AUSGABE 3/2012
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Gemälde: Giovanni Battista Castaldi

Ein Portrait von Amerigo Vespucci – es ist vermutlich von Giovanni Battista Castaldi – hängt in der National Library of Australia, Canberra.

 

 

Vor 500 Jahren, am 22. Februar 1512, starb in Sevilla der Florentiner Kaufmann, Seefahrer und Entdecker Amerigo Vespucci. Nach mehreren Fahrten über den Atlantik war er zur Überzeugung gelangt, dass es sich bei der entdeckten Neuen Welt nicht wie von Kolumbus angenommen, um einen Teil Asiens, sondern um einen eigenständigen Kontinent handle und im Gegensatz zu jahrhundertealtem Glauben es auch bewohnbare Antipoden gebe. Daraufhin nannte der deutsche Kosmograf Matthias Ringmann 1507 in einer Flugschrift Vespucci als Entdecker dieser Neuen Welt und veranlasste den deutschen Geografen Martin Waldseemüller, den vom latinisierten Namen Americus Vespucius abgeleiteten Vornamen „America auf einer Karte und einem beigelegten Globus einzutragen. Das Ergebnis war die im gleichen Jahr erschienene Weltkarte „Universalis Cosmographica, in der die Neue Welt als „America bezeichnet wurde.

Vespucci wurde im März 1452 oder 1454 als drittes Kind einer angesehenen Florentiner Patrizierfamilie geboren. Er war Schüler des berühmten Arztes, Mathematikers, Geographen, Kosmographen, Astronomen – und Alchimisten Paolo di Pozzo Toscanelli (1397 bis1482), sowie auch seines Onkels Giorgio Antonio Vespucci. Beide dürften in Amerigo das Interesse für Kosmographie und Astronomie geweckt haben. Später studierte Amerigo an der Universität Pisa Philosophie und war von 1478 bis 80 Sekretär eines anderen Onkels, Guido Antonio, der Florentinischer Gesandter in Paris war. Seit 1482 stand Amerigo in Diensten der Florenz beherrschen Bankiersfamilie Medici, die ihn 1491 in ihre Filiale nach Sevilla entsandte, um dort den Medici-Agenten Gianotto Berardi bei dessen Schifffahrts-Unternehmen zu unterstützen.

1497 war Vespucci bei der Vorbereitung der dritten Expedition von Kolumbus in die neu entdeckte Welt tätig. Bis zu dessen Tod 1506 stand Vespucci in freundschaftlichem Kontakt zu Kolumbus. Dieser startete im Mai 1498 mit sechs Schiffen zu seiner transatlantischen Expedition, in deren Verlauf er die Insel Trinidad und die Orinoco-Mündung entdeckte.

Die Anzahl der Reisen Vespuccis über den Atlantik steht nicht genau fest, sie wird mit zwei bis fünf angegeben. Martin Waldseemüller berichtet in seiner „Cosmographiae Introductio von vier Reisen und bezeichnete dann das von Vespucci als Mundus Novus (Neue Welt) genannte Südamerika (von Nordamerika wusste man damals noch nicht viel) als „Terra America.

1538 sollte erstmals der Name „America (Amerika)  für den gesamten Doppelkontinent in Anspruch genommen werden. Da Kolumbus bis an sein Lebensende glaubte, in Asien, respektive in Indien gelandet zu sein, nannte er die Bewohner Indios bzw. Indianer, eine Bezeichnung, die sich bis heute erhalten hat. Der moderne Geograph Alberto Magnaghi versuchte zu beweisen, dass Vespucci nur zwei Reisen unternommen habe, alle abweichenden Berichte waren seiner Ansicht nach durch Ungenauigkeit und willkürliche, aber auch ungewollte Textänderungen beim Abschreiben und Vervielfältigen von Vespuccis Briefen entstanden.

Mehr von Schifffahrt auf hoher See als von Proviantlieferungen für aus spanischen Häfen auslaufende Schiffe angezogen, nahm Vespucci nach dem 1495 erfolgten Tod Berardis zusammen mit einem seiner Neffen an einer vom spanischen König Ferdinand, dem „Katholischen in Auftrag gegebener Reise unter Kapitän Alonso de Ojeda teil. Ojeda hatte an Kolumbus zweiter transatlantischen Reise teilgenommen. Im Mai 1497 stach man auf den Routen der ersten beiden Reisen Kolumbus in See, das erste gesichtete Land dürfte die Küste des heutigen Nicaragua oder Costa Ricas gewesen sein. Nach Umschiffung der nördlich davon gelegenen Halbinsel Yucatan ging es ostwärts, um die Halbinsel Florida herum und dann in nördlicher Richtung, wo ein nach Vespuccis Worten „bester Hafen der Welt– vermutlich die Bucht von Chesapeake oder von Delaware – entdeckt wurde.

1499 unternahm Vespucci einer weitere Expedition unter Kapitän Ojeda, diesmal landeten sie an der Küste von Brasilien, entdeckten die Amazonas-Mündung, dann ging es an den Küsten der heutigen Guayanas entlang zur Inselwelt vor der venezolanischen Küste. Diese Region wurde von Vespucci Venezuela („Klein Venedig) genannt, weil die Eingeborenen in Pfahlbau-Häusern lebten, die ihn an Venedig erinnerten. Nach Erkundungen im Bereich des Maracaibo-Sees erfolgte noch im gleichen Jahr die Heimkehr nach Spanien. Ein Brief Vespuccis an Pierfrancesco de Medici (einem Angehörigen einer Seitenlinie der berühmten Bankiersfamilie) vom Juli 1500 und ein weiterer von 1504 an Gonfaloniere Piero Soderini (dem Oberhaupt der Republik Florenz nach dem 1494 erfolgten Sturz der Medici und des 1498 gestürzten Regimes des Dominikanermönches Girolamo Savonarola) enthalten widersprüchliche Angaben über diese Reise. Die zwischen 1500 und 1502 veröffentlichten Karten, die die in den Briefen erwähnten Küstenlinien zeigen, bestätigen allerdings die Entdeckungen, da Vespuccis Aufzeichnungen darüber die einzigen Quellen sind. Zweifel gibt es über den heute in den USA gelegenen nördlichsten Punkt, den Vespucci und Ojeda auf ihrer Reise erreicht hatten.

Ohne Zustimmung des spanischen Königs folgte Vespucci einer Einladung des portugiesischen Königs Manoel I. (regierte 1495 bis 1521), in dessen Auftrag er an einer unter dem Kommando von Gonzalo Coelho stehenden Reise von 1501 bis 1502 teilnahm. Der Start der drei Karavellen erfolgte im Mai 1501 in Lissabon mit Kurs Süd-Süd-West. Erst nach 97 Tagen stieß man auf die Küste nahe der Amazonas-Mündung. Der Riesenstrom wurde auf eine kurze Strecke stromaufwärts mit kleinen Schaluppen erforscht, dann  ging es an der Küste zunächst in Ost-Süd-Ost-Richtung und dann in südlicher und Süd-Süd-West Richtung weiter. Es ging darum, die von Pedro Alvares Cabral 1500 auf seiner Indien-Fahrt eher zufällig entdeckte Terra da Santa Cruz (das heutige Brasilien) zu erforschen, die Cabral als eine größere Insel vermutet hatte. Vespucci nannte eine am 1. Januar 1502 entdeckte Bucht, weil er sie für eine Flussmündung gehalten hatte, „Rio de Janeiro (Fluss des Januar). Die heutige brasilianische Metropole dort geht aber erst auf zwei 1565 und 1567 gegründete portugiesische Siedlungen zurück, nachdem von französische Siedler vertrieben worden waren, die sich dort einige Zeit niedergelassen hatten.

Bei der Weiterfahrt in südwestlicher Richtung gerieten die Expeditionsteilnehmer in Gebiete, die nach dem Vertrag von Tordesillas von 1494 Spanien zugesprochen worden waren. Im ersten von fünf nach der Rückkehr nach Lisabon 1502 verfassten Briefen beschrieb Vespucci die Querung des Atlantik, die Landungen, die Eingeborenen in den Landungsgebieten, die Tier- und Pflanzenwelt der besuchten Gebiete, das gegen Süden zu immer kühler werdende Klima und den südlichen Sternenhimmel. Darin hieß es auch, dass man den Wendekreis des Steinbocks passiert und 50 Grad südlicher Breite erreicht habe, bevor Coelho im April 1502 den Befehl zur Umkehr gegeben habe. Demnach dürfte die Flottille auf die Höhe des südlichen Patagonien gelangt sein. Sturm trieb die Schiffe weit auf den Atlantik hinaus. Nach Sichtung einer Insel, vermutlich das heutige Süd-Georgien, wurden die Schiffe in nordöstlicher Richtung getrieben, bis sie im Mai auf den afrikanischen Kontinent stießen und vermutlich im heutigen Sierra Leone wieder an Land gehen konnten.

 

Im Anschluss an diese Reise erschienen von 1502 bis 1513 mehrere Landkarten, in denen der Rio de la Plata, also der gewaltige Mündungstrichter der Ströme Parana und Uruguay, unter seinem damaligen Namen „Jordan eingezeichnet waren. Dies scheint seine Entdeckung durch Vespucci 1502 zu bestätigen. Die ersten Spanier kamen erst 1516 in die Region dieses Mündungstrichters.

Was die äußerste auf dieser Reise Vespuccis erreichte südliche Breite (50 Grad) betrifft, weisen alle bis 1536 erschienenen Karten und Globen (insgesamt 21) den Namen „Jordan auf, weiter südlich einen Fluss namens Cananor, der zwischen 45 und 47 Grad südlicher Breite in Patagonien liegt.

Vespucci hatte knapp zwei Monate vom 15. Februar bis 7. April 1502 vom eigentlichen Expeditionsleiter Coelho das Kommando übernommen und würde demnach als Entdecker des Rio de la Plata gelten. Der Name Patagonien geht aber erst auf Teilnehmer der Weltumsegelung von Fernao Magalhaes (Ferdinand Magellan)  zurück: Patagones (portugiesisch „Große Füße) weil die Abdrucke der Fußbekleidung der dortigen Eingeborenen im Schnee bzw. im Boden bei den abergläubischen Expeditionsmitgliedern die Vermutung aufkommen ließen, das Land sei von Riesen besiedelt.

Ein anderer nach der Rückkehr aus Lissabon 1504 abgegangener Brief „Mundus Novus ist länger und bedeutender als der vorhin erwähnte. Darin bezeichnet Vespucci mehrmals das neu entdeckte Land als „Kontinent und erwähnt, dass sich dessen Küste noch weiter südlich als den 50. Breitegrad erstreckt. Zur Illustration fügte Vespucci diesem Brief eine kleine Zeichnung bei, aus der hervorging, dass die Expedition von 1501 / 02 ein Viertel des Erdumfanges, also 90 Grad abgefahren habe. Die 90 Breitengrade wurden dadurch berechnet, dass man die (nördliche) Breite von Lissabon, etwa 40 Grad, zu den 50 Grad südlicher Breite, die man erreicht hatte, hinzuzählt. Auch dieser Brief ging an Pierfrancesco de Medici, der ihn unter der Bezeichnung „Quattuor Navigationes ins Lateinische übersetzen und in Paris veröffentlichen ließ. Es folgten bald deutsche, französische und italienische Versionen. Eine lateinische Version fand auch Eingang in Waldseemüllers „Cosmographiae Introductio. Die Angaben von Mundus Novus wurden später von Kartographen und von Seefahrern voll bestätigt.

Vespucci, in Spanien „Don Guespuches genannt, kehrte nach Spanien zurück, wo er von König Ferdinand wieder in Gnaden aufgenommen wurde. Er erhielt 1505 die spanische Statsbürgerschaft und wurde 1508 zum „Piloto Mayor del Rey bestellt. Als solcher war er für die Ausbildung von Kapitänen und Seefahrern verantwortlich, auch für die Aktualisierung des Patrono Real, der Landkarte, auf der alle neuen Entdeckungen festgehalten wurden.

Bei der Planung einer weiteren Entdeckungsfahrt in die Neue Welt, um endlich die vermutete Meeresstraße zwischen Atlantik und Pazifik zu entdecken, die seiner Ansicht nach weiter südlich lag, als er 1502 gekommen war, starb Vespucci am 22. Februar 1512 in Sevilla, wo er sich in den letzten Lebensjahren niedergelassen hatte.

Die Entdeckung der Meeresstraße zwischen Atlantik und Pazifik erfolgte durch den in spanischen Diensten stehenden Portugiesen Ferdinand Magellan im Zuge seiner Weltreise 1519 bis 1521, sie wurde nach ihm auch benannt. Magellan wurde später auf den Philippinen von Eingeborenen erschlagen. Eines seiner Schiffe unter dem Kapitän Sebastiano Elcano kehrte nach Spanien zurück, womit endgültig die Kugelgestalt der Erde bewiesen worden war.

Genua, die Heimatstadt von Kolumbus, und Florenz, Vespuccis Heimatstadt, halten das Andenken an ihre größten Söhne fest. In Genua steht in der Nähe des Hauptbahnhofes Porta Principe ein großes Kolumbus-Denkmal. Der Flughafen der Stadt  trägt den Namen Cristoforo Colombo. Das „Haus des Kolumbus in der Innenstadt ist eine Rekonstruktion des ursprünglichen Hauses, in dem Kolumbus seine Jugendjahre verlebt hatte. 1684 war es bei einer Beschießung Genuas durch die Franzosen zerstört worden.

In Florenz trägt ein längerer Abschnitt des rechten Arno-Uferkais (zwischen der Piazza Vittoria Veneto und der Brücke Ponte alla Carrara) den Namen Lungarno Amerigo Vespucci. In der nahe gelegenen Kirche Ognissanti (Allerheiligen), der Familienkirche der Vespuccis, befindet sich beim Eingang ein Fresko einer Schutzmantelmadonna von Domenico Ghirlandaio. Unter dem rechten Arm der Madonna ist Amerigo Vespucci abgebildet. Unter den Statuen berühmter Florentiner auf der Außenwand der weltberühmten Gemäldegalerie Uffizien befindet sich auch eine von Vespucci (siehe unten). Nach ihm wurde auch das jetzt noch in Betrieb befindliche Segelschulschiff der italienischen Marine (Heimathafen Livorno) und der Flughafen von Florenz benannt.

Nach Amerigo Vespucci wurde der zwar von Kolumbus entdeckte, aber von ihm für einen Teil Asiens gehaltene Doppelkontinent „America / Amerika genannt. Aber Kolumbus braucht sich deswegen nicht zurückgesetzt fühlen. Nach ihm ist ein südamerikanisches Land benannt (Kolumbien), davon abgeleitet eine kanadische Provinz (British Columbia), sowie eine Gebirgsgruppe in den kanadischen Rocky Mountains (Columbia Range). In den USA ist es eine Landschaft zwischen Rocky Mountains und Kaskaden (Columbia Plateau), ein 2.250 Kilometer langer Fluss im Westen des Landes (Columbia River), der Verwaltungsdistrikt der Bundeshauptstadt Washington (District of Columbia, abgekürzt D.C.) und die angesehene New Yorker Columbia Universität. Mehrere Städte in den USA heißen Columbia (u.a. die Hauptstadt des Bundesstaates South Carolina) oder Columbus (so die Hauptstadt des Bundesstaates Ohio).

In Lateinamerika ist Kolumbus unter seinem spanischen Namen Cristobal Colon häufig vertreten. Mehrere Städte tragen diesen Namen, so z.B. Colon am Atlantik-Ausgang des Panamakanals, der höchste Berg Kolumbiens (Pico Cristobal Colon, 5.775 Meter hoch im küstennahen Gebirgsstock Sierra Nevada de Santa Marta), die Landeswährung von Costa Rica, das nach der New Yorker Met bekannteste Opernhaus der westlichen Hemisphäre in Buenos Aires (Teatro Colon). Ein Teatro Cristobal Colon gibt es auch in Kolumbiens Hauptstadt Bogota.

 

Foto: GFDL JoJan

Die Statue Amerigo Vespuccis an der Außenwand der weltberühmten Gemälde-Galerie Uffizien in Florenz. Foto: GFDL JoJan

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