Mit der OPDR
LISBOA von Rotterdam nach Portugal, Spanien, Gran Canaria und zurück über
England nach Hamburg.
Die Frage nach
dem „Warum”
… ist leicht zu
beantworten. Erstens: Kann ich eine solche Reise mit meiner Frau gar nicht
unternehmen, weil sie (leider) schon seekrank wird, wenn sie nur ein großes
Schiff von weitem sieht. Zweitens: Mein Enkel (13, aus Wien) inzwischen ein
Schiffsfan geworden ist und wir uns super verstehen.
Im Juli 2012 waren
wir schon einmal unterwegs, und zwar mit der MS BARMBEK von Hamburg durch
den NOK nach Kotka und Helsinki in Finnland. Das war zwar nur eine 8-tägige
„Probefahrt”, aber sie hat uns inspiriert, eine weitere, etwas längere Reise
zu unternehmen.
Die Vorbereitungen
… dafür habe ich
schon frühzeitig ein halbes Jahr im Voraus getroffen. So viel Zeit sollte
man wirklich einplanen, egal wo die Reise hingeht. Die von der Reederei OPDR
(das ist nicht die Abkürzung für „Oberpostdirektion”, sondern für die schon
1880 gegründete Oldenburg Portugiesische Dampfschiffs Rhederei GmbH)
angebotene Route von Rotterdam aus nach La Coruna, Leixoes/Porto, Sevilla,
Las Palmas/Gran Canaria, Cadiz, Lissabon und über Felixstowe/GB zurück nach
Hamburg hat mir am meisten zugesagt. Für die Buchung einer solchen Reise
stehen verschiedene spezialisierte Anbieter von Frachtschiffreisen zur
Verfügung. Ich bin meiner Hamburg-Süd Reiseagentur treu geblieben. Fix
buchen sollte man schon deshalb rechtzeitig, weil ja nur wenige Plätze zur
Verfügung stehen. Unser Schiff hatte gerade einmal 2 Doppelkabinen, wovon
die zweite aber nicht belegt war, d.h. wir hatten genügend Freiraum. Bei
allen Unwägbarkeiten nicht vergessen: Reiserücktritts-Versicherung.
Die Reisekosten
… sollte man auch
früh genug im Budget einplanen, denn so ganz billig ist das Vergnügen ja
doch nicht. Und der Enkel mit 13 muss jetzt auch voll bezahlen. Pro Person
waren das für die 16-tägige Reise rund 1.300 €. Dazu kommen dann aber die
unvermeidlichen Bahnfahrten, Taxifahrten in den Häfen, Versicherungen,
Übernachtungen usw. Also, insgesamt so etwa 4.000 € für 2 Personen muss man
schon einkalkulieren. Aber man bekommt auch etwas dafür.
Sinn und Zweck
… dieses
Unternehmens war nicht nur, fremde Städte und Häfen kennen zu lernen,
sondern so nebenbei, ohne dass er es merkt, auch meinem Enkel etwas
beizubringen, und zwar Englisch sprechen, auf fremde Leute zugehen, das
Selbstbewusstsein stärken, Nautik-Kenntnisse erwerben, als Fotograf tätig
sein usw. Es hat alles ganz toll funktioniert, weil wir auch eine Super-Crew
hatten. Vom Captain über die Officers bis zum „Oiler” oder „Fitter” und ganz
besonders zum „Cookie” und dem „Messman” hatten wir die besten Kontakte und
ständig interessante Gespräche. Also, langweilig geworden ist uns nie. Kaum
zu glauben, wie schnell so ein Tag auf See vergeht.
Und dann ging es endlich los
… am 6. Juli 2013
mit der Bahn von Villingen über Frankfurt/Main nach Rotterdam. Vorher musste
aber noch mein Co-Passenger von Wien nach Stuttgart eingeflogen werden. Auch
so etwas muss eingeplant werden. Nach 8-stündiger Fahrt und 3 mal Umsteigen
haben wir am Nachmittag unser erstes Ziel erreicht, wo wir uns laut
Anweisungen der Reederei zunächst einmal bei der Einwanderungsbehörde
anzumelden hatten. Warum das bloß? Die Prozedur war nach Vorlage unserer
Pässe in fünf Minuten erledigt. Unser Schiff sollte am nächsten Tag
auslaufbereit sein, war es aber nicht, sondern erst am 8. Juli. Also hieß es
zweimal Übernachten, aber wo?
Die SS ROTTERDAM
… ein Mitte der 50er
Jahre gebauter Luxusliner (38.645 BRT) der Holland America Line war für uns
genau das Richtige. Dieses 228 Meter lange, 29 Meter breite und für etwa
1.500 Passagiere konzipierte Schiff ist rund 40 Jahre zunächst im
Liniendienst Rotterdam-New York und später als Kreuzfahrer auf allen
Weltmeeren gefahren, ehe es im Jahr 2000 still gelegt werden musste und seit
2010 im Rotterdamer Hafen als Hotel- und Museumsschiff eine Attraktion
darstellt. Wir hatten Glück, im „Lower Promenade Deck” die letzte freie
Kabine zu bekommen, denn ohne Reservierung geht da normalerweise gar nichts.
Die zwei Tage an Bord waren nicht nur sehr angenehm, sondern auch
interessant. Und der Preis von 140 € pro Doppelkabine und Nacht inklusiv
Frühstück war auch akzeptabel und angemessen.
Im Hamburger Hafen
liegt ja auch ein Relikt aus früheren Zeiten als Museumsschiff, die 1961/2
für die Hamburg-Süd Reederei gebaute CAP SAN DIEGO, das letzte von 6
baugleichen Schiffen, welches in letzter Minute vor der Verschrottung
gerettet werden konnte. Im Unterschied zur SS ROTTERDAM ist sie aber noch
fahrbereit, sogar zertifiziert für Atlantik-Fahrten. Dieses waren damals die
schnellsten Frachter auf der Südatlantik-Route nach Brasilien und
Argentinien, weshalb sie auch die „Weißen Schwäne” des Südatlantiks genannt
wurden.
Unsere OPDR LISBOA
… traf dann tatsächlich am 8. Juli mit einiger
Verspätung aus Felixstowe kommend im Prinzessin Beatrix Hafen ein. Ehe wir
an Bord gehen konnten, mussten wir aber auf strikte Anweisung der OPDR
Hafen-Agentin nochmals zur Einwanderungsbehörde. Die nette Beamtin hat sich
gewundert, dass wir da ja schon registriert waren. Also, etwa 30 €
Taxikosten für umsonst. Aber immerhin, wir haben etwas Neues von Rotterdam
gesehen. Unser Taxi hat uns dann direkt vor das Schiff gefahren, wo es aber
keine Gangway gab, sondern nur eine „Strickleiter”, über die wir an Bord
klettern mussten. Unsere Koffer haben uns sehr freundliche Filipinos auf
unsere „Kammer” gebracht, wo wir uns auch gleich wohl gefühlt haben. Sehr
ordentlich und zweckmäßig eingerichtet. Platz hatten wir mehr als genug,
weil die zweite Kabine unbenutzt war und wir den Aufenthaltsraum ganz für
uns alleine hatten. Insgesamt so etwa 60 Quadratmeter.
Das Schiff
… fährt unter der
Flagge von Zypern und ist 2007 in China gebaut, oder besser gesagt, zusammen
gesetzt worden, denn die meisten Bauteile inklusive Maschine wurden aus
Deutschland und anderen europäischen Ländern angeliefert. Mit nur 8.150 BRT
ist es für ein Containerschiff relativ klein, sodass auch maximal nur 700
TEU Container mitgenommen werden können. Die Länge misst 129,60 Meter und
die Breite 20,60 Meter. Tiefgang cirka 7,0 Meter. Die Maschine „liefert”
7.000 kW bzw. 10.000 PS, womit eine Geschwindigkeit von rund 18 Knoten, das
sind 32 km/h erzielt werden kann.
Die 14-köpfige Crew
… war international
besetzt. Kapitän, 1. Offizier und der Chief Engineer waren Polen, 2.
Offizier und 2. Maschinist kamen aus Spanien, der Elektriker aus Litauen.
Die Mannschaft setzte sich hauptsächlich aus Filipinos sowie einem Bulgaren
und einem Rumänen zusammen. Ganz wichtig, Koch und Steward waren auch
Filipinos und ganz hervorragend. Lenny und ich waren nur die
„Supernumeraries”, also die, die (fast) alles dürfen, aber nichts machen
müssen.
Unser Kapitän fährt
schon seit 35 Jahren zur See, aber jetzt fiebert er doch seiner
Pensionierung entgegen. Hauptziel in seinem 3-monatigen Urlaub, den er nach
der nächsten Reise antritt, ist, möglichst kein Wasser zu sehen.
Ganz interessant ist
die Geschichte bzw. der Werdegang des Chief Officers, den ich altersmäßig so
auf Mitte 50 schätze. Sehr sympathisch und intelligent. Zunächst hat er mal
in Moskau Wirtschaft studiert und darin auch sein Examen gemacht. Aus
irgendeinem Grund wurde ihm dann nahe gelegt, er möge doch bitte nach Polen
zurückkehren. Das Verhältnis zwischen Russen und Polen ist ja auch heute
noch leicht gestört. Zwischendurch war er dann mal 5 Jahre an einer Schule
als Lehrer tätig, ehe er sich aufs Land zurückgezogen hat, wo er eine
Viehwirtschaft mit etwa 500 Schafen betreibt. Dafür hat er einen Verwalter
und Arbeiter aus der Ukraine angeheuert. Seine Frau und die Kinder betreiben
ein kleines Krankenhaus. Also, diversifizierter geht es nicht. Warum und
wann es ihn zur Seefahrt gezogen hat, weiß ich nicht. Jedenfalls ist er
schon viele Jahre als 1. Offizier auf großen Schiffen unterwegs gewesen. An
unsere kleine OPDR LISBOA musste er sich erst noch gewöhnen.
Unsere erste Etappe
… von Rotterdam nach
La Coruna verlief wenig aufregend, zumal auch die See in dieser sonst etwas
stürmischen Gegend total ruhig war. Im Morgengrauen sehen wir die imposanten
Kreidefelsen von Dover. Die englische Ostküste kommt in einiger Entfernung
immer mal wieder in Sicht. Wie auf einer Autobahn fahren wir unserem ersten
Hafen entgegen, wo wir am Abend eintreffen, aber leider nicht an Land gehen
können, da die Ladezeit gerade einmal 2 Stunden dauerte. Ähnlich war es in
Leixoes, dem Hafen von Porto.
Richtig interessant
und spannend wurde es dann im Golf von Cadiz. Als wir am Nachmittag das Cabo
Sao Vicente, den südwestlichsten Punkt von Europa passiert hatten, war klar,
dass wir zu schnell unterwegs waren und warten mussten, bis mit der Flut der
Guadalquivir nach Sevilla passierbar war. Statt vor der Flussmündung zu
ankern, hat sich der Kapitän entschieden, vor der Küste der Algarve hin und
her zu fahren. Das war für den C/O (Chief Officer) die Gelegenheit, Lenny,
meinen Enkekl, weiteren Unterricht in Sachen Nautik zu erteilen. Diese
Unterrichtsstunde findet jeden Tag von 16:00 bis 17:00 statt. Und heute kam
der Höhepunkt, denn Lenny durfte unter der fachkundigen und strengen
Aufsicht des Ersten unser Schiff eigenhändig steuern. Inklusive zwei 180°
Wenden. Das hat aus der Ferne ein Fischerboot beobachtet und uns angefunkt,
was wir denn da für einen Blödsinn machen würden ... Die Sache war schnell
aufgeklärt und Lenny hatte ein tolles, aufregendes Erlebnis.
Die 6-stündige Fahrt
durch den Guadalquivir nach Sevilla fand in der Nacht statt und da haben wir
lieber in unseren Kojen geschlafen.
Im Hafen von Sevilla
… ist nicht viel
Betrieb, denn wir waren wirklich das einzige Schiff dort. Lenny’s treffender
Kommentar dazu: „Und das nennt man Hafen?” Interessant sind die entlang des
Flusses gelegenen alten Hafengebäude und Kräne, die früher sicher einmal
bessere Zeiten erlebt haben. Nicht ganz verständlich ist, warum man unter
diesen Umständen den Frachtverkehr nicht über Cadiz abwickelt, denn dieser
wichtige Hafen ist gerade einmal 120 Kilometer entfernt. So würde man auch
die hohen Kosten für das ständige Ausbaggern des Guadalquivir vermeiden,
denn Cadiz ist ein moderner Seehafen. Selbst bei unserem kleinen Schiff
hatten wir auf dem Fluss gerade mal noch etwa 15 Zentimeter Wasser unter dem
Kiel. Aber Spanien wird demnächst von der EU Geld bekommen, um die schmale
Fahrrinne vertiefen zu können.
Für den ziemlich
öden Hafen wurden wir dann in der 700.000 Einwohner zählenden
Provinz-Hauptstadt Andalusiens entschädigt. Während einer 2-stündigen
Stadtrundfahrt mit einem offenen Doppeldecker-Bus haben wir viel
Interessantes gesehen, so z.B. auch das Gelände und die Bauten der
Weltausstellung EXPO von 1992. In der Altstadt waren die vielen im
maurischen Stil erbauten Gebäude imposant. Eigentlich wollten wir noch mehr
sehen und erleben, doch da wurde es für unsere Begriffe zu heiß. Im
Juli/August steigen die Temperaturen auf bis zu 40° an. Deshalb waren wir
froh, als wir wieder auf unserem klimatisierten Schiff waren.
Das Auslaufen nach Las Palmas
… war für Mitternacht angesagt, weil wir erneut die
Flut abwarten mussten. Auf jeden Fall war bei uns die Vorfreude auf Hafen,
Stadt und Strand aufgekommen. Nach der 2-tägigen Überfahrt sahen wir am Abend die
Lichter von Las Palmas, es war ein toller Anblick und versprach vieles. Für
alle war klar, dass wir morgen sicher bis zum Nachmittag im Hafen liegen
würden, denn wer von den Spaniern würde schon gern die Nacht durcharbeiten?
Von wegen – die sind mit 2 „Gangs” angekommen, haben ihre Ladebrücken
bestiegen und angefangen, die Container vom Schiff zu hieven und dann andere
wieder aufzuladen. Um Mitternacht teilte uns der Port Agent mit, dass wir
schon gleich in der Früh wieder auslaufen müssten. Die Enttäuschung über
diese Nachricht war groß, doch so ist das nun einmal bei Frachtschiffreisen
– man muss auf alle Überraschungen eingestellt sein – und sie auch
akzeptieren. Der Hafen von Las Palmas, der „Puerto de la Luz”, auf der
nördlichen Halbinsel „La Isleta” gelegen, ist eine wichtige Drehscheibe für
den Frachtverkehr zwischen Europa, Südamerika, Afrika und Asien. Hier laden
die „Feeder-Schiffe”, also die Zubringer, so wie wir es sind, ihre Fracht
ab, welche dann unverzüglich auf große Schiffe zu den anderen Kontinenten
verladen wird.
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Die obligatorische Feuerlösch-Übung
… haben wir
inzwischen auch schon hinter uns gebracht. Kurz nach der „Coffee Break”
tutet das Signalhorn 7x kurz und 1x lang. Das heißt Alarm und „abandon ship”
– also Schiff verlassen. Mit unseren Rettungswesten eilen wir zum
„Musterplatz”, wo jeder seinen nummerierten Platz einnehmen muss. Der Chief
Officer erklärt die zu treffenden Maßnahmen. Der 2. Offizier ist für alle
Sicherheitsvorkehrungen verantwortlich. In das Freifall-Rettungsboot mussten
wir auch einsteigen, aber Gott sei Dank wurde es nicht zu Wasser gelassen.
Dafür kam aber das Szenario, dass das Freifall-Boot nicht frei gemacht
werden konnte und wir deshalb alle in eine Rettungsinsel einsteigen müssten.
Also, im Ernstfall hätte ich das nicht so gerne mitgemacht. Schließlich
wurde auch noch geübt, wie ein Brand in der Kombüse wirksam zu bekämpfen
ist. Das Ganze war eine spannende Angelegenheit.
In Cadiz
… sind wir nach
1.260 Kilometer Seereise morgens gegen 8:00 Uhr eingelaufen. Super bei
diesem Hafen ist, dass er direkt vor der Stadt liegt und man in 5 bis 10
Minuten zu Fuß das alte Zentrum erreicht.
Erste Anlaufstation für uns war natürlich wieder die
„Oficina de Turismo”, wo wir einen sehr übersichtlich gestalteten Stadtplan
mit allen Sehenswürdigkeiten erhielten. Darin sind die empfohlenen Rundgänge
in verschieden farbigen Linien eingezeichnet und diese farbigen Linien
findet man dann auf den Gehwegen und Straßen wieder. Gute Idee, zur
Nachahmung empfohlen.
Die Stadt hat zwar nur etwa 120.000 Einwohner, aber
sie ist unheimlich interessant. Das Zentrum besteht aus vielen engen,
winkeligen Gassen mit schönen alten Geschäften. Da fahren auch keine Autos,
alles ist Fußgängerzone. Sehr schön und einladend sind die vielen kleinen
Bars und Straßen-Cafés. Überragt wird alles von dem mächtigen Dom.
Die Fahrt nach Lissabon
… hat gerade einmal etwa 15 Stunden gedauert. Was
uns in der Hauptstadt Portugals erwarten würde, wusste keiner, denn im Hafen
war ein 2-tägiger Streik der Hafenarbeiter angesagt. Aber es kam wieder mal
anders als erwartet – es war kein Streik und damit auch keine 2 Tage
Aufenthalt in Lisboa, schade. Pünktlich, wie kalkuliert, kommen wir am
Freitag 19. Juli gegen 7:30 Uhr vor der Tejo-Mündung an.
Mit 17,6 Knoten fahren wir ziemlich flott, was zur Folge hatte, dass
wir von einer portugiesischen Fregatte per Funk aufgefordert wurden, unsere
Fahrt zu verlangsamen. Der „Zweite” war so verdutzt, dass er abrupt
abbremste, wie man es bei einer Radarfalle ja auch macht. Und plötzlich war
die Fregatte auf unserem Radarschirm nicht mehr zu sehen – sie hatte sich
technisch eingenebelt. Sie konnte uns mit Sicherheit sehen, wir sie aber
nicht.
Die etwa 1-stündige Fahrt von der Flussmündung, wo
man an Backbord den Nobelort Cascais sehen kann, bis zum Anlegeplatz ist
mehr als eindrucksvoll. Zunächst geht es vorbei an grünen Hügeln, wo die
malerischen Vororte von Lissabon angesiedelt sind. Kurz vor der imposanten
Drahtseilbrücke „Ponte Vasco da Gama”, die zwei Stadtteile verbindet und mit
über 17 Kilometer eine der längsten der Welt ist, passieren wir den 1521 als
Festung errichteten „Torre de Belem”, der dann später auch mal Zollstation
und Gefängnis war. Kurz danach kommt
das „Padrao dos Descobrimentos”, das Denkmal der Entdeckungen,
welches den portugiesischen Seefahrern und Entdeckern gewidmet ist. An der
Spitze des einer Caravelle nachgebildeten Denkmals steht „Heinrich der
Seefahrer” mit der Bibel in der Hand. Auch Ferdinand Magellan soll mal
gesagt haben: „Wer an der Küste bleibt, kann keine neuen Ozeane entdecken”.
Auf der südlichen Flussseite sieht man auf einem Hügel die mächtige, 113
Meter hohe Christus-Statue, ähnlich der, die auf dem Corcovado von Rio de
Janeiro steht.
Nach dem Festmachen
und dem Erledigen der Formalitäten nimmt uns der freundliche Hafen-Agent mit
seinem Auto bis ins Zentrum mit, wo wir an der „Praca do Comercio” einen
ersten Eindruck von dieser altehrwürdigen Stadt bekommen. Die kam übrigens
nach der 400-jährigen Herrschaft der Mauren über die Iberische Halbinsel
erst im Jahr 1147 zu Portugal. Heute leben dort gerade einmal 500.000
Menschen.
Auffallend sind
sofort die über 100-jährigen Trams, die immer noch voll fahrbereit sind und
eine Attraktion für die Stadtrundfahrten darstellen. Leider hatten wir dafür
keine Zeit, denn unser Schiff sollte schon am Nachmittag wieder ablegen.
Aber immerhin, in den paar Stunden haben wir viel Interessantes von Lissabon
gesehen. Muito abregado.
Barbecue
… gehört auf jeder
Frachtschiffreise unbedingt dazu. Eigentlich hätte das schon vor Cadiz
stattfinden sollen, doch da hat „Cookie” gemeint: „Not possible – not enough
meat!” Er musste in Cadiz erst einmal nachbestellen. In diesen Dingen hat er
offensichtlich mehr Autorität als der Captain.
Egal, nach dem gestrigen „Großreinemachen” auf dem
Schiff hat die Mannschaft auch heute noch guten Appetit.
Am Nachmittag werden erste Vorbereitungen für das Fest getroffen. Auf
dem Musterdeck wird der Grill aufgestellt und „angeworfen”. Cookie und seine
Filipinos haben Erfahrung darin. Der Tisch ist „nicely decorated”, aber nur
für Captain, Officers und natürlich für uns, den Paxen. Die Crew muss es
sich im Stehen gut gehen lassen.
Bei angenehmen
Temperaturen mit Sonnenschein gab es gegrilltes Schweinefleisch, Würstel,
diverse Salate und sogar Kuchen. Der Captain hat eine Kiste Bier spendiert.
Vom Essen konnte sich jeder nehmen, so viel er wollte. Alle haben gestaunt,
was Lenny geschafft hat: mindestens 4 Stücke Fleisch, 3 Würstel und noch 2
Stück Kuchen. Seeluft macht wohl doch hungrig.
Der Höhepunkt dieses
Events war, als Lenny vom Captain sein Zertifikat überreicht bekommen hat.
Darin wird ihm bescheinigt, was er in Sachen Nautik alles gelernt hat und
dass er sogar schon das Schiff steuern durfte. Opa und Enkel waren stolz
darauf.
Felixstowe
… an der Ostküste
Englands, gegenüber von Harwich gelegen, ist unser nächstes Ziel. Es ist
wohl einer der wichtigsten Frachtschiffhäfen Englands, aber bis dahin haben
wir noch gute 1.600 Kilometer vor uns, oder anders gesagt, noch 2 Tage. Also
genug Zeit, um weitere Details des Schiffes zu erkunden und interessante
Gespräche zu führen. Ich musste ab sofort sowieso etwas langsamer treten,
denn laut Lenny’s exakter Berechnung sind wir in den vergangenen 14 Tagen
rund 14.000 Stufen rauf und runter gegangen. Das waren für mein rechtes Knie
einige zu viel. Die Lehre daraus habe ich schon gezogen: Wenn es noch mal
eine Reise geben sollte, dann nur mit einem Schiff, das über einen Aufzug
verfügt.
Die Besichtigung des
Maschinenraumes, in dem 5 Leute tätig sind, war für uns natürlich sehr
eindrucksvoll. Unglaublich, was da für eine Technik untergebracht ist. Und
da soll sich dann noch einer mit dem Gewirr von Leitungen, Kabeln, Rohren
usw. auskennen. Doch unser C/E beherrscht sein „Reich”.
Genau so kompliziert
und verantwortungsvoll ist die Arbeit im „Ballast Control Room”, von wo aus
die Trimmung des Schiffes kontrolliert und erforderlichenfalls korrigiert
wird. Das sind Aufgaben für den 1. und 2. Offizier. Auch hier stellt man
fest, ohne Computer geht gar nichts.
Die interessantesten
Gespräche führen wir meistens mit dem Chief Officer, der seine Wache auf der
Brücke immer von 4:00 bis 8:00 Uhr morgens hat. In dieser Zeit passieren ihm
die tollsten Erlebnisse. Gestern, noch im Atlantik bzw. in der Biscaya, ist
er einem 1-Mann-Segler begegnet, der die Welt umrundet hat und einen neuen
Rekord aufstellen wollte. Den hat er leider um nur 18 Stunden verfehlt – was
ist das schon für eine Differenz, wenn man um die ganze Welt fährt und jetzt
kurz vor dem Ziel in Bordeaux ist. Lustig auch heute die Begegnung mit drei
Extrem-Sportlern, die an der Kanal-Enge zwischen Calais und Dover den Kanal
schwimmend überqueren wollten, begleitet natürlich von ihren Helfern in
einigen Booten. Die kamen unserem Kurs so nahe, dass der „Erste” die
angeschnauzt hat. Deren coole Antwort lautete nur: „Der Englische Kanal ist
für alle da“.
Jedenfalls laufen
wir gegen Mittag in den weitläufigen Hafen von Felixstowe ein und haben hier
bis Mitternacht Zeit. Doch diese 12 Stunden Aufenthalt hätten wir lieber in
Las Palmas gehabt. Der Ort mit rund 34.000 Einwohnern war wohl mal ein
bekanntes Seebad, aber sonst ist es ein verschlafenes Nest mit zwei
Hauptstraßen und sonst gar nichts.
An einiges musste
man sich hier in England doch gewöhnen. Zunächst mal an den etwas
ungewöhnlichen Akzent, den sie hier sprechen. Dann an den Linksverkehr, der
selbst für uns Fußgänger gewöhnungsbedürftig ist. Und schließlich noch an
die englische Währung, das Pfund. Im „Seafarers Centre”, der im Hafen
gelegenen Anlaufstation für alle Seeleute, habe ich die freundliche
Bedienung gefragt, wann sie denn endlich mal den € einführen. Ihre Antwort:
„Hopefully never“.
Die Fahrt zurück nach Hamburg
… dauert rund 30
Stunden. Das Auslaufen aus Felixstowe haben wir infolge eines Tiefschlafs
gar nicht mitbekommen. Dafür sehen wir aber am Vormittag in einiger
Entfernung die holländischen ostfriesischen Inseln Texel, Vlieland,
Terschelling, Ameland und Schiermonnkog. Vor Borkum, in deutschen
Hoheitsgewässern, erkennen wir im Dunst den „Windpark” – ein Wald von Masten
mit den Windrädern zur Stromerzeugung. Nach den bisher gemachten Erfahrungen
muss man jedoch bezweifeln, ob damit unser Strom wirklich billiger wird.
Die Fahrt geht mit
nur 7 Knoten sehr langsam voran, da wir von der Reederei aus Hamburg Order
bekommen haben, den Lotsen von dem Lotsenschiff ELBE 1 erst gegen
Mitternacht aufzunehmen. Dieses Schauspiel musste ich natürlich
mitverfolgen. Und das war wirklich ein Lichtermeer, die vielen beleuchteten
Schiffe um die Lotsenstation herum liegen zu sehen. Alle mussten auf ihren
Lotsen warten.
Frühmorgens waren
wir wieder hellwach, um den letzten Teil der Reise live mit zu erleben. Vor
Blankenese ist der dritte und letzte Lotse, also der Hafenlotse, an Bord
gekommen. Die Einfahrt in den Hamburger Hafen ist immer wieder ein
besonderes Erlebnis, vor allem morgens, wenn man mit einem faszinierenden
Sonnenaufgang begrüßt wird. Vorbei an der alten Lotsenstation, dem Eurogate
und dem Burchardkai geht es in den Kaiser-Wilhelm-Hafen, wo um 7:00 Uhr
festgemacht wird. Die Maschine steht still, bis zum Nachmittag, dann geht es
schon wieder nach Rotterdam – ohne uns.
Wir genießen zum
letzten Mal in der Officers Mess unser ausgiebiges Frühstück, packen unsere
letzten Sachen ein und warten auf die Wasserschutzpolizei. Diese Beamten
müssen nach dem Wegfall der äußeren Zollgrenzen die Passkontrollen usw.
jetzt an Bord der Schiffe vornehmen. Kein Problem für uns.
Danach erfolgte eine sehr herzliche Verabschiedung
vom Captain und den Offizieren mit dem Versprechen: „We stay in contact”.
Cookie lässt es sich nicht nehmen, unsere zwei schweren Koffer über die
schwankende Gangway zu dem schon wartenden Taxi zu bringen.
Das war’s. Eine tolle 16-tägige Reise mit vielen
interessanten Erlebnissen, an die mein Enkel und ich noch lange zurück
denken werden. Lenny hat jedenfalls gesagt: „Diese Reise hätte noch zwei
Wochen länger dauern können”. Vielleicht heißt es doch noch einmal: „Schiff
ahoi”.
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