Entspannt strecke ich mich im Liegestuhl aus
und nicke ein. Keinen Blick habe ich für die atemberaubende Kulisse. In
meinen Knochen steckt an diesem Januar-Tag noch die Anreise aus dem
frostklirrenden Deutschland ins sommerlich warme Dubai. Und noch mehr ...
Traumbilder gaukeln an meinem inneren Auge vorüber, während ein lauer
26-Grad-Wüstenwind übers Gesicht streicht. Schließlich bin ich ja auf einem
„Traumschiff”.
Bis das Schrillen der Alarmanlage mich hochreißt:
aus der Traum. Schlaftrunken rappele ich mich hoch und blicke wie immer
zuerst auf meine Uhr: 16.45 Uhr – klar, die Rettungsübung. Der zweite Termin
an diesem ersten Nachmittag an Bord des weißen Riesen.
Nachdem Ana – vielsprachige „internationale
Botschafterin” aus Portugal – schon bei
ihrem Briefing für die 200 deutschen Gäste im „Pacific Theater”
auf die Dringlichkeit und Notwendigkeit hingewiesen hat: „Das ist
obligatorisch für alle, ohne Ausnahme”.
Und bei Royal Caribbean International seit langem erste Pflicht noch vor dem
Auslaufen. „Damit”, erklärt Ana, „nicht so
ein heilloses Chaos passiert wie auf der COSTA
CONCORDIA.
Zwei Tage zuvor ist die COSTA
CONCORDIA havariert. Ohne dass zuvor eine
Rettungsübung abgehalten wurde. Auf einem großen Schiff mit mehreren tausend
Gästen muss jeder wissen, wo er sich zu sammeln hat. Obwohl ich zur
Sicherheit schon mal vorher meine Musterstation inspiziert habe, schaue ich
trotzdem noch mal auf meinen „SeaPass”,
die Bordkreditkarte mit Türöffner-Funktion. T 9 steht da dick drauf –
Sammelplatz an Steuerbordseite auf Deck 5. Weil wir doch alle vergesslich
sind ... Überall sind Crewmitglieder postiert, die den Leuten den Weg
weisen. Da kann nichts schiefgehen. Trotz der großen Zahl von Passagieren
aus 25 und Crewmitgliedern aus 60 Nationen an Bord.
Da stehen sie, die Mitreisenden, aus den Kabinen
links und rechts und gegenüber von meiner. In Reih’
und Glied müssen sie sich unter „ihrem”
Rettungsboot aufbauen. Ein Crewmitglied checkt freundlich, aber bestimmt die
Bordkarten und hakt Namen und Kabine akribisch auf einer Liste ab.
Zusätzlich ist in der Zwischenzeit kontrolliert worden, ob niemand mehr in
seiner Kabine ist. Drückeberger gibt es immer wieder nach dem Motto: „Das
Theater kennen wir doch schon”. Oder
Leute, die alles für einen entbehrlichen Teil des Entertainments halten.
„Alle da”, meldet
schließlich ein Streifenträger mit UKW-Gerät an Kapitän Manolis Kasselas auf
die Brücke. Crew und Gäste sind erleichtert. Das Manöver hat nur eine
Viertelstunde gedauert. Vorbildlich und beruhigend.
Herzlich willkommen bei „The Nation of why not! Ihr
Abenteuer beginnt jetzt!”, heißt es ganz
obenan im Tagesprogramm. Ana, resolut und stimmgewaltig, verkündet von der
Bühne herab: „Als neue Bürger unser schwimmenden Nation haben Sie sich auf
eine einzigartige Reise begeben, auf der alle altbekannten Konventionen der
Kreuzfahrt über Bord geworfen wurden. Wenn Sie sich mit unserem Schiff
vertraut gemacht haben, finden Sie heraus, dass es voller Überraschungen
steckt. Glauben Sie mir, Sie werden keine Sekunde verschwenden wollen. Es
gibt Berge zum Klettern und Täler zum Golfen, einfach alles!”
Vor dem gleich darauf folgenden Termin „Viel zu
sehen, viel zu tun” meint sie nur: „Macht
Euch keine Sorgen und überlasst uns die Entscheidung”.
Wenn man zum Beispiel nicht weiß, welche Fitness-Möglichkeiten es gibt, wo
man zu Abend essen möchte oder welche Show sehenswert ist. „Besucht unsere
Planungsveranstaltung”, empfiehlt sie
nachdrücklich und ergänzt: „Why not, warum nicht?!”
Warum nicht aufs Verlieren setzen, verbirgt sich dahinter, auf das Verlieren
von Hemmungen, des Zeit- und Raumgefühls. „Vor allem lasst den Alltag hinter
Euch und probiert Neues aus”, gibt sie den
Deutschen, Österreichern und Schweizern mit auf den Weg durch die Weiten des
300 Meter langen, 32 Meter breiten und 53 Meter hohen 90.000-Tonners. Dank
einer klaren Gliederung ist es kinderleicht, sich zu orientieren. Was ich
mir, ehrlich gesagt, einfach nicht vorstellen konnte. Wie so Viele, die vor
meiner Reise unkten: „Um Gottes Willen, auf so einen Riesenkasten kriegst du
mich nie”.
Überraschend ist auch, dass 3600 Menschen sich auf
diesem begrenzten Raum keineswegs auf die Füße treten, wie man vermuten
möchte. Selbst beim Einchecken muss man sich in keiner Warteschleife die
Beine in den Bauch stehen: alles ist geradezu preußisch reibungslos
organisiert und geschieht ohne Drängelei und Hast. An Bord findet der
ruhebedürftige Gast überall ein Plätzchen ganz für sich. Lagert doch die
Mehrheit um die Poollandschaft und lässt sich von Musik und Animation
beschallen. Wer’s
mag ...
Im Kopf habe ich noch die Zeilen einer Kollegin, die
sich in einer großen deutschen Tageszeitung hämisch über den boomenden
Seetourismus ausließ: „Menschenmassen auf schwimmenden Städten, das moderne
Kreuzfahrtgeschäft”.
Ihr Satz „Je größer ein Schiff, desto unsicherer”
ist der Gipfel an Unwissen. In nautischen Fachkreisen heißt es dann nur
abschätzig-ironisch: „Die besten Kapitäne stehen immer an Land”.
Der Schwall unqualifizierter Kommentare zur COSTA
CONCORDIA-Affäre hat auch hier Spuren
hinterlassen. Heftigste Kritik und juristische Verfolgung verdient
allerdings das katastrophale Bordmanagement, ohne Frage. Erst die Auswertung
der Black Box wird zeigen, was hier wann von wem falsch gemacht wurde.
Doch dann legt sich hinter der BRILLIANCE
ausgerechnet ein CONCORDIA-Schwester-Schiff
an die Pier. Neben mir stehende Amerikaner ziehen die Mundwinkel herab:
„Nice ship, but what about the captain? We should better stay here”.
Nicht sehr freundlich, spiegelt aber die angespannte Situation wider.
Am üppigen Büffet im „Windjammer Café”
– fortan mein Lieblings-Restaurant von mehreren – genieße ich locker und
entspannt, ohne mich umziehen zu müssen, das Abendessen – und verdaue dabei
den ersten Tag an Bord. Wie ein Film spulen die vielfältigen Bilder ab.
Hinter den raumhohen Scheiben verabschiedet sich das Lichtermeer von Dubai.
Voraus der Persische Golf. Dunkel und geheimnisvoll. 219 Seemeilen liegen
vor der BRILLIANCE OF THE SEAS.
Wobei ab Mitternacht die Straße von Hormus passiert wird, während die
meisten Gäste in ihren Kabinen über Nacht einem neuen Tag entgegen träumen.
Hoffentlich ohne finsteres Säbelrasseln von Irans Achmadineshad, die gerade
wieder einmal die UN durch Marinemanöver und Raketenabschüsse provoziert
haben. Aus dem Bordfernsehen weiß man, dass zwei US-Navy-Flugzeugträger im
Anmarsch sind. Das macht besonders den Amerikanern Mut, die sonst schon beim
leichtesten Krisengesäusel zusammenzucken.
Die meisten Gäste lassen sich von der politischen
Lage nicht irritieren, sondern von den zahllosen Abendaktivitäten zwischen
18 und 0.30 Uhr animieren: zwischen Klassik-Gitarre, Tanz-Musik, Kino,
Glücksspiel, Streichkonzert, Showtime, Musik-Quiz, Klavierkonzert, Disco,
Bingo, Lotto, Gameshow ... Da findet jeder seins.
Erinnert wird auch an „10 Dinge, die Sie auf einer
Kreuzfahrt mit Royal Caribbean unbedingt unternehmen sollten”.
Immer eingedenk der Tatsache, dass einem nur eine Woche bleibt, um das alles
auszuprobieren und sich von der stets freundlich-herzlichen Crew verwöhnen
zu lassen. Am Schluss dieser Vorschlagsliste, die mich erschlägt, heißt es:
„Ab 01 Uhr Ausgangssperre für Minderjährige, Alkoholkonsum international
erst ab 21 Jahren”.
Gut so!
Vorhang auf am nächsten Morgen: an Steuerbord ein
brauner Gebirgszug im Dunst. Der erste Hafen: Fudjaira. Davor – neben
Hochhäusern – Pulks von silberglänzenden Öltanks. Dutzende von Tankern vor
Anker, die darauf warten, sich schwarzes Gold in die Bäuche pumpen zu
lassen. Wir dampfen durch den Golf von Oman, Teil des Arabischen Meeres und
des Indischen Ozeans.
Brilliant steuert Kapitän Kasselas
– „der kleinste Schiffsführer der RCI-Flotte”,
wie Ana liebevoll meint – die BRILLIANCE
im Slalom durch die Tanker-Flotte. „Mit den technischen Möglichkeiten, die
wir haben”,
sagt er stolz, „fast ein Kinderspiel”.
Dank zweier um 360 Grad drehbarer Azipod-Antriebe und dreier Bugstrahlruder
kombiniert mit viel Erfahrung. Die hat der freundliche Grieche
– „Kreuzfahrer aus Leidenschaft”
(Kasselas über Kasselas) – sich in 30 Jahren Seefahrt erworben. Über den
havarierten Kollegen vom Costaschiff hebt er nur die Augenbrauen und
kommentiert diplomatisch: „Bevor ich mich äußere, warte ich erst mal die
Auswertung der Black Box ab”.
Mit dem Frühstücken kann man sich viel Zeit lassen:
bis elf Uhr. Anders als auf vielen anderen Schiffen, die zwar Frühaufsteher
begünstigen, aber keine Langschläfer. Begründung: Man habe dann keine Zeit
mehr, um für das Mittagessen einzudecken; außerdem gehen doch die meisten
auf Ausflug. Da sind die Individualausflügler, die sich noch einmal
genüsslich umdrehen wollen, gekniffen. Auf der BRILLIANCE
indes kann man so gut wie rund um die Uhr essen.
Tagesspruch im „Cruise Compass”:
„In den Tälern und Riffen von Fudjaira müssen Sie das Abenteuer nicht suchen
– es wird Sie finden.”
Geordnetes Kurzzeitwarten neben der Gangway, bis ein
kostenloser Shuttle-Bus mit der Aufschrift ARABIAN ADVENTURES mich in die
Stadt bringt. Zeit, um zwischen Containergebirgen die Nase noch mal kurz in
den „Hafen- und Einkaufsführer”
zu stecken: „Fudjaira ist eine dynamische Hafenstadt”,
lese ich, „die in östlicher Richtung dem Golf von Oman zugewandt ist, und
zugleich ein bedeutendes Geschäftszentrum. Das Emirat unterteilt den Staat
Oman in zwei Teile. Von den sieben Emiraten der Vereinigten Arabischen
Emirate (VAE), eine bundesstaatliche Föderation, ist Fudjaira das einzige
mit direktem Zugang zum Golf von Oman und damit zum Arabischen Meer.
Außerdem ist Fudjaira das jüngste der sieben Emirate”.
Das ist augenfällig am Bauboom abzulesen: Hotels,
Geschäftshäuser, palmen- und blumengesäumte breite Straßen.
Der Bus hält vor einem riesigen Einkaufszentrum.
Endstation. Kurzer Blick hinein, aber auch schon wieder hinaus. Das
weihrauchgeschwängerte, mit chinesischem Kitsch vollgestopfte Haus reicht.
Aber es gibt dort bunte Prospekte und Stadtpläne.
Geschäftstüchtige Taxifahrer, die meisten, wie ihr
harter englischer Akzent verrät, aus Indien und Pakistan, baggern draußen
die Passagiere an. Feilschen – das muss einem nicht peinlich sein – gehört
natürlich dazu. Ich überrede Jeff aus London mitzumachen. Bis wir einen
preiswerten, freundlichen und ruhigen Kutscher ausfindig gemacht haben.
Weitere Auswahlkriterien: Er hat am wenigsten geschrien und gestikuliert.
Der junge Inder fragt nach unseren Wünschen. Anhand der Fotos auf dem
Stadtplan zeigen wir ihm ein paar historische Plätze, die er in zweieinhalb
Stunden anlaufen soll. Für 150 Dirham oder 32 Euro. Durch zwei geteilt
allemal preiswerter als der angebotene organisierte Ausflug.
Erster Halt vor dem mittelalterlichen Fort Al Hayl
der 140.000-Einwohner-Stadt. Die wird gerade zu einer
Freiluft-Theaterkulisse umgebaut. Wir stiefeln durch Staub und Dornen einmal
um das turmbewehrte und mauerumschlossene Gebäude aus braunem Lehm. Von
seinem kleinen Gehöfts grüßt der traditionell in weißen Burnus und Kopftuch
gewandete Hausherr herüber: „Salaam. Willkommen und guten Tag”.
Er kommt heraus, schüttelt uns nach arabischer Sitte die Hand und strahlt
ein zahnloses Lächeln. „Unser”
Hindu Naresh wendet und steuert über eine breite Autobahn auf die
zerklüftete Gebirgswand zu. Irgendwann wandelt sich die Betonpiste zu einem
knochentrockenen Schotterweg. Der windet sich bergauf – mit fantastischen
Aus- und Einblicken. Dichtes Palmengrün kontrastiert zum Ocker-Braun der
umgebenden Mondlandschaft. Darin eingesprenkelt Lehmwürfel, in denen die
Oasenbauern wohnen. Teppichgroße Grünflächen werden von mageren Ziegen
gerupft. Welch ein Gegensatz zur Boom-Town Fudjaira! Fotoszenen, die sogar
einen LKW-Fahrer stoppen lassen. Der rücksichtsvolle Araber will uns eine
alles vernebelnde Staubwolke ersparen.
Mitten im Tal ragt vor uns eine Festung auf. „Früher
Scheich gewohnt, heute Museum”,
wie Naresh sagt. Die Ecktürme bieten eine unverstellte Aussicht, verlangen
aber auch Kletterkünste über wacklig-rutschige Stiegen. Die „Air condition”
der Räume ist perfekt: Schlitze und Kamine helfen, die sommerliche Gluthitze
erträglicher zu machen. Ein idyllisches Plätzchen, in das uns Naresh
entführt hat. Wir sind dankbar für diesen Ausflug mit Einblicken.
Vom Oberdeck der BRILLIANCE
schaue ich noch lange über die Bergkette, hinter der sich die Sonne mit
goldener Kulisse verabschiedet. Himmlische Vorbereitung auf den abendlichen
Kapitänsempfang in der stilchecht mit Großsegler-Modellen dekorierten
Schooner-Bar. Wie überhaupt die Inneneinrichtung ein absolut professionelles
Design-Händchen verrät. Im Schleichtempo steuert das Schiff nach Südosten:
160 nächtliche Seemeilen mit Kurs auf Muscat in Oman.
Ein Frühstücksblick von oben herab, der bezaubert,
nicht nur auf die in Deutschland gebaute Zweischornstein-Staatsyacht,
sondern vor allem über die von Felswänden umschlossene Bucht der
omanischen Hauptstadt Muscat (die hat nichts mit der Muskat-Gewürznuss zu
tun, sondern ist das arabische Wort für „Steilklippen”;
das U wird wie A ausgesprochen, also „Mascat”).
Zwei Festungen, die noch aus portugiesischer
Besatzungszeit stammen, bewachen die Bucht. Der mittelalterliche Charme der
Altstadt ist aus hoher Achterdecks-Warte gut zu erkennen und macht
neugierig. Wer mag, nimmt den Shuttlebus, denn das Schiff liegt zwei volle
Tage in der Stadt, Zeit satt also. Ich lasse mich auf die organisierte Tour
ein, denn, so Ana, „der Fußweg entlang der Corniche-Uferpromenade in die
Stadt ist doch ziemlich lang”.
Fünf Stunden Rundfahrt zu einem moderaten Preis von
49 US-Dollar (exklusive Gruppenvisum in Höhe von 13 US-Dollar), da bekommt
man fast alles konzentriert mit. Zarah steht dafür, die hübsche
Reiseleiterin aus Pakistan. Sie erzählt uns in fließendem Deutsch das
Wichtigste über das Land während der halbstündigen Autobahn-Fahrt zur
Großen-Sultan-Qabus-Moschee: „Der Oman, dessen erste Besiedlung ganze 5000
Jahre, also bis in die Frühantike, zurückreicht, ist der älteste der
unabhängigen arabischen Staaten. Zu biblischen Zeiten war es das Zentrum des
lukrativen Weihrauchhandels. Aus den in dieser Gegend heimischen
Boswelia-Bäumen wurde ein Harz gewonnen, das zur Herstellung des exotischen
Weihrauchs diente und damals ebenso wertvoll war wie Gold. Selbst weit
entfernte Orte wie Rom wurden damit beliefert”.
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Wir erfahren im Schnellstraßen-Durchgang – Stop and
go inklusive –, dass Muscat im 14. und 15. Jahrhundert zu einem bedeutenden
Außenposten der mächtigen Handelsstadt Hormus wurde. Das wiederum führte im
16. Jahrhundert zur Eroberung der Stadt durch die Portugiesen. Ihr Ziel:
Schutz der eigenen Handelsrouten im Osten. Bis die Briten, deren Weltreich
sich mehr und mehr ausdehnte, sie zwei Jahrhunderte später aus ihren
Hochburgen im Indischen Ozean vertrieben.
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ist die Stadt
Regierungssitz der Al-Bu-Said-Dynastie. Als Sultan Qabus Bin Said, dessen
bartumkränztes Bildnis von vielen Hauswänden herabschaut, im Jahre 1970 die
Macht ergriff, begannen – dank der Erschließung von sprudelnden Ölquellen –
umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen. Während der letzten Jahrzehnte haben
sie das zuvor unterentwickelte Land ins 21. Jahrhundert katapultiert mit
modernen Infra-, Wohn- und Arbeitsstrukturen. „Auch Sie tragen dazu bei”,
lächelt Zarah charmant, „denn der Oman ist ein beliebtes, weil sicheres
Reiseziel mit wachsender Beliebtheit”. Dem
hat die junge Frau auch ihren Job zu verdanken. „Allerdings sind Steuern für
Ausländer hoch, ebenso die Wohn- und Lebenshaltungskosten”,
erklärt sie, „da bleibt nicht viel übrig”.
Aber in Pakistan hätte sie keine Perspektive gehabt.
Bevor die BRLLIANCE-Passagiere
von dem geweihten Duft der Sultan-Qabus-Moschee umweht werden, heißt es,
sich kleidungsmäßig „respektvoll” zu
verhüllen. In der Ausflugsbeschreibung wird darauf hingewiesen, dass
Schultern und Knie bedeckt sein sollten, bei Frauen zusätzlich noch der Kopf
und alle Körperpartien außer Gesicht und Händen. Sandalen dürfen nur mit
Strümpfen getragen werden. Wenn, wie geschehen, dann doch noch fünf
Zentimeter am Knöchel herausragen, kann es zur Zurückweisung kommen. Die
Wächter sind sich ihrer Willkür-Macht bewusst und daher manchmal mehr,
manchmal weniger rigoros.
In abenteuerlichem Outfit und auf Socken schliddern
die Busgruppen über den glattgeschliffenen Marmorboden in die größte
Freitags-Moschee des Omans. „Sechs Jahre hat der Bau gedauert”,
erklärt Zarah und wedelt mit ihrer runden „Gruppe-11”-Kelle
durch die Luft.
Bis die große Halle mit dem gewaltigen 15 Tonnen
schweren Kristall-Leuchter erreicht ist. Der „größte Teppich der Welt, an
dem hunderte von Frauen jahrelang Milliarden Knoten knüpften”,
darf nicht betreten, wohl aber fotografiert werden. In einer vergoldeten
Nische klemmen die heiligen Bücher des Korans.
Echt orientalisch geht es in Muscats ältestem Markt,
dem überdachten Muttrah Souk, in der Altstadt zu. Wer sich durch das
quirlige Labyrinth der Händlerstände schieben lässt – übrigens völlig
gefahrlos –, bekommt Einblicke in lokale Gebräuche, erhascht den Duft
exotischer Gewürze und erlebt den geruhsamen arabischen Lebensstil. Manch
einer erhandelt sich einen Krummdolch, landestypische Kleidung oder Schmuck.
Ein Gläschen Tee ist auch noch drin, bevor es über die malerische
Küstenstraße durch das Fischerdorf Sidab zu Muscats Altstadt geht. Hier lebt
mit Blick auf die glitzernde Bucht Sultan Qabus in seiner offiziellen
Residenz, dem Al Alam-Palast. Der prunkt in einem Stilmix aus orientalischen
und westlichen Baustilen, dominiert von satten Blau- und Goldtönen.
Relaxen pur am nächsten Tag, der ganz dem
kilometerlangen Strand von Qurum gehört. Nur 15 Taxi-Minuten vom Hafengate
und man ist da. Sogar Sonnenschirme gibt es. Nachbarn: omanische Familien,
die ihr Wochenend-Picknick genießen. Auch hier wieder Modernes und
Traditionelles dicht beieinander: junge Frauen in T-Shirt und Jeans ebenso
wie schwarz Vermummte mit „Sehschlitz”.
Freundlich laden sie den Gast aus Deutschland zum Mitessen ein, der nach dem
Baden in lauwarmem Indik-Wasser hungrig geworden ist.
In Badehose oder Badeanzug zu schwimmen, das sieht
man hier nicht; aber soll ich stattdessen Jeans anziehen? Man fühlt sich
irgendwie nackt und beobachtet an diesem öffentlichen Strand.
Gekonnt dreht Kapitän Kasselas „seinen Riesendampfer”
rückwärts „aus der Parklücke um die Ecke”
an ein paar zierlichen hölzernen Dhaus vorbei, bis der elegante BRILLIANCE
OF THE SEAS-Steven direkt auf die
Hafenausfahrt zeigt und das Schiff Vorausfahrt aufnehmen kann. Muscats
Lichter funkeln zum Abschied, und das BRILLIANCE-Typhon
dröhnt dreimal lang über die geschäftige Stadt.
Bevor das Abendprogramm zur „Arabian White Party”
startet, geht es im Schönheits-Salon rund. „Färbe mich schön”,
heißt das Motto im „Tagesangebot”: „Es ist
alles über dich. Unser professionelles Personal wird dafür sorgen, Sie sehen
und fühlen fabelhaft. Möchten Sie besser aussehen als blond, eine freche
Rothaarige oder eine geheimnisvolle Brünette?”
Oder lieber eine „Lachfältchen-Behandlung und Lippenverschönerung”
über sich ergehen lassen?
394 Seemeilen liegen vor dem Schiff und seinen
Menschen: ein Seetag, zwei Seenächte und die zweite Umrundung der omanischen
Halbinsel Musandam samt Passage der in die politischen Schlagzeilen
geratenen Straße von Hormus.
Die Liegestuhl-Ruhe am nächsten Nachmittag währt
nicht lange. Ein tiefes Brummen erfüllt die Luft. Hinter der BRILLIANCE,
die im internationalen Verkehrstrennungsgebiet fährt, ein hoch aus dem
Wasser ragender Supertanker mit schäumendem Bart; über ihm eine „Drohne”,
die sich schnell als zweimotoriges Flugzeug entpuppt. Fast in Augenhöhe
dröhnt es vorbei, so dass man die beiden Piloten sehen kann. Dem Typ nach
eine amerikanische Kiste, aber – mit grün-weiß-roter Flagge am Heck: ein
Iraner also. 18 Seemeilen von der sichtbaren iranischen Küste entfernt, an
der ein Patrouillenboot entlang fegt; an Backbord die zum Greifen nahen
zackigen Berggipfel der Halbinsel Musandam. Der Flieger dreht eine weitere
große Schleife, kurvt noch einmal im Tiefflug über den Tanker hinweg und
hält wieder auf das Heck der BRILLIANCE
zu. Hier spürt man hautnah, dass die Situation irgendwie brenzlig ist.
Abu Dhabi – der Name hat Klang. Wonach? Nicht nur
nach schier unendlich sprudelnden Ölquellen, sondern auch nach einer
modernen Metropole inmitten futuristischer Wolkenkratzer und Luxushotels der
Extraklasse. Eine Million Menschen leben heute in der Hauptstadt der
Vereinigten Arabischen Emirate, wobei ein hoher Prozentsatz westliche
Geschäftsleute und Gastarbeiter sind. Ökonomische Basis ist hier nicht mehr
so sehr die Ölindustrie, sondern die Rolle als internationales Handels- und
Finanzzentrum und attraktives Reiseziel für Touristen.
Über Jahrhunderte führte die T-förmige Insel im
Persischen Golf ein ruhiges Dasein. Bis auf Zwischenspiele von Piraten und
Eroberern. Karge Erwerbsquellen waren Perlenfischerei, Fischfang sowie etwas
Landwirtschaft und Viehzucht. Mit der
Entdeckung von Öl mutierte Abu Dhabi schnell zu einer florierenden, modernen
Metropole mit großer Anziehungskraft auf Investoren und Touristen.
Eine Stadtrundfahrt spare ich mir, denn der
Shuttle-Bus mit offenem Oberdeck (gut zum Fotografieren) fährt in einer
halben Stunde direkt vom Schiff downtown: an der berühmten fünf Kilometer
langen Corniche-Uferpromenade entlang in ständigem Sichtkontakt zur Stadt, zur Marina Mall. Dieses moderne Einkaufszentrum erschlägt einen mit seinem
Angebot. Lohnend ist die Gratis-Fahrstuhlfahrt zur 100 Meter
Aussichtsplattform des Mall Towers. Er bietet einen weiten Blick über die
Skyline der Stadt, auch wenn die Fotosicht ein bisschen durch Dunstschleier
vernebelt sein kann.
Zwanzig Minuten Fußweg und man steht mitten in der
Geschichte Abu Dhabis: vor dem Heritage Center, eine Rekonstruktion alter
Lehmziegelhäuser, Basare und der traditionellen Beduinen-Wüstenlager. Ein
anschauliches Lehrstück in lokaler Geschichte.
Kontraststark ist die Aussicht vom goldsandigen
Strand unter Palmen über die türkisfarbene Lagune auf die Phalanx der Glas-
und Betonpaläste. Bis der Open-top-Bus mich wieder zu meinem schwimmenden
Luxushotel bringt. In haarsträubend-fliegender Fahrt – bedingt durch
heftigen Wind – noch einmal an der schon legendären Corniche entlang.
„Dubai ist”, so
liest man neugierig im an Bord ausliegenden „Hafen- und Einkaufsführer”,
„ein Land surrealer Gegensätze. Alte arabische Traditionen mischen sich mit
einer modernen, von Komfort und Luxus geprägten Lebensweise. Das moslemische
Erbe sowie die alten und neuen Sitten machen den Charme der
bevölkerungsreichsten Stadt der VAE aus. Die einzige Konstante in Dubai ist
wahrscheinlich die Veränderung”.
Vom Containerhafen, an dem auch Kreuzfahrtschiffe
festmachen, schweift der Blick über die stillgelegte QUEEN
ELIZABETH II zur gigantischen
Wolkenkratzer-Mauer hinüber. Der ehemalige Cunard-Liner wird überragt von
der BRILLIANCE.
Morgendliche Sand-Wasser-Schleier vernebeln auch
hier die Sicht, so dass die Skyline sich mystisch zu verhüllen scheint, aber
umso verlockender erscheint.
Wie der sechsstündige 79-US-Dollar-Ausflug, der so
gut wie alle Highlights umfasst und den Betrachter nur noch staunen lässt:
angefangen bei der künstlichen Insel Jumeirah Palm Island mit 60 Kilometer
Strand, einem kurzen Fotostopp vor dem gläsernen
Siebensterne-Luxushotel-„Segel” „Burj Al
Arab”, einem Streifzug durch das 223.000
Quadratmeter messende Einkaufsparadies „Mall oft he Emirates”
mit seinem Snowpark in einer künstlichen Bergwelt, den Souk Al Bahar
(Seemanns-Markt) im Stadtzentrum Burj Khalifa.
Absolutes Highlight im echten Wortsinn ist und
bleibt der Burj Khalifa Tower, mit 828 Metern und 160 Etagen höchstes
freistehendes Gebäude der Welt. Geradezu ein ingenieurtechnisches Wunder.
Der Ausblick von der 124. Etage (im Preis inklusive!) in 425 Metern Höhe auf
die abendlich pulsierende Metropole ist schlichtweg atemberaubend oder wie
die Amerikaner sagen: „Breathtaking!” Da
lässt sich auch die einstündige Wartezeit verschmerzen. Dafür schießt man
mit einem der außerirdisch anmutenden Aufzüge in Minutenschnelle in die
Höhe.
Die Dubai Fountains – farbige musikuntermalte
Wasserspiele mit bis zu 150 Meter hohen Fontänen im 30 Hektar großen Burj
Khalifa See – setzen den bodennahen Schlusspunkt unter das Turm-Abenteuer.
Das passt dann auch zum „Cruise Compass”
dieses 7. Tages: „Abschied mit Pauken und Trompeten”:
„Steigen Sie ganz nach oben in die Kletterwand. Gehen Sie auf die
Tanzfläche. Genießen Sie jeden Bissen. Verwöhnen Sie sich, tun Sie, was Sie
wollen!” Damit empfehlen sich Kapitän
Manolis Kasselas, Kreuzfahrtdirektorin Anna Bass und ihre hochprofessionelle
Crew für die nächste Reise auf der formschönen BRILLIANCE
OF THE SEAS.
MS BRILLIANCE
OF THE SEAS (Schwesterschiffe: RADIANCE
OF THE SEAS, JEWEL
OF THE SEAS, SERENADE
OF THE SEAS):
Bauwerft Meyer-Werft, Papenburg; Ablieferung:
5.7.2002; Klassifikationsgesellschaft Det Norske Veritas; Klasse NV + 1A1
Passenger; BRZ 90.090; Displacement 49.219 t; Länge 293,2 m; Breite 32,2 m;
Höhe/Airdraft (Kiel-Mast) 52,8 m; Maschinen 2 x 33.520 PS-Gasturbinen;
Stromerzeugung Abdampf aus Gasturbinen (9300 PS); 2 x fünfflügelige
Propeller an Gondeln (um 360 Grad schwenkbar); Antrieb 2 x ABB Pod Drive
(28.600 PS); 2 Stabilisatoren; 2 Bugstrahlruder (je 3320 PS);
Geschwindigkeit (maximal) 22 Knoten; Gasölverbrauch bei 22 kn 215 t/Tag;
Frischwasser 750 t/Tag; Rettungseinrichtungen für 3360 Personen; Gäste
(maximal) 2500; Crew 900; Kabinen 1050 (davon 14 rollstuhlgerecht, 577 mit
Balkon, 26 Suiten, 1 Royal Suite); Flagge Bahamas; Heimathafen Nassau;
Eigner Royal Caribbean International, Miami, Florida.
18.450 Eier, 470 Pfund Reis, 12.500 Pfund Gemüse,
11.580 Pfund Obst, 14.000 Liter Milch, 5.350 Pfund Rindfleisch, 185 Pfund
frische Kräuter, 5.000 Pfund Kartoffeln, 556 Pfund Kaffee, 785 Pfund
Eiskrem, 549 Pfund Hummer, 31.345 Pfund Geflügel, 3.650 Pfund Zucker, 18.000
Flaschen Spirituosen, 12.000 Büchsen Bier.
Sicherheitsstandards hoch; Rettungsübung noch vor
dem Auslaufen, strenge Kontrollen;
Crew stets freundlich, hilfsbereit, zuvorkommend;
Kabinen großzügig mit viel Stauraum;
Essenszeiten
rund um die Uhr; Frühstück bis 11 Uhr (gut für Langschläfer);
Speisen hoher Qualität, Variationsbreite,
ansprechende Präsentation;
Kaffee, Tee, Softdrinks jederzeit und gratis;
Informationen vielsprachig (Deutsch nach Englisch),
vielfältig;
joggen, walken auf komplett umlaufenden Deck 5;
Bankautomat;
Liegestühle mehr als ausreichend (keine deutschen
Belegungskämpfe);
Ausflugspreise angemessen;
Organisation vorbildlich, keine Schlangen (auch beim
Ein- und Auschecken nicht);
Überprüfen der eigenen Bordrechnung jederzeit über
TV;
Zustand des Schiffes ist selbst nach zehn Jahren
noch hervorragend;
Atmosphäre international-leger;
Ruheplätze ohne Massenbetrieb sind genügend
vorhanden;
Abreisetag – man kann bis nachmittags an Bord
bleiben;
Trinkgeld 11,65 US-Dollar/Tag/Person, kann abgebucht
oder persönlich übergeben werden;
Preis-Leistungs-Verhältnis hervorragend.
:
Rettungswesten sollten für jeden nicht nur in den
Kabinen, sondern auch an den Musterstationen zur Verfügung stehen, um
zeitraubende Umwege über die Kabine zu vermeiden;
Getränkepreise zu hoch (1 Glas Wein ab 8 US-Dollar;
0,5 l Bier: 6,95 US-Dollar plus 15 % Service);
Nebengeräusche sind durch Jogger und Stühlerücken
(besonders frühmorgens) auf Deck 4 zu hören, und in Mall-Nähe kann es
infolge von Musik-Veranstaltungen bis 24 Uhr zu laut sein; Musik:
Dauerbeschallung kann lästig sein, weniger und nur an bestimmten Stellen
wäre mehr.
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