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Die Doppeltürme der Visbyer Domkirche Sankt Maria hinter den Ruinen von Sankt Lars und Drottens.Die Doppeltürme der Visbyer Domkirche Sankt Maria hinter den Ruinen von Sankt Lars und Drottens.

Alle Fotos dieser Seite: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

 

Dr. Peer Schmidt-Walther

Inspiration Gotland ‒ Wikinger, Glanzzeit der Hanse und Naturwunder

Wie der Film „Die Feuerzangenbowle” und Gotland zusammenhängen? Aus den Babenberger Punsch-Nebeln tauchen bestimmt sofort Studienrat Dr. Brett und der Oberprimaner Rudi Knebel auf. In dieser Geschichtsstunde geht es um die Frage nach dem Ursprung der Goten, einem germanischen Stamm. Johannes Pfeiffer führt schließlich seinen in Not geratenen Klassenkollegen per Taschenspiegel über die Wandkarte zu Schwedens größter Insel.

Von wegen nur ein Kalksteinplateau! Auf rund 170 Kilometer Länge und 50 Kilometer Breite ballt sich Erstaunliches zusammen: Naturwunder, Geschichte und Weltkulturerbe, 60.000 Schafe, aber nur 57.300 Menschen. Und das auf einer Fläche, die dreieinhalb Mal so groß ist wie Berlin.

Wir sind gespannt auf diese Begegnung. Vielleicht kann man auch in ein paar Erkundungstagen einen Eindruck davon bekommen, warum Ingmar Bergmann die Insel zu seiner Wahlheimat machte und gerade hier Pippi Langstrumpfs „Villa Kunterbunt” steht. Neugierig geworden?

 

Vom Mittelalter bis Pippi Langstrumpf

Wenn die Destination-Gotland-Fähre in den Hafen der 23.000-Einwohner-Inselhauptstadt Visby einläuft, präsentiert sich das von einer 3,6 Kilometer langen Stadtmauer umschlossene Ensemble zum ersten Mal in seiner beeindruckenden Geschlossenheit.

Nur ein paar Schritte vom modernen Terminal am Holmen entfernt, und man taucht ein ins Mittelalter. Der historische Stadtkern wurde 1995 von der UNESCO als Weltkulturerbe geadelt: weil es „nur noch wenige Orte auf der Welt” gebe, „in denen Vergangenheit und Gegenwart so harmonisch verwoben” seien wie in Visby.

Augenfällig abzulesen am mittelalterlichen Straßennetz mit seinen schmalen Gassen und Gewölben, den durch Plünderungen und Brände entstandenen Kirchenruinen, 27 mächtigen Wehrtürmen, der Holzstadt aus dem 18. Jahrhundert oder den Packhäusern, als Visby ein wichtiges Handelszentrum der Hanse war. Wenn man sich im Länsmuseum einen Turmschlüssel ausleiht und ein paar Treppen nach oben kraxelt, wird man mehr als belohnt: mit einem eindrucksvollen Blick über die Welterbe-Stadt. Alljährlich im August tobt mittelalterliches Leben zwischen den Mauern, wenn Gotland sein berühmtes Medeltidsvekkan, die Mittelalterwoche, feiert.

Nicht verpassen sollte man Kneippbyn knapp fünf Kilometer an der Küste südwestlich von Visby. Heute eine Art Erlebnispark für Kinder und ihre Eltern. Gedreht wurden hier an Originalschauplätzen die Filme über die freche Göre Pippi Langstrumpf und ihr Äffchen „Herr Nilsson”. In der „Villa Kunterbunt” kann man sogar die Schreibmaschine bewundern, auf der Astrid Lindgren ihre phantasievollen Geschichten schrieb.     

 

Zwischen Wikingern und Ingmar Bergmann

Weiter geht es auf der Landstraße 148 nach Nordosten. Schon nach 20 Kilometern passiert man den verschlafenen 300-Seelen-Ort Tingstände. Die alten Wikinger lassen grüßen. Grabungen haben Schätze gehoben und Siedlungsreste freigelegt, die darauf schließen lassen, dass sich hier eine wichtige Versammlungsstätte – ein germanischer Ting ‒ befand.

Nach 20 weiteren Bummelkilometern kann man sich in Bunges Freilichtmuseum ein anschauliches Bild machen von gotländischer Bauernkultur.  

Kurz danach endet die Straße am Wasser. Per Fähre wird in wenigen Minuten der Farösund gequert – und man rollt über eine weitere Insel: Farö. Im gleichnamigen Örtchen Farö weisen Schilder auf Ingmar Bergmann hin, über dessen filmisches Lebenswerk man sich in einem Museum am Straßenrand informieren kann. Seine aufrüttelnden Werke sind weltbekannte Klassiker: „Das Schweigen”, „Szenen einer Ehe”, „Wilde Erdbeeren” oder „Eine Leidenschaft”, eng verbunden mit den Namen Liv Ullmann, Bibi Andersson und Max von Sydow.

Als Bergmann 1960 zum ersten Mal hierher kam, war er begeistert: „Hell, erschreckend, eigenartig  erregend”. Das mag auch ein Motiv gewesen sein für die deutsch-schwedische Krimiserie „Der Kommissar und das Meer” mit Walter Sittler. 

Nicht weit entfernt die Kirche, auf deren Friedhof der Regisseur (1918-2007) und seine Lebenspartnerin, die Schauspielerin Ingrid Bergmann (1915-1982), in der Nordwest-Ecke begraben liegen. Zwei Weltbürger, die Farö zum bevorzugten Drehort und ihrer Wahlheimat machten.

 

Am Traumstrand von Sudersand

Für uns ist Sudersand das Ziel, knapp zehn Kilometer nordöstlich. An einem der schönsten Strände der Insel sowie ganz Schwedens liegt das Feriendorf, schwedisch „semesterby” genannt. Hier findet jeder eine passende Unterkunft, von der einfachen bis zur modernen Hütte, ob Zeltplatz, Jugendherberge oder Camper-Stellplatz. Wer es hingegen ganz einsam möchte -  ein Tipp am Rande ‒, dem sei ein Bondestugan

empfohlen, eines der liebevoll restaurierten Bauernhäuser mitten in der Natur, die heute als exklusive Ferienwohnungen gemietet werden können. 

Während der Vorsaison ist man klar im Vorteil, denn in dieser ferienfreien Zeit hat man auch den Dünen-Traumstrand, bis auf ein paar Strandläufer, fast für sich allein. Nur ganz wenige Mutige zieht es jetzt auch ins Wasser. Aufwärmen kann man sich dann am prasselnden Kaminfeuer bei einem Gläschen Rotwein, zum Beispiel in einem der „Parstuga”-Häuschen in Strandnähe. Und den nächsten Tag planen. Farö steht auf dem Programm, vor allem seine Küste. Nur ein kleiner Teil dessen, was Gotland an insgesamt 800 Kilometern zu bieten hat.

Nur sechs Kilometer Fahrt durch den einsamen Ullahau-Kiefernwald und vor einem reckt sich der Leuchtturm Farö fyr in die klare Luft. Hervorragende Landmarke, wenn ein Schiff die Insel aus Nordosten ansteuert. Der Fuß des Turms ist von meterhohen Fliederhecken umkränzt. Anfang Juni, auch Zeit des hellen Lichts, duften sie geradezu betörend.  

 

Gotlands steinerne Symbol-Motive

Weiter geht’s über Skär an der strandgesäumten Nordküste entlang, zurück auf die Inselhauptstraße und bei Mölnor direkt nach Norden. Nach etwa sieben Kilometern und ein paar Metern Fußweg vom Parkplatz ragen sie vor einem aus den Klappersteinfeldern auf: die Riesen-Raukar von Langhammars, bizarr geformte Kalksteinsäulen mit bis zu 20 Metern Höhe. Wind und Wellen haben lange gebraucht, um sie aus dem Gestein zu fräsen, das sich nach der letzten Eiszeit um bis zu 82 Meter aus dem Meer hob.

Auf der malerischen Küstenstraße folgen wir der faszinierenden Spur der Raukar. Sie führt immer am Wasser entlang. Seh-Pause an dem Häuflein bunter Fischerhütten von Helgumannen. Hier wird scheinbar noch mittelalterlich gefischt und gelebt. Die auf den Strand gezogenen Holz-Klinkerboote warten hier auf ihren nächsten Einsatz.

Die nächste Stein-Show schließt sich nahtlos an: Digerhuvud, größte Raukar-Ansammlung von Gotland auf über drei Kilometer Länge. Farö ist hier Spitzenreiter. 

Fährt man schließlich über Lauter weiter und biegt am See Farnavik nach rechts ab, erreicht man nach rund fünf Kilometern das Naturreservat um den halbmondförmigen Gamlahamn, den 1000 Jahre alten Wikingerhafen mit den Überresten der St. Olaf Kirke. Nach einer kurzen Wanderung durch Krüppelkiefel-Gehölz über einen von der Brandung hoch aufgeschütteten Strandwall mit reichhaltiger Vegetation staunt man vor dem wohl berühmtesten Rauk, der einen Torbogen bildet und als Symbol überall für Gotland wirbt. Fotomotive bieten sich auch hier jede Menge.

 

Das weiße Gold der Insel mit Orchideen

Der nächste und letzte Gotland-Schnuppertag führt uns wieder über den Farösund am Basteträsk, dem größten von 20 Gotlands Seen, entlang nach Kappelshamn mit seinen weißen Hügeln, dem „Gold der Insel”. Frachter  liegen von Staubwolken umhüllt an der Pier und laden Export-Kalk. Der wurde hier schon im Mittelalter von Bauern in kleinen Meilern gebrannt als Grundlage für die Zementherstellung, die noch heute einen hohen wirtschaftlichen Wert hat. Ein paar jüngere Brennöfen kann man heute als Industriedenkmäler besichtigen. Leider hat die Kalkbrennerei auch zur Entwaldung Gotlands geführt.

Schon das Baumaterial für den Dom von Lund, der von 1103 bis 1145 errichtet wurde, stammte aus gotländischen Steinbrüchen, den Stenbrott. Natürlich vor allem auch die Ringmauer von Visby mit ihren markanten Türmen.

An der Kappelhamnsviken entlang führt der Weg rund acht Kilometer durch malerische Waldalleen, von Wiesen und Weiden unterbrochen, zur Nordspitze Gotlands: Hallshuk, ein kleines, idyllisches Fischerdorf mit gewaltiger Steilküste im Rücken und weitem Blick über die Ostsee.

Sechs Kilometer Schotterpiste mit Südwest-Kurs bis Häftings. Hier zweigt in einer Linkskurve rechts der Wanderweg ab nach Häftingsklint. Ein schmaler, wildromantischer Pfad führt hügelauf und -ab durch artenreiche Heide- und Waldlandschaft, die von Orchideen überwuchert zu sein scheint, bis man wieder das alles überlagernde Rauschen der See hört. Die brandet gegen das hohe Häftingsklint. Nicht ganz leicht zu finden, aber eine lohnenswerte Mühe von zwei Stunden.

Gotland hat uns inspiriert: Die nächste Reise gilt dem von uns unerforschten riesigen Rest der größten schwedischen Insel. 

 

Informationen 

Allgemein: www.gotland.com · Sudersands Semesterby (diverse Hütten, Camping etc.): www.scr.de · Fähren: www.destinationgotland.se · exklusive Ferienhäuser: www.bondestugan.se

Einlaufblick von der Fähre VISBY auf die Altstadt von Visby.Einlaufblick von der Fähre VISBY auf die Altstadt von Visby.

Die Fußgängerzone Adelsgatan in Visbys Altstadt.

Die Fußgängerzone Adelsgatan in Visbys Altstadt.

Kajsartornet-Turm an der östlichen Stadtmauer von Visby.Kajsartornet-Turm an der östlichen Stadtmauer von Visby.

Das schmalste Haus von Visby an einer Straßenecke.

Das schmalste Haus von Visby an einer Straßenecke.

Wegweiser am Donnersplatz im Zentrum Visbys.

Wegweiser am Donnersplatz im Zentrum Visbys.

Die mächtige Stadtmauer umschließt den Osten Visbys.Die mächtige Stadtmauer umschließt den Osten Visbys.

Unser Ferienhaus in Sudersand Campingplatz auf Farö.

Unser Ferienhaus in Sudersand Campingplatz auf Farö.

 

Kaminfeuer und Rotwein gegen die frühlingshafte Kühle.

Kaminfeuer und Rotwein gegen die frühlingshafte Kühle.

Ein gemütliches Ferienhaus hinter den Dünen von Sudersand.Ein gemütliches Ferienhaus hinter den Dünen von Sudersand.

 

Blick von den Stranddünen auf die Ferienhäuser von Sudersand Camping.

Blick von den Stranddünen auf die Ferienhäuser von Sudersand Camping.

Hohe Fliederhecken säumen den Fuß des Leuchtturms von Farö.

Hohe Fliederhecken säumen den Fuß des Leuchtturms von Farö.

Immer wieder ein Duftrausch: die Fliederhecken von Farö. Immer wieder ein Duftrausch: die Fliederhecken von Farö.

Eine Badebucht-Idylle: Ekviken in Farös Norden.Eine Badebucht-Idylle: Ekviken in Farös Norden.

 

Inseltypisch: Mühle und Schafstall mit Steinmauern bei Sike auf Farö.

Inseltypisch: Mühle und Schafstall mit Steinmauern bei Sike auf Farö.

Meer- und windgeformte Kalksteinsäulen von Digerhuvud im Nordwesten von Farö.Meer- und windgeformte Kalksteinsäulen von Digerhuvud im Nordwesten von Farö.

Die Reste der zerklüfteten Kalksteinküste von Digerhuvud.Die Reste der zerklüfteten Kalksteinküste von Digerhuvud.

Natürliche Digerhuvud-Kalksteinsäule geformt wie eine Osterinsel-Figur.Natürliche Digerhuvud-Kalksteinsäule geformt wie eine Osterinsel-Figur.

Historische Holzhütten-Fischersiedlung westlich von Digerhuvud.
Historische Holzhütten-Fischersiedlung westlich von Digerhuvud.

Blick in den Innenhof der kleinen Fischersiedlung.

Blick in den Innenhof der kleinen Fischersiedlung.

 

Nach wie vor wird mit geklinkerten Holzbooten gefischt.

Nach wie vor wird mit geklinkerten Holzbooten gefischt.

Immer wieder faszinierend: die Farben der Ostsee – fast wie in der Karibik.Immer wieder faszinierend: die Farben der Ostsee – fast wie in der Karibik.

 

Ständig der See ausgesetzt: die wilde Kalksteinküste im Nordwesten Farös.

Ständig der See ausgesetzt: die wilde Kalksteinküste im Nordwesten Farös.

Strandwallküste mit Bodenkriechern und Windflüchter-Wald bei Gamlehavn.Strandwallküste mit Bodenkriechern und Windflüchter-Wald bei Gamlehavn.

 

Symbolfigur von Gotland: das Brandungstor von Gamlehavn.

Symbolfigur von Gotland: das Brandungstor von Gamlehavn.

Beliebtes Fotomotiv: die Kirche von Farö an der Südküste.

Beliebtes Motiv: die Kirche von Farö an der Südküste.

Das Grab von Ingrid und Ingmar Bergmann auf dem Friedhof der Kirche von Farö.

Idyllische Allee von Kappelshamn nach Hallshuk im Nordosten Gotlands.
Idyllische Allee von Kappelshamn nach Hallshuk im Nordosten Gotlands.

Das Innere der schlichten Domkirche Sankt Maria in Visby.

Das Innere der schlichten Domkirche Sankt Maria in Visby.

 

Von bunten Häuschen verdeckte Ruine der Kirche Sankt Lars.

Von bunten Häuschen verdeckte Ruine der Kirche Sankt Lars.

Die westliche Stadtmauer von Visby wird überragt von den Türmen des Doms und der beiden Kirchenruinen.

Die westliche Stadtmauer von Visby wird überragt von den Türmen des Doms und der beiden Kirchenruinen.

 

Sonntägliches Familientreffen im Visbyer Park Almedalen.

Sonntägliches Familientreffen im Visbyer Park Almedalen.

Fähre GOTLAND passiert die Hafenausfahrt von Visby.

Fähre GOTLAND passiert die Hafenausfahrt von Visby.
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