|
|||||||
Immer wieder wirkt die SEA EXPLORER wie ein Spielzeugschiff. Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
|||||||
Christofer Knaak Mit Poseidon Expeditions von Feuerland zur Antarktischen Halbinsel |
|||||||
Am Ende der Welt beginnt unsere eigentliche Reise. Im argentinischen Hafen Ushuaia, der südlichsten Stadt der Erde, brechen wir an Bord der SEA EXPLORER von Poseidon Expeditions zu einer Seereise in die entlegenste Region überhaupt auf: die Antarktis. 588 Seemeilen liegen vor uns bis zur Antarktischen Halbinsel. Die zwölftägige Route „Classic Antarctica” führt durch den malerischen Beagle-Kanal, der an Norwegens Fjorde erinnert, in die berüchtigte Drake-Passage, die der Autor Christian Walther in seinem sehr empfehlenswerten Reiseführer „Antarktis” so treffend charakterisiert: „Je nach Sturmqualität und Schiffstyp wird daraus eine amüsante Schaukelpartie oder eine von Seekrankheit gekennzeichnete Tortur.” In unserem Fall war es ausnahmsweise weder noch: Die Drakestraße erwies sich an beiden Seetagen als außergewöhnlich ruhig. Die Speitüten, die die Crew vorsorglich in allen öffentlichen Bereichen des Schiffes in Position gebracht hatten, blieben unberührt. Alles war ruhig. Zeit, sich mit dem Schiff vertraut zu machen. Nur 114 Passagiere fasst die SEA EXPLORER – gegenüber größeren Schiffen hat dies den Vorteil, dass fast alle Gäste gemeinsam an Land gehen können. 100 Personen dürfen es laut der offiziellen Antarktis-Regularien zeitgleich sein – zur Überbrückung unternimmt Poseidon mit den Übrigen jeweils kurze Zodiac-Cruises. Die Suiten, die sich über sechs Passagierdecks verteilen, sind in ebenso vielen Kategorien buchbar. Die kleinste Unterkunft misst 20 Quadratmeter, die Veranda- und Penthouse-Suiten verfügen sogar über einen Balkon. Das frühere Renaissance-Schiff (ex RENAISSANCE SEVEN) ist in den privaten wie in den öffentlichen Bereichen gemütlich eingerichtet, das Herzstück bilden die Lounge und die angrenzende Bibliothek am Heck, in denen die Passagiere kostenlosen Tee oder Kaffee und den Ausblick durch die Panoramafenster genießen. Als die SEA EXPLORER in diesem Frühjahr von ihrem Schwesterschiff SEA SPIRIT (ex RENAISSANCE FIVE) abgelöst wurde, musste die klassische Bibliothek einem zweiten Vortragsraum weichen.
Early-Bird-Frühstück mit Riesensturmvögeln Das wahre Leben spielt sich ohnehin draußen ab. Schon in den frühen Morgenstunden finden sich die ersten Passagiere an Deck ein, stehen am Heck, und beobachten beim „Early Bird”-Frühstück die anmutig dahingleitenden Riesensturmvögel und Albatrosse. Letztere kehren in der antarktischen Konvergenzzone, in der die Temperatur spürbar sinkt, um. Es wird kälter. Antarktischer. Und dann: der erste Eisberg! Er wirkt schon von weitem gigantisch, wie eine Festung aus Eis thront er im Südpolarmeer. Kalt. Glatt. Wie eine Warnung. Am dritten Tag unserer Reise, dem ersten nach der Drake-Passage, zeigt sich, dass eine Expeditionsseereise eben keine Kreuzfahrt ist. Die Natur allein bestimmt den Fahrplan. Wegen rauer See können wir Half Moon Island zwischen Greenwich und Livingston Island auf den Süd-Shetland-Inseln nicht anlaufen. Am Nachmittag dann manövriert Kapitän Andrey Rudenko die SEA EXPLORER durch „Neptuns Blasebalg”, die Meerenge auf der Südostseite von Deception Island. Wir kreuzen nun auf einem aktiven Vulkan! Bei Whalers Bay, einer früheren Walfangstation, steht das erste so genannte Wet Landing an, bei dem die in wasserfeste Skihosen und Poseidon-Parkas eingepackten Passagiere vom Schlauchboot ins Wasser steigen. Gummistiefel stehen bei Reiseantritt auf der Kabine. An dem vulkansteinschwarzen Strand begegnen uns sogleich die ersten Pinguine. Fünf Meter Abstand sollen wir einhalten, wurde uns vor der Anlandung vom Expeditionsleiter eingebläut – den Pinguinen nicht. Interessiert und gar nicht scheu beäugen die schwarz-weiß-befrackten Einheimischen die großen Besucher in ihren knallroten Poseidon-Parkas. Die Begegnung ist beeindruckend, kannten die Expeditionsreisenden die putzigen Tiere bis dato doch nur aus Zoos oder Tierreportagen. Das hier ist die Realität, die jenseits des Endes der Welt dennoch surreal anmutet.
Anbaden im Südpolarmeer Unwirklich ist auch das, was einige der Passagiere zum Ende des ersten Landgangs tun: Anbaden im Südpolarmeer! Hier ist in diesen Dezembertagen schließlich Hochsommer. Das nur sekundenlange Bad in dem ein Grad kalten Wasser würdigt Poseidon spaßeshalber mit Urkunden. Die Bilder von badenden Menschen und Tieren machen beim Abendessen an Bord gleich die Runde. Tags darauf setzen wir den Fuß zum ersten Mal auf den antarktischen Kontinent. Andvord Bay erstreckt sich etwa 25 Kilometer in die Antarktische Halbinsel hinein. Am Ende des Fjords, dessen blau-strahlende Eiswände zum Greifen nah scheinen, liegt Neko Harbour, wo sich eine riesige Eselspinguinkolonie angesiedelt hat. Der strenge Guano-Geruch empfängt uns schon bei der Anlandung. Über einen abgesteckten Pfad, der immer wieder von so genannten Pinguin-Autobahnen gekreuzt wird, plattgetrampelten Pfaden, über die die watschelnden Tierchen die für sie schwierig zu meisternden, unebenen Schneeflächen umgehen, erreichen wir auf einer Anhöhe einen Aussichtspunkt. Unter dem wolkenfreien, strahlend blauen Himmel bietet sich uns ein spektakulärer Panoramablick auf von Schneemassen bedeckte Bergzüge in unterschiedlichsten Weißtönen, hellblau-leuchtende Gletscher, die in das weißgesprenkelte Wasser kalben und skelettartige Eiswände, die senkrecht aus dem Meer ragen. Natur in ihrer reinsten Form. Unberührt von Menschenhand. Überirdisch.
Das Paradies auf Erden: Paradise Bay Paradiesisch wird es tags darauf: In Paradise Harbour fällt der Rundumblick vom steil aufsteigenden Hausberg sogar noch atemberaubender aus als in Neko Harbour. Bei einer Zodiac-Tour durch die Bucht gleiten wir durch Pfannkucheneis, kreisförmige Eisstücke, die durch das Gummi des Schlauchboots hörbar aneinanderschlagen. Als würde man sich durch ein riesiges Cocktailglas bewegen. Wenn wir verweilen, ist ein Knacken zu vernehmen: Das Eis atmet. Auf der Sonne getränkten Wasseroberfläche spiegeln sich eins zu eins die schneebedeckten Berge. Etwas südlich der Paradise Bay liegt die argentinische Station Almirante Brown, die eine Geschichte erzählt, die dokumentiert, dass es hier auf Dauer alles andere als paradiesisch sein dürfte und die extreme Natur der Antarktis für ihre Bewohner auch Schattenseiten birgt: In den 1980er-Jahren hatte ein Arzt bei der Ankunft eines argentinischen Versorgungsschiffes nach drei langen Wintern auf seine Ablösung gehofft. Vergeblich. |
Den Gedanken an einen vierten Winter in der Abgeschiedenheit der Antarktis verbringen zu müssen, hatte er eine buchstäblich zündende Idee: Als sich einige Zeit später ein anderes Schiff der Station näherte, legte er kurzerhand ein Feuer im Hauptgebäude, und er und sein Team wurden evakuiert Da geht es den heutigen Kreuzfahrtgästen auf dem antarktischen Kontinent doch bedeutend besser: Als wir zurück an Bord der SEA EXPLORER kommen, erwartet uns die Crew mit einem Barbecue an Deck. Es gibt Bratwürste, Steaks und ein großes Salatbüfett. Grillen bei Sonnenschein vor der Kulisse der antarktischen Halbinsel. Ziemlich skurril.
„Die Größe von Leben” Die beeindruckenden Naturerlebnisse lässt das omnipräsente Expeditionsteam allabendlich noch einmal Revue passieren und beantwortet mit Freude die Fragen der Passagiere. Auch zwei Deutsche begleiten die Reise. Für die Meeresbiologin und Wal-Expertin Annette Bombosch ist die Antarktis-Tour „die perfekte Mischung aus Forschung, Kreuzfahrt und der Möglichkeit, wissbegierigen Gästen etwas über die Tiere zu erklären”. Biologin Elke Lindner begeistert an der Antarktis „das Pure, die Stille und die Größe von Leben und Landschaft”, wie sie am Abend in geselliger Runde erzählt. Hier, fernab der Zivilisation, nimmt nicht der Mensch Einfluss auf die Natur, sondern die Natur Einfluss auf den Menschen. So versperrt uns am Morgen ein dichtes Packeisfeld den Fahrtweg. Auf der Brücke der SEA EXPLORER, die den Passagieren fast jederzeit offen steht, verfolgen wir, wie Kapitän Rudenko und ein Offizier das Schiff hochkonzentriert durch den Parcours aus Eis manövrieren. Fast flüsternd werden Anweisungen weitergegeben. Alle anderen sind mucksmäuschenstill. Als das Eisfeld hinter uns liegt, steuert die SEA EXPLORER Port Lockroy auf Goudier Island, am Südende des Neumayer-Kanals an. Die britische Forschungsstation aus den 1950er-Jahren wurde 1996 vom Antarctic Heritage Trust renoviert und wird seitdem als Museum, Souvenirladen und südlichstes Postamt der Welt betrieben. In dem rot gestrichenen Holzhaus sieht alles aus wie damals. Es gibt eine Kohlenkammer, in der Wohnstube liegen Zeitungen aus den Fünfzigern, über dem Plattenspieler thront die Queen auf einer Schwarzweiß-Fotografie, und im Küchenregal stehen Konserven mit Retroetiketten. „Gut 15.000 Touristen besuchen pro Jahr die Basis”, erzählt Leiterin Sarah Auffret. „Mit den Einnahmen finanzieren wir den Erhalt dieser und fünf weiterer Stationen.” Und natürlich gibt es auch hier eine Menge Pinguine. Mehr als 1.000 von ihnen brüten rund um die Station – unter den gierigen Blicken abwartender Raubmöwen, den Skuas. Diese wiederum stehen, ebenso wie Pinguinpopulationen, unter Beobachtung der Forscher an der russischen Station Bellingshausen auf den Süd-Shetland-Inseln, die wir auf unserer Rückreise besuchen. Sie liegt an der Maxwell Bay auf King George Island. Über der Siedlung findet sich in exponierter Lage sogar ein touristischer Anlaufpunkt: eine kleine russische Holzkapelle mit goldverziertem Innern.
Ein Mienenfeld aus Seeelefanten Letzte Station unserer Reise ist Turret Point am nordöstlichen Ende von King George Island. Hier treibt ein letzter kolossaler Tafeleisberg vor freien, dunklen Felsen. Bei der Anlandung mahnt uns Expeditionsleiter Jamie Watts zur Vorsicht: „Das ist ein regelrechtes Mienenfeld – hier liegen überall Seeelefanten!” Zehn Meter Abstand ordnet er an. Der ist gar nicht so einfach einzuhalten, denn im Steinbett entlang des sichelförmigen Strands sind die gut getarnten Kolosse nicht immer auf den ersten Blick auszumachen. Ein halbes Dutzend hat sich zusammengerottet, immer mal wieder wuchtet ein Seeelefant seinen massigen Oberkörper in die Höhe, um zu sehen, wer da stört. Wir tun dies nicht lange, sondern stehen ein paar Minuten andächtig am Ufer, richten den Blick zurück auf eine ganz besondere, wohl einmalige Reise in eine unwirkliche Welt, die ihren Besucher voller Demut in die Zivilisation verabschiedet.
Die wilde Drake-Passage Und damit wir die Überlegenheit der Natur nimmermehr vergessen mögen, lässt sie auf der Rückfahrt imposant die Muskeln spielen und uns spüren, weshalb die Drake-Passage so berüchtigt ist. Acht Meter hohe Wellen brechen über die SEA EXPLORER herein. Das Schiff stampft durch das aufgewühlte Südpolarmeer, immer wieder preschen Wassermassen gegen die Brücke. Das lang gezogene Auf und Ab lässt einige der Passagiere schließlich doch noch seekrank werden. Bis zum nächsten Tag stampft unser Schiff in Richtung Ushuaia. Am Ende der Welt, wo unsere Expedition begann, sind viele froh, wieder festen Boden unter den Füßen, und eine Menge Unvergessliches zu erzählen zu haben.
Preise + Reisezeit Die Expeditionen der Antarktis-Saison 2015/2016 werden mit dem Schwesterschiff SEA SPIRIT durchgeführt. Preis 2015/2016: ab 6.490 € ab/an Ushuaia. Flugpreis ab Frankfurt am Main über Buenos Aires nach Ushuaia und zurück etwa 1.550 € pro Person. Der Flug kann über Poseidon Expeditions zugebucht werden. Reisezeit: „Jede Zeit hat ihren Reiz”, weiß Biologin Elke Lindner. „Anfang der Saison hat man schönen Schnee, gegen Ende viel Matsch. Im November besetzen die Pinguinbrutpaare die Nester, Ende Dezember schlüpfen die Küken. Wer im Januar, Februar reist, sieht vielleicht mehr Wale und Robben.” Vorübernachtung: Hotel Arakur in Ushuaia, in exponierter Lage mit Panoramablick über Stadt, Berge und Beagle-Kanal. Bordsprache: Englisch. Deutschsprachige Vorträge, Durchsagen und Speisekarten. Die beschriebene Reise wurde viersprachig durchgeführt: Englisch, Russisch, Mandarin, Deutsch. Buchen: Poseidon Expeditions, Hamburg, Telefon 0 40-75 66 85 55 anfrage@poseidon-expeditions.de - www.poseidon-expeditions.de |
||||||
Blick ins Fahrwasser – Aufbruch in die Antarktis. Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
|||||||
|
|||||||
|
|||||||
Tausende Pinguine leben in den Kolonien zusammen. Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
|||||||
Flucht aus dem Paradies: 1984 legten Bewohner in der Forschungsstation Almirante Brown ein Feuer, um nicht noch eine Winter-Schicht antreten zu müssen. Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
|||||||
Besuch und Abschied von der Argentinische Antarktisstation Almirante Brown. Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
|||||||
Eingeparkt im ewigen Eis der Antarktis. Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
Eisblöcke in unterschiedlichsten Formen und Größen kreuzen immer wieder unseren Weg. Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
||||||
|
|||||||
Bilderbuch-Szenerie in der Bellingshausen-See. Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
|||||||
Magisches Licht entsteht, wenn das Eis „ausatmet”. Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
Die Zodiac-Touren bringen die Pasagiere noch näher an die faszinierenden Eislandschaften heran. Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
||||||
Aus nächster Nähe wirken auch scheinbar kleine Eisberge imposant. Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
Absolute Ruhe genießen – jenseits jeglicher Zivilisation. Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
||||||
|
|||||||
Das Weiß der Antarktis präsentiert sich mal grazil, mal rauh. Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
Steil ragen die Eiswände aus dem Wasser, auf ihnen ruhen unendlich scheinende Schneemassen. Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
||||||
Die Überfahrten mit den Zodiacs sind zügig und zugig. Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
|||||||
Die russisch-orthodoxe Kirche der Bellingshausen-Station wirkt von außen trist ... Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
... von innen jedoch beinahe opulent. Foto: Christofer Knaak, Wiesbaden |
||||||
Die Poseidon Expeditionen der Antarktis-Saison 2015/2016 werden mit dem Schwesterschiff SEA SPIRIT durchgeführt. Foto: Dan Copeland für Poseidon Expeditions, Hamburg |
|||||||
|