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Herbert Fricke · Ressortleiter HamburgMagazin China ante portas americanas: Der „Kanal des Himmlischen Friedens”
Also, jetzt wird sie doch neu vermessen, unsere Welt. Was weder Daniel Kehlmann noch seine historischen Protagonisten Gauß und Alexander von Humboldt ahnen konnten, das geschieht nun wirklich: die Chinesen bauen einen gigantischen Kanal vom Pazifik zur Karibik quer durch das mittelamerikanische Land Nicaragua. Einen „Kanal des Himmlischen Friedens”? Rund 200 Kilometer lang und 30 Meter tief! Das ist einer der schwerwiegendsten Eingriffe in die Ökologie und die Ökonomie, seit die Welt vermessen wird. Dies wird nicht nur eine neue Ost-West-Passage zwischen der atlantischen und der pazifischen Welt, dieser Kanal wird – absehbar – auch zu einem Machtinstrument zwischen China und Amerika. Bisher haben die Amerikaner ihre weltpolitische Einfluss-Sphäre immer weiter einseitig ausgeweitet. Sie haben die Welt nach ihrem eigenen Willen eigenmächtig neu vermessen. Mit dieser handelspolitischen und militärischen Strategie haben sie sowohl die Russen (vor allem in Osteuropa), als auch die Chinesen (im pazifischen Raum) immer weiter gereizt und zurückgedrängt. Taiwan (früher Formosa), Okinawa, Teile Polynesiens, das riesige Seegebiet südwestlich von Japan… in Osteuropa die Baltischen Staaten, Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, und nun seit neuestem auch die Ukraine – die Amerikaner haben den gelben Drachen und den russischen Bären immer weiter gedemütigt und gereizt. Amerikanische Flugzeugträger und U-Boote im südchinesischen Meer können die Rote Flotte nicht unberührt lassen. Konsequenzen zeichnen sich nun ab. Der Bär brummt bedrohlich, der Drache speit Feuer. Und die Amerikaner spielen mit diesem Feuer. Nach der Kuba-Krise 1962 ist dies nun der nächstgrößere Eingriff in die amerikanische Einfluss-Sphäre. Zwar rüsten die Chinesen ihren mittelamerikanischen Partner Nicaragua nicht mit Raketen auf, so wie Chruschtschow das einst auf Castros Zuckerinsel Kuba versucht hat, aber dieses Kanalprojekt ist doch mehr als ein kleiner Schnitt in die amerikanische Hegemonie. Dies ist nun keine Politik der Nadelstiche mehr, sondern des machtpolitischen Vorschlaghammers. Wirtschaftlich wird der neue Kanal ein entscheidendes Konkurrenzprojekt zum amerikanischen Panamakanal. Dieser Panamakanal wird gerade mit Milliarden-Aufwand verbreitert und vertieft. Aber schon in sechs Jahren, so chinesische und nicaraguanische Chefdiplomaten, soll er überflüssig werden. Weil die internationale Schifffahrt den neuen Nicaragua-Kanal mit viel größeren Schiffen schneller und billiger passieren kann. So jedenfalls die erklärte Absicht der Chinesen. Das Ganze kann nur funktionieren, weil sich der sozialistische Armutsstaat Nicaragua unter seinem fragwürdigen Präsidenten Ortega in die wirtschaftliche Abhängigkeit von seinem Gönner China hat manövrieren lassen. Nicaragua muss in Peking ums Überleben betteln, so wie Ostberlin vor 26 Jahren in Bonn hat betteln müssen. Wegen dieser ökonomischen Bedeutungslosigkeit haben die Amerikaner den verarmten Nachbarn im Süden auch weder unterstützt noch überhaupt groß wahrgenommen. |
Ortega war und ist für die Amerikaner ein „bad boy”, der sich überleben wird wie Fidel Castro. Kuba ist ja schon auf dem Weg „heim ins Reich” – aber den Kaffeestaat Nicaragua haben die Amis übersehen. Und unterschätzt. Jetzt – erstmals in der Geschichte – haben die Chinesen ihren Fuß in die lateinamerikanische Tür gestellt. Dabei haben sie – neben der geo-strategischen Bedeutung – natürlich vor allem ihre eigenen handelspolitischen Interessen im Auge. Durch den neuen Kanal können sie ihre gigantischen Containerschiffe mit chinesischen Waren enorm kostensparend in Richtung Westen schleusen. Durch den Kanal können sie ihre Mammuttanker mit venezolanischem Öl in Richtung Osten gleiten lassen. Der neue „Kanal des Himmlischen Friedens” schließt China an die westliche Hemisphäre an. Denn für vertraglich abgesicherte fünfzig Jahre (!) wird der neue Kanal unter chinesischer Regie betrieben. Beiderseits der Kanalufer wird es eine je zehn Kilometer breite chinesische „Schutz-Zone” geben. So ähnlich haben sich einst die Amerikaner ihren Einfluss am Panamakanal gesichert. Sie nannten das ihre „Panamakanalzone”. Historisch werden sie also wenig einwenden können gegen das gleiche Vorgehen der Chinesen in Mittelamerika. Nun wird mancher einwenden, China mache auf diese Weise Nicaragua faktisch zu einer chinesischen Kolonie. Das wird so sein. Aber längst gibt es ja, nicht nur unter Wirtschaftswissenschaftlern, die Auffassung, dass die einstige Kolonialisierung in Afrika und Mittelamerika im Vergleich zur gegenwärtigen Notsituation vieler Entwicklungsländer nicht die schlechtere Lösung gewesen sei. Nur ist natürlich der Begriff „Kolonie” historisch und moralisch belastet. Deshalb sollte man nicht von Kolonien sprechen, sondern von „Paten-Staaten”. Es gibt ja auch tausende von „Paten-Städten”, deren Verhältnis sehr freundschaftlich und bestens funktioniert. Die sogenannten „Geberländer” würden sich dann auf ganz bestimmte „Nehmerländer” konzentrieren und ihre Entwicklungshilfe nicht mit der Gießkanne wirkungslos und ineffizient über den Schwarzen Kontinent oder Armutsstaaten Mittelamerikas verschütten. Britische, französische, deutsche, amerikanische, spanische wirtschaftliche und technische Unterstützung könnte in den entsprechenden Entwicklungsländern gezielt, kontrolliert und in konkreten Projekten geleistet werden. Die Milliarden dafür würden weniger in den Taschen korrupter Machtmogule oder Stammesfürsten landen als tatsächlich auf den Baustellen, in den Schulen und Universitäten. Zurzeit fließen mehr fehlgeleitete Entwicklungshilfe-Milliarden auf dubiose Schweizer Konten als in den wirtschaftlichen Aufbau der betreffenden Staaten. Und viele, viele Milliarden von Euro und Dollar werden ja bisher nur für Rüstung und Militär in afrikanischen, mittelamerikanischen und nahöstlichen Staaten missbraucht. Da hat sich nichts geändert seit dem Verschwinden von Ghadafi, Hussein, Taylor oder Idi Amin. Da werden ganze Kinder-Armeen aufgerüstet, da werden Bodenschätze aller Art verscherbelt, schauen Sie nach Mali, Somalia, Ruanda oder in den Kongo. Nicht bei jeder Metzelei sind westliche Reporter vor Ort. Aber bei jeder Metzelei werden amerikanische, russische, deutsche, französische Waffen verwendet. Diese Waffen werden den „Regierungstruppen” oder den „Aufständischen” ja nicht geschenkt. Die werden teuer bezahlt. Unter anderem mit der zuvor kassierten Entwicklungshilfe. Ohne die fehlgeleiteten „Hilfs”-Milliarden wären die meisten der dortigen Kriege gar nicht möglich. Und die Chinesen? Die sind nun voll aufgesprungen auf den Zug der Materialbeschaffung. Dringend brauchen sie Koltan und Uran, Kobalt und Zinn, Kupfer, Eisenerz. Sie brauchen Stahl und Aluminium und die Rohstoffe zu deren Produktion. Überall in Afrika sieht man sie, die chinesischen Kohorten. An tausend abgelegenen Plätzen sind sie am Graben und am „Evaluieren” fremder Bodenschätze. Der Westen hat die chinesische Infiltration Afrikas total verschlafen. China ist die eigentliche Kolonialmacht der neuen Welt. China beutet Afrikas Bodenschätze aus. Überall buddeln sie und fördern sie und machen sich die Rohstoff-Länder hörig. Wer auf Kreuzfahrt ist, wo immer auf der Welt, der sieht sie in fast allen Häfen, an fast allen Liegeplätzen, die riesigen chinesischen Containerschiffe, Tanker, Erzfrachter und Öltanker. Wo sich Container stapeln, liest man vieltausendfach „China Shipping” und denkt sich nichts dabei. Und nun schlägt der Handelsriese erstmals im Westen zu. Jetzt bauen sie sich ihren eigenen Kanal. Mitten durch den Landrücken zwischen Nord- und Südamerika. Der neue Kanal durchquert eins der größten Süßwasser-Reservoire der Welt, den riesigen Nicaragua-See. Die Chinesen vertiefen ihn in der geplanten Fahrrinne von 5 auf 30 Meter! Die ökologischen Folgen sind unabsehbar. Zehntausende von Nicaraguanern müssen umgesiedelt werden. Viele Städte und Dörfer werden plattgemacht. Das zählt nicht. Der sozialistische Diktator Ortega hat das Land an die Chinesen verkauft, um sich und seinen roten Hut zu retten. Auch für die internationale Kreuzfahrt wird der Kanal seine Bedeutung bekommen. Die Kreuzfahrtschiffe werden ja – ebenso wie die Containerschiffe und Tanker – immer größer. Zehntausend Menschen an Bord sind ja keine Utopie mehr. Ich habe in meinem letzten Editorial ausführlich darüber geschrieben und nachgedacht. Und diese kreuzfahrenden Menschenmengen werden künftig ebenfalls durch den „Kanal des Himmlischen Friedens” geschleust. Wenn Sie in sechs, sieben Jahren dabei sein sollten, dann denken Sie doch mal an mich. Und prosten mir zu. Auf spanisch und chinesisch. Ich wünsche Ihnen allen ein gutes Jahr 2015. Bleiben Sie gesund und der Seefahrt treu! Herzlich, Ihr Herbert Fricke |
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