AUSGABE 1/2012
hr

Foto: Dr. Dietrich Hub, Kernen

Junge Skipperin beim Schmusen mit Mama.
 

mit dem Hausboot durch die Hauptstadt

So nah kamen wir Angelas Schreibtisch noch nie. Gemächlich zieht das futuristische Gebäude an unserer Backbordseite vorbei. Wie vielen anderen Gebäuden in Berlin kann man sich auch dem Bundeskanzleramt sehr gut auf dem Wasserwege nähern. Den Reichstag und das Brandenburger Tor hatten wir kurz vorher ebenfalls beinahe zum Greifen nah. Zu sehr sollte der Steuermann allerdings seinen Blick nicht zur Seite schweifen lassen. Es geht recht lebhaft zu, hier auf der Spree am Regierungsviertel von Berlin.

 

Ausflugsschiffe mit plärrenden Lautsprechern sind hier ebenso unterwegs wie Motoryachten aller Art. Auch die Wasserschutzpolizei patroulliert im schicken Schiff mit Blaulicht und Bundesflagge.

Venedig ist für seine Wasserwege weltberühmt. Berlin wurde durch seinen Reichstag und das lange geschlossene Brandenburger Tor auch weltweit bekannt, keineswegs jedoch für seine Romantik auf dem Wasser. Geschichtlich gesehen ist das gut nachvollziehbar. Zumal die Erinnerungen, die mit diesen Gebäuden untrennbar verbunden sind, nicht nur positive Gefühle auslösen.

Doch von der Zahl und der Schönheit der Flüsse, Kanäle und Seen, welche die deutsche Hauptstadt durchziehen, hätte Berlin einen besseren Ruf verdient. Keine andere Hauptstadt Europas besitzt derart viele Wasserflächen.

Für eine Woche sind wir mit einem Hausboot von Kuhnle-Tours unterwegs. Vier Erwachsene, die die deutsche Teilung noch aus eigenem Erleben kennen. Und vier Kinder, für die all dies nur vergangene Geschichte sein wird. Wir fahren mit unserem Hausboot auf der Spree, auf der Havel und auf der Dahme. Durch den langweiligen Teltowkanal ebenso wie auf dem faszinierenden Wannsee. An der Zitadelle von Spandau schippern wir vorbei und unter der Glienicker Brücke durch. Hier wurden des Öfteren Spione ausgetauscht, damals, als West-Berlin noch Frontstadt war. Im Geschichtsunterricht werden unsere Kinder irgendwann lernen, was sich hier in Berlin alles zugetragen hat. Richtig vorstellen wird sich das keines der Kinder jemals können, was hier geschehen ist. Dafür genießen sie den Urlaub als kleine, stolze Matrosen.

Übernommen haben wir unser Boot an der Charterbasis Zeuthen, einem kleinen Ort am Rande des ehemaligen Ostteiles von Berlin. Nach diesem recht unbekannten Ort folgt gleich schon Köpenick. Dort gab 1906 ein als Hauptmann verkleideter Schuster den preußischen Militarismus dem Gespött der Welt preis.

Ein Postkartenmotiv wie eh und je bleibt die Oberbaumbrücke mit der darüber fahrenden S-Bahn. Bis 1989 endete bald darauf der Weg von Ost nach West am Stacheldraht. Früher sei die Navigation auf den Gewässern Westberlins nicht so einfach gewesen, so sagt man. Denn egal in welche Richtung man unterwegs war – überall ging es nach „Osten. Doch dahin kam man nicht, auch nicht auf dem Wasser. Und von Ost nach West gelangte man erst recht nicht, jedenfalls nicht lebendig. Diese Zeiten sind seit mehr als 20 Jahren vorbei, und dennoch bleibt der besondere Charakter dieser Stadt bestehen.

Es ist ein Bootsurlaub der besonderen Art, den wir in Berlin erleben. Binnenschifffahrt und Großstadtfeeling liegen normalerweise weit auseinander. Denn anders als auf französischen Kanälen fährt man keineswegs durch die Einsamkeit. Auf der Müritz wiederum hat man einen recht großen See vor sich, auf dem man durchaus seine Navigationskenntnisse anwenden kann. In Berlin hingegen fährt man nicht nach Seekarte, sondern notfalls genügt dem Steuermann ein Stadtplan in der Hand.

Dieses Stadtleben vom Wasser macht den besonderen Reiz aus. Baden vom Schiff aus kann man im Wannsee. Von vielen Anlegestellen im Stadtzentrum wiederum könnte man abends problemlos ins Kino oder in die Disco gehen. Dieses Großstadtfeeling vom Wasser hat durchaus seinen Reiz. Berlin ist sehr gut auf Wassertouristen eingestellt und bietet zahlreiche Bootsliegestellen „24 Stunden an. Auf diese Weise kann   man auf seinem Schiff dort übernachten, wo man mit einem Auto nicht einmal einen Parkplatz finden würde.

Landstrom oder einen Wasseranschluss gibt es an diesen Kurzzeitliegeplätzen allerdings nicht. Insofern bieten sich diese Anlegestellen gerade für Hausboote an, die dank Duschen und Toiletten und mit großzügigem Wasservorrat und großer Batteriekapazität wesentlich autarker sind als die meisten Sportboote.

Allerdings: Auch für das Fahren mit einem Hausboot ist in Berlin der Sportbootführerschein Binnen vorgeschrieben. Der „Charterschein (d.h. eine dreistündige Einweisung durch den Vermieter, was z.B. auf der Müritz als Befähigungsnachweis ausreicht) gilt nicht für Berliner Gewässer. Berlin ist tatsächlich kein Anfängerrevier. Man muss auch berücksichtigen, dass die Rücksichtnahme vieler Kapitäne der Ausflugsschiffe ähnlich stark ausgeprägt ist wie die mancher Taxifahrer auf der Straße. Aber: Berlin ist Berlin. Erst recht auf dem Wasser.

Kuhnle-Tours/Berlin

Foto: Dr. Dietrich Hub, Kernen

Kormoran STEINBUTT kurz vor dem Wannsee.

Foto: Dr. Dietrich Hub, Kernen

Draußen – außerhalb der Innenstadt – kommt man schnell ins Grüne.

 

Foto: Dr. Dietrich Hub, Kernen

Neuer Berliner Hauptbahnhof. Von hinten nähert sich schon der nächste Ausflugsdampfer. Im Herzen Berlins ist auch auf dem Wasser recht viel los.

Foto: Dr. Dietrich Hub, Kernen

Vier kleine Matrosen auf dem Dach des Hausbootes.

Foto: Dr. Dietrich Hub, Kernen

Die Oberbaumbrücke ist ein Wahrzeichen von Berlin.

Foto: Dr. Dietrich Hub, Kernen

Perfekt gestylt und sichereheitstechnisch gut ausgerüstet: Die jungen Skipperinnen von heute.

Foto: Dr. Dietrich Hub, Kernen

Durch den speziellen Kragen sind die Rettungswesten ohnmachtssicher. Ausprobieren mussten wir das nie.

Foto: Dr. Dietrich Hub, Kernen

Außerhalb der Kabinen tragen die Kinder immer ihre Rettungswesten.

Foto: Dr. Dietrich Hub, Kernen
Strandbad am Wannsee? Brauchen wir nicht, wir haben alles gleich dabei.
Foto: Dr. Dietrich Hub, Kernen
Gemütliches Abendessen in Berlin, da, wo man mit dem Auto nicht einmal einen Parkplatz finden würde.
Na dann, guten Appetit.
hr
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