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Fisch oder Fleisch? Segler oder Motorcruiser? Was auch immer: Die WIND SURF gehört zu den größten Clippern der Welt. In Venedig hat sie freilich noch niemand unter Segeln gesehen. |
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Text: Wolfgang Michael Schmidt – Fotos: Susanne Pilgram Die alte Traumreise: Von Venedig nach Istanbul und zurück |
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Es fisselt, typisch Freitag. Tropfenstärke 1,4 auf der Skala bis 10. Dazu ein lausiger Westwind. Eben Pioviggina, feiner Regen wie flüssiges Eis, geht durch alles, direkt auf die Haut. Hier ist Venedig, aber zu Beginn des frühesten Frühherbst kriegt der alte Wunsch ganz neuen Sinn: „Venedig sehen und sterben”. Dabei ist Abhilfe für Piowiggina immer zur Hand. Die Straßenhändler schalten beim ersten Tropfen von Billigstuhren auf Billigschirme. Und umgekehrt. Das Geschäft brummt. Venedig – „city of my dreams”, sagt ein Engländer verächtlich. An der Piazzale Roma, dem zentralen Ankunftspunkt, steht er neben unzähligen Chinesen, Europäern, Amis und anderen Leuten von Outerspace. Es ist laut, aber ein Wort hört man überall raus: Rialto, klingt Chinesisch wie Liappo. Liappo, fragt der Chinese den Italiener. Der kennt das natürlich längst und deutet mit der Hand irgendwo den Canal Grande entlang. Manchmal hört man aber auch Fragen nach People Mover oder Hafen. Beides hängt direkt zusammen. Wer den People Mover sucht, will ziemlich sicher in den Hafen, woanders fährt die seltsame Flachland-Seilbahn gar nicht hin. Die einfache Fahrt kostet einsfünfzig ‒ in Euro natürlich. Einen Haufen Treppen rauf, am schönsten ist das mit den vielen Koffern, die man für eine Seereise ja so braucht. Dann fährt dieser People Mover vor, und wenn genug People und Koffer drin sind, schließt die Sardinendose automatisch die Türen und movt ab. Nach einer knappen Minute und 411 Meter Fahrt stoppt der Minizug im Nichts. Genauer: an der Stazione Maritima. Aussteigen, die Koffer zwei Etagen runter ins Freie. Es fisselt wieder, jetzt nur noch mit Tropfenstärke 0,5, aber zuverlässig. Aber das kümmert niemanden mehr, denn dort hinten sehen alle ein paar Schiffe, sehr große Schiffe. Wow, sagt der Engländer, can these bloody things pass the Canal Grande? No, sir, they känn not. Weder die COSTA CLASSICA, die auf ihre Kunden wartet und um Fünf ablegen will, schon gar nicht aber die NIEUW AMSTERDAM (NA), ein wirklich ziemlich erwachsener Kreuzfahrer. 285 Meter lang, 8 Meter Tiefgang, 86.273 Tonnen. Diese Masse Schiff schwimmt in Becken B und wartet auf 1.800 neue Gäste. Abfahrt zur 12-Tage-Mittelmeer-Cruise um 16 Uhr. Heimathafen der NIEUW AMSTERDAM ist eigentlich Rotterdam, aber im Sommer liegt das Schiff in Venedig. Der eindrucksvolle Holländer hat ohnehin italienische Gene: 2010 bei Fincantieri in Triest gebaut und in Venedig von Königin Maxima getauft. Mit seinem frisch lackierten schwarzen Rumpf und weißen Aufbauten hält die NA die aktuellen amtlichen Spielregeln für die Fahrt durch die Lagune gerade eben noch ein: bei 95.000 Tonnen Gesamtgewicht ist seit einem Jahr Schluss. Klar ist, sowas fährt nicht durch den Canal Grande. Der Versuch wäre natürlich schon mal interessant, aber aussichtslos. Vielmehr geht es Gongschlag Vierzwölf rückwärts raus aus dem Hafenbecken, dann folgt eine viertel Drehung nach Osten. Einen kurzen Moment steht das Dickschiff jetzt fast reglos im Canale della Giudecca. Derweil schnappen sich die Rimorchiatori ANGELINA und IVONNE die Leinen der NA, knuffige Tugs, einer zieht am Bug, der andere in Gegenrichtung am Heck. In der Mitte hängt der Kreuzfahrer nahezu antriebslos. Von Land sieht das aus, als ob die Russenmafia das Schiff klaut, aber nicht überlegt hat, wohin damit. Auf der Brücke ist sowas wie Pause, aber die Azipod-Regler sind in Griffweite, sollte sich einer der Tugs doch mal losreißen. Dann bewegt sich der Convoi, nimmt schnell Fahrt auf, vorbei an Heidi Hortens Superyacht CARINTHIA und am Clipper WIND SURF. Gegenüber liegt jetzt Giudecca, Insel und Fußgängerparadies, es gibt kein einziges Auto. Der Backstein-Bau war die Stucky Mühle, gemahlen wird hier schon lange nix mehr, sondern geschlafen: Stucky ist heute Hilton. Dann kommt Santa Maria della Salute und daneben das alte Zollamt, frisch renoviert. Jetzt strömen Amis, Briten und Australier aufs Vordeck der NIEUW AMSTERDAM, den Blick auf den Markusplatz darf man nicht verpassen, auch wenn das Wetter mürrisch bleibt. Unten, vor dem Palazzo Ducale und dem Daniele, starren die Menschen zurück, Mund auf, mit einem guten Fernglas könnte man Zäpfchen zählen. So schnell es begonnen hat, ist Venedig vorbei. Die stramme ANGELINA macht die Bugleine los und dreht bei, am Heck verabschiedet sich IVONNE. Jetzt ist die NIEUW AMSTERDAM ein Freischwimmer, dampft am Lido vorbei, winkt den Leuten am Punto Sabbioni zu, dem schwarzweißkarierten Leuchttürmchen an der Laguneneinfahrt, und legt ordentlich was von ihren 3.5 Megawatt auf die Azipod-Propeller. Es ist die letzte Abfahrt dieses Jahres zu jenem Mittelmeer-Rundtrip, den für die NIEUW AMSTERDAM in diesem Herbst fährt. Italien, Griechenland, Türkei und zurück in 14 Tagen, diesmal in nur 12. Die Variante: Spanien statt Italien, Israel statt Türkei. Der Trip ist erfolgreich, die meisten Kunden kommen aus Übersee, um sich Europa mal anders anzusehen. Von Spätherbst bis Frühling aber ist das Wetter zu schlecht, das Mittelmeer ebenfalls unberechenbar, und die Kunden kreuzen dann lieber durch die Karibik. Aber jetzt pflügt die AMSTERDAM erst mal einen Tag und eine Nacht mit 17 Knoten schnurgerade den Stiefel runter. Sonntag ist erster Stopp im griechischen Katakolon, im Programm großzügig als Olympia beschrieben. Dann Piräus, Istanbul, Lesbos, Kusadasi, Santorini, Argostoli, zurück nach Venedig. Lesbos hatte die Cruise Line bereits vor Wochen durch Mykonos ersetzt, der Flüchtlinge halber. Egal, am Ende werden 2.684 Seemeilen auf der Uhr stehen, nicht wahnsinnig viel, aber immerhin. Viele liegen an diesem angenehm warmen, leicht diesigen Samstag einfach platt an Deck und Pools und genießen den ersten Tag auf See. Dabei ist die Idee, das Schiff zu checken, sicher nicht falsch. Wo sind die Bars, das Entertainment, die Restaurants, die Shops. Und viele versuchen, ihre Kabinen zu tauschen, warum auch immer. „Da wird bestenfalls notdürftig und oberflächlich geputzt”, meckert ein deutscher Gast das asiatische Personal an der Guest Relation an. Man hört von Glassplittern auf Kabinenböden, von abgeschnittenen Fingernägeln, Insektenleichen. „Hier schaffen doch nur Männer. Asiaten, die nicht wissen, wie man einen Staubsauger bedient”, sagt der Deutsche säuerlich. An den kühlen Mädels in den beigen Uniformen perlt solche Kritik rückstandslos ab. Sie setzen allenfalls das Housekeeping in Gang, aber: „Eine andere Kabine, Sir, kann ich nicht anbieten. Das Schiff ist ausgebucht”. Dabei ist die NIEUW AMSTERDAM grundsätzlich ein schönes Schiff, im Rahmen der Möglichkeiten durchaus bis ungewöhnlich gut gepflegt. Die öffentlichen Bereiche werden nachts ordentlich gewienert, was auch nötig ist, da unter den 2.000 Gästen doch immer etliche erheblich schmutzen. Und sich gern einen Dreck darum scheren, was sie hinterlassen. Mal gewinnt die Putzkolonne, meist aber nicht. Die ebenso gleichgültige wie rücksichtslose Ich-hab-ja-für-alles-bezahlt-Mentalität breitet sich beim Publikum immer mehr aus. Es ist Sonntag, früher Morgen, als die NIEUW AMSTERDAM im ziemlich neuen Hafen von Katakolon festmacht. Warum tut sie das, fragen sich nicht wenige Passagiere nach dem ersten Blick auf das Kaff, was soll man hier? Zumal Cruise Director David Shea, ein Scherzkeks aus Colorado, die reine Wahrheit gesprochen hatte: Raus aus dem Schiff, und man steht auf Mainstreet. Einmal rauf und zurück, alles gesehen. Es zeigt sich, dass der Mann nicht untertrieben hat. Alternativ hätte sich nur der offizielle Landausflug angeboten, zu den Überresten von Olympia, wie das gesamte Ausflugsprogramm dramatisch überteuert. Katakolon aber besteht aus ein paar Andenkenläden und nachgemachten Fischerkneipen am Hafen, alles erst kürzlich mit einem Sack voller Euros aus der EU-Kasse hochgezogen. Nun hofft Katakolon darauf, möglichst täglich von mindestens einem Liner überfallen zu werden, was wegen der günstigen Hafengebühren wohl klappt. Leere und Ödnis aber werden bleiben. Montag früh, kurz vor 8 und 240 gemächliche Meilen von Katakolon entfernt, dockt die NIEUW AMSTERDAM in Piräus an. Der viel besungene Hafen, Vorstufe von Athen, hat Hochbetrieb. Die COSTA CLASSICA liegt schon am Kai, ebenso MEIN SCHIFF 1. Mit der AMSTERDAM laufen gleichzeitig die CELESTIAL OLYMPIA und das japanische ‚PEACE BOAT’ OCEAN DREAM ein. Dazu große und kleinere Fähren – Betrieb wie beim Oktoberfest, aber alles läuft reibungslos, so ist es hier schließlich jeden Tag. Acht Stunden Liegezeit, also ab nach Athen. Vor dem Schiff warten Dutzende knatschgelber Taxis. Oder die Touri-Doppeldecker, gelb oder rot. „Gelb ist viel besser”, rät ein Globetrotter konspirativ, das habe ein Freund erzählt. Der Bus heizt durch die Enge von Piräus, ein paar Kilometer Schnellstraße nach Athen, dann links hoch zur Akropolis. Der Brite aus Venedig steht leicht nutzlos rum und schaut gelangweilt auf die Ruinen. Dann sagt er kühl: „Seen one temple, seen ’em all”. Athen ist natürlich mehr als die Akropolis. Man trifft Menschen aus aller Welt, heute sind unter anderem 2.200 kluge, freundliche und humorvolle Deutsche in der Stadt, Menschen, die mit MEIN SCHIFF 1 reisen. Diese Deutschen erkennt man an ihrer geschmackvollen Sommerkleidung und daran, dass sie immer grüppchenweise unterwegs sind. Sowas dient der inneren Sicherheit. Einer gibt den Chef und bestimmt die Richtung: „Zum Friedhof, da suchen wir mal die Milliardengräber, wo unsere Euros liegen.” Seine Kumpels kreischen vor Begeisterung. So was haben nicht mal die Griechen verdient. Die Menschen auf der Straße sind ausgesprochen nett, freundlich und hilfsbereit. Es passiert ja nun gern, dass Touristen etwa an der Sprache scheitern, besonders der geschriebenen. Aber wie es scheint, haben fast alle Griechen eine Weile in Deutschland oder England gelebt, sie sprechen Deutsch oder Englisch, erklären Wege, übersetzen Schilder, führen zu den richtigen Bushaltestellen. Das allein ist schon die eine oder andere Milliarde wert. Es ist noch hell und sonnig, als die AMSTERDAM am späten Nachmittag ablegt. Die meisten sind jetzt von Griechenland angetan. Und selbst der Engländer, der keine Tempel mehr sehen will, ist ganz handzahm. „Nice place”, sagt er, und es klingt wie ein Riesenkompliment. Am Abend wird die australische Gemeinde spürbar aufgeregt. Der Grund, weshalb viele Australier und Briten ausgerechnet diese Reise gebucht haben, kommt nun schnell näher – die Dardanellen. Allerdings hat die Sache einen mächtigen Haken. Das Schiff fährt bereits sehr früh am Morgen durch das legendäre Nadelöhr zwischen Europa und Asien. Außerdem sind Sturm und Regen angesagt. Die Australier sind ratlos, viele Engländer ebenfalls. Sie wollen sehen, wo ihre Großväter kämpfen und sterben mussten. Und wenigstens im Vorbeifahren wollen sie einen Blick auf Krithia, Gallipoli und die blutgetränkten Strände der Dardanellenschlacht von 1915 werfen. Rund 30.000 Alliierte sind hier in den Kämpfen um die strategisch nutzlosen Punkte Baby 700, Scimitar und andere gefallen, Tausende mehr bei der fluchtartigen Evakuierung im Januar 1916. Auf türkischer Seite starben fast 60.000 Soldaten. |
Morgens um Fünf steht dann tatsächlich ein gutes Dutzend Australier schweigend auf dem trotz Sturm geöffneten Vordeck. Es ist stockfinster, absolut nichts zu sehen, ein glimmendes Licht vielleicht. So, heißt es, sei es vor 100 Jahren auch gewesen. Der Wind schlägt allen den Regen ins Gesicht, die Vernünftigen gehen nach ein paar Minuten lieber wieder rein. Einer hat einen kleinen Blumenstrauß organisiert und wirft ihn nach kurzem Gedenken über die Reeling. Jetzt war man wenigstens hier. Mittags läuft das Schiff in Istanbul ein. Vom Wetter nichts Neues, weiterhin Regen und Wind. Die Reederei hat Shuttlebusse zum Grand Bazaar organisiert, die im Minutentakt zu diesem gewaltigen türkischen Shoppingparadies fahren. Wer sich darin verläuft, ist selbst schuld, lächelt die türkische Busbegleiterin, und erzählt im Gruselton von einer Handvoll Touristen, die seit Tagen im Bazaar vermisst werden. „Passiert immer wieder, aber wir Türken finden alle, päppeln sie wieder auf und geben sie zurück”. Dabei gluckst sie vor Freude über die erschrockenen Gesichter im Bus. Tatsächlich stellen die Türken die griechischen Nachbarn in Sachen freundlicher Hilfsbereitschaft noch weit in den Schatten. Kein Problem, die legendäre Endstation des Orientexpress zu finden, durch die Topkapi-Gärten zu bummeln, die beiden gewaltigen Moscheen Ayasofya und Sultan Ahmed anzuschauen. Oder mit der Tünel-Bahn rauf zum Istiklal-Shoppingboulevard und von dort mit der historischen Straßenbahn gemütlich zum Taksim-Platz fahren. Die Weltstadt kostet in erster Linie Zeit, und so ist man schnell dankbar, dass die NIEUW AMSTERDAM erst am folgenden Nachmittag bei gerade mal 17 Grad Richtung Mykonos ausläuft. Am nächsten Morgen ist es zwar deutlich wärmer, doch kräftiger Wind türmt die Ägäis auf. Chefingenieur Henry Drabbe hat die Stabilisatoren ausgefahren, dafür sind die schließlich da. Als Folge merkt man nichts von den Fünf-Meter-Wellen, man sieht sie nur. Das Schiff liegt wie ein Brett auf der Straße. Aber Mykonos geht trotzdem nicht, verkündet der Kapitän ungerührt, und zwar aus purer Sorge um die Sicherheit der Passagiere. Das kann jeder nachvollziehen, der sich auf die feinen Teak-Decks raus wagt, obwohl die offiziell gesperrt sind. Die NIEUW AMSTERDAM ist zu groß, um im kleinen Hafen der Insel anzulegen, also müssten Tenderboote her und die Gäste an Land bringen. Doch Tender hüpfen bei diesem Seegang wie Tennisbälle in einer belebten Badewanne. Klar, dass Kapitän van Dreumel die Aktion kippt – zu viele Passagiere würden bei der Aktion über Bord gehen, vor allem die Älteren. Stattdessen kurvt das Schiff kurz um die Insel und nimmt dann Kurs auf das türkische Kusadasi. Am Abend zeigt sich wieder einmal, dass die berüchtigten Formal Nights durchaus Sinn machen. Die meisten Seefahrer brezeln sich auf, wenn gleich das karierte Hemd unter einem braunen Tagessakko heute bereits als eine Art Black Tie durchgeht. Aber man weiß um das Problem, Anzug oder gar Tuxedo sowie Abendkleid mit allem Drum und Dran wie Lackschuhen und Schmuck im engen Koffer an Bord zu transportieren. Und hundertprozentig feierlich sind die Formal Nights hier schon deshalb nicht, weil sich Käpt’n van Dreumel konsequent jeden Kontakt zum Publikum versagt. Noch nie, sagt ein erfahrener amerikanischer Seefahrer, habe er einen Kapitän erlebt, der sich auch nur ähnlich abgeschottet habe. Andere diskutieren, ob der Mann überhaupt an Bord ist – oder die morgendlichen Lautsprecheransprachen vielleicht vom Band kommen. Fragen, die keine Antwort finden. Aber man vergnügt sich auch ohne Kapitän an den schmerzhaft teuren Bars und geht ins schöne Bordtheater, wo während der Reise vier hochklassige und vier grottenschlechte Shows von jeweils gerade 45 Minuten laufen. Perfekt drauf sind die schiffseigene Musical-Compagnie und der britische Komiker Stevie Jo. Alles andere, natürlich als Weltklasse angekündigt, ist tiefste Provinz. So bestätigt Holland America Line den Ruf, das mieseste Entertainment aller Cruiselines zu bieten. Die Küche dagegen, muss auch gesagt sein, reißt solche Dinge lässig raus. Das Frühstücksbuffet mag eingedampft sein, aber das Angebot bleibt überaus großzügig. Das Dinner im Manhattan Dining Room erfüllt hohe kulinarische Wünsche, sollte das aber mal nicht reichen, bleibt der exzellente Pinnacle Grill. Das Service-Personal arbeitet hier wie dort unübertrefflich perfekt. Das türkische Kusadasi überrascht am nächsten Morgen, die See ist spiegelglatt, die Luft angenehm warm. Nach wenigen Minuten steht man mitten im Zentrum einer netten Kleinstadt. Türkisches Leben, natürlich auch ein Bazaar. Kulturbeflissene Reisende haben allerdings andere Pläne als Shopping. Tagelang schon fiebern sie diesem Moment entgegen: sie wollen jetzt das Weltkulturerbe von Ephesus sehen. Ganz kleiner Ausflug nach damals? Gern. Hier herrschte 560 v.Chr. der gütige König Croesus. 52 n.Chr. saß der Apostel Paulus in Ephesus im Knast. Um die Ecke lebte Maria, Jesus Mutter, bis zu ihrer Himmelfahrt. 50 Jahre später war Ephesus mit mehr als 200.000 Bewohnern eine der wichtigsten Städte im römischen Reich. Hier steht bis heute ein erstaunlich perfektes Riesentheater mit drei Rängen und die aufwändig restaurierte Celsus-Bibliothek. Soviel zur Kultur, die einen Preis hat: Die Sonne schickt stramme 32 Grad vom Himmel, was diese wohl schönsten aller uralten Ruinen erst richtig schön und heiß macht. Die Abfahrt am Abend verzögert sich, als beim Abzählen ein Gast fehlt. Kapitän van Dreumel informiert mit aller verfügbaren Autorität, dass man keinesfalls länger als 30 Minuten warten werde. Nach knapp 20 Minuten rummst das Schiffshorn. Der verlorene Sohn ist aufgetaucht. Er hatte schlicht die Abfahrtszeit vergessen. Doch von nun an wagt niemand mehr, auch nur eine Minute zu spät vom Landausflug zurückzukommen. War Kusadasi der heißeste Punkt der Reise, ist das nächste Ziel der südlichste: Santorini. Die Strecke ist kurz, gerade mal 138 Seemeilen, aber die NA schippert so aufreizend langsam, dass sie erst am Samstag früh gegen 7 Uhr vor der Insel liegt. Cruise Director Shea hat wieder eine prächtige Idee: „Ich würde mit dem nächsten Tender an Land fahren und alles anschauen, ehe die anderen kommen”. Gar nicht mal schlecht, denn „die anderen” sind vier weitere Kreuzfahrer, die in der Bucht platznehmen und über 8.000 Passagiere an Land schicken. Auf Santorini findet, ähnlich wie auf Capri, das Leben hoch oberhalb der Küste statt, was an der Eigenart beider Inseln liegt, vorderseitig hoch und steil aus dem Meer aufzusteigen. In Santorini ist unten gerade genug Platz, den Touristentransport mit Tendern ans Inselufer zu organisieren. Dort angekommen, geht es entweder per Esel oder Seilbahn nach oben. Beides ist in etwa gleich abenteuerlich. Die Seilbahn ist deutlich schneller, bleibt aber immer mal hängen. Die Esel laufen in den steilen Serpentinen heiß und riechen. Und deutsche Gäste halten gern fest, das müsse doch, klar, Tierquälerei sein. Die Entscheidung pro Seilbahn ist an diesem Morgen der Bringer. Rauf geht es in ein paar Atemzügen. Oben öffnet sich die wunderbare Welt des griechischen Andenkenhandels. Auf Santorini ist das Geschäft perfektioniert, die Preise überall gleich ‒ hoch. Perfekt auf Profit gebürstet auch das Angebot der zahlreichen herzigen Restaurants. Den Verkauf von Ouzo, Mineralwasser, frittierten Tintenfischringen und ähnlich typischen santorinischen Spezialitäten lassen sich die Wirte mit Höchstpreisen honorieren. MEIN SCHIFF 1, schon ein alter Bekannter, ist mittlerweile auch vorgefahren, und die Griechen schnalzen mit der Zunge. Amerikanische Gäste sind Spitze, aber deutsche Gäste in Masse noch besser. Am Nachmittag bleibt die Seilbahn dann tatsächlich stehen. Vor der Bergstation reicht die Warteschlange einmal um die ganze Zivilisation. Nach 45 Minuten ist die Panne behoben, aber, sagt der Bahn-Techniker, er könne für nichts garantieren. Es ist 17 Uhr, als die Amsterdam die Azipods anwirft. Zum Abschied weht ein frischer Eselsduft übers Meer. Die vorletzte Etappe bricht an, es geht Richtung Norden nach Argostoli, 300 Meilen. Die AMSTERDAM legt einen Teil ihrer 48.000 PS auf ihre beiden Props, läuft schnell hoch auf 16 Knoten und wird am nächsten Mittag anlegen. Argostoli ist eine ebenso hübsche wie ruhige Insel wie, sagen wir, ein Hufeisen. Man kann laufen oder mietet ein Auto. Man kann aber auch per Fähre in 25 Minuten auf den gegenüberliegenden Inselteil fahren. Auch dort gibt es ein Städtchen, einen baumbestandenen Platz, von netten Cafes eingekreist. Die Luft ist seidig, bestens auf 25 Grad angewärmt. Die Preise normal, was bedeutet: ein Viertel von Santorini. Dafür gibt es keine Esel, auf denen man reiten könnte. Dann ist der kurze Stopp vorbei, kurz vor Sechs startet die AMSTERDAM in Richtung Venedig. Als das Schiff die langgezogene natürliche Bucht verlässt, stehen viele Passagiere auf Deck. Es gibt Menschen, die auf solche Weise ihr Herz an Griechenland verloren haben. Das Patent auf dieses unglaubliche weiß-blaue Licht – halten es nun die Griechen oder die Bayern? Hier tippen alle auf die Griechen. Sonntag ist noch mal Formal Night. Es wird halbwegs vornehm, mehr ist nicht mehr drin. Am Montag schlägt das Wetter um. Das Thermometer fällt von 26 auf 17 Grad. Die Adriatische See macht ihrem Ruf alle Ehre – das Wässerchen gilt als klein und gemein. Noch eine Nacht, und Dienstag beim Frühstück merkt auch der Letzte, dass die NIEUW AMSTERDAM langsam wird, sehr langsam. Draußen fisselt es wieder, Tropfenstärke jetzt 2.0 auf der bekannten Zehnerskala. Der steife Westwind sorgt dafür, dass man ordentlich schnell ordentlich nass wird. An Backbord erscheint der Lido, und da fühlt sich das Schiff wieder mal an, als ob es steht. Aber nein. Es ist der Moment, als der Regen plötzlich aufhört und der Himmel diesen eigenartigen rosa Schimmer aussendet. Die Bugsiere sind da, ANGELINA und IVONNE fischen die Leinen aus dem Wasser und ziehen das Schiff durch Venedig. Am Markusplatz stehen wieder erstaunte Touristen, mach den Mund zu, es regnet rein, möchte man ihnen zurufen. Aber sie würden es ja nicht hören, von hier oben aus. Und da passiert es. Der Engländer vom ersten Tag steht an Bord, sichtlich gereift. Eine Mitreisende, wohl aus Amerika, spricht ihn aufgeregt an: „Shall we sail through the Grand Canal now?”. „No, Ma’am”, antwortet der Engländer in höchstmöglichem Ernst, „they tried it once, but the ship remained stuck for seven years”. Ma’am dreht sich beleidigt weg. Derweil bugsiert ANGELINA die AMSTERDAM mittig auf dem Canale della Giudecca. Rechts, kurz vor der Einfahrt ins Hafenbecken, liegt immer noch die dicke Yacht der Kaufhauswitwe Horten. In ein paar Jahren, so hoffen Umweltschützer, wird es diesen Trip durch Venedig nicht mehr geben. Die neue Route zum Passagierhafen ist zwar besprochen, aber noch lange nicht beschlossen. Und wer weiß. Sind es wirklich die geschleppten Dampfer, die Gebäude zerstören? Oder vielleicht die schwimmenden Straßenbahnen, die den ganzen Tag wie Knallfrösche durch die Lagune und die Kanäle brettern? Oder die schnellen Taxiboote? Leute, das hier ist Italien. Da dauert es, irgendwelche Ursachen wasserdicht zu machen. Und eine neue Route? Signore e Signori, das ist eine ganz andere Geschichte. Ähnliche HAL-Kreuzfahrten im Sommer 2016 · http://de.hollandamerica.com |
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Der Moment aller Momente: NIEUW AMSTERDAM schwappt um den Markusplatz, vorbei am Dogenpalast. |
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Die NIEUW AMSTERDAM in Katakolon. Macht richtig was her, besonders unter griechischer Sonne: Sie ist eine pingelig gepflegte Lady, nicht nur äußerlich. |
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Der große Pool kann Indoor und Open Air. Das mächtige Schiebedach öffnet ruckzuck, und wenn’s sein muss, ist es auch fix wieder geschlossen. |
Der zweite Pool auf dem Aft-Deck hat gewisse Vorteile. Wenn’s richtig heiß ist, lüftet der Fahrtwind ordentlich durch. |
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Sagt das schwarzweiße Blümchen: „Schön blau, das Wasser”. Antwortet das blaue T-Shirt: „Gestern war’s grau”. Doziert das gestreifte Polo: „Alles eine Frage des Lichts”. „Aber graues Licht, das gibt’s doch gar nicht”, sagt die blaue Bluse pikiert. |
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In Piräus ist immer Action, auch morgens um sechs: MEIN SCHIFF 1 ist schon zehn Minuten da, die CELESTIAL und Costas CLASSICA haben auch schon festgemacht. Die AMSTERDAM schaufelt sich vorsichtig an den Kai. |
Beim ersten Sonnenschein sieht alles gleich viel freundlicher aus. Wenn die Cruiser festliegen, kommen die Fähren in den Hafen. Nicht eine, nicht zwei, sondern ein halbes Dutzend. |
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Kennt jemand jemanden, der jemand kennt, der die Akropolis schon mal ohne Gerüst und Kräne gesehen hat? Auf jeden Fall machen die 2500-jährigen Ruinen schwer Eindruck. |
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Kalt, Wind, Regen. Macht nichts, Istanbul ist immer faszinierend. Die Hagia Sophia von 532, rechts die Blaue Moschee von 1609 mit fünf Minaretten, Nummer Sechs ist eingerüstet. |
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Im Grand Bazaar war noch nie jemand allein. Es heißt, nur Waren gäbe es mehr als Menschen. Wahrscheinlich viel mehr. |
Platz für fünf Liner in Reihe, mitten in der Stadt. Die Altstadt liegt gegenüber, die Neustadt ein paar Minuten mit der Bahn. Und immer dabei die Schnellfähren, die den ganzen Laden in Bewegung halten. |
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Wiedersehen. Wenigstens regnet es nicht, als die NIEUW AMSTERDAM in Istanbul ablegt. Aber der Blick von Bord entschädigt sowieso für alles. |
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Dort hinten liegt Mykonos, eigentlich zum Greifen nah. Aber bei einem steifen Nordwind mit 45 Knoten bleiben die Tenderboote vorsichtshalber im Hafen, Landgang gestrichen, keine Eroberung, nur schmachtende Blicke. |
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Wieder mal in der Türkei. In Kusadasi haben die Türken einen schicken Hafen gebaut. Gut so, denn nebendran liegt Ephesos. Da war schon bei den Erstbewohnern 5000 v. Chr. richtig was los. Dann kamen die Griechen, dann die Römer, dann die Christen, die Katalanen und weiß Gott wer. Heute kommen die Touristen, auch nicht schlecht. |
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Beim Zeus: nicht gerade eine Kleinigkeit, die da im Hafen von Kusadasi liegt und alle Blicke auf sich zieht. 12 Guest-Decks, schwarz, weiß, Stahl und Glas. |
Shopping ist die andere große Nummer von Kusadasi. Ganz oben auf der Hitliste: Leder aller Art. Im Bazaar oder in den aufgehübschten Läden der Lederprofis. Die Preise starten hoch oben, aber Händler wollen schließlich auch ordentlich handeln. |
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In der Bucht der griechischen Insel Santorin ist immer Hochbetrieb. An diesem Tag kommen hier fünf Liner an. Ein sattes Geschäft für die Tenderboote, die Seilbahn und die Eseltreiber, die Restaurants und die Andenkenhändler. |
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Ja wo liegen sie denn? Vor Santorin. MEIN SCHIFF 1, die RIVIERA von Oceana, die HORIZON von Croisiers de France und die NIEUW AMSTERDAM. |
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Unten, am Steg von Ormos Firon, kommen alle Schiffstouristen an. Dann geht’s geschlossen nach oben, ins nette Fira. Und wo bitte sind die blauen Kirchenkuppeln von den Prospektbildchen? Die werden gerade renoviert. |
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Santorin entstand aus einem gewaltigen Vulkan, der zusammenbrach und mit Wasser volllief. Nea Kameni, ein Kraterrest, ist unbewohnt. Besser so, denn Wissenschaftler rechnen damit, der Vulkan könne demnächst wieder mal ausbrechen. Touristen fahren trotzdem gern hin, allein in Sachen Nervenkitzel. |
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Da liegt Cephalonia. Die große Livadi Bay ist ein Sahnestück, die kleine Ormos Argostoli, die rechts davon abgeht, erst recht. Leichter Trip durch die Geschichte? Einst soll die Insel Odysseus gehört haben. Dann übernahm Byzanz, dann die Normannen. 1204 schnappte Venedig die Insel, 1797 wurde sie französisch und Teil der Republik der Sieben Vereinigten Inseln. 1809 wurden die Inselb britisch, 1864 schließlich griechisch. |
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Die NIEUW AMSTERDAM am Steg von Argostoli. Erdbeben gehören zum Leben – das letzte große Beben von 1953 legte die Stadt in Trümmer. Dafür ist sie heute umso hübscher. |
Eigentlich ganz gemütlich. Kaum zu glauben, dass an dieser Stelle 1943 deutsche Gebirgsjäger 5000 italienische Soldaten der Division Acqui erschossen, die sich zuvor bereits ergeben hatten. |
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Zurück in Venedig. Es regnet, klar. Aber am Markusplatz bleiben die Menschen trotzdem ungläubig stehen, als die NIEUW AMSTERDAM vorbeigezogen wird. |
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