Ein Portrait von Amerigo Vespucci – es ist
vermutlich von Giovanni Battista Castaldi –
hängt in der National Library of Australia, Canberra.
Vor 500 Jahren, am 22. Februar 1512, starb in
Sevilla der Florentiner Kaufmann, Seefahrer und Entdecker Amerigo Vespucci.
Nach mehreren Fahrten über den Atlantik war er zur Überzeugung gelangt, dass
es sich bei der entdeckten Neuen Welt nicht wie von Kolumbus angenommen, um
einen Teil Asiens, sondern um einen eigenständigen Kontinent handle und im
Gegensatz zu jahrhundertealtem Glauben es auch bewohnbare Antipoden gebe.
Daraufhin nannte der deutsche Kosmograf Matthias Ringmann 1507 in einer
Flugschrift Vespucci als Entdecker dieser Neuen Welt und veranlasste den
deutschen Geografen Martin Waldseemüller, den vom latinisierten Namen
Americus Vespucius abgeleiteten Vornamen „America”
auf einer Karte und einem beigelegten Globus einzutragen. Das Ergebnis war
die im gleichen Jahr erschienene
Weltkarte „Universalis Cosmographica”,
in der die Neue Welt als „America”
bezeichnet wurde.
Vespucci wurde im März 1452 oder 1454 als drittes
Kind einer angesehenen Florentiner Patrizierfamilie geboren. Er war Schüler
des berühmten Arztes, Mathematikers, Geographen, Kosmographen, Astronomen –
und Alchimisten Paolo di Pozzo Toscanelli (1397 bis1482), sowie auch seines
Onkels Giorgio Antonio Vespucci. Beide dürften in Amerigo das Interesse für
Kosmographie und Astronomie geweckt haben. Später studierte Amerigo an der
Universität Pisa Philosophie und war von 1478 bis 80 Sekretär eines anderen
Onkels, Guido Antonio, der Florentinischer Gesandter in Paris war. Seit 1482
stand Amerigo in Diensten der Florenz beherrschen Bankiersfamilie Medici,
die ihn 1491 in ihre Filiale nach Sevilla entsandte, um dort den
Medici-Agenten Gianotto Berardi bei dessen Schifffahrts-Unternehmen zu
unterstützen.
1497 war Vespucci bei der Vorbereitung der dritten
Expedition von Kolumbus in die neu entdeckte Welt tätig. Bis zu dessen Tod
1506 stand Vespucci in freundschaftlichem Kontakt zu Kolumbus. Dieser
startete im Mai 1498 mit sechs
Schiffen zu seiner transatlantischen Expedition, in deren Verlauf er die
Insel Trinidad und die Orinoco-Mündung entdeckte.
Die Anzahl der Reisen Vespuccis über den Atlantik
steht nicht genau fest, sie wird mit zwei bis fünf angegeben. Martin
Waldseemüller berichtet in seiner „Cosmographiae Introductio”
von vier Reisen und bezeichnete dann das von Vespucci als Mundus Novus (Neue
Welt) genannte Südamerika (von Nordamerika wusste man damals noch nicht
viel) als „Terra America”.
1538 sollte erstmals der Name „America”
(Amerika) für den gesamten
Doppelkontinent in Anspruch genommen werden. Da Kolumbus bis an sein
Lebensende glaubte, in Asien, respektive in Indien gelandet zu sein, nannte
er die Bewohner Indios bzw. Indianer, eine Bezeichnung, die sich bis heute
erhalten hat. Der moderne Geograph Alberto Magnaghi versuchte zu beweisen,
dass Vespucci nur zwei Reisen unternommen habe, alle abweichenden Berichte
waren seiner Ansicht nach durch Ungenauigkeit und willkürliche, aber auch
ungewollte Textänderungen beim Abschreiben und Vervielfältigen von Vespuccis
Briefen entstanden.
Mehr von Schifffahrt auf hoher See als von
Proviantlieferungen für aus spanischen Häfen auslaufende Schiffe angezogen,
nahm Vespucci nach dem 1495 erfolgten Tod Berardis
zusammen mit einem seiner Neffen an einer vom spanischen König
Ferdinand, dem „Katholischen”
in Auftrag gegebener Reise unter Kapitän Alonso de Ojeda teil. Ojeda hatte
an Kolumbus’ zweiter
transatlantischen Reise teilgenommen. Im Mai 1497
stach man auf den Routen der ersten beiden Reisen Kolumbus’
in See, das erste gesichtete Land dürfte
die Küste des heutigen Nicaragua oder Costa Ricas gewesen sein. Nach
Umschiffung der nördlich davon gelegenen Halbinsel Yucatan ging es ostwärts,
um die Halbinsel Florida herum
und dann in nördlicher Richtung, wo ein nach Vespuccis Worten „bester Hafen
der Welt” – vermutlich
die Bucht von Chesapeake oder von Delaware – entdeckt wurde.
1499 unternahm Vespucci einer weitere Expedition
unter Kapitän Ojeda, diesmal landeten sie an der Küste von Brasilien,
entdeckten die Amazonas-Mündung, dann ging es an den Küsten der heutigen
Guayanas entlang zur Inselwelt vor der venezolanischen Küste. Diese Region
wurde von Vespucci Venezuela („Klein Venedig”)
genannt, weil die Eingeborenen in
Pfahlbau-Häusern lebten, die ihn an Venedig erinnerten. Nach Erkundungen im
Bereich des Maracaibo-Sees erfolgte noch im gleichen Jahr die Heimkehr nach
Spanien. Ein Brief Vespuccis an Pierfrancesco de Medici (einem Angehörigen
einer Seitenlinie der berühmten Bankiersfamilie) vom Juli 1500 und ein
weiterer von 1504 an Gonfaloniere Piero Soderini (dem Oberhaupt der Republik
Florenz nach dem 1494 erfolgten Sturz der Medici und des 1498 gestürzten
Regimes des Dominikanermönches Girolamo Savonarola) enthalten
widersprüchliche Angaben über diese Reise. Die zwischen 1500 und 1502
veröffentlichten Karten, die die in den Briefen erwähnten Küstenlinien
zeigen, bestätigen allerdings die Entdeckungen, da Vespuccis Aufzeichnungen
darüber die einzigen Quellen sind. Zweifel gibt es über den heute in den USA
gelegenen nördlichsten Punkt, den Vespucci und Ojeda auf ihrer Reise
erreicht hatten.
Ohne Zustimmung des spanischen Königs folgte
Vespucci einer Einladung des portugiesischen Königs Manoel I. (regierte 1495
bis 1521), in dessen Auftrag er an einer unter dem Kommando von Gonzalo
Coelho stehenden Reise von 1501 bis 1502 teilnahm.
Der Start der drei Karavellen erfolgte im Mai 1501 in Lissabon mit
Kurs Süd-Süd-West. Erst nach 97 Tagen stieß man auf die Küste nahe der
Amazonas-Mündung. Der Riesenstrom wurde auf eine kurze Strecke
stromaufwärts mit kleinen Schaluppen erforscht, dann
ging es an der Küste zunächst in Ost-Süd-Ost-Richtung und dann in
südlicher und Süd-Süd-West Richtung weiter. Es ging darum, die von Pedro
Alvares Cabral 1500 auf seiner Indien-Fahrt eher zufällig entdeckte Terra da
Santa Cruz (das heutige Brasilien) zu erforschen, die Cabral als eine
größere Insel vermutet hatte. Vespucci nannte eine am 1. Januar 1502
entdeckte Bucht, weil er sie für eine Flussmündung gehalten hatte, „Rio de
Janeiro” (Fluss des
Januar). Die heutige brasilianische Metropole dort geht aber erst auf zwei
1565 und 1567 gegründete portugiesische Siedlungen zurück, nachdem von
französische Siedler vertrieben worden waren, die sich dort einige Zeit
niedergelassen hatten.
Bei der Weiterfahrt in südwestlicher Richtung
gerieten die Expeditionsteilnehmer in Gebiete, die nach dem Vertrag von
Tordesillas von 1494 Spanien zugesprochen worden waren. Im ersten von fünf
nach der Rückkehr nach Lisabon 1502 verfassten Briefen beschrieb Vespucci
die Querung des Atlantik, die Landungen, die Eingeborenen in den
Landungsgebieten, die Tier- und Pflanzenwelt der besuchten Gebiete, das
gegen Süden zu immer kühler werdende Klima und den südlichen Sternenhimmel.
Darin hieß es auch, dass man den Wendekreis des Steinbocks passiert und 50
Grad südlicher Breite erreicht habe, bevor Coelho im April 1502 den Befehl
zur Umkehr gegeben habe. Demnach dürfte die Flottille auf die Höhe des
südlichen Patagonien gelangt sein. Sturm trieb die Schiffe weit auf den
Atlantik hinaus. Nach Sichtung einer Insel,
vermutlich das heutige Süd-Georgien, wurden die Schiffe in
nordöstlicher Richtung getrieben, bis sie im Mai auf den afrikanischen
Kontinent stießen und vermutlich im heutigen Sierra Leone wieder an Land
gehen konnten.
|
|
Im Anschluss an diese Reise erschienen von 1502 bis
1513 mehrere Landkarten, in denen der Rio de la Plata, also der gewaltige
Mündungstrichter der Ströme Parana und Uruguay, unter seinem damaligen Namen
„Jordan” eingezeichnet
waren. Dies scheint seine Entdeckung durch Vespucci 1502 zu bestätigen. Die
ersten Spanier kamen erst 1516 in die Region dieses Mündungstrichters.
Was die äußerste auf dieser Reise Vespuccis
erreichte südliche Breite (50 Grad) betrifft, weisen alle bis 1536
erschienenen Karten und Globen (insgesamt 21) den Namen „Jordan”
auf, weiter südlich einen Fluss namens Cananor, der zwischen 45 und 47 Grad
südlicher Breite in Patagonien liegt.
Vespucci hatte knapp zwei Monate vom 15. Februar bis
7. April 1502 vom eigentlichen Expeditionsleiter Coelho das Kommando
übernommen und würde demnach als Entdecker des Rio de la Plata gelten. Der
Name Patagonien geht aber erst auf Teilnehmer der Weltumsegelung von Fernao
Magalhaes (Ferdinand Magellan)
zurück: Patagones (portugiesisch „Große Füße”)
weil die Abdrucke der Fußbekleidung der dortigen Eingeborenen im Schnee bzw.
im Boden bei den abergläubischen Expeditionsmitgliedern die Vermutung
aufkommen ließen, das Land sei von Riesen besiedelt.
Ein anderer nach der Rückkehr aus Lissabon 1504
abgegangener Brief „Mundus Novus”
ist länger und bedeutender als der vorhin erwähnte. Darin bezeichnet
Vespucci mehrmals das neu entdeckte
Land als „Kontinent” und
erwähnt, dass sich dessen Küste noch weiter südlich als den 50. Breitegrad
erstreckt. Zur Illustration fügte Vespucci diesem Brief eine kleine
Zeichnung bei, aus der hervorging, dass die Expedition von 1501 / 02 ein
Viertel des Erdumfanges, also 90 Grad abgefahren habe. Die 90 Breitengrade
wurden dadurch berechnet, dass man die
(nördliche) Breite von Lissabon, etwa 40 Grad, zu den 50 Grad südlicher
Breite, die man erreicht hatte, hinzuzählt. Auch dieser Brief ging an
Pierfrancesco de Medici, der ihn unter der Bezeichnung „Quattuor
Navigationes” ins
Lateinische übersetzen und in Paris veröffentlichen ließ. Es folgten bald
deutsche, französische und italienische Versionen. Eine lateinische Version
fand auch Eingang in Waldseemüllers „Cosmographiae Introductio”.
Die Angaben von Mundus Novus wurden später von Kartographen und von
Seefahrern voll bestätigt.
Vespucci, in Spanien „Don Guespuches”
genannt, kehrte nach Spanien zurück, wo er von König Ferdinand wieder in
Gnaden aufgenommen wurde. Er erhielt 1505 die spanische Statsbürgerschaft
und wurde 1508 zum „Piloto Mayor del Rey”
bestellt. Als solcher war er für die Ausbildung von Kapitänen und Seefahrern
verantwortlich, auch für die
Aktualisierung des Patrono Real, der Landkarte, auf der alle neuen
Entdeckungen festgehalten wurden.
Bei der Planung einer weiteren Entdeckungsfahrt in
die Neue Welt, um endlich die vermutete Meeresstraße zwischen Atlantik und
Pazifik zu entdecken, die seiner Ansicht nach weiter südlich lag, als er
1502 gekommen war, starb Vespucci am 22. Februar 1512 in Sevilla, wo er sich
in den letzten Lebensjahren niedergelassen hatte.
Die Entdeckung der Meeresstraße zwischen Atlantik
und Pazifik erfolgte durch den in spanischen Diensten stehenden Portugiesen
Ferdinand Magellan im Zuge seiner Weltreise 1519 bis 1521, sie wurde nach
ihm auch benannt. Magellan wurde später auf den Philippinen von Eingeborenen
erschlagen. Eines seiner Schiffe unter dem Kapitän Sebastiano Elcano kehrte
nach Spanien zurück, womit endgültig die Kugelgestalt der Erde bewiesen
worden war.
Genua, die Heimatstadt von Kolumbus, und Florenz,
Vespuccis Heimatstadt, halten das
Andenken an ihre größten Söhne fest.
In Genua steht in der Nähe des Hauptbahnhofes Porta Principe ein großes
Kolumbus-Denkmal. Der Flughafen der Stadt
trägt den Namen Cristoforo Colombo.
Das „Haus des Kolumbus”
in der Innenstadt ist eine
Rekonstruktion des ursprünglichen Hauses, in dem Kolumbus seine Jugendjahre
verlebt hatte. 1684 war es bei einer Beschießung Genuas durch die Franzosen
zerstört worden.
In Florenz trägt ein längerer Abschnitt des rechten
Arno-Uferkais (zwischen der Piazza Vittoria Veneto und der Brücke Ponte alla
Carrara) den Namen Lungarno Amerigo Vespucci. In der nahe gelegenen Kirche
Ognissanti (Allerheiligen), der Familienkirche der Vespuccis, befindet sich
beim Eingang ein Fresko einer Schutzmantelmadonna von Domenico Ghirlandaio.
Unter dem rechten Arm der Madonna ist Amerigo Vespucci abgebildet.
Unter den Statuen berühmter Florentiner auf der Außenwand der
weltberühmten Gemäldegalerie Uffizien befindet sich auch eine von Vespucci
(siehe unten). Nach ihm wurde auch das jetzt noch in Betrieb befindliche
Segelschulschiff der italienischen Marine (Heimathafen Livorno) und der
Flughafen von Florenz benannt.
Nach Amerigo Vespucci wurde der zwar von Kolumbus
entdeckte, aber von ihm für einen Teil Asiens gehaltene Doppelkontinent
„America / Amerika”
genannt. Aber Kolumbus braucht sich deswegen nicht zurückgesetzt fühlen.
Nach ihm ist ein südamerikanisches Land benannt (Kolumbien), davon
abgeleitet eine kanadische Provinz (British Columbia), sowie eine
Gebirgsgruppe in den kanadischen Rocky Mountains (Columbia Range). In den
USA ist es eine Landschaft zwischen Rocky Mountains und Kaskaden (Columbia
Plateau), ein 2.250 Kilometer langer Fluss
im Westen des Landes (Columbia River), der Verwaltungsdistrikt der
Bundeshauptstadt Washington (District of Columbia, abgekürzt D.C.) und die
angesehene New Yorker Columbia Universität. Mehrere Städte in den USA heißen
Columbia (u.a. die Hauptstadt des Bundesstaates South Carolina) oder
Columbus (so die Hauptstadt des Bundesstaates Ohio).
In Lateinamerika ist Kolumbus unter seinem
spanischen Namen Cristobal Colon häufig vertreten. Mehrere Städte tragen
diesen Namen, so z.B. Colon am Atlantik-Ausgang des Panamakanals, der
höchste Berg Kolumbiens (Pico Cristobal Colon, 5.775 Meter hoch im
küstennahen Gebirgsstock Sierra Nevada de Santa Marta), die Landeswährung
von Costa Rica, das nach der New Yorker Met bekannteste Opernhaus der
westlichen Hemisphäre in Buenos Aires (Teatro Colon). Ein Teatro Cristobal
Colon gibt es auch in Kolumbiens Hauptstadt Bogota.
Die Statue Amerigo Vespuccis
an der Außenwand der weltberühmten Gemälde-Galerie Uffizien in
Florenz.
Foto: GFDL JoJan
|