen, den ganzen Kurs über,
malten an Seetagen an jedem Nachmittag und stellten zum Schluss sogar aus.
Der eine oder andere wurde mit dem Auftrag verabschiedet, zu Hause ja weiter
zu malen: „You have a great talent!” Wir hatten auf anderen Reisen von
lehrenden Fotografen viel gelernt, doch Malen scheint tiefer zu gehen. Viele
Malstunden setzten sich in langen Gesprächen fort.
Vom Geist an Bord
Morgens oder nachmittags Sport, tagsüber Vorträge,
live Musik im Captain’s Club, sonntags ein Gottesdienst, abends immer eine
Show mit anschließendem Tanz. Einmal am Tag meldet sich der
Kreuzfahrtdirektor über Lautsprecher, nennt die Position des Schiffes und
stellt das weitere Tagesprogramm vor. Beim Auslaufen ertönt die
Schiffsmelodie und an manchen Abenden kleidet man sich festlicher, um vom
Kapitän begrüßt oder verabschiedet zu werden. So in Umrissen das Programm
üblicher Kreuzfahrten, bei dem sich Gäste meistens sehr wohl fühlen, bleibt
doch genügend Zeit und Raum für eigene Aktivitäten.
So kreuzte die MS ASTOR
durch europäische Gewässer. Auf dem Tagesprogramm tauchten dann Angebote
auf, sein Gehirn bereits morgens zu trainieren und abends noch mal zu
zeigen, was man wusste. „Quiz” war das Stichwort. Gary Rich,
Kreuzfahrtdirektor mit Schauspielerkarriere, veränderte das Programm an Bord
deutlich und nachhaltig – und wurde dafür bejubelt. Aus Funk- und Fernsehen
abgeguckt waren die Bordprogramme, in denen es immer um Wissen dieser und
jener Art und um Kombinationsvermögen oder Einfallsreichtum ging. Man traf
sich, jemand stellt Fragen, die Antworten wurden notiert und vom Nachbarn
ausgewertet. Wer etwa wusste, wer in der ersten Serie der Sowieso-Sendung
die männliche Hauptrolle gespielt hatte, bekam einen Punkt. Und wer erriet,
welche Süßigkeit sich hinter einer phantasievollen Beschreibung verbarg,
konnte auch punkten. Der Appetit der Australier und Engländer auf
Wissenswettbewerbe war offenbar unersättlich. Als Landfremder konnte man
allenfalls unter ferner liefen landen.
Die Auslaufmelodie ist in Europa so etwas wie die
Nationalhymne eines Schiffes. Man hört ihr bewegten Herzens zu und trinkt
ein Glas auf den Abschied und auf den kommenden Reisetag. Bis Salalah war
das auf der ASTOR auch der Fall. Doch dann
hatten Ballett und Kreuzfahrtdirektor etwas ausgeheckt: The official
farewell dance of THE ASTOR. Eine
dröhnende, hackende Musik, zu der das Ballett-Team entsprechende Bewegungen
mit Armen und Beinen, Bauch und Brust vormachte, die die Zuschauer sofort
übernahmen. Fortan verabschiedete sich THE ASTOR
mit tanzenden Gästen zu dröhnenden Rhythmen auf den achteren Decks von ihren
Häfen.
Der Captain’s Club wurde zum Ort des Auftritt
zweier Duos – klassische Musik und später fetzige Schlager waren zu hören.
Wer gelernt hatte, der Musik zu lauschen statt sie zu übertönen, musste auf
die Pausen warten, um mit seinem Nachbarn an der Theke zu plaudern. Jeder
andere – und das waren die meisten – sprach munter drauf los, der
Lautstärkepegel stieg deutlich an.
Auch wenn nur wenige im Tanze zuckten, Disco gab es
jeden Abend auf dem Achterdeck. Ein paar Mutige baten darum, den Ton aus den
Lautsprechern zu dämpfen. Das traf bei den Entscheidern auf taube Ohren. Wer
sich unterhalten wollte, musste sich sein Plätzchen fernab suchen.
Kreuzfahrtdirektor Gary nahm das gelassen: „Solange wir noch mit einander
reden können, ist die Musik nicht zu laut”. So geht es auch.
Vom Seemännischen
Die MS ASTOR ist
ein schönes Schiff und THE ASTOR ist es
auch – jedes für sein Publikum. Die meisten zurückreisenden Australier waren
am Seemännischen offenbar überhaupt nicht interessiert. Volle 36 Tage war
die Bugkamera im Einsatz und zeigte nur, was voraus anlag – leere See. Eine
aktive Karte, die den Kurs und Inseln oder Land in der Nähe anzeigte, wurde
nicht angeboten. Nautische Informationen wurden vermisst, nicht von vielen,
dafür umso heftiger.
Wir liefen im Mittelmeer berühmte Häfen an, fuhren
durch den Suezkanal, passierten den Südausgang des Roten Meeres, die Straße
von Malakka, kreuzten durch die Java See und – hörten von der Brücke nichts
dazu. In Singapore vermutlich, ging Kapitän Stusevych in seinen
Jahresurlaub, ohne dass ein Gast das mitbekam. Plötzlich hörte man eine
fremde Stimme, die die Tagesposition angab. Ein neuer Kapitän hatte das
Kommando übernommen. Es gab für ihn weder eine Begrüßung noch für die Gäste
einen offiziellen Abschied.
Die Überquerung des Äquators sollte zwischen
Singapore und Bali eigentlich mit einer entsprechenden Zeremonie gefeiert
werden, Regengüsse verhinderten sie. So lagen abends dann DIN A 4 Blätter
auf den Betten, lieblos, ohne Namen, Stempel und Unterschrift. Bei vielen
landeten diese Blätter umgehend im Papierkorb.
Erfahrenes und Erfahrungen
Zehn Stunden lag die ASTOR
meistens in ihren Häfen, entsprechend kürzer waren die Ausflüge. Was hatten
wir von ihnen? In Europa lautet die Antwort anders als auf dieser Route. Wir
hören und sehen täglich viel von unseren europäischen Nachbarn, doch
Nachrichten aus der Welt südlich von Suez sind bei uns seltener. An Bord der
ASTOR fand Europa kaum, Deutschland gar
nicht statt. Wenn sich in Deutschland eine Regierung bildet, ist das kaum
eine Nachricht auf der anderen Seite der Welt. Entsprechend wenig nahmen wir
bisher von Australien wahr. Wie viel weiß ich von Perth oder Fremantle?
Was kann ich von Colombo erfahren? Von Phuket,
Singapore, von Bali? Was für alle Reisen gilt – „Man sieht nur das, von dem
man weiß!” – galt auf dieser Reise ganz besonders. Wo wir uns vorbereitet
hatten, entdeckten wir Neues, wo nicht, nur Überraschungen, die einzuordnen
schwer fiel. Vorheriges Lesen ist also auf einer Reise wie dieser dringend
angeraten, an Bord hätte sich das Sammeln von Wissen nicht nachholen lassen.
Auf Wiedersehen
Ganz langsam doch unaufhaltsam löste sich die Ferne
auf. Bali war die letzte Station der Reise, für viele Australier war schon
Phuket ein bekannter Hafen gewesen, von Singapore ganz zu schweigen, Bali
lag schon vor der Tür. Noch einmal vier Seetage, am Morgen des fünften
würden wir in Fremantle festmachen.
Wir saßen im Sonnenlee, schauten auf das Wasser und
schätzten die Entfernung zum Land ein. Wie wenn diese Reise weiter ginge,
wenn THE ASTOR in Fremantle drehen und
nach Norden zurückfahren würde? Vorgesehen ist das für den 1. April 2014. In
42 Tagen wird die ASTOR nach Europa
zurücklaufen, an Südafrika vorbei und durch den Atlantik. Wird sie hunderte
von Australiern oder Südafrikanern mit nach Europa nehmen? Oder deutsche
Urlauber einsammeln? Ankunft in Harwich an der englischen Ostküste ist am
11.Mai, am 12.Mai beginnt
bereits die erste Reise der deutschen MS ASTOR
von Bremerhaven aus ins „Majestätische Nordeuropa”.
Ob das Schiff auch die Rückverwandlung gut
überstehen wird? Bestimmt, die MS ASTOR
ist stark und hat eine große Seele.
TransOcean Kreuzfahrten
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