Seereisenmagazin Die ganze Welt der Kreuzfahrt

 

Editorial Ausgabe 4-2014 

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Foto: Herbert Fricke, Hamburg 

Herbert Fricke · Ressortleiter HamburgMagazin

 

 

Über eine Generation die sich mit ihrem Schweigen selbst betrügt: Dümpelt das Staatsschiff in der Ruhe vor dem Sturm?

„Lieber ’ne schneidige Kollision als ein lasches Manöver!” Das war mal der Leitspruch nicht nur der nautischen Draufgänger, der Seefahrer, der Freibeuter, der Entdecker und Navigatoren. Früher ging es oft durch’s politische Wildwasser, durch Strudel und Wellen und Stürme, vorbei an gefährlichen Untiefen und Klippen. Heute dümpeln die trägen Kähne der Politik im seichten Gewässer deutscher Angepasstheit, heute treiben unsere eigentlich seetüchtigen Schiffe auf voll durchregulierten künstlichen Wasserstraßen und Kanälen. Früher schwammen nur tote Fische mit dem Strom. Heute lassen sich auch die lebendigen flussabwärts treiben. Früher wurde um die Zukunft gekämpft, zum Beispiel lautstark in den Parlamenten. Heute wird mehr still gemauschelt, zum Beispiel in den Hinterzimmern der Parteien. Nein, früher war nicht alles besser. Aber manches auch nicht schlechter. Und vor allem: es war spannender: die Seefahrt und die Politik. Und ihre vielen Gemeinsamkeiten.

Vergleichen wir doch nur mal die Besatzungen − der Staatsschiffe und der Parlamente und Parteien. Früher ging es heiß her in den deutschen Parlamenten. Strauß und Wehner, Schmidt und Kohl, Renger, Weizsäcker, Schröder, Fischer. Und heute? Frau Nahles-Schales, ach Gott, und Herr Dobrinth, Herr Pofalla-Eigenweichensteller, und Herr … wie heißt der eigentlich, der grüne Oberstotterer mit den blondgetönten Mädchenlocken? Eigentlich ist sein Name auch egal, auf die Typen kommt es an. Und die gibt’s nicht mehr. Alles rundgelutschte Selbstbedienungsfunktionäre. Wenn sie Luft holen, weißt Du schon, was jetzt gleich kommt − an auswendig gelernten statement-Floskeln. Alles von enorm staatstragender Langweiligkeit. Die app-süchtige Jugend hat sich längst abgewendet von den labernden Polit-Egomanen. Und die bemerken das nicht einmal.

Diese Entwicklung ist gefährlich. Vor allem für diese merkwürdig schläfrige Generation 50 minus selbst. Wie lassen die sich abzocken und hinter’s Licht führen, zum Beispiel mit den Rentengeschenken. Schröder und seine Agenda 2010 sahen

noch die Rente mit 67 vor, absehbar mit 70! Sehr vernünftig, weil ja der medizinische Fortschritt die Menschen viel länger arbeitsfähig leben lässt als früher. Und was machen Nahles und Konsorten grinsend? Verkürzen das Arbeitsleben auf 63 Jahre! Gießen einen warmen Sozialregen nach dem anderen über die ja keineswegs ausgetrocknete Rentner-Landschaft. Weil Rentner ihr millionenköpfiges Stimmvieh sind und gepäppelt werden sollen. Alles zu Lasten der nächsten Generationen. Alles zu Lasten der Kinder und der Kindeskinder. Schon jetzt müssen zwei Arbeitnehmer einen Rentner finanzieren. Alles läuft auf den Kollaps hinaus. Folgen eines unverantwortlichen Salon-Sozialismus’ einer wahlerfolgsgeilen GroKo. Sie kennen die Folgen für die Jungen, aber es kümmert sie nicht.

Niemand missgönnt den Rentnern, die ihr Leben lang gearbeitet und eingezahlt haben in die Sozialkassen der Bundesrepublik, ihre wohlverdiente Rente oder auch Pension. Aber kein vernünftiger Mensch kann begründen, warum jemand gerade jetzt – in Zeiten von Vollbeschäftigung und Arbeitskräftemangel – schon zwei Jahre früher aus dem Berufsleben ausscheiden sollte als alle Berufsgenerationen zuvor? Die gesundheitliche Versorgung ist besser, die meisten Arbeitsplätze sind aufgrund des technischen Fortschritts bequemer, die Menschen sind mental wach und belastbar, alle Ärzte raten zur geistigen und körperlichen Beschäftigung und auch zur beruflichen Herausforderung – nicht jeder gehört ja zu den viel zitierten Dachdeckern oder Betonarbeitern, die körperlich früher verschlissen sind! Inzwischen arbeiten 75 Prozent aller Arbeitnehmer am Schreibtisch und am Bildschirm, im Büro oder zuhause, Roboter haben die Fließbänder abgelöst – also gibt es keinen vernünftigen Grund für solche unvernünftigen Wahlgeschenke auf Kosten künftiger Generationen. Frau Nahles hat da eine sozialpolitische Revolution auf den Weg gebracht, die schon bald ihre Kinder fressen wird. Und alle am Regierungstisch der Großen Koalition haben den Schwachsinn abgenickt, weil keiner als „unsozial” gebrandmarkt werden wollte – und doch zutiefst unsozial gehandelt hat. Bloß kapiert haben es nur wenige der karrieregeilen Merkelmarionetten.  

Und die „Jungen” selber? Die Generation 50 minus? Die schweigt und verschläft und versündigt sich − an sich selbst und ihren Kindern. Kein Protest, nicht einmal Fragen, alles wird stoisch hingenommen, eine merkwürdige Ignoranz der eigenen Zukunft gegenüber. Oder fressen die Kinder der digitalen Revolution ihren Missmut nur innerhalb des Netzes weniger lautstark in sich hinein? Aber auch von einem shitstorm gegen Nahles habe ich nichts gehört. Liegt diese Gleichgültigkeit vielleicht auch daran, dass viele der Betroffenen zur Erben-Generation gehören? Dass ihnen ihr vermeintlicher Wohlstand den eigenen Blick auf die politische Zukunft trübt? Kann diese voll durchdigitalisierte Generation (zu einem Viertel schon aus sozial wenig abgesicherten Leih-Arbeitern!) nicht mehr selbst kopfrechnen? Sehen die 30-, 40-, 50-Jährigen ihr Leben noch lebensversichert, obwohl doch jeder von ihnen wissen müsste, dass nahezu jedes Versorgungsmodell und alle bisherigen Rentensysteme schon jetzt am Boden sind? Werden sie von ihrer Alles-ist-gut-Kanzlerin eingelullt wie fröhliche Selfie-Fußball-Bubis in Brasilien? Und werden sie von den Gewerkschaften verraten, deren Funktionäre ja offenbar viel mehr an ihrer eigenen beitragsfinanzierten Zukunft interessiert sind als am grundlegenden Wandel gegenwärtiger und künftiger Arbeitsbedingungen?   

Vor hundert Jahren hat man auch geglaubt, unsinkbare Schiffe bauen zu können. Die TITANIC ist aber dennoch abgesoffen. Und unser so schönes, sicheres Staatsschiff braucht nur einen einzigen politischen Eisberg zu rammen, und schon kentert es, trotz aller scheinheiligen finanzpolitischen Sicherheitsversprechen. Die 53er sind auf die Straße gegangen (in der damaligen DDR). Die 68er sind auf die Straße gegangen (in der damaligen BRD). Jetzt geht niemand auf die Straße. Public viewing yes, public protests no. Und Aufstände der politischen Vernunft? Auf gar keinen Fall! Immer schön leise, immer angepasst, auf gar keinen Fall eine „Abmahnung” im digitalen Lebenslauf.

Aber wie soll man auch eine Generation wachrütteln, die den Schlaf der Selbstgerechten aus Berlin verordnet bekommt? Die den alten und verlogenen Sprüchen immer noch glaubt („die Renten sinn sischäh”). Ich werde dieses Editorial sicher speichern. Damit meine Kinder und Enkel in 20 Jahren nicht sagen können, sie hätten von nichts gewusst. „Ihr hättet ja mal was sagen müssen!” Ich hab’s hiermit getan. Nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal. Aber wie viele Steuerleute, wie viele Auguren haben ihre Warnungen schon vergeblich in den Wind gebrüllt. Der Wind kann nicht lesen. Der Wind kann nicht hören. Der Wind kann nur wehen. Auch in 20 Jahren noch. Aber dann aus einer anderen Richtung …

Alles Gute, Ihr Herbert Fricke   

PS: Wir freuen uns, dass das HANDELSBLATT in seiner Ausgabe vom 13. August das in unserem Editorial behandelte Thema aufgegriffen und

unter dem Titel „Die Kuschel-Generation” fortgesetzt hat.

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