SCHWARZES MEER + DNJEPR | AUSGABE 4/2012 | ||||||
Detailreiche Ansicht des Höhlenklosters in Kiew. |
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Um die Ukraine zwischen Odessa und Kiew kennen zu lernen, ist ein
Flusskreuzfahrtschiff das geeignete Fortbewegungsmittel, auch wenn es mal
stürmisch werden kann. Windstärke 6 auf dem Schwarzen Meer. Das bedeutet
zweieinhalb Meter hohe Wellen, ein schwankendes Schiff, Seekrankheit.
Letzteres zumindest bei einem guten Drittel der 280 Passagiere an Bord von
MS GENERAL
WATUTIN. An Schlaf ist nicht zu denken. Am
Bug des 1986 auf der Elbe-Werft im mecklenburgischen Boizenburg gebauten
Schiffes schaukelt es am heftigsten. Hoch oben schwanken die Sterne. Unten
knarrt und rüttelt das Schiff. „Ihr müsst einen festen Punkt anvisieren”,
rät Uwe aus München: „Das hilft!” Erst mal
einen finden, wenn alle Sterne tanzen und ansonsten stockdunkle Nacht
herrscht. Wieso kommt der erste Herbststurm in diesem Jahr
schon mitten im Sommer? Dabei hatte die zehntägige Kreuzfahrt durch die
Ukraine vor zwei Tagen bei wolkenfreiem, blauen Himmel begonnen. Im Hafen
von Odessa. In der Nähe der legendären „Potemkin-Treppe”.
Aber so spektakulär wie erwartet, ist die graue Steintreppe nicht.
Oberleitungen der Eisenbahn, eine Art Stadtautobahn, ein Gewirr von Zu- und
Abfahrten verschandeln das Panorama vom Hafen aus. Vor 216 Jahren gab Zarin
Katharina II. den Erlass zum Bau der Metropole. Glücklicherweise wurde unter
der Stalin-Ära nicht alles Edle und Plüschige platt gemacht und in
Plattenbauten umgewandelt. Zwischen Primorskij-Boulevard, Oper und
Deribasivska-Straße reihen sich frisch herausgeputzter Restaurants, Kneipen
und Hotels aneinander. Die Sonne brennt. Es ist fast windstill, weshalb
Karl aus Trier überhaupt nicht verstehen kann, warum das Schiff einen Tag
länger als geplant im Hafen bleiben muss. 24 Stunden später wünschen sein
Magen und er, sie hätten Odessa niemals verlassen. Am Bug des Schiffes
spritzt die weißes Gischt des Schwarzen Meeres unaufhörlich über die Reling. Das Schiff ist nicht das modernste. Die Kabinen sind
einfach und im 80er-Jahre-Stil eingerichtet: zwei Klappbetten, ein Schrank
und eine kleine Toiletten-Duschkabine. Ein hochmoderner oder verschnörkelt,
verchromter Luxusdampfer würde auch nicht passen in einem Land, das noch
lange nicht da ist, wo es einmal hin möchte. Das trotz zahlreicher
sichtbarer Renovierungen und westlicher Ladenketten häufig noch ungeschminkt
und grau wirkt. Hier stimmen Schiffsambiente und Umgebung. „Wir wollen nicht
nur interessante Orte in der Ukraine zeigen, sondern auch eine familiäre
Atmosphäre vermitteln”, erzählt
Kreuzfahrtleiterin Julia Dadvani. Das Gute an Seekrankheit im Vergleich zu einem Magen-Darm-Virus ist, man hat nicht tagelang damit zu tun. Sobald man festen Boden unter den Füßen hat, ist alles vergessen. Am Grafenkai von Sewastopol warten schon die Busse
zur Entdeckungstour über die Krim. „Bis 1992 war Sewastopol
‚eine verbotene Stadt’. Nur für
Angehörige der russischen Schwarzmeerflotte zugänglich”,
erklärt Stadtführerin Ljuba: „2.000 Denkmäler gibt es aus der Sowjetzeit”.
Es bleibt nur Zeit für fünf. Dann geht es weiter durch den Süden der Insel.
Kiefern, Eichen, Buchen, Wachholder und kahle Felsen säumen die gut
ausgebaute Straße. Tief unten gurgelt das Meer. Teure Villen und Sanatorien
schimmern durch die Bäume. Der Bus stoppt neben einer Reihe von
Souvenirläden. Die Flasche Krimsekt gibt’s
für sechs Euro. Laut Ljuba soll er wirklich von der Insel sein. Kurz darauf steht die Gruppe an historischer Stelle im Liwadija-Palast bei Jalta. Vor dem runden Tisch, an dem Churchill, Roosevelt und Stalin im Februar 1945 über das Schicksal Deutschlands und Europas entschieden. Das Kurbad Jalta: Auf dunklen Kieseln räkeln sich
dicht gedrängt schweißtriefende Körper in der Sonne. Die Promenade ist
vollbespickt mit Kunst und Kitsch. Portraitmaler, Wahrsagerinnen und
Fotografen warten vor ihren Ständen auf Kundschaft. Für den entsprechenden
Zaster kann man sich als Katharina II. oder Peter der Große vor
Pappmaché-Kulisse ablichten lassen. Einen original-amerikanischen Burger
gibt es an der nächsten Ecke gegenüber dem Lenin-Denkmal, falls jemandem die
ukrainischen Teigtaschen (Wareniki) am Abend nicht schmecken sollten. Der Sturm hat sich gelegt. Die Rückfahrt übers Meer zum Dnjepr-Delta verläuft ruhig. Das Dreigänge-Menü mundet wieder. |
Ab Cherson geht es in Ausflugsbooten mit Kalinka-Folklore für ein paar Stunden durch die Seitenarme des großen Stroms. Natur links. Natur rechts. Zweige hängen tief. Seerosen recken ihre Köpfe. Kleine Datschen schimmern hinter Schilf und Obstbäumen. Einige Bewohner haben ihre Angeln ausgeworfen. Mit 2.280 Kilometern Länge ist der Dnjepr nach Wolga und Donau der drittlängste Fluss Europas. Fünf Schleusen und Stauseen passiert MS GENERAL WATUTIN vom Delta bis Kiew. Wälder, Wiesen und Industrieschlote größerer Städte säumen das Ufer. Die Schleuse Saporoschje ist mit 36 Metern Höhenunterschied die größte. Mehr als eine halbe Stunde dauert die Durchfahrt. Während ein riesiger Lenin unentwegt vom Ufer herüber grüßt. In der Gegend um Saporoschje ließen sich im 15. und 16. Jahrhundert Kosaken nieder. Auf der Insel Chortyzja, der größten von 215 Inseln im Fluss, wird das Leben der tollkühnen Männer in einem Museum und im Freilichttheater gezeigt. Kiew, die Mutter aller russischen Städte, kommt näher. Kleinere und größere Villen zeugen vom Reichtum einiger weniger. Ihnen folgen Hochhausgettos bis zum Horizont. Beim Anblick des goldverzierten Höhlenklosters klicken die Kameras. Kiew ist die Stadt der Kirchen, ob restauriert, wieder aufgebaut oder ganz neu errichtet. Ob russisch- oder ukrainisch-orthodox. Goldene Kuppeln leuchten von der Sophien-Kathedrale, dem Michaelis-Kloster, der Andreas-Kirche oder der Wladimir-Kathedrale. Hotels, Boutiquen, Restaurants, Bars, Coffee-Shops
prägen das Bild der Prachtstraße „Kreschtschatik”.
Doch bei einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 250 Euro wird auch ein
Cappuccino für 2,90 Euro bei „Kofe & Tschai”
oder „Double Coffee” zum Luxusgegenstand.
Bei 80 Euro Rente ist sein Genuss undenkbar. Am Ende des Boulevards liegt
der Unabhängigkeitsplatz. Eingerahmt von Repräsentativbauten aus
sowjetischer Zeit. Hier fand im Jahre 2004 die „Orange Revolution”
statt. Der vorletzte Abend. Tagelang haben die
Bordreiseleiterinnen mit Freiwilligen Lustiges, Besinnliches, Ballett- und
Tanzeinlagen eingeübt. Nicht nur Karls Augen glänzen, als der gemischte Chor
das „Watutin”-Lied
nach der Melodie „Mein Vater war ein Wandersmann”
anstimmt. Das meinte Kreuzfahrtleiterin Julia also mit familiärer
Atmosphäre. Vor ein paar Tagen tobte noch das Meer. Jetzt tobt der Saal.
Beste Reisezeit Einreise Allgemeine Auskünfte Währung Anbieter der im Text
erwähnten Kreuzfahrt: nicko tours, Mittlerer Pfad 2, D-70499
Stuttgart Die Tour wird in zwei Varianten angeboten: „Dnepr-Dreiklang”, in 10 Tagen von Odessa über die Krim nach Kiew. „Kosakenmelodie”, in 13 Tagen von Kiew über die Krim nach Odessa. Diese Reisen sind auch buchbar bei: Ost & Fern Reisedienst, An der Alster 40, D-20099 Hamburg, Telefon 0 40-28 40 95 70,
www.ostundfern.de Ähnliche
Flusskreuzfahrten im Programm haben: Lernidee
Erlebnisreisen, Eisenacher Straße 11, D-10777 Berlin, Telefon 0 30-7 86 00
00, www.lernidee.de Plantours Kreuzfahrten, Obernstraße 76, D-28195
Bremen, Telefon 04 21-1 73 69.0,
www.plantours-partner.de Phoenix Reisen, Pfälzer Straße 14, D-53111 Bonn,
Telefon 02 28-92 60.5 55,
www.phoenixreisen.com Viking Flusskreuzfahrten, Hohe Straße 68-82, D-50667
Köln, Telefon 02 21-25 86.0
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Die MS GENERAL WATUTIN erwartet seine Gäste in Odessa. |
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Portraitmaler auf einer Promenade in Jalta. |
Der Kies-Strand von Massandrovskiy bei Jalta. |
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Natürliche Wasserlandschaften im Dnjepr-Delta. |
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Das weite Dnjepr-Delta ist nur dünn besiedelt, aber ... |
... auffallend farbig sind die winzigen Häuser bemalt. |
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Bäuerinnen handeln am Wegesrand mit Obst aus eigener Ernte ... |
... oder singen für die Kreuzfahrer in traditioneller Tracht. |
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Chortyzja-Kosaken-Vorführung im Kosaken-Museum von Saporoschje. |
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Die Dnjepr-Uferlandschaften ziehen vorüber, mal Stauseen gleich ... |
... mal ganz nah mit Sakralbauten am Ufer – an einem Flusstag vor Kiew. |
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Die Passagiere entspannen auf dem Sonnendeck ... |
... Kapitän Alexander Kovtun und seine Crew hält Kurs Richtung Kiew. |
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Das Höhlenkloster in Kiew mit Warägerhöhlen, der Sammlung von historischen Schätzen, der Mariä-Entschlafens-Kathedrale und dem Museum der Miniaturkunstwerke. | |||||||
Das Michaeliskloster in Kiew im unwirklichen Licht eines Gewitterhimmels ... |
... aber schon eine halbe Stunde später hellt sich der Himmel wieder auf. |
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Ein Brautpaar vor den Himmlischen Heerscharen am Kiewer Michaeliskloster – ein gutes Omen? |
Die Sophienkathedrale in Kiew – eine fünfschiffige Kreuzkuppelkirche – wurde im 11. Jahrhundert errichtet. |
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