Veus-Log

VEUS-LOG-Schriftzug

Offizielles Organ der Vereinigung Europäischer Schifffahrtsjournalisten

Dipl.-Ing. Peter Pospiech

1. Vorsitzender der VEUS und

Ressortleiter VEUS-LOG im SeereisenMagazin

Telefon +49-49 52-82 69 087

Mobil +49-1 71-62 90 729

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Foto: Peter Pospiech, Rhauderfehn 

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 Die STENA GERMANICA, hier in ihrem Heimathafen Göteborg, fährt mit Methanol. Die STENA GERMANICA, hier in ihrem Heimathafen Göteborg, fährt mit Methanol. Foto: PPM News Service Pospiech, Rhauderfehn

Nachhaltige Fährverbindung –

Mit Methanol, dem unterschätzten Kraftstoff,

im Umweltschutzgebiet Ostsee

Weithin ist der neue Slogan der Stena Line „SUPERGREEN – Sustainable Shipping” an der Bordwand der STENA GERMANICA zu sehen. Seit Mitte März 2015 verkehrt auf der Linie Kiel-Göteborg-Kiel die erste RoPax-Fähre der Welt, die mit dem Kraftstoff Methanol betrieben wird. Die schwedische Reederei Stena Line hat sich damit als Vorreiter in Bezug auf Nachhaltigkeit in der Schifffahrt positioniert. Das Schiff ist eines der größten RoPax-Fähren der Welt, 240 Meter lang, mit einer Kapazität für 1.300 Passagiere und 300 Fahrzeuge (3.900 Spurmeter).

 

Neue Gesetze

Es ist hinreichend bekannt, dass seit dem 1. Januar 2015 die Schwefel-Richtlinie verschärft wurde. Seitdem müssen die Verbrennungsmotoren aller Seeschiffe im Bereich der SECAs, das sind die Gebiete der gesamten Ostsee, der Nordsee und im Englischen Kanal und der Seeraum von 200 Seemeilen um Nordamerika herum, entweder mit Kraftstoffen betrieben werden, deren Schwefelgehalt gleich oder kleiner als 0,1 Gewichts-Prozent beträgt, oder mit Abgasnachbehandlungsanlagen ausgerüstet sein, die eine entsprechend geringe Emission von Schwefeloxiden sicherstellen. Im Gegensatz zu den meisten von der IMO verabschiedeten Regelwerken zu von Schiffsantrieben ausgehenden Emissionen, gilt diese Regelung nicht nur für neue, sondern auch für alle bereits im Einsatz befindlichen Seeschiffe.

Die Umrüstung der Motoren und des Kraftstoffsystems der STENA GERMANICA wurde von Ende Januar bis Ende März in Gdansk auf der Remontova-Werft von der Technischen Abteilung der Stena Line, Stena Teknik, in Kooperation mit dem Motorenhersteller Wärtsilä durchgeführt. Nach dem Umbau ist Methanol die primäre Antriebsquelle, als Unterstützung besteht aber auch die Möglichkeit, auf Marinediesel umzuschalten – diese Technik wird als „Dual Fuel” bezeichnet. Die Gesamtkosten des von der EU-Initiative „Motorways of the Seas” geförderten Umbaus beliefen sich auf rund 22 Millionen €. Für den Einsatz der innovativen Technik auf der STENA GERMANICA und den Fortschritt, den sie für die Meeresumwelt bringt, wurde Stena Line vor Kurzem auf der Green Ship Technology Conference (GST) in Kopenhagen mit der Auszeichnung „Ship-owner of the year” (Reederei des Jahres) prämiert. 

 

Der unterschätzte Kraftstoff

Bei der Suche nach preiswerten und zugleich umweltfreundlicheren Kraftstoffen für Schiffsantriebe ist, neben Erdgas, auch Methanol für die weltweite maritime Industrie höchst interessant geworden. Über Methanol als Schiffskraftstoff gibt es zurzeit nur wenige Informationen. Auch Vertreter der Klassifikationsgesellschaft DNV GL räumten kürzlich ein, dass dieser Kraftstoff und die damit verbundenen Möglichkeiten bisher unterschätzt worden sind.

Doch das ändert sich noch in diesem Jahr. Stena Line ist eine der ersten Reedereien, die eine ihrer RoPax-Fähren auf den Betrieb mit Methanol umgerüstet hat. Auch die zur Methanex Corporation gehörende Reederei Waterfront Shipping wird in 2015/2016 bis zu 9 neue Produktentanker (50.000 tdw) mit MAN-2-Takt Dual Fuel Motoren aus der Baureihe ME-LGI in ihre bestehende Tankerflotte integrieren, die mit Methanol gefahren werden. Wärtsilä wie auch MAN Diesel&Turbo führen somit entsprechende Motoren, bzw. „conversion kits” in ihrem Produktportfolio.

Methanol ist eine farblose, entzündliche, leicht flüchtige und giftige Flüssigkeit und kann aus Erdgas, Kohle, Biomasse oder CO2 hergestellt werden. Verglichen mit anderen Treibstoffen verringert sich durch den Einsatz von Methanol der Ausstoß von Schwefel um 99 Prozent, von Stickstoff um 60 Prozent, von Rußpartikeln um 95 Prozent und von Kohlendioxid um 25 Prozent im Abgas. Methanol ist zudem biologisch abbaubar (wird in Wasser abgebaut) und ein kosteneffektiver Brennstoff. Zu seinen weiteren Vorteilen gehört dabei auch, dass dieser Kraftstoff im Gegensatz zum Erdgas nicht tiefgekühlt, und damit verflüssigt, zu lagern ist. Nach Aussagen von Stena Teknik, gibt es bei Methanol erheblich mehr Flexibilität hinsichtlich einer Platzierung der Kraftstoffvorratstanks.

Mit anderen Worten: Methanol kann in den bestehenden Doppelbodentanks (Kraftstoff- bzw Ballastwassertanks) gelagert werden. Ein entscheidender Vorteil hinsichtlich Ladungsflexibilität bei Frachtschiffen aller Art.

Aber Methanol besitzt auch einige Nachteile, die berücksichtigt werden müssen: So ist Methanol korrosiv zu Metallen wie zum Beispiel Zink, Aluminium, Magnesium und deren Legierungen. Wenn Methanol Wasser enthält greift es Eisen und Stahl an – aber gereinigtes Methanol („trockenes Methanol”) nicht. Methanoldämpfe bilden mit Luft im Bereich zwischen 6 bis 50 Prozent explosionsfähige Gemische. Nachteilig ist auch der, aufgrund des geringeren Heizwertes, bis zu etwa 50 Prozent höhere Kraftstoffverbrauch (wird durch günstigere Preise ausgeglichen). Unvorteilhaft ist auch die Giftigkeit von Methanol, die Vorsichtsmaßnahmen bei der Betankung und bei Arbeiten am Fahrzeug erfordert. Da Methanol biologisch abbaubar ist, ist die Umweltgefährdung bei eventuellen Unfällen gering.

 

Der Antrieb

Die STENA GERMANICA ist mit einem diesel-mechanischem Antrieb ausgerüstet. Das Kraftwerk besteht aus vier Sulzer-Dieselmotoren vom Typ 8ZAL 40S mit je 6.000 kW bei 510 U/min, von denen immer zwei über ein Siemens-Doppeleingangsgetriebe mit schaltbaren Kupplungen auf je einen Festpropeller von Kamewa arbeiten. Drei leistungsstarke Querstrahler (Kamewa) sowie die beiden Becker-Ruder sorgen für optimale Manövriereigenschaften.

Die Antriebsmaschinen der Bordaggregate sind hier nicht Gegenstand der Betrachtung für die Umrüstung auf Methanolbetrieb. Sie müssen daher künftig nicht nur in den Häfen, soweit kein Landstrom bezogen werden kann, sondern auch auf See mit Gasöl gefahren werden. Was in Götheborg schon seit langem praktiziert wird (Landstromanschluß), ist in Kiel auch in absehbarer Zukunft noch nicht möglich.

 

Die Umrüstung

Zwei der bereits bestehenden Ballastwassertanks wurden während der Werftzeit in Methanol-Bunkertanks (Kapazität: 500 Kubikmeter) umgerüstet. Wie schon erwähnt, ist Methanol in Verbindung mit Wasser sehr korrosiv. Die Tanks wurden deshalb mit einem speziellen Schutzanstrich versehen. Zum Schutz gegen eine mögliche Selbstentzündung des explosiven Luft-Gas-Gemisches wird ein Inertgas, hier Stickstoff, (Inertgase finden Verwendung, um Luft oder andere Gase von bestimmten

chemischen Reaktionen fernzuhalten. In der Regel dienen Inertgase dazu, den Sauerstoffanteil zu reduzieren oder ganz zu ersetzen, so dass eine Explosion oder die Fortpflanzung einer Verbrennung verhindert wird) in die Bunkertanks geleitet. Alle methanolführenden Kraftstoffleitungen von den Vorratstanks zum Tagestank sind aus Stainless Steel hergestellt.

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Entsprechend einer Übergangsregelung der Klassifikationsgesellschaft LloydsRegister, LR, müssen Methanol-Bunkertanks durch Kofferdämme mit Leckagesensoren geschützt sein. Da die jetzigen Methanol Bunkertanks inmitten von weiteren Ballastwassertanks liegen, hat Stena Teknik auf zusätzliche Kofferdämme verzichtet und die weiteren Ballasttanks als eine sehr sichere Lösung gegen mögliche Leckagen angesehen.

In der Remontowa-Werft wurde einer der vier Hauptantriebsmotoren von einem mechanischen Einspritzsystem auf ein Common Rail Einspritzsystem umgerüstet. Nach und nach werden die restlichen drei Hauptmotoren, während des normalen Fährbetriebes, ebenfalls umgerüstet. Die Umrüstung beinhaltet den Tausch der Zylinderköpfe und den Einbau des CR-Systems.

Für den nun notwendigen hohen Kraftstoffdruck im CR-System sorgen, in einem separat angeordneten Pumpenraum, vier Hammelmann-Hochdruckpumpen des Typs HDP72 mit einem Betriebsdruck von 650 bar (für jeden Motor eine Pumpe). Die Kraftstoffleitungen von den Hochdruckpumpen zu den Motoren sind doppelwandig.

Das Methanol verbrennt entsprechend dem Dieselprozeß.

Aufgrund der sehr niedrigen Cetanzahl, CZ=3, (die Cetanzahl beschreibt die Zündwilligkeit eines Kraftstoffes. „Normale” Cetanzahlen bei Dieselkraftstoffen liegen heute bei etwa 50) ist eine „Starthilfe” in Form von „Pilot-Diesel-Fuel”, maximal 5 Prozent, notwendig. Der Kraftstoff wird kurz vor dem TDC (Top Dead Center = oberer Totpunkt) eingespritzt und durch das „Pilot-Diesel-Fuel” gezündet. Der Einspritzdruck liegt bei rund 500 bar.

 

Methanol-Lieferant für Stena Line

Nach Aussagen der Reederei Stena Line hat man mit dem kanadischen Unternehmen Methanex Corporation einen langjährigen Liefervertrag abgeschlossen. Die Methanol-Industrie umfasst den gesamten Globus mit Produktionsstätten in Asien, Nord- und Südamerika, Europa, Afrika und dem Mittleren Osten. Diese Raffinerien sorgen für eine schnelle Lieferung des benötigten Kraftstoffs. Mit einer weltweiten Jahresproduktion von rund 65 Millionen Tonnen ist die Kraftstoffversorgung für die zurzeit überschaubare Anzahl von mit Methanol angetriebenen Schiffen gesichert. Schätzungen werden mit einer jährlichen Steigerung von etwa 7 Millionen Tonnen angegeben.

Die Reederei rechnet mit einem jährlichen Methanolverbrauch für die STENA GERMANICA von 25.000 Tonnen. Würde Stena Line ihre gesamten 25 Fähren bis zum Jahre 2018 auf den umweltfreundlichen Kraftstoff umrüsten, geht man in Götheborg von einem Jahresverbrauch von 625.000 Tonnen aus.  Der Methanol-Kraftstoff für Stena Line wird in der hochmodernen Raffinerie aus Erdgas im ägyptischen Damietta hergestellt und mit Tankschiffen nach Göteborg transportiert, wo auch die Bebunkerung stattfindet. Dipl.-Ing Peter Pospiech, PPM News Service Maritim

 

Zusammenfassung

Schiffsmotoren, die nach dem Dieselprinzip arbeiten, für den Gebrauch von Methanol-Kraftsoff umzurüsten ist eine interessante Option für Reedereien. Im Gegensatz zu  Erdgas (aus Kapazitätsgründen als verflüssigtes Erdgas, LNG, in extra isolierten Tanks gelagert) besitzt Methanol einige bemerkenswerte Vorteile, z.B.:

Bestehende Ballasttanks können als Methanol-Bunker genutzt werden

Dadurch kein Platzverlust für Ladung

Kein Methanschlupf an den Motoren und in der Kette (wie bei Erdgas)

Methanol ist weltweit verfügbar

Methanol-Bunkerprozeß vergleichbar mit Dieselbunkerung

Methanol ist preisgünstiger als Erdgas

vergleichbar niedrige Abgasemissionen

Schiffsmotoren können für den Einsatz von Methanol als Kraftstoff relativ einfach umgerüstet werden

Keine Leistungsreduktion durch den Einsatz von Methanol

Das neue Methanol-Tanksystem.Das neue Methanol-Tanksystem. Grafik: Wärtsilä, Helsinki (Finnland)

Chief Peter Holm erklärt den umgerüsteten Motor Typ Sulzer 8ZAL 40S, der nun ein 8ZAL 40S CR Motor ist.

Chief Peter Holm erklärt den umgerüsteten Motor Typ Sulzer 8ZAL 40S, der nun ein 8ZAL 40S CR Motor ist. Foto: PPM News Service Pospiech, Rhauderfehn
 

Blick in den zusätzlich eingerichteten Hochdruckpumpenraum.Blick in den zusätzlich eingerichteten Hochdruckpumpenraum.

Foto: PPM News Service Pospiech, Rhauderfehn

Schnittbild eines Zylinder-Kopfes mit Injektoranordnung.

Schnittbild eines Zylinder-Kopfes mit Injektoranordnung.
Grafik: Wärtsilä, Helsinki (Finnland)
 

Das Herzstück des Methanol-Motors: der Wärtsilä-Dreinadel-Injektor.Das Herzstück des Methanol-Motors: der Wärtsilä-Dreinadel-Injektor.

Grafik: Wärtsilä, Helsinki (Finnland)

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Blick über den Grand Harbour von La Valletta mit der einlaufenden CELEBRITY EQUINOX.  Blick über den Grand Harbour von La Valletta mit der einlaufenden CELEBRITY EQUINOX.

Foto: Kai Ortel, Berlin

Full House in La Valletta

Es war ein Anblick, der selbst auf Malta nicht alltäglich ist: Binnen zwei Stunden machten am Morgen des 22. Juli 2015 gleich fünf große Kreuzfahrtschiffe mit einer Gesamttonnage von 448.060 BRZ im Grand Harbour von Valletta fest, ein Rekordtag auf der kleinen Mittelmeerinsel. Zwar haben in der Vergangenheit schon bis zu sieben Passagierschiffe gleichzeitig Malta angelaufen, in dieser Größenordnung jedoch war der Fünffachanlauf ein Novum in der ehemaligen britischen Kronkolonie, denn zusammen brachten die Kreuzfahrtschiffe nicht weniger als 14.000 Passagiere und knapp 6.000 Besatzungsmitglieder mit.

Den Anfang machte morgens um 7:00 Uhr das größte der fünf Schiffe, die italienische MSC FANTASIA der Reederei MSC Crociere (137.936 BRZ). Ihr folgten in kurzem Abstand nacheinander die spanische ZENITH (Pullmantur Cruceros, 47.413 BRZ), die amerikanische NORWEGIAN JADE (Norwegian Cruise Line, 93.558 BRZ) und die italienische COSTA neoRIVIERA (Costa Crociere, 47.275 BRZ), ehe am frühen Vormittag die amerikanische CELEBRITY EQUINOX (Celebrity Cruises, 121.878 BRZ) den Abschluss der eindrucksvollen Flottenparade bildete.

Die fünf Schiffe kamen zusammen auf eine Gesamtlänge von 1,37 Kilometer, und dafür reichte dann selbst die altehrwürdige Waterfront von Valletta nicht aus. Während die COSTA neoRIVIERA im Stadtteil L-Isla festmachte, musste die MSC FANTASIA mit dem Frachtkai neben der Palumbo Malta Shipyard auf der Südseite des Hafens Vorlieb nehmen. Beide Ausweichanleger haben den Nachteil, dass von ihnen aus die historische Altstadt nur mit Hilfe eines zeitaufwändigen Tenderboot-Verkehrs erreichbar ist, was im Falle der MSC FANTASIA die ohnehin kurze Liegezeit (7:00 bis 13:00 Uhr) noch weiter beschnitt.

Für Malta ist jedoch nicht nur dieser Fünffachanlauf ein „absolute record” gewesen (so Stephen Xuereb, der CEO des Valletta Cruise Port), sondern überhaupt das ganze Jahr 2015. Nach Zahlen der National Statistics Office ist Malta allein zwischen April und Juni 2015 von insgesamt 205.000 Passagieren besucht worden, 66 Prozent mehr als im selben Zeitraum im Vorjahr. (Die Passagiere verteilten sich auf 108 Schiffsanläufe, 19 mehr als 2014.) Nimmt man das gesamte erste Halbjahr 2015, kommt Malta auf insgesamt 225.000 Passagiere, immer noch satte 40 Prozent mehr als 2014. (Diese Passagiere verteilten sich auf 117 Anläufe, 5 mehr als 2014.) Für das Gesamtjahr 2015 verzeichnet der Valletta Cruise Port 325 Anläufe

 

mit zusammen 640.000 Passagieren. Im Durchschnitt gehen damit 1.931 Passagiere pro Schiff über die Gangway, um die Innenstadt von Malta zu Fuß oder die Insel selber im Rahmen einer Busrundfahrt zu erkunden (2014: 1.442). 75 Prozent der Passagiere kommen aus EU-Staaten, die meisten davon aus Deutschland, Italien und Frankreich.

Maltas Tourismus-Ministerium betrachtet dabei alle Kreuzfahrtpassagiere als potentielle zukünftige Urlaubsgäste für einen längeren Aufenthalt auf der Insel, entsprechend akribisch wird daher jeder einzelne Schiffsanlauf im Voraus vorbereitet. Der Fünffachanlauf am 22. Juli bedurfte jedoch einer besonderen mehrmonatigen Vorbereitung, schließlich galt es, Schlangen und Staus nicht nur vor den Sehenswürdigkeiten und in den Gassen der Altstadt zu verhindern, sondern auch auf den Schiffen bzw. an den Anlegern der Tenderboote, damit die Kreuzfahrtgäste so viel Zeit wie möglich und diese auch noch möglichst unbeschwert verbringen konnten.

Schließlich schätzt Valletta Cruise Port, dass die Kreuzfahrtanläufe der Wirtschaft der Insel 2015 einen Gesamtumsatz von 82,81 Millionen € bescheren – nicht wenig für eine Insel(gruppe) von gerade mal 316 Quadratkilometern Größe, die immerhin 40 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes aus Einnahmen aus dem Tourismus bestreitet.

Für die Zukunft sind daher weitere Investitionen in die Hafeninfrastruktur vorgesehen, die ein weiteres Wachstum der Kreuzfahrtstatistik ermöglichen sollen. Ob es dazu kommt, ist jedoch nicht sicher. So hat Malta 2015 nicht unwesentlich davon profitiert, dass es aufgrund seiner geographischen Nähe zur nordafrikanischen Küste zum Ausweichhafen Nr. 1 avancierte, kurz nachdem die Terroranschläge in Tunesien dieses Land für die internationalen Kreuzfahrtreedereien vorübergehend nur „No-Go Area” gemacht hatten. Sollte die politische Lage in Nordafrika jedoch instabil bleiben, dürfte es in La Valletta auch im kommenden Jahr wieder einen „historischen” Fünffachanlauf wie am 22. Juli geben. Der jedenfalls bleibt nicht nur den Passagieren in guter Erinnerung, die an jenem denkwürdigen Tag an Bord der MSC FANTASIA, der ZENITH, der NORWEGIAN JADE, der COSTA neoRIVIERA oder der CELEBRITY EQUINOX gewesen sind. www.vallettawaterfront.com

Text und Fotos: Kai Ortel

Drei Schiffsgenerationen der Meyer Werft in Valletta: Von links die CELEBRITY EQUINOX (Baujahr 2009), die ZENITH (Baujahr 1992) und die NORWEGIAN JADE  Drei Schiffsgenerationen der Meyer Werft in Valletta: Von links die CELEBRITY EQUINOX (Baujahr 2009), die ZENITH (Baujahr 1992) und die NORWEGIAN JADE

(Baujahr 2006). Foto: Kai Ortel, Berlin

Die COSTA neoRIVIERA hat am 22. Juli gegenüber von Malta Drydocks im Stadtteil L-Isla festgemacht.

Die COSTA neoRIVIERA hat am 22. Juli gegenüber von Malta Drydocks im Stadtteil L-Isla festgemacht. Foto: Kai Ortel, Berlin

 

Die MSC FANTASIA am Frachtkai gegenüber der Altstadt von La Valletta. Die Ausflugsboote von Luzzu Cruises und anderen Reedereien fungierten während des Fünffachanlaufes als Tender-Schiffe.

Die MSC FANTASIA am Frachtkai gegenüber der Altstadt von La Valletta. Die Ausflugsboote von Luzzu Cruises und anderen Reedereien fungierten während des Fünffachanlaufes als Tender-Schiffe. Foto: Kai Ortel, Berlin

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Der Ro-Ro-Frachter CITY OF HAMBURG einlaufend in Finkenwerder.Der Ro-Ro-Frachter CITY OF HAMBURG einlaufend in Finkenwerder. Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Rumpfsektionen-Verladung in Hamburg-Finkenwerder.

Rumpfsektionen-Verladung in Hamburg-Finkenwerder.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

 

A 380-Rumpfsektion im Laderaum der CITY OF HAMBURG.

A 380-Rumpfsektion im Laderaum der CITY OF HAMBURG.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Flugzeuge im Bauch

Airbus lernt schwimmen zwischen Elbe und Loire

„Kennst du Klaus?” Darauf die verblüffte Antwort: „Nee!” Doch der Frager lässt nicht locker: „Dann meld’ dich mal bei ihm, wenn du da bist!” Unser Autor hat das nicht getan. Dafür hat er erlebt, dass der A 380 erst schwimmen lernen muss und dann fliegen darf.

Kurz zuvor: Der 150er-Bus vom Bahnhof Altona rollt durch den Hamburger Vorort Finkenwerder, quert irgendwann die Rudolf-Kinau-Allee. Er nannte sich Gorch Fock, der niederdeutsche Dichter, nach dem die Straße benannt wurde. 1912 schrieb er den berühmt gewordenen Roman „Seefahrt ist not!”. Hinter der Scheibe huscht sein Geburtshaus am Neßdeich 4 vorüber. Früher stand es an der Peripherie des beschaulichen Elbe-Fischerdorfes, heute duckt es sich hinter dem Zaun des größten deutschen Flugzeugwerkes. Die entgegenkommenden Lastzüge werben dafür: „Wir fahren für Airbus”. So steht es auf ihren Flanken.

Gorch Fock hätte mehr als gestaunt über das, was da heute, sozusagen im Schatten seines Elternhauses, geparkt ist: das weltgrößte Flugzeug A 380. Die alles überragenden bunten Leitwerke weisen auf ihre internationalen Auftraggeber hin. Von den Emirates über Quantas bis zur Lufthansa. Die erste Maschine mit dem Kranich-Logo auf dem werkseigenen Flughafen wurde auf den Namen „Frankfurt am Main” getauft.

Verhüllter Christo

Am Werkstor ist die Frage nach Klaus schnell abgehakt. Ein scheckkartengroßer Besucherausweis legitimiert schließlich dazu, den Shuttlebus zu besteigen. Am Ende eines Tunnels, über den die Rollbahn verläuft, taucht man ein in eine weitläufige Hallenlandschaft.

Plötzlich, mitten auf der Straße, Flugzeuge. „Abgestellte Schaustücke”, erklärt der Fahrer seelenruhig. Um die Ecke eine weitere Überraschung: Flugzeugteile, festgezurrt auf Tiefladern. Ein europäisches Airbus-Puzzle aus Flügelstücken, Rumpfsektionen und Leitwerken, bereit zum Verladen.

„Da sind wir!” Der Bus stoppt neben einer tintenblauen Wand. Beim Aussteigen wird man fast erschlagen von den riesigen weißen Lettern „Airbus on board”. Klaus winkt lässig von seinem Wachhäuschen herab und wünscht gute Reise. Aha, also das ist Klaus!

Etwas ratlos steht man vor einem großen schwarzen Loch mit Klappe. Weit hinten im Dunkeln etwas wie von Christo Verhülltes: die Ladung. Unter der schützenden Plane zeichnen sich markante Umrisse ab: unfassbar hoch und raumfüllend, Teile des Riesenvogels A 380.

Weit und breit kein Mensch. Bis einer wie aus dem Nichts auftaucht: roter Overall mit LDA-Reederei-Logo auf der Brusttasche und weißem Schutzhelm. Er entpuppt sich als Matrose des Ro-Ro-Frachters CITY OF HAMBURG. Der braunhäutige Mann zeigt strahlend seine weißen Zähne und fragt nach dem Begehr des Besuchers. „We are lucky”, sagt er, dass das Schiff einen Fahrstuhl habe, „bei zehn Decks zu viele Treppen”. Trimmübungen hat der schlanke Mann von den Philippinen nun wahrhaftig nicht nötig.   

Die Außentüren sind durch Codeschlösser gesichert. Allein die Überführung des hochmodernen Frachters von der Werft in Singapur Ende Dezember 2008 mitten durch piratenverseuchte Gewässer hat das für die Crew überlebensnotwendig gemacht.

Bester Logenplatz

„Bienvenu à bord, welcome aboard!” heißt einen der Commandant, wie sich der sehr zivil aussehende Kapitän vorstellt, freundlich und zweisprachig willkommen. Dupré de Boulois aus Paris, ein Adliger sogar, gewissermaßen meerwasser-blaublütig. Passt zur Ausstrahlung und Figur. Zwar ein gewichtiger Mann, aber mit nur wenig Ladung an Bord: gerade mal 60 Tonnen, sagt er und ergänzt, dass man schließlich kein Bulkcarrier mit Massenladung sei. Flugzeuge müssen leicht sein. Im Gegensatz dazu steht die offizielle Typenbezeichnung „High Heavy Vehicle Carrier”, ausgelegt also für hohe, schwere Fahrzeuge.

Zweiter Offizier Loic Fernagut zeichnet für die notwendigen Formulare verantwortlich, die einige Unterschriften vom Passagier verlangen. „Sorry!”, meint er halb entschuldigend, „aber das ist international vorgeschriebenes Reglement”.

Der junge Mann aus der Bretagne übernimmt auch die Einweisung in die Schiffssicherheit, die mit einem Rundgang durch die oberen Decks verbunden ist. „Weiter unten ist das nicht notwendig, da sind nur Stellflächen”. Das Schiff könne nämlich auch „ganz normal” als Autotransporter eingesetzt werden.

Der unverbaute Blick aus dem Fenster der (Passagiers-) Lotsenkammer verleitet zum Schwärmen: über die von allerlei Schiffen befahrene Elbe auf das Blankeneser Villenviertel. Für Hamburger Hafenverhältnisse geradezu ein Logenplatz. „Die da drüben”, zeigt Loic auf die teuren Häuser, „schauen nur auf das Airbus-Werk und müssen auch noch viel dafür bezahlen”. Der Passagier hingegen hat es besser, darf das aber auch nur ein paar Stunden lang genießen.

Gesunde Policy

Im Gang pfeift jemand fröhlich, ausgerechnet ein – Wasserschutzpolizist. Ob er denn nicht wisse, wird er angefrotzelt, dass das nach altem Seemannsaberglauben Unglück bringe? „Ich fahr’ doch nicht mit”, grinst er breit und stapft mit seinem Aktenkoffer ins Schiffsbüro, wo der Kapitän schon wartet.

Aus der Kombüse um die Ecke dringt aufgekratzter Gesang auf den Gang. Chefkoch José-Walter mit riesiger weißer Kochmütze und Messesteward Rolando üben im Koch- und Spülduett für den Karaoke-Abend auf See. Die motivierenden Begrüßungsworte, dass ihre Arbeit für die Stimmung an Bord wichtig sei, nehmen sie dankbar und bescheiden strahlend zur Kenntnis.

Der Zweite antwortet auf die Frage, wie es denn um die berühmte französische Küche an Bord bestellt sei: „Das müssen sie noch lernen, aber sie geben sich jedenfalls redlich Mühe, es uns recht zu machen”.  

Zum Mittag bedient sich jeder im Self-Service an der Kombüsen-Luke, auch der Commandant höchst selbst. Chefkoch José-Walter füllt die Teller mit Tintenfisch und Tomatensauce, als Vorspeise gibt es Thunfisch-Pizza, von der allein man schon satt wird, dazu Salat und zum Dessert Kuchen mit Schlagsahne. Geradezu üppig für ein unspektakuläres Werktagsessen. Es ist nicht mal Donnerstag, „Seemannssonntag”.

Zum Käse mit Baguette kein Rotwein? „Unser Schiff ist trocken”, bemerkt Chiefofficer Gautier Padellec, „nach zwei Monaten Fahrtzeit ist hier jede Leber wieder topfit”. Aber Spaß beiseite: „Natürlich betreibt unsere Reederei Louis Dreyfus diese Policy aus Sicherheitsgründen”. Stattdessen gebe es Softdrinks gratis, so viel man mag. Gut auch für die Gesundheit.

Hypermodernes Design

Pünktlich um 15 Uhr parkt Kapitän Arnaud Dupré de Boulois den knapp 127 Meter langen 16.000-Tonner rückwärts aus und dreht hinter dem vorbeirauschenden Container-Feederschiff WMS GRONINGEN in die schäumend zum Hochwasser auflaufende Elbe. Am Ufer bleiben die Spaziergänger stehen, als „ihr” Schiff – Hamburg ist schließlich Patenstadt – ausläuft. Schon am 8. Mai war sie als prominenter Gast bei der Parade zum 821. Hafengeburtstag dabei – auf „Augenhöhe” mit der QUEEN MARY 2. Es war der Tag, an dem die CITY OF HAMBURG offiziell vor den St.-Pauli-Landungsbrücken begrüßt wurde. Üblicherweise fährt sie sonst nur bis Finkenwerder.  

Die Schiffsbegrüßungsanlage in Schulau verabschiedet den Frachter stilvoll: mit Flaggendippen, Hamburger Hammonia Hymne und der Marseilleise. Da überläuft auch deutsche Rücken ein leiser Schauer. Bis die Klänge im Westwind verwehen, der die Trikolore stolz knattern lässt.

Lotsenwechsel vor Brunsbüttel mit Einblicken in den Nord-Ostsee-Kanal. Der Seelotse erscheint auf der Brücke hanseatisch vornehm in dunklem Anzug mit Weste. Spontan entfährt ihm die Bemerkung: „Auf dieses Schiff wollte ich immer schon mal”, und staunt ehrlich über den Kommandostand: „Ist das ein hypermodernes Design, passt irgendwie auch zur Ladung.”

Um 21 Uhr, sechs Stunden nach dem Auslaufen, ist das neue Lotsenstationsschiff, der Katamaran ELBE, querab. „Tschüß und gute Reise”, verabschiedet sich der Lotse mit Handschlag. Ein paar Minuten später steigt er auf das kleine gelbe Versetzboot an der knapp über dem Wasser liegenden Seitenpforte. Über die Wellen tänzelnd und torkelnd nimmt es Kurs auf das weiß-rote Mutterschiff, das weithin sichtbar in den Farben der Lotsenflagge gehalten ist.

Der Felsklotz Helgoland grüßt an Steuerbord im ockerfarbenen Abendlicht, vor dem

sich ein paar zu Anker liegende und wartende Frachter als Schattenrisse abzeichnen.

Blinde Passagiere

CITY OF HAMBURG dampft mit knapp 18 Knoten und Kurs 270 Grad auf dem Verkehrstrennungsgebiet „Deutsche Bucht” genau nach Westen. Zunehmend drücken Wind und Wellen gegen die Backbordflanke. Der Frachter spielt Großsegler und legt sich nachgebend auf die Seite. Die Ingenieure Nicolas Bricout und seinen Kollegen Philippe Briand ficht das nicht an. Ihnen unterstehen zwei Mal 4000 Pferdestärken, das Diesel-Doppelherz der CITY OF HAMBURG. „Obwohl wir mit vier Meter sechzig nur wenig Tiefgang haben”, erklärt der schwarzgelockte Südfranzose Bricout, „macht uns Seegang wenig aus”. Schließlich habe das Schiff Stabilisatoren wie ein Kreuzfahrtschiff. Für Ballast-Ausgleich und ruhige Lage sorgen maximal 2040 Tonnen Flüssigkeiten in den Boden- und Seitentanks: See-, Frisch- und Technikwasser sowie Treibstoff. „Von Letzterem verbrauchen die deutschen Maschinen nur 16 Tonnen pro Tag”, ergänzt der Bretone Philippe, „wenn wir mit sechzigprozentiger Auslastung fahren.”   

Absturzdrama auf dem Bootsdeck: Verzweifelt strampelt ein Maikäfer in Rückenlage und versucht mit ausgebreiteten Flügeln zu starten. Anscheinend ist dem Krabbeltier beim kräftezehrenden Überflugversuch der Nordsee die Puste ausgegangen. Erste müde Kletterversuche unternimmt der putzige Käfer ausgerechnet auf dem A 380-Tischmodell im Besprechungsraum. Wie aus Solidarität hat sich auf dem Rettungsboot ein erschöpftes Taubenpärchen niedergelassen. Unterm Strich sind das drei „Blinde Passagiere” an Bord.

Flugkünste hingegen demonstriert die „Pollution Control”, ein Ölüberwachungsflugzeug vom Typ Do 228 der Deutschen Marine. Im Tiefflug kurvt es dröhnend über die CITY OF HAMBURG und dreht dann in Richtung Cuxhaven ab zu seiner Basis Nordholz.  

Commandant-Kapitän Dupré de Boulois indes bleibt auf dem Teppich. Statt Flugübungen steht, wie jeden Samstag, eine Dienstbesprechung mit seiner Crew an. Heute direkt vor der heimatlichen Küste. Dazu werden echte Crèpes mit Karamel-Creme und Sahne serviert. Von Kadettin Justine Choirat mit kundiger Hand hauchzart zubereitet. Auch einer zukünftigen französischen Kapitänin kann das nicht schaden.

Haarsträubende Geschichte

Es brist zunehmend auf, vierkant von vorn, Regenböen waschen die Brückenscheiben und die Wellenkämme schäumen. „Typisch mal wieder”, brummt Chiefofficer Padellec, hier Capitaine genannt – weil er wie auch der Commandant das entsprechende Patent hat ‒, beim Blick auf die graue Einheitssuppe aus See und Himmel, „englisches Wetter.” Der Mann aus der bretonischen Hafenstadt Lorient fuhr zwanzig Jahre in der Fischerei, „hauptsächlich Biskaya und Irische See, das war extrem hart, besonders im Winter”. Hier sei das dagegen wie Zuckerschlecken.  

Das meint auch der philippinische Matrose Gaudencio Martinez. Während der abendlichen Acht-Zwölf-Wache berichtet er emotionslos von seiner sechsjährigen Arktis- und Antarktisfahrtzeit auf koreanischen Fischtrawlern. Zu Sechst hausten sie in einer eiskalten, engen, muffigen und ständig nach Fisch stinkenden Kammer. Es gab nur eine Dusche für 30 Mann und daher ständig Aggressionen. Bis zu einem Jahr waren die Männer ununterbrochen an Bord, unter widrigsten Wetter- und Sozialbedingungen. Den Job konnte der Familienvater nicht ablehnen, „sonst hätte mich die Crewing-Agentur nie wieder genommen”, sagt er. Ausbeutung pur. „Hier verdiene ich mehr und lebe viel besser”, ist der kleine, drahtige Mann zufrieden. Der Bericht schnürt einem die Kehle zu. Selbst der sonst so gesprächige Wachoffizier Loic ist für ein paar Augenblicke sprachlos. Bis die englische Küstenwache mit ihren Funkanfragen an durchfahrende Schiffe nach dem Woher, Wohin und der Ladung die eingetretene Brückenstille durchbricht.

Am Westausgang des Englischen Kanals empfängt der Atlantik das rund 34 Meter hoch über die Wasserlinie aufragende Schiff mit waagerecht peitschendem Regen und heran rollendem Schwell. Bei jedem Eintauchen in ein langgestrecktes Tal erzittert der Rumpf. So lernen die Flugzeugteile im Laderaum wenigstens einmal die „Freuden” der Seefahrt kennen.  

Dennoch: Das sonntägliche Menü mit Steak, Pommes frites samt üppigem, sahnegekröhnten Eis-Dessert genießen alle ausgiebig. Zum Abendessen auch den monströsen „Hamburger”. Doch in den Schlaf findet keiner so recht. „Dank” rapider Sichtverschlechterung. Alle zwei Minuten dröhnt das Nebelhorn einmal lang. Bis Kaffeeduft-Schwaden durch die Klimaanlage kriechen und die Nacht endgültig gelaufen ist.

Grünes Paradies

Seit sieben Uhr ist der französische Lotse an Bord. Der Rudergänger steuert jetzt nach seinen Gradangaben mit der Hand. CITY OF HAMBURG stemmt sich der braunen Loire entgegen. Vor Saint-Nazaire wird der mit 1030 Kilometer längste Fluss Frankreichs von einer gewaltigen Brücke überspannt. Ameisengleich kriecht über sie der stockende morgendliche Berufsverkehr. An Backbord ein weißer Riese auf der Werft: der Neubau NCL ECLIPSE, mit 155.000 Tonnen das größte je dort gebaute Kreuzfahrtschiff.

Beim Anlegen hilft die feine Rolls-Royce-Technik des Bugstrahlruders. Commandant Dupré de Boulois schaltet erleichtert die Navigationsgeräte ab, als sein Schiff pünktlich um acht Uhr dreißig festgemacht ist. 910 Seemeilen hat es von der Elbe an die Loire unter den Kiel genommen.

Der romantische Teil des wegen seiner zahlreichen Schlösser viel besungenen Loire-Tals fängt oberhalb von der Halbmillionen-Stadt Nantes an, rund 30 Seemeilen weiter flussaufwärts. Wir sind angekommen im Département Loire Atlantique, dem „Paradis vert” oder zu Deutsch „grünen Paradies”, wie ein Magazin getitelt hat.

Bis zum Abend soll die Ladung komplettiert sein: mit weiteren Flugzeugteilen aus dem in Sichtweite liegenden Airbus-Werk von Saint-Nazaire und dem von Nantes. Endhafen ist Pauillac an der Garonne nördlich von Bordeaux. „Dort gedeiht auch der beste Rotwein”, ist Kenner Dupré de Boulois überzeugt. Für die Airbus-Logistiker kommt der edle Tropfen erst in Frage, wenn die beiden nächsten aufwändigen Transportschritte bewältigt sind: per Binnenschiff und LKW zum Werk in Toulouse.  

Zurück nach Deutschland geht es im Stundensprung – mit Airbussen: A 320 und als Steigerung A 321. Als der sich in den Himmel von Paris erhebt, lässt er den brandneuen A 380-800-Riesenvogel am Boden schrumpfen. Eins ist sicher: Zur See gefahren sind sie alle drei schon mal, entweder mit der CITY OF HAMBURG oder ihren Schwestern. Dr. Peer Schmidt-Walther

MS CITY OF HAMBURG

Bauwerft: Singapore Technologies Marine; Bau-Nummer: BO 615; Kiellegung: 17.9.2007; Ablieferung: 4.12.2008; erstmals in der Patenstadt Hamburg: 28.1.2009; IMO-Nr.: 9383558; Länge: 126,47 m; Breite: 20,64 m; Tiefgang (max.): 5,50 m; Seitenhöhe bis Hauptdeck: 19,65 m; BRZ: 15.643; Deadweight: 3564,3 t;  Typ: Ro-Ro-Vessel, High Heavy Vehicle Carrier (Klassifizierung durch Bureau Veritas); Ladefläche: 9400 qm; Maschinen: 2 x MAN B & W à 2940 kW (8000 PS); Dieselgeneratoren: 2 x (STX à 970 kW); Wellengeneratoren: 2 x LEROY à 1000 kW; Geschwindigkeit: 17,5 Knoten (Verbrauch dabei max. 36 t/Tag); Bugstrahlruder: Rolls-Royce (750 kW); Verstellpropeller: Schottel; Eigner: ANITA SNC, Bereederung: LOUIS DREYFUS ARMATEURS SAS und Hoegh, Norwegen (gemeinsam mit LDA-Logo am Schornstein), Betreiber: FRET CETAM; Charterdauer: 20 Jahre; Heimathafen: Marseille; Flagge: Frankreich; Crew: 19.

Schwesterschiffe: CIUDAD DE CADIZ, VILLE DE BORDEAUX (etwas größer, in China gebaut); bediente Rundreise-Häfen mit Airbus-Rumpfsektionen: Hamburg, Mostyn/Wales, Cadiz/Spanien, Saint-Nazaire, Pauillac/Frankreich.

Airbus A 380-800-Superlative

220 Kabinenfenster, 16 Türen, 22 Räder (2 Bug, 20 Hauptfahrwerk), etwa 530 Kilometer Kabel, Etwa 100.000 Einzelkabel, Etwa 40.300 Stecker, etwa 550 Quadratmeter Teppich, 18.000 Nieten und Bolzen verbinden Rumpf und je 28 Tonnen schwere Tragflächen, rund 4 Millionen Einzelteile von 1500 Firmen aus 30 Ländern weltweit sind in der A 380 verbaut, Anmeldung von 380 Patenten im Rahmen der Entwicklung, Länge: 72,2 Meter, Spannweite: 79,8 Meter, Höhe: 24,1 Meter, Tragflächen: je 846 Quadratmeter, Rollout: 18.1.2005, Erstflug: 27.4.2005, Sitzplätze: 526, Tankkapazität: 310 Tonnen (Verbrauch pro Passagier und 100 Kilometer: 3,4 Liter), maximales Startgewicht: 569 Tonnen, Reichweite: 12.000 Kilometer, Reisegeschwindigkeit: Mach 0,85, Stückpreis für das größte Passagierflugzeug der Welt: 346 Millionen Dollar.

A 380-Sektionen im Laderaum der CITY OF HAMBURG.

A 380-Sektionen im Laderaum der CITY OF HAMBURG.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

 

Bugsektion steht zur Verpackung und zum Abtransport bereit.

Bugsektion steht zur Verpackung und zum Abtransport bereit.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Ein Quantas-A 380 hebt über uns ab.Ein Quantas-A 380 hebt über uns ab. Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

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Erdgas Transportkette von der Quelle bis zum Verbraucher.

Erdgas Transportkette von der Quelle bis zum Verbraucher. Grafik: Shell, Den Haag (Niederlande)

Erdgas, LNG & Co

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Ein Kubikmeter Gas in einer Thermosflasche

Die Deutsche Sprache ist eine präzise Sprache. Mit ihr können wunderbar, insbesondere technische Sachverhalte, sehr genau beschrieben werden. Redet man zum Beispiel von einem Kraftstoff so wird hier, entsprechend seiner Definition, ein Stoff bezeichnet, der zur direkten Verbrennung in einer Verbrennungskraftmaschine genutzt wird. Und so sei die Frage erlaubt: Verbrennt ein Gas- bzw Dual-Fuelmotor Erdgas oder LNG (Liquefied Natural Gas = verflüssigtes Erdgas)?

Erdgas ist ein Naturgas, das vor ungefähr 600 Millionen Jahren entstanden ist. Weltweit gibt es unzählige Erdgasquellen. Zurzeit sind Vorkommen bis zu einer Tiefe von rund 7.000 Metern bekannt. Ist erst mal ein Gasspeicher in der Erde angezapft, sind zur Förderung keinerlei Pumpen, wie beispielsweise bei Erdöl, nötig. Dank des hohen Drucks, der in der Lagerstätte herrscht, fließt das Erdgas in einer Gassäule, die während des Bohrvorgangs in den Speicher eingeführt wird, automatisch zu Tage.

Die Zusammensetzung von Erdgas kann variieren. Hauptbestandteil des Erdgases ist Methan (CH4), chemisch gesehen also eine organische Verbindung aus den Elementen Kohlenstoff (C) und Wasserstoff (H).

Erreicht das Erdgas die Erdoberfläche, wird es in einer Entschwefelungsanlage gereinigt. Herausgefiltert werden Stickstoffe, Kohlendioxid, Edelgase und Wasser. Erst wenn am Ende das Gemisch zu über 90 Prozent aus Methan besteht, darf es sich Erdgas nennen.

Die für die Verwendung eines Gases im Gasmotor wichtigste Eigenschaft ist die Klopffestigkeit. Die Klopffestigkeit wird nach der Methanzahl bewertet. So hat reines Methan die Methanzahl (MZ) 100 und Wasserstoff die MZ 0. Für die Beurteilung von Gasen muss prinzipiell beachtet werden, dass für hochentwickelte Gasmotoren, insbesondere mit Aufladung, Gase mit den höchsten Methanzahlen den sichersten Betrieb ermöglichen – und die wirtschaftlichste Gesamtlösung darstellen.

Die meisten natürlichen Erdgase haben Methanzahlen zwischen 78 und 98 und sind damit ohne Einschränkungen verwendbar. Die Zumischungen, beziehungsweise Verwendungen, von Propan-Luft oder sogar Butan-Luft führen zu empfindlichen Absenkungen der Methanzahl. Muss ein Gasmotor vorübergehend dennoch mit Gasen niedrigerer Methanzahl betrieben werden, dann kann ein Weiterbetrieb eventuell durch vorheriges Absenken der Leistung zugelassen werden.

 

Gas ist nicht gleich Gas

Verbrennungsmotoren wurden bereits in frühesten Tagen (Nicolaus August Otto) mit Gas betrieben. Auch heute benötigen Otto- und Diesel-Motoren Vergaser beziehungsweise Einspritzdüsen, um Kraftstoff in einen gasförmigen Zustand zu bringen. Insbesondere bei Dieselmotoren sind die Motorenentwickler darauf bedacht, den Dieselkraftstoff durch die Einspritzdüsen so fein zu zerstäuben und mit Verbrennungsluft zu vermischen, dass kaum noch mikrofeine Tröpfchen übrig bleiben. Denn diese feinen Tröpfchen sind eine der Ursachen von Partikelbildung (im Volksmund spricht man fälschlicherweise gern von Rußbildung).

Pkw’s werden hauptsächlich mit Autogas in verflüssigter Form (LPG = Liquefied Petroleum Gas) oder mit komprimiertem Erdgas (CNG = Compressed Natural Gas) betrieben. LPG besteht aus Propan und/oder Butan, CNG und LNG aus Methan. CNG wird gasförmig bei etwa 200 bar gespeichert und durch einen Hochdruckregler auf etwa 7 bar verringert. Hochdruckfeste Lagertanks sind hier notwendig (Prüfdruck etwa 300 bar).

 

Flüssiggas und verflüssigtes Erdgas – ein großer Unterschied

Flüssiggas, das so genannte LPG (Liquefied Petroleum Gas), entsteht, wenn Propan oder Butan unter Druck gesetzt wird. Etwa acht Bar reichen bereits aus, um den Aggregatzustand zu wandeln.

 

Verflüssigtes Erdgas (LNG)

Erdgas besteht zu etwa 85 bis 95 Prozent aus Methan. Die Variation beim Methangehalt und den anderen Bestandteilen hängt sehr stark von der Fundstätte ab. So hat Erdgas, das als Nebenprodukt bei der Erdölförderung anfällt, eine deutlich andere Zusammensetzung als Gas, das aus einem Erdgasfeld stammt. Zudem kann

die Zusammensetzung schwanken, wenn Erdgase aus unterschiedlichen Quellen gemischt werden. Nach der Reinigung wird Erdgas auf minus 162 Grad Celsius heruntergekühlt. Ab dieser Temperatur verändert Methan seinen gasförmigen Zustand: es wird flüssig ‒ jetzt spricht man von verflüssigtem Erdgas oder LNG (Liquefied Natural Gas).  

Aber warum dieser Umwandlungsprozess? Könnte man nicht die kostengünstigere Variante von Erdgas in seinem gasförmigen Zustand nutzen? Der Effekt der Verflüssigung: Erdgas verkleinert sich auf ein Sechshundertstel seines Volumens. So schrumpfen 600 Kubikmeter Gas auf einen Kubikmeter LNG. Oder: Ein Kubikmeter Erdgas in gasförmigem Zustand passt verflüssigt in eine 1,5 Liter-Thermosflasche.

Ein Praxisbeispiel macht es noch deutlicher: Die kürzlich modernisierte, auf Erdgasbetrieb umgebaute, RoPax-Fähre MS OSTFRIESLAND der Reederei AG EMS, verfügt nun über einen LNG-Bunkertank, der eine Kapazität von 45 Kubikmeter aufweist. Nun wird jeder LNG-Tank, aus Sicherheitsgründen, nicht bis zu seiner maximalen Kapazität gefüllt, sondern nur bis etwa 90 Prozent. Das sind etwa 40 Kubikmeter verflüssigtes Erdgas.

Diese Menge LNG, durch Erwärmung, wieder in seinen gasförmigen Zustand zu versetzen, entsprechen etwa  24.000 Kubikmeter Gas (40 x 600)! 24.000 Kubikmeter Erdgas in einem Behälter (Tank) unterzubringen, entspricht etwa einer Tankgröße mit den Abmessungen von 80 Meter Länge, 40 Meter Breite und einer Höhe von 20 Metern! Die OSTFRIESLAND hat aber nur eine Länge von 94 Metern bei einer Breite von 12 Metern!

Verflüssigtes Erdgas (LNG) ist also eine optimale Form große Mengen über große Distanzen zu transportieren. Im flüssigen Aggregatzustand ist LNG nicht brennbar. Das Verflüssigungsverfahren entfernt Staub, Wasser und Kohlenstoffe. LNG ist deshalb wesentlich sauberer als normales Erdgas. Liquefied Natural Gas, LNG, ist eine ungiftige Flüssigkeit, glasklar, geruchslos und leichter als Luft mit einer Zündtemperatur von rund 600°C. Zur Verbrennung von 1 Kubikmeter Erdgas werden ungefähr 10 Kubikmeter Luft benötigt. Die Energiedichte von LNG erreicht etwa 60 Prozent der Dichte von Dieselkraftstoff, weshalb die Tankkapazität, im Vergleich zu Dieseltanks, verdoppelt werden muss.

Aber: Vor dem Gebrauch, also beim Eintritt in die Gasregelstrecke und dem Gasmischer am Motor, wird das verflüssigte Erdgas auf etwa plus 33 Grad Celsius erwärmt und damit wieder in den gasförmigen Zustand gebracht. Erst jetzt kann es vom Verbrennungsmotor in Leistung umgesetzt werden. Die damit sehr häufig zu lesende unsachliche Beschreibung von „mit LNG angetriebenen Motoren” ist somit vollkommen irreführend beziehungsweise sachlich falsch!

Bleibt noch die Frage zu klären: Ist CNG (Compressed Natural Gas) eine Option für die Schifffahrt? Generell kann man sagen, dass CNG für kleine Schiffe für kurze Einsätze, z.B. Hafenfähren oder Schlepper, die nur kurzzeitig eine hohe Leistung abfordern, geeignet ist. Da die Versorgung über das Erdgasnetz erfolgen kann (es ist dann nur ein Kompressor erforderlich) ist die Verfügbarkeit vorhanden.

Für CNG liegt das Reduktionsverhältnis von Gas bei Atmosphäre zu Tank bei 1:200 bis 1:300, bei LNG bei 1:600. LNG-Tanks werden bei großen Tankern mit einem Maximaldruck von cirka 300 mbar ausgeführt. Hier ist das Gewicht des Tanks sehr gering im Vergleich zur Füllung.

Bei CNG sind Flaschenbündel aus Stahl handelsüblich. Bei einem Flaschendruck von 200 bar wiegen die leeren Flaschen ungefähr das 10-fache des Inhalts. Es gibt weitere Konstruktionen (Coselle, Komposittanks), die das Verhältnis etwas verbessern könnten.

Zusammenfassung

Erdgas (LNG / CNG) sind bekannt als umweltfreundliche Kraftstoffe für die Schifffahrt, weil sie die CO2-Emissionen um 20 bis 25 Prozent reduzieren, vernachlässigbare Mengen an Partikel-  und Schwefelemissionen (SOx) sowie rund 92 Prozent weniger Stickoxide (NOx) emittieren, im Vergleich zu mit Dieselkraftstoff betriebenen Motoren. Auch die Treibhausgasemissionen (GHG) werden um rund 23 Prozent reduziert.

Dipl.-Ing Peter Pospiech, PPM News Service Maritim

Die LNG-Vorratstanks in Haljem, Norwegen, werden mit Tank-LKW’s wöchentlich gefüllt.

Die LNG-Vorratstanks in Haljem, Norwegen, werden mit Tank-LKW’s wöchentlich gefüllt. Foto: PPM News Service Pospiech, Rhauderfehn

 

Ein Erdgasmotor auf der RoPax-Fähre MS OSTFRIESLAND mit Erdgaszufuhr, so genannter Gasregelstrecke.

Ein Erdgasmotor auf der RoPax-Fähre MS OSTFRIESLAND mit Erdgaszufuhr, so genannter Gasregelstrecke. Foto: PPM News Service Pospiech, Rhauderfehn

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