Emissionen verringern und kostenlosen
Vortrieb aus Wind ernten: Insbesondere für die Küstenschifffahrt
wird im Rahmen des Projekts MariTIM eine neue Generation von
Motorseglern entwickelt. 15 Partner aus dem deutsch-niederländischen
Grenzgebiet arbeiten gemeinsam an der Entwicklung eines
Windsegelsystems mit aerodynamisch arbeitenden Rotoren in sehr
leichter Bauweise (Verbundwerkstoff) für kleinere Schiffseinheiten.
Das Projekt MariTIM wird im Rahmen des
INTERREG IV A Programms Deutschland-Nederland mit Mitteln des
Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und des
niederländischen Wirtschaftsministeriums (Ministerie van Economische
Zaken), des niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit
und Verkehr sowie des Ministeriums für Wirtschaft, Energie,
Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen
und der Provinzen Drenthe, Friesland, Gelderland, Groningen und
Noord-Brabant kofinanziert.
Hintergrund
Klimaschutz und Ressourcenschonung sind
Herausforderungen, mit denen sich die Schifffahrt in naher Zukunft
noch sehr viel stärker befassen muss, als sie dieses gegenwärtig
schon durchführt. Sowohl aus Wirtschaftlichkeitsgründen
(effizientere Schiffe) als auch als Reaktion auf zunehmend schärfere
Abgasemissionsgrenzwerte. Das Antriebssystem ist dabei der
maßgebliche Faktor für die Umwelt- und Klimarelevanz eines Schiffes.
Bisher reagierte die maritime Wirtschaft noch recht verhalten auf
diese neuen ‒ unausweichlichen ‒ Herausforderungen. Heute ist das
Augenmerk neben der Kostenexplosion für Kraftstoffe in zunehmendem
Maß auf die Klimaveränderung gerichtet.
Die Schifffahrt ist gefragt, ihre
Emissionen drastisch zu reduzieren und nach neuen
kraftstoffsparenden Technologien zu schauen. Vor diesem Hintergrund
sollen moderne Windantriebe gleichzeitig die Kraftstoffkosten
reduzieren und die Umwelt entlasten.
„Es lassen sich 30 bis 40 Prozent des
Schiffskraftstoffs einsparen, wenn man geeignete Windzusatzsysteme
auf Handelsschiffen installiert”, behauptete Heinz Otto von der
Deutschen Gesellschaft für Windenergie schon 1992.
Seinerzeit hatte das heute sehr teuer gewordene Öl
verhindert, dass Reedereien in alternative Schiffsantriebe
investiert hätten. Die Entwickler haben die Zeit seitdem jedoch
genutzt, die technischen Probleme zahlreicher Antriebe zu lösen.
„Wer langsamer fährt, spart bis zu 50
Prozent Kraftstoff”, sagte Hans-Heinrich Nöll vom Verband Deutscher
Reeder in 2007.
Die Projektpartner windbetriebener Schiffe
denken nicht an schlanke Dreimaster unter vollen Segeln, sondern an
ein röhrenförmiges Gebilde, den Flettner-Rotor. Diese technische
Konstruktion, die in den 1930er Jahren schon einmal auf einem
Schiff, BUCKAU, erfolgreich eingesetzt wurde, verspricht eine
praktikable Handhabe an Bord und effiziente Ausbeute der Windenergie
für die Schifffahrt.
2011 schlossen sich im erweiterten
deutsch-niederländischen Grenzraum 35 Unternehmen und
Wissenseinrichtungen aus dem maritimen Sektor im INTERREG-Projekt
MariTIM (Maritime Technologien und Innovationen – Modellregion
Deutschland/Niederlande) unter Koordination der MARIKO GmbH, Leer,
zusammen, um „grünere Schiffen von morgen” zu entwickeln. In den
intensiven Entwicklungsprozessen wurde deutlich, dass durch das
deutsch-niederländische Projektkonsortium starke neue Ansätze auf
europäischem Niveau entwickelt werden konnten. Dieses gilt
insbesondere für die Küstenschifffahrt. Hier sind die Anforderungen
an den Umweltschutz und die Notwendigkeit innovativer
Transportlösungen am größten.
Die europäischen Küstengewässer beinhalten
die weltweit am stärksten befahrenen Schifffahrtsrouten und sind
überwiegend dicht bevölkert. Hieraus ergeben sich besondere
Anforderungen an den Umweltschutz im küstennahen Schiffsverkehr.
Dieses schlägt sich in den internationalen Regeln zur Begrenzung von
Schiffsemissionen in die Luft (MARPOL, Annex VI) deutlich nieder.
Die Bereiche der Nord- und Ostsee einschließlich des Englischen
Kanals sowie Nordamerika und Kanada, gehören bisher zu den weltweit
wenigen sogenannten „Sulphur Emission Control Areas” (SECA), in
denen besonders strenge Grenzwerte für Luftemissionen einzuhalten
sind. Seit dem 1. Januar 2015 ist der Grenzwert von bisher 1,0 %
Schwefel im Schiffskraftstoff auf 0,1 % herabgesetzt worden.
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Ziel ist die Entwicklung und
Markteinführung eines neuen Schiffshybridantriebs, der die
Windenergie als Unterstützung für den Vortrieb von Schiffen nutzt.
Das soll mit Hilfe einer neuen Generation von Segelrotoren erfolgen,
den ECO FLETTNER-Rotoren. Parallel wurde ein innovativer
Motor-Rotor-Segler für die europäische Küstenschifffahrt entwickelt:
der Wind Hybrid Coaster.
Ralf Oltmanns, Geschäftsführer der Firma
Regenerative Antriebstechniken in Leer, erklärt es so: „Der Wind
Hybrid Coaster erhält zwei Rotoren, leichte Hohlzylinder (aus
Verbundwerkstoff) mit je zwei Endscheiben. Unsere ECO FLETTNER
weisen eine Höhe von 18 Metern und einen Durchmesser von 3 Metern
auf. Die beiden Endscheiben haben einen Durchmesser von 6 Metern.
Die Zylinder sind zweifach auf innen
stehenden Tragmasten, „Pivots”, gelagert. Sie sollen auf dem
Hauptdeck, jeweils Backbord und Steuerbord direkt hinter Aufbauten
stehen, um vom Wind optimal angeströmt werden zu können. Im Mast
treiben Elektromotoren die Rotoren mit stufenlos regelbaren
Drehzahlen an. Die Zylinder stellen dem Wind lediglich die Fläche
‚Durchmesser mal Höhe mal Anzahl der Rotoren’ als Segelfläche
entgegen und hätten, wenn sie sich nicht drehen würden, keinen
Auftrieb mehr, sondern nur noch Widerstand”.
Grundsätzlich gilt: Durch Windantriebssysteme,
ganz gleich ob rah- oder schratgetakelt, traditionelle Segel,
aerodynamisch geformte Tragflächen oder Rotoren lässt sich Vortrieb
erzeugen, Schadstoffe reduzieren und Treibstoff sparen. Die Rotoren
haben die Wirkung von Segeln, verbunden mit den Vorteilen, dass sie
nur etwa ein Zehntel der Fläche eines vergleichbaren Segelschiffes
benötigen und dass zur Bedienung keine Mannschaft erforderlich ist.
Sie bieten darüber hinaus Vorteile hinsichtlich der Stabilität des
Schiffes und bilden bei Sturm keine Gefahr, da ihre projizierte
Fläche kleiner ist als die einer entsprechenden Takelage.
Funktionsprinzip
An einem rotierenden und senkrecht zur Achse
angeströmten Zylinder entsteht senkrecht zur Achse und zur
Anströmrichtung eine Querkraft. Während so auf der einen Seite des
rotierenden Zylinders ein Unterdruck entsteht, ergibt sich für die
gegenüberliegende Seite ein Überdruck. Die sich daraus ergebende
Differenz kann als motorische Kraft genutzt werden, da der Rotor
versucht, sich in Richtung Unterdruck zu bewegen. Im rechten Winkel
zum scheinbaren Wind entsteht am Rotor eine Kraft, die bei einem
Halbwind-Kurs parallel zur Längsachse des Schiffes in Fahrtrichtung
wirkt, also unmittelbar Vortrieb erzeugt.
Segeltechnik
Oltmanns: „Der Wind Hybrid Coaster hat einen
nutzbaren Bereich von ca. 290°, d.h. 145° zu jeder
Seite von voraus gezählt. Der Wendewinkel umfasst cirka 70°.
Beim Wenden ist die Drehrichtung der Rotoren zu ändern. Aufgrund der
kleinen Segelfläche und der schnellen Bremsmöglichkeit der Rotoren
besteht für ein Rotorschiff bei hohen Windgeschwindigkeiten und Böen
keine Gefahr, sich auf die Seite zu legen. Unter optimalen
Wind-Bedingungen können die ECO FLETTNER den Antrieb des Schiffes zu
100 % übernehmen”.
Das Motoren-Antriebs-Konzept
Der modulare Motorantrieb des Wind
Hybrid Coasters verfügt über fünf Stromerzeugungsaggregate. Der
erzeugte Strom versorgt über Regel- und Steuerungstechnik zwei
Elektromotoren mit einer maximalen Dauerleistung von je cirka 600
kW. Die Elektromotoren treiben über eine Welle die Schiffsschraube
an. Dieser Antrieb zielt darauf ab, in unterschiedlichen
Lastbereichen den Gesamtwirkungsgrad des Antriebes zu optimieren.
Der durch die Rotoren gewonnene Vorschub ermöglicht eine Reduzierung
des Schubs am Propeller.
Die Motoren verbrauchen dann bei gleichbleibender
Schiffsgeschwindigkeit weniger Kraftstoff. Die stromerzeugenden
Generatoren laufen mit konstanter Nenndrehzahl und damit im
wirtschaftlichsten Bereich. Auch die Redundanz wird erhöht, da
dieses Schiff mit fünf Stromerzeugern, zwei Elektromotoren und einem
Segelantrieb ausgestattet ist, statt nur mit einem Dieselmotor als
Hauptantrieb. Die Möglichkeit zur Kopplung von Fahr- und Bordnetz
ergibt eine optimale Nutzung der installierten Primärmaschinen.
Einheitliche Fahr- und Bordnetzstrukturen erlauben eine effektive
Nutzung der installierten Leistung. PPM Pressedienst Pospiech
Maritim
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