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Offizielles Organ der Vereinigung
Europäischer Schifffahrtsjournalisten
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Dipl.-Ing. Peter Pospiech
1. Vorsitzender der VEUS und
Ressortleiter VEUS-LOG im SeereisenMagazin
Telefon +49-49 52-82 69 087
Mobil +49-1 71-62 90 729
pospiechp@googlemail.com
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Moderner Schifffahrtsjournalismus
Im
Dschungel des Internets
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Waren das noch Zeiten: wenn man ein bestimmtes
Pressebild oder – informationen benötigte. Da rief man ein einfach der Reihe
nach die guten Kontakte in den Pressestellen an und sagte ihnen, was man
benötigt. Zum Beispiel ein Bild von einem Wendeuntersetzungsgetriebe auf dem
Prüfstand des Herstellers. Die Kontakte tauchten in ihre Archive ab, kamen
wieder an die Oberfläche und, noch atemlos, prusteten: „Is nich!”. Und wie
bekommen wir nun die Kuh vom Eis? „Kein Problem, wir haben gerade ein
Getriebe auf dem Prüfstand. Ich gehe mal hin, mach’ eins und schicke es dir
zu”.
Manche Kollegen würden nun sagen „Bingo”. Ich sage:
Danke für die prompte Hilfe! (Auch das ist heute überhaupt nicht mehr
selbstverständlich). Aber wie ist es heute? Nach geschätzten und gefühlten
50 anstrengenden Stunden am Computer und der Durchforstung (meine weltbeste
Ehefrau bemerkt zu Recht wie ineffizient ich doch bin!) von schätzungsweise
6.540 Bildern unterschiedlicher Herkunft. Es nervt, dass ich alle Bilder
zweimal anschauen muss, weil auf den fingernagelgroßen, so genannten
„thumbnails”, nichts zu erkennen ist. Oder können Sie auf den Minibildchen
etwas erkennen?
Das ist das Problem der Informationssuche in den
Media-Portalen der maritimen relevanten Industrie. Tatsächlich haben alle
Portale eines gemeinsam: Sie sind eine riesige Anhäufung von Bildern und
Texten in Datenbanken, deren Strukturen die Internet-Verantwortlichen und
Computer-Spezialisten natürlich bestens kennen.
Und hier liegt „der Hase im Pfeffer”: Ich habe den
Eindruck, dass diese Fachleute ihr Lieblingsspielzeug nutzen, ohne im
Entferntesten jemals mit einem Journalisten über dessen Bedürfnisse
gesprochen zu haben.
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Wie nennt man das noch? Ach ja: Kundenorientierung!
Oder sind wir Journalisten keine Kunden?
Aber kommen wir zurück auf die Bedürfnisse: Keinem
Computer-Spezialisten, der auf sich hält, käme es in den Sinn
Standard-Datenbank-Software, die für mich als Laien noch einigermaßen
nachvollziehbar wäre, zu nutzen. Dabei wäre sie genau das richtige für uns.
Zur Massenhaftigkeit des Datenbestandes aus den
gesammelten Archiven der letzten zehn Jahre Pressearbeit der maritimen
Industrie kommt dann noch ein unübersehbares Chaos unterschiedlicher
Strukturen hinzu. Vom Sammeltopf mit allen Bildern oder Texten drin, bis hin
zu einfach gegliederten Verzeichnissen. Dabei ist es einfach den
Journalisten eine brauchbare Hilfe zu bieten: die Volltextsuche! Diese
Suchmaschine sucht in den Dateititeln, den Dateibeschreibungen oder im
Inhalt der Textdatei nach Ergebnissen, die sie dann zur Auswahl anzeigt. Und
das funktioniert schon lange in anderen Bereichen.
Es gibt also bei allen vorhandenen Media-Portalen in der maritimen
Industrie erheblichen Renovierungs-, Erneuerungs- und Vereinfachungsbedarf,
um uns Journalisten die Arbeit zu erleichtern und nicht der eigenen
Pressestelle. Warum ist es so schwierig eine vernünftige Datenbanksoftware
zu nutzen? Liegt es daran weil die Struktur-Verantwortlichen ganz anders
denken als recherchierende Journalisten? Es wäre doch sicherlich sinnvoll,
wenn sich ein Datenbank-Verantwortlicher mit den Journalisten zusammensetzt
und ihm zuhört, was benötigt wird. Zum Beispiel eine Abfrage relevante, mit
Volltextsuche, Datenbank! Damit wären wir Journalisten in der Lage, schnell
zu recherchieren. Dipl.-Ing. Peter Pospiech
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Dipl.-Ing. Manfred Urban, CEO der MMG ist sich
sicher: „Unsere Erfahrung lässt sich nicht so leicht kopieren”.
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Waren an der Müritz:
Das „Silikon Valley” der
Schiffspropeller-Technology
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Die größten Schiffspropeller der Welt
werden nicht an der Küste gebaut, sondern haben ihre Wiege im Norden
Deutschlands. Genauer gesagt: Mitten in der Mecklenburgischen
Seenplatte. Seit mehr als 65 Jahren baut die MMG – Mecklenburger
Metallguss GmbH im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern Propeller für
die Schifffahrt. Darunter die größten und die schnellsten. Die
schwersten bringen 130 Tonnen „auf die Waage”. Ihre Herstellung
erfordert Fingerspitzengefühl und viel Geduld.
Seitdem sich der Handelsschiffbau aus
Deutschland Richtung Asien verabschiedete, sind die Öfen in Waren an
der Müritz, dem Standort der MMG seit rund 65 Jahren, noch lange
nicht aus. Im Gegenteil. Das Geschäft läuft gut. 95 Prozent der
Produktion werden mittlerweile nach Asien geliefert. Vor zwei Jahren
erst haben Geschäftsführer Dipl.-Ing. Manfred Urban und seine rund
235 Mitarbeiter einen neuen Großauftrag zur Lieferung an eine Werft
in Südkorea an Land gezogen. „Wir haben die zehn größten
Containerschiffe der Welt mit Schiffsschrauben ausgerüstet”,
berichtet er nicht ohne Stolz. Sie wurden für die dänische Reederei
Maersk gebaut und bieten bis zu 18.000 Containerstellplätze.
Besonders lukrativ für die Warener war die Tatsache, dass die neuen
Riesen nicht wie sonst bei Frachtschiffen üblich, mit einem
Propeller angetrieben werden, sondern mit zwei. Anders war die
nötige Leistung gar nicht mehr ins Wasser zu bringen. Das bis dahin
größte Containerschiff hatte laut Urban 13.400 Stellplätze. Den
dafür notwendigen Propeller hatte übrigens auch MMG geliefert. 130
Tonnen schwer, zehn Meter Durchmesser. „Aber nicht die Größe und das
Gewicht sind entscheidend, sondern dass alle Parameter optimal auf
das zugehörige Schiff zugeschnitten sind”, weiß Urban.
Der Propellerbau gilt nicht ohne Grund als
Königsdisziplin des Schiffbaus. Als entscheidendes Bindeglied
zwischen der Kraft der Maschine und dem Wasser muss der
Propeller ein Schiff ohne allzu große
„Schaumschlägerei” über die Weltmeere schieben. Rund 140.000-mal
dreht er sich bei großen Containerschiffen am Tag. Bei
Kreuzfahrtschiffen noch öfter. Am liebsten konstruiert die MMG ihre
Propeller selbst und kann dabei auf einen riesigen Erfahrungsschatz
zurückgreifen.
Immerhin sind über 2500 Schiffe mit
Propellern von der Müritz ausgerüstet worden, jährlich kommen rund
150 dazu. Dennoch: Alle Entwürfe werden an Modellschiffen in
Schiffbauversuchsanstalten überprüft, auch wenn die komplexen
Strömungsverhältnisse rund um die Flunken immer öfter auch am
Computer berechnet werden. Hinzu kommen Festigkeitsberechnungen, die
sicherstellen, dass der Propeller allen Belastungssituationen
standhält. Offenbar ist die Gusstechnik so anspruchsvoll und das
Wissen über die richtige Konstruktion eines Propellers so schwer zu
gewinnen, dass sich in Japan, Korea und China bislang keine großen
Konkurrenten für die Schiffsschrauben „Made in Germany” formieren
konnten. Das ist besonders erstaunlich, da asiatische Werften seit
Jahren dabei sind, Techniken aus dem Westen, vorsichtig gesagt, zu
adaptieren.
„Unsere Erfahrung lässt sich nicht so
leicht kopieren”, sind sich die MMG-Propellerbauer sicher. Dagegen
mussten sie die, um sich erfolgreich auf dem Weltmarkt zu behaupten,
erst sammeln. Denn der Kampf um Kunden war für Manfred Urban
absolutes Neuland, als er nach der Wende die Leitung des Betriebes
übernahm. Als die Mauer fiel, „wollte die Belegschaft mit der alten
Betriebsleitung nichts mehr zu tun haben”, erinnert sich Urban. Er
übernahm das Ruder. Und hatte eigentlich kaum eine Chance. Die DDR
hatte seit 1954 fast ausschließlich Schiffe für die Sowjetunion
gebaut – gegen Rubel, die im Westen wertlos waren. Über Nacht verlor
der Betrieb seinen einzigen großen Kunden. Nach der Privatisierung
wurden die Probleme nicht weniger. Von der
Treuhandgesellschaft wurde MMG 1992 an den Werftkonzern Bremer
Vulkan verkauft, der fast alle großen
ostdeutschen Werftbetriebe übernahm. Dann kam einer der großen
Wirtschaftsskandale der Nachwendezeit: Die
Vulkan-Verantwortlichen in Bremen zweigten hunderte Millionen
Deutsche Mark an Subventionszahlungen für ihre
Westbetriebe ab, gingen 1995 dennoch in Konkurs – und rissen auch
MMG mit in den Strudel. Es kam zur zweiten Privatisierung. Und jetzt
drehte MMG auf, nachdem die Propellerbauer von der Deutschen
Gießerei- und Industrie-Holding AG (Dihag) in Essen übernommen
wurden. Es lief wieder rund.
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Die Kunst der Propellerherstellung
Die Mischung des Materials ist kein
Geheimnis. Rund 80 Prozent sind Kupfer, der Rest Aluminium, Eisen,
Mangan und Nickel. Und auch Konstruktion, Guss und mechanische
Nachbearbeitung gehören durchaus zum Standard der Branche. Beim
Preis gibt es sogar Konkurrenten, die günstiger sind. Was also macht
ein mittelständisches Unternehmen aus der mecklenburgischen Provinz
zum Weltmarktführer bei großen Schiffspropellern? „Nun ja”, meint
Geschäftsführer Manfred Urban etwas zurückhaltend, da gäbe es bei
den genannten Punkten schon noch „einige Tricks und Kniffe”. Der
eigentliche Grund sei neben technologischer Weitsicht und optimaler
Qualität aber „das Vertrauen”, das die Kunden in die Mecklenburger
Metallguss GmbH (MMG) setzten. „Die Werften müssen sich darauf
verlassen können”, so Urban, „dass sie von uns zur richtigen Zeit
das bekommen, was sie erwarten”.
Dieses Vertrauen in die Mecklenburger ist
in den letzten Jahren weltweit ständig gewachsen. Vertrauen ist
deshalb so wichtig, weil der Propeller das einzige Teil ist, das
nach dem sogenannten Ausdocken nicht mehr modifiziert oder
ausgewechselt werden kann, ohne dass das Schiff wieder aus dem
Wasser muss. Vor dem Stapellauf kann die Antriebsschraube deshalb
unter realen Bedingungen so gut wie nicht getestet werden, da muss
einfach alles stimmen. Konstruktions- oder Materialfehler sowie
Lieferverzögerungen hätten fatale Folgen – die Propeller und
Schiffe, um die es geht, sind groß und teuer.
Dabei paart sich modernste
Bearbeitungstechnik mit dem handwerklichen Geschick der erfahrensten
MMG-Mitarbeiter. Denn besonders sensible Bereiche, wie
beispielsweise die Ein- und Austrittskanten, werden auch bei den
größten Propellern noch von Hand geschliffen. Und immer wieder wird
zwischendurch gemessen. Erst wenn er nach allen Prüfungen als
passgenau gilt, wird eine Welle, oft sogar das Original, zur Probe
in die Nabe eingelassen. Jetzt zeigt sich, ob wirklich sorgfältig
gearbeitet wurde – und der Propeller auch nicht „eiert”.
Dann geht alles ganz schnell. Der Propeller erhält ein
Abnahmezeugnis, ausgestellt von einer Klassifikationsgesellschaft,
vergleichbar dem TÜV an Land. Dann macht er sich auf den langen Weg
zu „seinem” Schiff, das eben oft in Asien entsteht. Erst auf einem
Schwerlasttieflader zum Hamburger Hafen, und von hier aus dann noch
„auf” und nicht „am” Schiff in eines der Schiffbauländer der Welt.
Dipl.-Ing. Peter Pospiech
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Stammsitz der Mecklenburger Metallguss GmbH in Waren an der Müritz. |
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Die größten Kupferschmelzöfen sind in Waren zu finden.
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Mehr
als 1.100 Grad heißes Metall fließt in die vorbereitete
Propellerform. |
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Die
fertige, vorbereitete Propellergussform steht bereit zum Füllen. |
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Besonderes sensible Bereiche am Propeller werden immer noch von
erfahrenen Mitarbeitern von Hand bearbeitet.
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Mittels magnetischer Rissprüfung wird jeder Propeller auf
mögliche Lunker oder von außen nicht sichtbare Risse überprüft.
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Das
Kunstwerk ist fertig zum Transport. |
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Endlich an seinem Bestimmungsort angekommen: Die
Montage des Propellers am Schiff.
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Seit 2001 ein gewohnter Anblick: Die NILS
HOLGERSSON passiert nach dem Ablegen die berühmten Vorderreihe in
Travemünde.
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VEUS-Reise
auf der Linie Travemünde – Trelleborg
Journalistenvereinigung
begeht 15jähriges Jubiläum auf den Fährschiffen der TT-Line |
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Das 15jährige Jubiläum der im September 1999
gegründeten Vereinigung Europäischer Schifffahrtsjournalisten (VEUS) e. V.
nahm der Verband zum Anlass, seine Mitglieder im Rahmen einer
Fährschiff-Rundreise über die Ostsee zusammenzubringen. Die Vereinsreise
fand am Wochenende 24. bis 26. Oktober 2014 an Bord der modernen
RoPax-Fähren PETER PAN und NILS HOLGERSSON der deutschen Fährreederei
TT-Line statt, die ganzjährig zwischen Travemünde und dem schwedischen
Trelleborg verkehren.
Bevor es jedoch am Freitagabend in Travemünde
an Bord der PETER PAN ging, stand für die Teilnehmer zunächst noch ein
Fachvortrag auf dem Programm, für den Hans-Georg Clever hatte gewonnen
werden können, der hauseigene Naval Architect und S&Q (Safety & Quality)
Manager der TT-Line. Thema des Vortrages im Travemünder Hafenhaus war die
„Sulphur Directive” der IMO, der zufolge ab Januar 2015 alle Schiffe in den
sogenannten SECA-Gebieten (Sulphur Emission Control Areas) Nordeuropas ihren
Schwefeloxid-Ausstoß auf 0,1 Prozent senken müssen. Den Reedereien stehen
hierzu vier verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, jedoch muss für fast
jedes Schiff und jede Route eine individuelle Lösung gefunden werden, die
vom Alter und Zustand der vorhandenen Tonnage und vom jeweiligen Fahrtgebiet
abhängig sind. Denn während vor allem norwegische Reedereien aufgrund der
bereits vorhandenen Infrastruktur seit einigen Jahren auf Neubauten setzen,
die mit LNG anstatt mit Diesel oder Schweröl betrieben werden, kommt diese
Lösung in der südlichen Ostsee (noch) nicht in Frage. Hier können die
vorhandenen Schiffe entweder mit Abgaswäschern, „Scrubbern”, nachgerüstet
werden, um auch weiterhin mit Schweröl betrieben werden zu können, oder sie
müssen auf speziellen (und teuren) Niedrigschwefel-Schiffsdiesel umsteigen,
der den Schwefeloxid-Ausstoß ebenfalls unter das vorgeschriebene senken
lässt. Ein vierter Weg ist die Umstellung der Schiffsmaschine auf den
Betrieb von Methanol, wie ihn z. B. die Stena Line seit einigen Monaten
testet.
Bei der TT-Line hat man sich für eine
Mischung aus den Punkten 2 und 3 entschieden: Eines ihrer Schiffe, die 1995
gebaute ROBIN HOOD, wurde im Sommer 2014 mit einem Scrubber ausgerüstet, die
fünf übrigen Einheiten steigen dagegen im Januar 2015 zunächst auf ULSD
(„ultra-low sulphur diesel oil”, besagter Niedrigschwefel-Schiffsdiesel) um.
Dass dies so ist, hänge nicht zuletzt mit dem Aufwand zusammen, den allein
der Einbau eines Scrubbers auf einem einzigen Schiff erfordere, so Clever.
Immerhin nimmt nicht nur der Abgaswäscher selber viel Platz ein, auch die
dazugehörigen neuen Maschinen-Komponenten, Rohre, Leitungen und
Kontrollinstrumente müssen im Schiff untergebracht werden, oft auf Kosten
der wertvollen Ladekapazität. Darüber hinaus führt der Einbau auch zu einer
Gewichtszunahme des Schiffes, die mitunter durch andere Baumaßnahmen an Bord
kompensiert werden muss. Auch will die Wahl zwischen einem offenen und einem
geschlossenen Kreislauf (open/closed loop) wohlüberlegt sein. Und
schließlich fällt das Schiff auch noch wegen der notwendigen Werftzeit für
den Liniendienst aus, der Zeitpunkt der Dockung muss also in eine
verkehrsschwache Periode fallen und wenn möglich gleich auch noch mit
ohnehin anstehenden Renovierungs- und Klassearbeiten verbunden werden. Bei
der ROBIN HOOD begannen Planung und Design der Scrubber-Anlage im Januar
2014, der Einbau erfolgte Anfang August, und der Testbetrieb lief
schließlich bis Ende November. Dass all dies innerhalb der veranschlagten
Zeit und ohne größere Probleme über die Bühne lief, grenzt angesichts der
Komplexität des Umbaus, welche die im Rahmen des Vortrages vorgeführten
Fotos vom Werftaufenthalt der ROBIN HOOD eindrucksvoll belegten, fast an ein
Wunder.
Vergleichsweise unspektakulär nahm sich
dagegen wenig später der Bordalltag auf der PETER PAN aus. An Bord ging es
trotz einer kleinen Verspätung des Schiffes um 20 Uhr, und auch das Ablegen
vom Skandinavienkai erfolgte pünktlich auf die Minute zwei Stunden später.
Da waren die meisten Passagiere an Bord aber schon frisch gestärkt,
schließlich öffnet das Büffet-Restaurant seine Pforten, sobald das Boarding
beginnt. Und da die Schwedenfähren in der Nebensaison nur schwach gebucht
sind (151 Passagiere + 64 LKW-Fahrer in diesem Fall), ging es entsprechend
ruhig zu an Bord, so dass man viel Platz hatte im Restaurant und in den
Lounges des 2001 auf der Bremerhavener Schichau-Seebeckwerft gebauten
Schiffes. Auch gibt es auf den Fähren nach Trelleborg kein richtiges
Nachtleben mehr, seit die Abschaffung des
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Duty-Free-Verkaufs im Sommer 1999 dem
Minikreuzfahrt-Geschäft ein Ende gemacht hat. Um 23 Uhr sind Shop und
Rezeption geschlossen, und man kann guten Gewissens zu Bett gehen,
schließlich sind die Kabinen gemütlich und geräumig. Und im Gegensatz zu den
Fähren von Rostock oder Swinoujscie nach Trelleborg dauert die Nachtfahrt ab
Travemünde auch lange genug, um ausreichend Schlaf zu bekommen. Erst um 7:30
Uhr macht die PETER PAN in Trelleborg fest, da reicht die Zeit am Morgen
sogar noch für ein Frühstück in aller Ruhe. Ausgeschlafen und frisch
gestärkt kann dann der Tag beginnen.
Nach einer Busfahrt ins nahegelegene Malmö
steht dort für die teilnehmenden VEUS-Mitglieder zunächst ein Besuch des
Schifffahrtsmuseums (Sjöfartens Hus) auf dem Programm. Besonders gefällt
hier der Nachbau des Promenadendecks der ehemaligen Malmö-Kopenhagen-Fähre
ÖRESUND aus dem Jahr 1960 sowie das im Hof des Museums zur Besichtigung
freigegebene schwedische Küsten-U-Boot U 3 (Baujahr 1942). Das moderne Malmö
dagegen versteckt seine Schiffe fast, denn ein Großteil des Schiffsverkehrs
wird seit 2010 im neu gebauten Hafenareal „Norra Hamnen” abgewickelt. Dort
machen in erster Linie Autotransporter und Feeder-Containerschiffe, aber
auch die RoRo-Fähren des TT-Line-Konkurrenten Finnlines fest. Im alten Hafen
dagegen wurden Lagerhallen und ein Teil des ehemaligen Werftgeländes von
Kockums in moderne Wohn- und Geschäftsviertel umgewandelt, nachdem die
Schnellfährdienste nach Kopenhagen mit der Einweihung der Öresundbrücke im
Jahr 2000 obsolet geworden waren. Als einziges Schiff treffen wir hier den
kleinen Museumseisbrecher BORE (Baujahr 1894) an, der jedoch in der
Nebensaison nicht für Besucher geöffnet ist.
Ganz anders dagegen der geschäftige Hafen von
Trelleborg, wo am Samstagabend neben der NILS HOLGERSSON auch die
HUCKLEBERRY FINN und TOM SAWYER (TT-Line), die GALILEUSZ (Unity Line) sowie
die SASSNITZ und die MECKLENBURG-VORPOMMERN (beide Stena Line) festgemacht
haben.
Nach einem weiteren großartigen Essen im
Büffetrestaurant und noch vor der Abfahrt nach Travemünde nimmt sich diesmal
Kapitän Bernd Ramisch ein paar Minuten Zeit, der VEUS-Delegation auf der
Kommandobrücke seiner NILS HOLGERSSON einige Fragen zu beantworten. Auch für
ihn und seine Besatzung habe sich z. B. der Alltag an Bord verändert, seit
die beiden Travemünde-Fähren auf der Tagesfahrt noch einen Zwischenstopp in
Rostock einlegen. Was die Zukunft der Route und die eventuelle Verschiebung
von Ladungsströmen betrifft, wenn der Seetransport 2015 mit den neuen
Emissionsobergrenzen für Seeschiffe teurer wird, zeigte er sich jedoch
zuversichtlich. „Die Fahrer brauchen ihren Schlaf”, sagt er darauf
anspielend, dass viele Spediteure nicht einfach auf den Landweg ausweichen
können, weil sie dort die vorgeschriebenen Ruhezeiten nicht einhalten
können. Da ist die Nachtfähre nach Schweden nicht nur der einfachere,
sondern auch der wesentlich komfortablere Weg.
Wie komfortabel genau, davon können sich die
VEUS-Mitglieder am Abend überzeugen, als ihnen dank Zeitumstellung sogar
noch eine Stunde geschenkt wird auf der Rückfahrt nach Travemünde. So bleibt
z. B. genügend Zeit, sich in Ruhe die vielen Bilder mit maritimen Motiven
anzusehen, mit denen die Reederei die Korridore und die öffentlichen Räume
an Bord dekoriert hat – von der kleinen Yacht über Großsegler bis hin zu
Leuchttürmen im Sturm findet man hier alles, was das Herz des
schiffsbegeisterten Reisenden begehrt. Auch für einen Besuch im Bord-Shop
ist genügend Zeit, selbst wenn die Zeiten und Preise von Duty Free längst
Vergangenheit sind. Sogar ein kleines Kino und eine Sauna gibt es an Bord.
Nur das Kinderspielzimmer ist an diesem Abend verwaist, doch auch das ändert
sich hin und wieder, wenn die TT-Line im Sommer z. B. zu besonderen
Familien-Rundreisen einlädt, auf denen Piratenpartys und Schnitzeljagden für
die jungen Passagiere veranstaltet werden.
Und wer dann in Travemünde noch ein bisschen Zeit übrig hat, kann
jahrein, jahraus, sowieso immer noch das Wahrzeichen von Lübecks kleiner
Schwester besichtigen: die Viermastbark PASSAT, die seit 1966 als
Museumsschiff in Travemünde vertäut liegt. Pünktlich um 7:15 Uhr passiert
auch unsere NILS HOLGERSSON am Sonntagmorgen den Großsegler, ehe die
Jubiläumsfahrt der Vereinigung Europäischer Schifffahrtsjournalisten wenig
später vor den Toren des Hafenhauses endet. Kai Ortel
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Die NILS HOLGERSSON passiert die Nordermole in
Travemünde für ihre Fahrt nach Trelleborg. Auf den Tagesfahrten läuft das
Schiff auch Rostock an,
um Fracht aufzunehmen.
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Bei Öresund Dry Docks in Landskrona wurde im August 2014
der Scrubber im neu gefertigten Schornstein installiert, bevor
dieser an Bord montiert wird. |
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Der Hybrid-Scrubber der Firma Wärtsilä in der schematischen
Röntgen-Ansicht des Schornsteins der ROBIN HOOD.
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Der Frachttransport, hier das voll beladene Wetterdeck der
NILS HOLGERSSON, ist mittlerweile das Hauptgeschäft der TT-Line.
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Im Winterschlaf: der 1894 gebaute Museumseisbrecher BORE im
alten Hafen von Malmö, im Hintergrund die Malmö-Travemünde-Fähre
FINNCLIPPER.
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Das U-Boot U 3 wurde 1942 für Patrouillenfahrten entlang
der schwedischen Küste in Karlskrona gebaut und war bis 1965 in
Dienst.
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Im Schifffahrtsmuseum von Malmö wird im Nachbau des
Promenadendecks der 1960 gebauten Fähre ÖRESUND die Zeit der
Öresund-Fähren wieder lebendig.
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Modernste Navigationselektronik auf der Kommandobrücke der
NILS HOLGERSSON, hier mit Blick auf die abendlich beleuchtete
Hafenfront von Trelleborg.
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Tradition und Moderne Hand in Hand – Seekarten in
gedruckter und elektronischer Form auf der Kommandobrücke der NILS
HOLGERSSON.
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Auf der PETER PAN lädt eine gemütliche Arkade während der Fahrt
nach Trelleborg zum Verweilen ein. |
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BOOTSMÄNNER
Vladimir Karnichen, Matrose aus Izmail
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„Matrose” ‒ dieses Wort hat für viele
Menschen den Klang von Fernweh, Freiheit und Schifffahrtsromantik.
Tuckernde Schiffsdiesel stehen für gleichförmige, langsame
Fortbewegung, sei es nun auf hoher See oder auf Binnenwasserstraßen
‒ ganz im Gegensatz zur hektischen Betriebsamkeit des Alltags und
dem täglichen Wahnsinn im europäischen Straßennetz.
„Matrose” steht aber auch für anstrengende
Arbeit bei jedem Wetter, Leben auf engem Raum, Schichtarbeit und
Trennung von der eigenen Familie. Bedarf es als Nautiker einer
besonderen Berufung oder ist es sogar ein Traumberuf?
Für viele ist es das sicher, vor allem für
diejenigen, die einen Aufstieg zum Schiffsführer bzw. Kapitän planen
und zukünftig ein Schiffskommando übernehmen wollen.
Für Vladimir Karnichen, ukrainischer
Matrose auf dem Tankmotorschiff TATJANA, welches bei Stromkilometer
1925 am rechten Ufer der Donau in Wien festgemacht liegt, ist es
kein Traumberuf.
An diesem schönen sonnigen Tag an der
Donau, erzählt der 52-Jährige aus Izmail in der Ukraine, der seit 30
Jahren auf Schiffen arbeitet, er wäre lieber Handwerker geworden.
Bei den mehrwöchigen Reisen auf den
Wasserstraßen in Österreich und Deutschland ist er nach eigenen
Angaben mit dem Herzen immer zuhause. In Izmail hat er ein kleines
Haus, an dem es immer etwas zu arbeiten gilt. Hier, abseits seines
Brotberufs als Matrose und in der freien Zeit nach den langen
Reisen, kann Vladimir Karnichen das tun, was für Ihn offensichtlich
Berufung bedeutet – als Handwerker etwas mit seinen eigenen Händen
erbauen.
Thomas Jantzen
Vladimir Karnichen, ein ukrainischer
Matrose auf dem Tankmotorschiff TATJANA.
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Das Containerschiff EBERHARDT ARCTIC ankert vor der
slowenischen Hafenstadt Koper in der Nordadria. |
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„Baltic Dry Index” ‒ Barometer der
Weltwirtschaft
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Wie ein Preisindex für Schiffsfracht, der in den
täglichen Mainstreamnachrichten keine nennenswerte Beachtung findet, ein
genaues Bild über die Befindlichkeit der Weltwirtschaft zeichnet.
Nachdem der „Baltic Dry Index” (BDI) bis Mitte des
Jahres 2014 von 2.000 Punkten um mehr als 50 Prozent gefallen war, und in
den Medien schon von Einbruch und schlechten Zeichen für die Wirtschaft und
Aktienmärkte die Rede war, hat sich der BDI mittlerweile wieder etwas erholt
und Ende November bei 1.239 Punkten eingependelt.
Diese Zahlen gewinnen natürlich mehr an
Aussagekraft, wenn man bedenkt, dass der „Baltic Dry Index” im Sommer 2008
vor Ausbruch der globalen Wirtschaftskrise einen Höchststand von sagenhaften
12.000 Punkten hatte.
Aber was macht einen Preisindex für das weltweite
Verschiffen von Trockenschüttgütern auf Standardrouten ‒ hauptsächlich die
wichtigen Rohstoffe Getreide, Kohle, Eisenerz aber auch Kupfer, Dünger und
Kunststoffgranulat ‒ für die Befindlichkeit der Weltwirtschaft so
aussagekräftig und daher auch zum Geheimtipp für Aktienkäufer?
Der im Januar 1985 mit einen Basiswert von
1.000 Punkten und unter dem ursprünglichen Namen „Baltic Fright Index” (BFI)
‒ am 1. November 1999 erfolgte die Umbenennung in „”Baltic Dry Index” (BDI)
‒ veröffentlichte Preisindex wird von Montag bis Freitag um 13 Uhr von der
Baltic Exchange in London bekannt gegeben. Im Gegensatz zu den Märkten für
verzinsliche Wertpapiere und Aktien wird der BDI nicht durch Spekulation
getrieben, da er ausschließlich aus den Angaben zu
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Frachtraten von Reedern, Schiffsmaklern und
Charterern ermittelt wird und somit die reale Nachfrage in Beziehung zum
realen Angebot für Transporte von Rohstoffen auf den weltweiten
Standardrouten darstellt. Der BDI gliedert sich dabei in vier verschiedene
Indizes für die Schiffsklassen Capsize, Panamax, Supramax und Handysize, die
26 Hauptschifffahrtsrouten abdecken.
Verschiffungskosten von Rohstoffen, die am Anfang
des Produktionsablaufes stehen, ergeben ein sehr genaues Bild vom Umfang des
Welthandelsvolumens. Aufstieg bzw. Rückgang des „Baltic Dry Index”
signalisieren dadurch in gleicher Weise die Auf- und Abwärtsbewegungen des
globalen Handels.
In seiner bisherigen Entwicklung zeigte der BDI
deutliche zyklische Wendepunkte am Anfang und Ende jeder Rezession mit dem
darauffolgenden wirtschaftlichen Aufschwung auf – und das mit einer
Vorlaufzeit zur realen wirtschaftlichen Entwicklung von 8 bis 12 Monaten.
Da über 90 Prozent des globalen Handels über den
Seeweg abgewickelt werden, ist der BDI ein wichtiger Frühindikator für den
Welthandel und die damit verbundenen Finanzmärkte.
Eines gilt es aber bei der Analyse des BDI immer noch zu bedenken.
Kurz vor Ausbruch der globalen Wirtschaftskrise wurden viele neue Schiffe
bestellt, um der boomenden Weltwirtschaft genügend Laderaum zur Verfügung zu
stellen. Viele der Schiffe wurden aber erst nach Ausbruch der Krise
ausgeliefert, was bis heute zu einem enormen Überangebot an Tonnage geführt
hat und die Frachtraten drückt. Für manchen Beobachter gilt der „Baltic Dry
Index” daher als verzerrt. Thomas Jantzen
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Eisbrecher ODEN beim Andockmanöver mit dem Eisbrecher VIDAR VIKING. |
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Subarktischer Kracher
Eiskalte Party mit ODEN in
der nördlichen Ostsee
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Stockholm: Eine vierzehn Waggons lange
Schlafwagen-Schlange schiebt sich an den Bahnsteig, der „Nordpilen”, zu
Deutsch: „Nordpfeil”. Sein Kurs führt von der schwedischen Hauptstadt ins
norwegische Narvik am Eismeer. „Wo wollt ihr hin?”, fragt der Schaffner
verständnislos-erstaunt, als er das Fahrtziel liest, „da oben ist doch der
Hund verfroren”.
Nach zwölfstündiger Nachtfahrt und 1.200 Kilometern
müssen wir dem Eisenbahner Recht geben: Vor dem Abteilfenster tobt ein
ausgewachsener Schneesturm. Der dichte Fichten/Birkenwald entlang der
Strecke ist nur schemenhaft zu erkennen.
Eisige Minusgrade beißen uns beim Aussteigen
unbarmherzig ins Gesicht.
Knattern in der Luft
Wie ausgestorben der von Schneemassen zugedeckte
Fähr-, Holz- und Erzhafen Skelleftehamn. Kein Schiff weit und breit. Sind
wir etwa versetzt worden? Der Hafenkapitän weiß mehr: „Eisbrecher ODEN
operiert ein paar Seemeilen vor der Küste, aber an Bord sind sie informiert,
dass ihr hier seid”. Beruhigend zu hören.
Eine halbe Stunde später liegt ein peitschendes
Knattern in der Luft. Durch die tiefhängenden grauen Wolken stößt ein
grün-weißer Hubschrauber und landet auf dem Kai: unser Luft-Taxi-Service ins
Eis. Als das Gepäck verstaut ist, startet Pilot Gunnar, wie er sich lächelnd
vorstellt, die 700-PS-Turbine wieder durch. Zeit ist Geld.
Im 200-Kilometer-Tempo jagt die Maschine über die
erstarrte Bottensee. „Den größten und stärksten schwedischen Eisbrecher habe
ich mir gewaltiger vorgestellt”, krächzt Kollege Gerd anscheinend etwas
enttäuscht durch die Kopfhörer, als die im Eis geparkte schwarz-gelbe ODEN
schräg unter uns in Sicht kommt. Bei der Landung auf dem Helikopterdeck muss
er seinen luftigen Eindruck allerdings korrigieren und gerät gleich ins
Staunen: „Mein Gott, was für ’n Koloss!” Matrosen in Feuerschutzanzügen
sorgen an Schaumlöschkanonen – der einzigen „Bewaffnung” des ehemaligen
„sjöfartygs” der Königlich-Schwedischen Marine, das auch mal Flakgeschütze
trug – für die vorgeschriebene Sicherheit.
Luxuriös wie auf einem Kreuzfahrer
Am Rand der Plattform ein freundlich-lächelnder
„Vier-Streifen-Mann”. Kapitän Gunnar, Kapitän des bulligen 13.000-Tonners,
heißt uns: „Herzlich willkommen auf der ODEN!” Der graubärtige
Bilderbuch-Offizier schnappt sich wie selbstverständlich die Reisetaschen
und dirigiert uns durch ein Labyrinth von Gängen über zwei
Fahrstuhlstationen zu den Kammern. Luxuriös wie auf einem Kreuzfahrer
erscheinen sie uns: modern eingerichteter Wohnraum mit Schreibtisch,
separater Schlafbereich sowie Duschbad und Toilette. Der „Hausherr” sieht
das berufsbedingt anders: „Bei dreiwöchigem Wechselschicht-Dienst,
unterbrochen von jeweils einer Woche Urlaub, brauchen wir diesen Komfort.
Schließlich sind wir von Ende November bis Ende Mai in dieser Einöde
unterwegs. Da kann man sich leicht auf den Wecker gehen”. Darüber hinaus
sind Kälte, Schnee, Eis und Sturm Dauerbegleiter der ODEN-Fahrer. Von wegen
Sommerpause!
Dann nämlich gehen die „blauen Jungs” für das
Schwedische Polarinstitut auf Forschungsfahrt in die Hocharktis. Für
wissenschaftliche Zwecke können bis zu 30 Laborcontainer an Bord genommen
werden. ODEN und die deutsche POLARSTERN stießen im Rahmen der International
Arctic Ocean Expedition ARCTIC 91 am 7. September 1991 als erste
konventionell angetriebene Überwasserschiffe sogar bis zum geographischen
Nordpol vor. Das Konzept des ganzjährigen Betriebes hilft Kosten reduzieren.
Ähnlich praktizieren es die finnischen Nachbarn, die ihre drei hochmodernen
Mehrzweckeisbrecher BOTNICA, FENNICA und NORDICA als Off-shore-Versorger
verchartern.
Lautstarke Melodie
Es ist soweit: 24.500 PS lassen das stahlgepanzerte
Spezialschiff in seinen Verbänden erzittern. ODEN nimmt wieder ihren
Routine-Dienst auf, das Netz von Fahrrinnen entlang der Küste offenzuhalten
und Frachter im Konvoi von und zu den Häfen zu geleiten. Das Eiskonzert
beginnt. Poltern und Krachen sind die lautstarke Melodie.
Spezialität der 40 Millionen US-Dollar teuren ODEN
ist ihre fast 30 Meter breite hammerförmige Bugkonstruktion mit einem
Unterwassersporn. Der zerteilt das gebrochene Eis und schiebt es über die
beiden Schultern seitlich unter die Eisdecke. Sechs Düsen, sogenannte Jet
Thrusters, können stündlich bis zu 11.000 Kubikmeter Wasser aufs Eis pumpen,
wodurch die Reibung stark vermindert und Energie gespart wird. Insgesamt
entsteht so eine breite, nahezu eisfreie Rinne. Für die nachfolgenden
Schiffe eine große Erleichterung.
Funkruf von der STELLA NORDIC: „Wir brauchen
Unterstützung. Wann könnt ihr hier sein?” ODEN rumpelt über das eisige
„Kopfsteinpflaster” und reißt vor dem Steven knallend „Mega-Laufmaschen”
auf, durch die das Wasser schießt. Zurück bleibt „Schollensalat”. Eis von
1,80 Meter Mächtigkeit knackt sie noch mit drei Knoten Geschwindigkeit.
Eissalat
Wenig später folgt das Küstenmotorschiff im frisch
gebrochenen Eiskanal wie ein Hund an der Leine. Kurs Süd, bis leichtes
Treibeis oder offenes Wasser erreicht ist. Wo das exakt sein wird, hat
Gunnar Jansson schon vorher gewusst. Aktuelle computergestützte
Satellitenaufnahmen weisen ihm den Weg. Aber auch die täglichen
Eiserkundungsflüge, während der ein nautischer Offizier seine optischen
Beobachtungen in die Seekarte einträgt. Zweiter Steuermann Joakim skizziert
dabei aus unterschiedlichen Höhen die wind- und strömungsbedingten
Drift-Bewegungen der Großschollen. Dazu gehört auch die verschiedenartigste
Beschaffenheit des gefrorenen Ostsee-Wassers wie Neueis, Trümmereis,
Pfannkucheneis, Packeis, Treibeis oder Festeis.
Landung neben einem Eisstauchwall, in der
Fachsprache „ridge” genannt, von über zehn Meter Höhe. Die nur 3,14 Meter
aufragende Maschine kann sich locker dahinter
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verstecken. Ob das Eis den 2,2 Tonnen schweren
Eurocopter denn risikolos tragen könne, wollen wir wissen. „Kein Problem
bei einem Meter Dicke”, beruhigt Gunnar, der auf 40 Jahre
Hubschrauber-Erfahrung verweisen kann. Der drahtige Senior steht heute im
Dienst einer privaten Firma und flog früher als Jet-Pilot und Ausbilder in
der schwedischen Luftwaffe. Auch bei einer Wanderung über die
glitzernde weiße Fläche können wir uns per Handmessung von der Mächtigkeit
der Schollenpakete überzeugen. Während sich über dem felsigen Schärengarten
ein Schneesturm zusammenbraut, schickt die Sonne durch ein Wolkenloch
frühlingshaft wärmende Strahlen zu uns herab. Noch längst kein Grund zur
Eisentwarnung. Nächtliche Tiefsttemperaturen lassen die Szenerie sofort
wieder erstarren.
Eisiges Schwitzen
Mächtige Scheinwerferbündel fingern sich
seemeilenweit durch die subpolare Eiswüste. Sturm orgelt sein Nachtlied um
die 25 Meter hohen Aufbauten. Maschine Stopp! Warten auf den nächsten
Kunden, der Hilfe braucht. Sieben schwedische Eisbrecher garantieren offene
Häfen in der Bottensee. Immerhin werden hier jährlich über 12 Millionen
Tonnen Güter umgeschlagen.
Feierabend und Zeit für das tägliche
Sauna-Zeremoniell. Nackte Offiziere schwitzen lachend bei 90 Grad Hitze um
die Wette, während hinter den zentimeterdicken Stahlwänden der Eispanzer das
starke Schiff umklammert hält. Zwischen zischenden Aufgüssen berichtet der
Kapitän von zwei besonders krassen Fällen: „Ich habe Eispressungen erlebt,
die ein Schiff komplett hochgehoben haben, bis es in bedrohliche Schräglage
geriet. Die Maschine konnte kein Kühlwasser mehr ansaugen und die Besatzung
war der Kälte ausgesetzt. In einem anderen Fall schob sich das Eis nicht nur
an der Bordwand hoch, sondern auch noch über den Frachter hinweg!” Kein
Seemannsgarn. Am Weißen Meer wurde sogar eine ganze Ufersiedlung von
Eismassen wegrasiert. Beredte Zeugnisse für die ungeheure Kraft der weißen
Gewalt.
Zur Stärkung nach den reinigenden „Höllenqualen” wird
Rentierschinken, Pfeffersalami und eisgekühltes Bier serviert, wobei der
Kapitän höchstselbst mit Hand anlegt. Der kleine Sauna-Ruheraum wird von
Lachsalven geradezu erschüttert. Fröhlich sind sie, die ODEN-Fahrer, getreu
ihrem unerschütterlichen Motto: „Ice is nice!” Da macht ’s auch nichts, wenn
plötzlich ein angezogener Offizier hereinkommt und seinem ausgezogenen
Kapitän Meldung macht. Dem sind ohnehin alle Höhen und Tiefen der Navy
vertraut: als Jet-Pilot und U-Boot-Kommandant. Das Bord-Klima ist
locker-entspannt und unkonventionell, trotz Marine-Reglement.
Schwedisches Schmankerl
Um 18:00 Uhr ist eingedeckt für das dreigängige
Candle-light-Dinner. Koch-Stewart David serviert vollendet: Krabben-Cocktail
und Kaviar; Steak, Sauce Bearnaise und Kartoffelgratin; Crèpes mit
Schokoschaum und Moosbeeren, dazu als schwedisches „Schmankerl”
Schimmelkäse. Nicht unbedingt unser Geschmack, aber durchaus
gewöhnungsträchtig. Versorgungsoffizier Robert weiß, was schmeckt und darum
die Stimmung an Bord hebt. Sein Hobby: Sammeln von
Micky-Maus-Original-Graphiken, während Chief Bengt Schiffsmodelle bastelt.
Schönstes Exemplar, natürlich: die ODEN. Andere spielen Tischtennis oder
betreiben Body-building. Jedem das Seine.
Beim Abendessen dominiert dann doch Förmlichkeit. Alle
tragen Uniform und halten sich mit heißen Sauna-Witzen zurück. Vielleicht
mit Rücksicht auf Königin Silvia und König Carl XVI Gustav, die das Schiff
am 25. August 1988 tauften. Beide blicken wie prüfend aus ihren Bilderrahmen
auf die „Eismänner” herab. Erinnerungsstücke von der alten ODEN zieren den
Salon: Namensplakette, Kompass, Maschinentelegraf. Das „Mitbringsel” vom
Nordpol ist in der Halle zu bewundern: ein vom Eis glattpoliertes Stück
sibirisches Treibholz in der Form eines Seehunds.
Eistronauten
Strahlender Sonnenschein am nächsten Tag. Der
Kapitän ordnet „Eisbaden” an. Was anfangs noch wie Spaß aussieht, entpuppt
sich bald als ernste Rettungsübung. Ungelenk watscheln wir in roten
Überlebensanzügen, die sechsstündiges Ausharren bei null Grad
Wassertemperatur garantieren, zum Heck. Entweder stürzen sich die
„Eistronauten” mit kühnem Fünf-Meter-Fußsprung ins offene Wasser oder werden
per Kran sanft hinabgelassen. Dennoch: Das Paddeln zwischen den Schollen ist
ein besonderes Vergnügen. So mancher junge und auch gestandene Eis-Seemann
kann sich ein freudiges Juchzen nicht verkneifen.
In der Nacht sorgt ein riesiger Honigmond für
romantische (Frühlings-)Gefühle. Hoch über den fernen Horizont kriechen
Lichter – eine optische Täuschung. Luftspiegelung sorgt für die seltene
Fata-Morgana in der Eiswüste.
ODEN-Bilanz nach einer Woche: 18 Schiffe sind beraten
und unterstützt worden.
Zeit zum Abschiednehmen. Gunnar startet mit uns zur
Küste. Letzte Foto-Runde um die ODEN, die schließlich wieder zu einem Punkt
zusammenschmilzt.
Der Pilot meint es gut mit uns und setzt neben einer
Straße auf – punktgenau an der Bushaltestelle. Einmalig, dieser Service!
Joakim nutzt die Chance, um für seine Kameraden in der nahegelegenen
Tankstelle Zeitungen zu kaufen. Über Nacht schlafen wir im Eismeer-Express
„Nordpilen” dem Stockholmer Frühling entgegen.
Der Wahlspruch der fröhlichen ODEN-Crew bleibt uns nach
dieser unvergesslichen Eiskreuzfahrt im Gedächtnis: „Ice is nice!” Dr.
Peer Schmidt-Walther
Info
Eisbrecher (auch Forschungsschiff) ODEN – Baujahr 1988;
Bauwerft Götaverken Arendal AB, Göteborg; Eigner Sjöfatsverket; Reederei
Viking Supply Ships AS; Länge 107,42 m; Breite 25 m; Tiefgang (maximal) 8,48
m; Vermessung 9.605 BRZ; Verdrängung 13.000 tdw; Besatzung 15; zugelassene
Passagierzahl 65; Maschine 4 Dieselmotoren; Leistung 18.000 kW (24.437 PS);
Geschwindigkeit (max.) 16 kn; Propeller: 2 Verstellpropeller;
Klassifizierung: Germanischer Lloyd (GL); Registriernummer: IMO 8700876
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Erster Offizier bei der Eisbeobachtung von der Brücke.
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Feierabend für die wachfreien Offiziere.
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Eine spartanische Crew Kammer.
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Touristen-Eisbrecher SAMPO vor Kemi.
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Ein
Frachter wird im Koppelverband durchs Eis geschleppt. |
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