OstseeMagazin.de |
AUSGABE 4/2012 |
||||||
|
|||||||
Dr. phil. Robert Rosentreter, Fregattenkapitän a.D., Marine- und Schifffahrts-Historiker, Resortleiter OstseeMagazin
222 Teilnehmerschiffe und wieder 1 Million Besucher
zur Sail 2012 Die 22. Hanse Sail Rostock ist vorbei. Alles war
wunderbar und die „Bauchschmerzen”
der Organisatoren im Vorfeld erwiesen sich als unnötig. Man hatte ja
befürchtet, dass wegen der Olympischen Spiele in London, wohin sich dieses
Jahr die großen Segler abgemeldet hatten, das Teilnehmerfeld doch dürftiger
als sonst sein würde. Doch da bot zunächst die STAR
FLYER an, zum Windjammertreffen
nach Warnemünde kommen und ihren Passagieren ein
Sail-Erlebnis komplett bieten zu wollen. Dann entschloss sich die KRUZENSTHERN,
nun doch wieder Warnemünde anzulaufen. Damit waren ja bereits
zwei höchst sehenswerte Schiffe dabei. Doch abgesehen von diesen zwei
Viermastern, der unter Maltaflagge segelnden Barkentine STAR
FLYER und der bekannten russischen
Viermastbark, hatte das Sail-Büro als zusätzliches Showelement einige Dampf-
und Motorschiffe mehr als sonst eingeladen, welche die Szene stark
bereicherten. Neben dem Dampfeisbrecher STETTIN,
der immer zu Gast ist, seit Anbeginn der Sail 1991, und den ebenfalls zu den
Sammgästen zu zählenden Feuerschiff FEHMARNBELT,
dem hundertjährigen Seitenraddampfer FREYA
und dem einem Mississippi-Raddampfer nachempfundenen Fahrgastschiff RIVER
STAR, waren der Dampfschlepper WOLTMANN
und der ehemalige Tonnenleger BUSSARD
erstmals zu Gast und fanden großes Interesse der erneut wieder an den vier
Tagen teilnehmenden rund eine Million Besucher. Insgesamt sind 222 Schiffe zugegen gewesen – ein wie
immer riesiges Teilnehmerfeld, das sich wahrlich sehen lassen konnte u.a.
mit so bekannten Segelschiffen wie der Bark ARTEMIS,
dem Toppsegelschoner MARE FRISIUM,
dem Dreimast-Toppsegelschoner GULDEN LEEUW,
der Brigantine EYE Of THE WIND
und weiteren Dreimastschonern, Barkentinen, Briggs und Galeassen. Da
die Sonne schien und auch das Landprogramm viel Gutes und dabei manch Neues
zu bieten hatte, konnten Besucher wie Veranstalter und Teilnehmer zufrieden
sein. Die Bilanz fiel also sehr gut aus, noch dazu, weil für kommendes Jahr
schon wieder einige „Pflöcke eingeschlagen”
wurden. So hat sich die Reederei Star Clippers wegen der diesjährigen bisher
so erfolgreich verlaufenen Kreuzfahrtsaison in der Ostssee (hier sind
derzeit alle drei bekannten Windjammer unterwegs) entschlossen, ihre
Luxus-Segler auch 2013 wieder durchs Baltische Meer schippern zu lassen.
Auch die „Motor- und Qualmpötte” sind
erneut eingeladen. Die Veranstalter wollen vielleicht aus der Hanse Sail ein
Windjammer- und Dampfer-Treffen machen. Es geht also mit Volldampf und unter
vollen Segeln weiter. Überlegt wird auch, ob es nicht gelingen könnte, 2013
nach der Sail Szczecin einen gemeinsamen Törn rund um Kap Arkona nach
Warnemünde zu organisieren, denn viele Teilnehmer am Treffen an der Oder
kommen ja anschließend an die Warnow. Altes Schrauben-Dampfschiff vor Hiddensee
identifiziert Eine sensationelle Meldung machten die
Meeresarchäologen Anfang August. Taucher identifizierten ein Schiffswrack
nordöstlich von Hiddensee. Es war schon lange bekannt, doch war man sich
nicht klar, um welch ein Schiff es sich da handelt. Jetzt gibt es weitgehend
Gewissheit: es ist der eiserne Schraubendampfer GROSSFÜRST KONSTANTIN. Auf
der späteren Neptunwerft 1857 gebaut, bediente er die Schiffsroute Rostock-St. Petersburg. Bereits 1850 lief bei Tischbein & Zeltz (später Neptunwerft)
der erste in Deutschland gebaute seegängige eiserne Schraubendampfer
ERBGROSSHERZOG FRIEDRICH FRANZ vom Stapel und wurde mit dem anschließend
fertig gestellten Schwesterschiff GROSSFÜRST KONSTANTIN nach der russischen
Hauptstadt in Fahrt gebracht. Der 1853 ausbrechende Krimkrieg und die
Blockade der russischen Küsten auch der Ostsee durch die Royal Navy brachte
das allzu frühe Aus für diese Post-, Fracht- und Passagierroute. Die zwei
Dampfer wurden verkauft. Doch bald unternahm die
„Rostock-Sankt Petersburger Dampfschiffgesellschaft” einen zweiten Versuch
und ließ wieder bei Zeltz und Tischbein zwei neue Dampfschiffe bauen, die nun etwas größer waren und in welche die
Erfahrungen der Erstlinge eingingen. Beide Schiffe erhielten wieder die
Namen ihrer Vorgänger. Die GROSSFÜRST KONSTANTIN (II) ist jedoch schon 1861
auf der Rückreise aus St. Petersburg vom strengen Winters überrascht,
in den Schollen des Eises stecken geblieben.
Schließlich zerquetschten die Eismassen den GROSSFÜRSTEN, der gesunken ist. Die Crew hatte sich aufs Eis retten können und ist nach
mehrstündigem Umherirrten gerettet worden. Zwar können die Archäologen nicht auf irgendeinen
Gold- bzw. Silberschatz im Wrack auf dem Meeresgrund hoffen, doch die
Erforschung dieses Fundes – einem der ersten in Rostock
gebauten eisernen Dampfschiffe mit Propeller-Antrieb, ist schon eine
wichtige und spannende Aufgabe. Neues Offshore-Service-Schiff Weitere Meldungen betreffen den Schiffbau in MV.
Zwar verzögert sich die Auslieferung der zwei für die Route Gedser-Rostock
bestimmten Fähren BERLIN und COPENHAGEN durch die P+S-Werft
(Volkswerft Stralsund) um weitere Wochen, was die
Reederei Scandlines als Auftraggeber inzwischen gelassen nimmt, denn soll es
sich dann um wirklich sehr moderne, wirtschaftliche und
sichere Schiffe handeln, wie auch die Probefahrt der BERLIN jüngst bewiesen
hat. Und in diesem Jahr würde es sicher noch etwas werden, heißt es. Die gute Nachricht konnte Nordic-Yards-Chef Witali
Jussufow verkünden. Seine Werften in Wismar und Warnemünde haben den Auftrag
für den Bau eines Offshore-Service-Schiffes erhalten. Der
dänische Auftraggeber, die DBB Jack-Up Services, will in den nächsten
Monaten noch zwei weitere Schiffe dieser Bauart bestellen, worüber eine
Option mit dem Werftunternehmen vereinbart worden ist. Das Auftragsvolumen
soll etwa 80 Millionen Euro betragen, was aber offiziell nicht bestätigt
wurde. Man wird sich an solche neuartigen See-Ungetüme mit
80 Meter Länge und 32 Meter Breite erst gewöhnen müssen. Wie Schiffe sehen diese
Schwimmgeräte jedenfalls nicht aus. Das Charakteristische
dieses Superkahns sind die vier in die Höhe ragenden „Beine” oder Stelzen,
die bis 45 Meter in die Tiefe abgesenkt und auf den Meeresboden gestellt werden
können. Nicht zu übersehen ist außerdem der gewaltige
Kran, der sich bis in eine Höhe von 100 Meter emporrecken
kann, so dass dann bei Wassertiefen bis 45 Meter und in 100 Meter über dem Meer
Arbeiten an den Windkrafträdern vorgenommen werden können. Dieses
Spezialschiff ist die erste Bestellung eines Neubaues bei
Nordic Yards seit 2010. Letztes Objekt war der eisgängige Tanker für Norilsk
Nickel, einen russischen Konzern. ADAC vergab Bestnoten an Aida Cruises Der ADAC hat ein halbes Jahr nach der Havarie der
COSTA CONCORDIA die Sicherheit von zehn Kreuzfahrtschiffen im Mittelmeer untersucht. Darunter waren die AIDAbella und die AIDAdiva. Diese
beiden Schiffe der Rostocker Kreuzfahrtreederei erhielten von allen
überprüften Linern die besten Noten. Es ging um Sicherheitsinformationen, um
Konstruktion und Stabilität, den Brandschutz, den Zustand der
Rettungsmittel, sowie um das Sicherheits-Management. Die Aida-Schiffe
erhielten in allen Punkten zwei Pluszähler und sind insgesamt als einzige
mit der Note „sehr gut” bewertet worden. Insgesamt hat
der Automobilclub allen überprüften Kreuzfahrtschiffen
einen guten bis sehr guten Gesamtzustand bescheinigt. Größtes Problem sei
es, dass einige Schiffe, obwohl sie mit wasserdichten Schotten unterhalb der
Wasserlinie ausgestattet sind, diese wasserdichten Türen, die ein
Übergreifen von eingedrungenem Wasser aus einer leck geschlagenen Abteilung
in andere Bereiche des Schiffes verhindern und damit hohe Sinksicherheit
gewährleisten, leider Ausnahmegenehmigungen haben, die es gestatten, mit
offenen Unterwasserschotten zu fahren. Das berge, laut Tester,
ein hohes Risiko. Zu den überprüften Schiffen gehörten außer den zwei
AIDA’s (in der Reihenfolge ihres Abschneidens ab Platz 3): COSTA FASCINOSA,
ADVENTURE OF THE SEAS, NORWEGIAN EPIC, MSC FANTASIA, NAVIGATOR OF THE SEAS,
MSC ORCHESTRA, MSC SPLENDIDA, COSTA SERENA.
Wikingertreffen in Haithabu Zu den interessantesten maritimen Veranstaltungen, die auch in dieser Sommersaison rund um die Ostsee stattfinden, gehörte das Rahseglertreffen „Kurs Haithabu” am 14. und 15. Juli an und auf der Schlei. Es nahmen 25 Schiffsnachbauten der Wikingerzeit aus Deutschland, Dänemark, Polen und Schweden teil. Das ist ein Rekord für die Schleswig-Holsteiner, die mit diesem Treffen historischer Repliken eine Attraktion boten. Etwa 30.000 Besucher waren trotz (oder wegen?) des teils widrigen, jedenfalls sehr durchwachsenen Wetters gekommen. Der Begriff Rahsegler ist dabei etwas irritierend, denn unter Rahseglern versteht man ja vor allem Großsegler: Vollschiffe, Barken, Barkentinen und Briggs. Zum Treffen im Wikinger-Zentrum Haithabu hatten sich aber vor allem kleine Schiffe (Boote) versammelt, die man freilich auch als Rahsegler bezeichnen kann, weil sie mit nur einem Mast, einer Rah und einem Rahsegel getakelt sind, so wie vor rund eintausend Jahren. Die Wikinger mit ihren „Drachenbooten” waren damals das führende Seefahrervolk. So waren denn auch diejenigen, die Nachfahren der Wikinger sein wollen, in der Mehrzahl. Aus dem Gastgeberland hatten 14 Schiffe Kurs auf Haithabu genommen oder waren schon dort, weil ja die „deutschen Wikinger” an der Schlei ihre Hochburg nebst Heimathafen haben. Aus Mecklenburg-Vorpommern kamen drei Schiffe, darunter die nach altslawischem Vorbild gebaute PERUN. Absoluter Star war die HAVHINGSTEN FRA GLENDALOUGH der dänischen Wikinger aus Roskilde, ein gewaltiges wikingisches Langschiff (30 Meter) mit 60 Mann Besatzung. Das Kampfschiff ist etwa so groß wie die „Lange Schlange” des (christianisierten) Wikingerkönigs Olaf Tyggvason, das etwa 30 bis 35 Meter lang und 4,50 Meter breit gewesen sein soll und 30 Rudererplätze an jeder Bordseite hatte. Ein 12 Meter hoher Mast trug ein Rahsegel von 72 Quadratmetern. Insgesamt sind unter dem Danebrog 7 Schiffe in Haithabu präsent gewesen. Die Schweden waren mit TVEKAMP AF ELBOGEN (eher eine kleine Kogge als ein Wikingerschiff) und VIDFAMNE vertreten und Polen schließlich mit der ORZEL JUMNE und OTTON Z BAMBERGU. Der Name ORZEL JUMNE hieße zu deutsch ADLER VON JUMNE. Jumne oder Jumeta war der Hauptsiedlungsort der Jomswikinger, die ab der Zeit zwischen 950 bis 970 n. Chr. den „Jomsgau”, das Gebiet der Odermündung mit Wolin, Usedom und den Ufern des Oderhaffs und des Achterwassers beherrscht hatten. Hier stand auch ihre Hauptburg, die Jomsburg. Orzel ist der polnische weiße Adler. Eine der Überlieferungen besagt, dass der polnische König Miezko I. die Jomswikinger ins Land geholt und sie als Söldner engagiert, also unter seine Hoheit gestellt hatte, was die Nordmänner aber kaum interessierte und sie nicht davon abhielt, eigene Interessen zu verfolgen und zu verfechten, selbst gegen ihren „Lehnsherrn”. Zur 12-Mann-Crew der neuen ORZEL JUMNE gehörten auch ein paar Wikinger aus Moskau. Auf der Tour nach Haithabu kam das Boot leider nicht „um die Ecke” am Darßer Ort und lief genau dort auf Grund, wo in tausend Jahren zuvor schon hunderte Schiffe gestrandet sind, vielleicht auch jene Wikinger, deren kostbare Ladung an der Küste der Insel Hiddensee angeschwemmt, nach der großen Sturmflut 1872 aufgefunden wurde und seither als kostbarster Schatz Vorpommerns gilt: der Goldschmuck von Hiddensee. Um aus eigener Kraft frei zu kommen, haben die „JUMNE-ADLER” geleichtert d.h. alles über Bord geschmissen, was irgendwie nicht niet- und nagelfest war. Dazu sollen auch vier Flaschen (einige Zeugen sprechen von einer Kiste) Wodka in der tobenden Brandung gelandet sein. Die Lage wurde für die Männer bedrohlich. Sie konnten jedoch von herbeigerufenen Seenotrettern aus ihrer kritischen Lage gerettet werden. Auch der Mast und die Rah wurden geborgen. In den Nothafen geschleppt, gelang es, das Boot rasch wieder segelfähig zu machen. Als Ursache der Havarie nannten der Kapitän und seine Leute den Ausfall ihrer elektronischen Geräte (ganz wie zu Wikinger-Zeiten geht es heute halt nicht mehr) und den aufgekommenen Nebel, so dass ORZEL JUMNE vom Kurs abgekommen sei. Die Geräte aber sind ausgefallen, weil die Batterien, welche sie speisen sollten, verbraucht waren. Insofern haben sich die kühnen Wikinger von heute offenbar auch so verhalten, wie ihre Ur-Väter, sonst wären sie mit schwächelnden oder gar leeren Akkus nicht in See gegangen. Da dann alle wohlauf waren, ging es mit dem flott gemachten Schiff rasch weiter mit Kurs Schlei, wo sie allerdings verspätet ankamen und so nur noch den Rest |
des großen Festes erleben konnten. Der Verlust des Wodkas musste man verschmerzen, wobei es sicherlich Ersatz von den anderen Wikingerkumpels gegeben hat. Die„JUMNE-ADLER”-Jungs haben jedenfalls auf ihrer Reise wohl so recht empfinden können, warum es so wichtig ist, „stets eine Handbreit Wasser unterm Kiel” zu haben. Doch vielleicht erschloss sich ihnen auch, was es damit auf sich hat, wenn jemand „Gute Fahrt und stets eine Handbreit Wodka unterm Kinn” wünscht.
Von Kiel nach Warnemünde
und weiter Die letzten beiden Juni-Wochen standen ja derart im
Zeichen der Fußball-EM, dass alles andere dahinter förmlich überdeckt wurde.
So auch leider die Kieler Woche mit ihrem vielseitigen tollen Programm,
darunter die Abschlussparade der Windjammer und das Riesen-Feuerwerk, das
alles Bisherige übertraf. Rund 3 Millionen Gäste weilten zum größten Segler-
und Volksfest in der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins und 100.000
Besucher waren zum Schiffegucken bei der Abschlussparade dabei. Das
Besondere in diesem Jahr war ja die erstmalige Teilnehme der
Bark ALEXANDER VON HUMBOLDT
(II), die die Parade als Flaggschiff anführte und einen
prächtigen Anblick bot. In ihrem Kielwasser folgten weitere 100 Groß- und
Traditionssegler, darunter der Luxus-Passagiersegler FLYING
STAR, das russische Vollschiff MIR
und natürlich der weltgrößte Traditionssegler, die russische Viermastbark SEDOW,
für die Kiel, nach ihrem Start in Warnemünde zur Weltumrundung, bereits der
erste Anlaufpunkt gewesen ist. Weitere, bei maritimen Festen immer wieder
gern gesehene Schiffe wie die ATLANTIS und
außerdem 20 Fahrzeuge mit Dampf- oder Motorantrieb, boten nebst vielen
Begleitfahrzeugen von Segeltouristen und einheimischen Bootsbesitzern eine
imposante Schau, zumal in diesem Jahr bei leichtem Wind die Sonne schien und
die Szene in ein leuchtendes Licht tauchte. Aber auch in Kiel ging es ohne Fußball nicht ab,
denn zum großen Rudelschauen (genannt public viewing) hatten sich vor den
zwei Videowänden des NDR am Ostseekai so viele schwarz-rot-goldene Fans
zusammengefunden, dass man diese Fläche mit einiger Berechtigung als die
„größte Fankurve des Nordens”
apostrophieren durfte. Die Kieler Woche 2012 ist Geschichte, doch weitere
maritime Feste rund um die Ostsee stehen bevor. Die
Warnemünder Woche etwa, die bis 15. Juli ein großes Spektakel bietet. So
werden in dieser Zeit rund 2000 Segler spannende Wettkämpfe (darunter
deutsche und internationale Meisterschaften) auf der Ostsee austragen.
Außerdem erwarten die Besucher viele weitere sportliche und
kulturelle Veranstaltungen, wie Drachenbootwettbewerbe, Shantychortreffen,
Kanu-Polo auf der Warnow, Waschzuber-Rennen und anderes.
P+S-Werften im Strudel Große Sorgen bereiten derzeit die P+S-Werften
Stralsund und Wolgast. Vor allem haben die Verzögerungen bei der
Auslieferung der zwei neuen Gedser-Fähren für Scandlines erhebliche
Zusatzkosten verursacht. Die für die zwei modernen Fährschiffe BERLIN
und COPENHAGEN bereits fertig gestellten
neuen Anleger in Gedser und Rostock liegen derzeit noch brach
und ein Ende des Desasters ist leider noch nicht sicher abzusehen. Zwar hat
die Landesregierung MV für beide Werften einen Rettungsschirm gespannt und
sie vor der drohenden Insolvenz bewahrt, so dass es sowohl am Sund als auch
an der Peene weiter gehen kann, besonders da jetzt die
staatlichen Beihilfen voll ausgeschöpft werden können. Die Gesamtsumme
beträgt 152,4 Millionen Euro, von denen bisher schon 40 Millionen geflossen
sind. Das Rettungsgeld wurde am 3. Juli frei gegeben, nachdem die
Belegschaft (1750 Beschäftigte) und die Zulieferer zugesichert
hatten, sich an der Rettung zu beteiligen. Es handelt sich dabei um
Bankkredite, für die das Land und der Bund je zur Hälfte bürgen. Indes
meldeten sich interessierte Investoren, die die angeschlagenen Werften
übernehmen wollen. Die Bremer Hegemann-Gruppe als ehemalige Eigentümerin
hält noch 7 Prozent der Anteile an dem Unternehmen, das seit zwei Jahren in
Besitz einer Treuhandgesellschaft ist. Ob und was daraus wird, muss
abgewartet werden. Doch nun hing plötzlich wieder ein anderes
Damoklesschwert über dem Unternehmen, vor allem über der Peenewerft, denn
das Bundes-Wirtschaftsministerium hatte die Peene im Zuge einer
Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung wegen zu geringen
Frachtaufkommens als „sonstige Wasserstraße”
herab gestuft, was bedeutet hätte, dass die Zufahrt zum Hafen und zur Werft
Wolgast nicht mehr ausgebaggert würden. Doch nach heftigen Protesten aus
Schwerin und von CDU-Bundestagsabgeordneten stellte inzwischen ein Sprecher
von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) klar, „dass die seeseitige
Anbindung der Werft und des Hafens Wolgast dauerhaft gesichert”
wären. Der Wolgaster Hafen schlägt jährlich zwar lediglich rund 500.000
Tonnen Güter um, vor allem Getreide und Düngemittel, ist also in der Tat,
gemessen an anderen deutschen Häfen, ein „weniger wichtiger Hafen”.
Nicht jedoch für die Region Usedom / Ostvorpommern-Greifswald, für die der
Umschlagplatz eine sehr wichtige Rolle spielt. Geradezu lebenswichtig ist
diese Wasserstraße für die Wolgaster P+S-Werft. Die Fahrrinne wurde übrigens
erst vor einem Jahr auf 7,50 Meter vertieft, um so entsprechend großen
Schiffen den Weg in die Ostssee zu ermöglichen. Wenn das Ausbaggern der
Fahrrinne eingestellt würde, käme das einem Aus für die Werft
gleich. Eine traurige Nachricht aus Wolgast wurde am 1. Juli
bekannt. Der in ganz Mecklenburg-Vorpommern und weit darüber hinaus
bekannte und geschätzte Schifffahrtsjournalist und Schiffbau-Experte
Dietrich Strobel ist am 27. Juni unerwartet im Alter von 75 Jahren
verstorben. Strobel, der auf der Warnowwerft den Beruf eines
Stahlschiffbauers erlernt hatte, danach Entwicklungsingenieur am Institut
für Schiffbau Wolgast gewesen ist und sich schließlich als Pressesprecher
des Kombinats Schiffbau und deren Nachfolgeunternehmen, der Deutschen
Maschinen- und Schiffbau AG bewährte, hat wichtige Bücher verfasst, darunter
das Standardwerk „Schiffbau zwischen Elbe und Oder”
und „Hiev up – so war die Hochseefischerei der DDR”.
Bleibenden Wert haben seine Abhandlungen über die Geschichte der
ostdeutschen Großwerften, (Warnowwerft Warnemünde,
Mathias-Thesen-Werft Wismar und Volkswerft Stralsund, sowie
seine umfangreichste, zugleich letzte Arbeit, über die
Peenewerft Wolgast, deren Entwicklung er auf 360 Seiten dargestellt hat..
Weitere Offshore-Plattform von Nordic Yards? Wie der Sender NDR1 Radio MV am 3. Juli
vermeldete, stünden die Nordic Yards Warnemünde / Wismar vor dem Abschluss
eines neuen Großauftrages zum Bau einer weiteren Offshore-Plattform für den
Anschluss von Windparks auf See. Es wäre dann die 4. Plattform, die von
diesem Unternehmen gebaut würde. Jedenfalls sei dies Thema der Sitzung des
Bürgschaftsausschusses des Landtages. Natürlich wäre dies eine gute
Nachricht für die rund 1000 Beschäftigten der zwei Großwerften, was die
Werft aber noch nicht bestätigt hat, da noch eine französische Werft „im
Rennen” sei. Also: nicht zu früh
jubilieren. Außerdem soll das Unternehmen den Bau eines Kreuzfahrtschiffes
für 750 |Passagiere planen, was auch noch nicht offiziell bestätigt wurde.
Natürlich ist der Bau eines Kreuzfahrtschiffes für die Werften kein Problem,
denn Wismar hat darin ja eine gute Tradition und auch Warnemünde ist dazu
absolut in der Lage. Der Auftrag hätte einen Wert von etwa 160
Millionen Euro. Es würde sich um ein kleineres Schiff handeln. Die zuletzt
in Dienst gestellten Aida-Liner bieten mehr als 2000 Passagieren
Platz
und auch die meisten anderen modernen Schiffe haben Kapazitäten über
mehr als 2000 Passagiere. Die DEUTSCHLAND
und die EUROPA sind dagegen für nur 520
bzw. 480 Fahrgäste ausgelegt. Die in Wismar einst gebaute MARCO
POLO mit bis zu 840 Passagieren würde etwa
der angestrebten Größe des neuen Passagier-Kreuzers entsprechen.
Auftraggeber sei die Hapag-Lloyd Reederei, hieß es. Welche Routen das
Unternehmen dann befahren will, ist natürlich noch nicht bekannt geworden,
doch könnte die Schiffsgröße darauf hin deuten, dass kleinere, für den
Tourismus noch wenig oder nicht erschlossene Häfen und Reviere als neue
Anlaufziele in Frage kämen, was dem Seetourismus sicher gut bekäme.
Eisenbahnfährlinie Sassnitz-Mukran-Ust’ Luga Das war nun mal eine gute Nachricht von der Ostsee-Fährschiffsbranche. In Sassnitz-Mukran wurde im Beisein von viel Prominenz, eine neue Eisenbahn-Fährlinie eröffnet, die nach Ust’ Luga, einem neuen Hafen an der Küste des Finnischen Meerbusens, unweit der estnischen Grenze, führt. Hier mündet der Fluss Luga in einer Bucht, die annähernd so groß ist wie der Greifswalder Bodden, also ein stattliches Gewässer. Der an dieser Stelle vor einigen Jahren errichtete neue Hafen – frei übersetzt hieße der ganz einfach Lugamünde – ist von St. Petersburg etwa genau so weit entfernt, wie Hamburg von Cuxhaven. Den Anleger für eine Eisenbahnfähre direkt in Petersburg zu schaffen, wäre unwirtschaftlich gewesen, denn in den Häfen in der Stadt selbst, die nur über den langen Morskoi Kanal zu erreichen sind, fehlt der Raum für Anlagen, die der Eisenbahnfährverkehr benötigt. An der Luga-Bucht ist Platz für die Gleisanlagen und die nötigen Hinterlandeinrichtungen vorhanden und der Hafen liegt direkt am tiefen Wasser. An dem Projekt wird schon seit einigen Jahren geplant und gebastelt, allerdings mit viel weniger Lärm als beim Bau der Nordstream-Pipeline. Die Schiffe für diese Verbindung sind vorhanden. Es sind die früher, seit 1986, auf der Route Mukran-Kleipeda eingesetzten Großfähren vom Typ MUKRAN, gebaut auf der Wismarer MTW-Werft. Kleipeda ist als Eisenbahn-Fährhafen freilich inzwischen weitgehend „out”, denn die Waren müssen durch ganz Litauen und durch Belorussland nach Moskau oder St. Petersburg oder sonst wo im weiten Russland gebracht werden, was Zollgebühren und sonstige Probleme mit sich bringt. Besser war schon die „Ersatz”-Route über das lettische Ventspils, da der Weg per Schiene von dort ohne zusätzliche Grenzüberschreitung nach Russland führt. Nun lässt sich also der Warenverkehr zwischen Germanii und Rossija noch direkter abwickeln. Freilich ist die neue Schiffsroute länger, ja doppelt so lang wie bis nach Kleipeda und zwar etwas mehr als 1200 Kilometer. Dazu braucht das Schiff 38 Stunden. Mecklenburg-Vorpommerns Verkehrminister Volker Schlotmann maß dem neuen Unternehmen „historische Bedeutung” bei und jubelte Sassnitz-Mukran zum „westlichsten Bahnhof der Transsibirischen Eisenbahn” hoch. Auch Kanzlerin Angela Merkel nannte das Ereignis einen „wichtigen Beitrag zur Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen”, da nun beide Länder noch mehr zusammen rücken. Warum sollten Merkel und Schlotmann die neue Fährverbindung auch weniger euphorisch werten, als etwa der seinerzeit prominente schwedische Kaufmann Wallenberg, der die Eröffnung der Königslinie Trelleborg-Sassnitz 1909 so begeistert und zukunftsgewiss sah, dass er seine Töchter „Trelleborga” und „Sassnitza” taufen ließ. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bahn Rüdiger Grube nannte die Linie „eine bedeutende Eisenbahnbrücke quer über die Ostsee und eine umweltfreundliche Alternative zum LKW-Verkehr”. Der Minister meinte sogar, dass Mukran der einzige echte deutsche Eisenbahn-Fährhafen sei. Und das kann man so sehen. Mukran verfügt über fünf Umschlagterminals, ein 22 Kilometer langes Breitspur-Schienennetz sowie über eine so bezeichnete Umachs-Anlage, auf der die Achsen von Güterwaggons von europäischer Normalspur auf die russische Breitspur umgerüstet werden. Von Sassnitz aus führen Fährlinien nach Trelleborg, Rönne auf Bornholm, Gdynia-Kleipeda-Ventspils, zeitweilig ging es auch nach Baltijsk (Pilau) und nun nach Ust’ Luga. An den Neuen Namen wird man sich gewöhnen müssen. Ein Moderator eines Lokalsenders in MV versprach sich schon mal und nannte den neuen Hafen „Ost Lugano”. Na das wäre was! Vorerst ist eine Abfahrt pro Woche geplant, was sich dürftig anhört. Doch alle, die etwas zu sagen haben, meinten gegenüber den anwesenden Medienvertretern, dass man halt bescheiden anfange und nach dem ersten Schritt (einmal wöchentlich) wohl bald der zweite, dritte und so weiter folgen werde. Auf bis zu 7 Abfahrten je Woche käme man, wenn täglich eine Fähre Kurs Ust’ Luga abginge. Mehr wären durchaus denkbar, denn der Hafen verfügt über eine Umschlagkapazität von bis zu 100.000 Normalgüterwaggons pro Jahr, während in den letzten Jahren lediglich 3500 bis 7000 umgeschlagen wurden. Da ist also noch viel Luft nach oben. Doch bleiben wir auf dem Teppich der gegenwärtigen Kapazitäten. Das Startzeichen für das Auslaufen der Fähre PETERSBURG (das ist die einstige MUKRAN, wie sie vor dem Umbau 1995 noch hieß) gab Angela Merkel. Die war aber nicht als Bundeskanzlerin, sondern, wie ausdrücklich verkündet wurde, „in ihrer Eigenschaft als Bundestagsabgeordnete Vorpommerns” anwesend. Solchen Protokoll-Quatsch muss man nicht unbedingt begreifen. Wahrscheinlich wurde diese „Eigenschaft” der Kanzlerin gewählt, weil das Pendant aus Moskau, „Russlands Reichskanzler Medwedjew” oder gar „Zar Putin” nicht gekommen waren. Medwedjew hätte ja zur gleichen Zeit in Breslau beim Eröffnungsspiel seiner Sbornaja dabei sein müssen, war er aber auch nicht. Ja, so haben sich die Zeiten denn doch geändert. Zur Eröffnung der Königslinie Sassnitz-Trelleborg waren seinerzeit Kaiser Wilhelm II. ( auch in seiner Eigenschaft als preußischer König) und sein nördlicher Nachbar, König Gustav V. persönlich gekommen und hatten an der Erstfahrt sowie am Rummel in den beiden Fährhäfen höchst Dero selbst teilgenommen. Gustav reiste auf der DROTTNING VICTORIA und Wilhelm mit seiner Yacht HOHENZOLLERN. Auch der Kleine Kreuzer HAMBURG und das schwedische Küstenpanzerschiff OSCAR II., das den Schwedenkönig zuvor nach Sassnitz gebracht hatte, gehörten zur Eskorte des Fährschiffes, welches die Premierenfahrt auf dieser Route bestritt. Diesmal, also 103 Jahre später, waren nach der deutschen Kanzlerin der Chef der Deutschen Bahn Rüdiger Grube und dessen Moskauer Kollege, der Präsident der Russischen Eisenbahn Wladimir Jakunin, die höchstgestellten Anwesenden. Auf Kriegsschiff-Geleit verzichtete man tunlichst. Die PETERSBURG befördert einen von 38 von Siemens gebauten Zügen, die zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 eingesetzt werden sollen, nach Ust’ Luga (das Apostroph kennzeichnet in der Transkription das russische Weichheitszeichen, das an dieser Stelle steht). Es soll freilich nicht verschwiegen werden, dass es da noch eine Unbegreiflichkeit gab und gibt. Man könnte ja, denkt Otto Normalverstand, die zu befördernden Züge schon an ihrem Herstellungsort auf Normalspur-Achsen setzen und sie auf diesen bis Mukran bringen. Doch warum einfach, wenn es auch viel komplizierter geht? Also werden die Züge per Tieflader vom Krefelder Werk zum dortigen Rhein-Hafen gebracht, hier auf ein Binnenschiff gehievt, welches Kurs Amsterdam nimmt. Schließlich gelangen die fünfteiligen Züge dann auf dem Seewege nach Sassnitz, wo sie ein Kran auf die Breitspurgleise hebt, bis sie endlich an Bord geschoben werden. Aber die Manager werden sich schon was dabei gedacht haben. Die PETERSBURG ist nun also auf Kurs. Gute Fahrt und auch weiterhin „Goden Wind” für diese Route. |
||||||
Robert Rosentreter Panzerkreuzer POTJOMKIN Das Schiff. Der Aufstand. Der Film. |
Es gab zwar in der Vergangenheit schon einige Artikel und Broschüren über die Matrosenrebellion 1905 auf diesem russischen Großkampfschiff und manche Veröffentlichung über den weltberühmten Dokumentarfilm von Sergej Eisenstein. Doch eine so umfassende Darstellung dieses Themas, vor allem auch über die wechselvolle Geschichte dieses Schiffes, vom missglückten Stapellauf 1900 bis zum Ende 1923, hat es bisher noch nicht gegeben. Robert Rosentreter, Ex-Fregattenkapitän, promovierter Historiker und Marine- und Schifffahrtspublizist, erweist sich einmal mehr als profunder Kenner der Materie. Doch wer etwa theoretische Betrachtungen zur Geschichte der russischen Flotte erwartet, wird erstaunt sein. Das Buch liest sich über weite Strecken wie ein Roman. Rosentreter schildert spannend die geschichtlichen Abläufe als Hintergründe der Vorgänge an Bord, macht mit dem Namenspatron, dem Fürsten Potjomkin Towritschewski bekannt, dem man die Erfindung der sprichwörtlichen Dörfer seines Namens nachsagt, der nicht nur am Sturz des Zaren Peter III. aktiv beteiligt war und dann als Günstling der auf den Thron gehievten Zarin Katharina II. (die Große) nicht nur deren Liebhaber war, sondern sich auch als hervorragender Organisator, Militär und Politiker seiner Zeit erwies und am Aufbau der russischen Schwarzmeerflotte maßgeblichen Anteil hatte. Der Leser fühlt sich an Bord des damals größten und stärksten Schiffes der russischen Flotte versetzt und erfährt, wie die folgenschwere blutige Meuterei endete und welche Nachwirkungen sie hatte. Bisher kaum oder gar nicht bekannt war, wie das Schiff, nach 1905 unter drei verschiedenen Namen im Ersten Weltkrieg an den Kämpfen gegen die türkische Flotte teilnahm und welches wechselvolle Schicksal ihm in der Revolutions- und nach-Revolutionszeit 1917 bis 1921 bestimmt war. Im letzten Teil seines Buches behandelt der Autor die Entstehung des Stummfilms von Sergej Eisenstein 1925, den erstaunlichen Siegeszug des Streifens durch Deutschland und andere Länder sowie seine bleibende kulturhistorische Bedeutung, Die Schilderungen über die Restauration des über viele Archive der Welt verstreuten und inzwischen teils fragmentarischen Materials durch deutsche Filmwissenschaftler, anlässlich des 80. Jahrestages der Entstehung 2005 und die Wiederaufführung von „Panzerkreuzer Potemkin” in Deutschland 2008 schließen das Buch ab. Im Glossar sind Namen, Bezeichnungen und Begriffe, die vielen Lesern nicht oder nur teilweise geläufig sein dürften, erklärt, was den Wert der Arbeit noch erhöht. Quellen- und Literaturverzeichnis lassen erahnen, wie umfangreich und aufwändig die Recherchen waren und über welch langen Zeitraum sich der Autor mit dem Thema befasst hat. Monika Käning Erschienen im Januar 2012 im Ingo Koch Verlag, Schillerplatz 10, 18057 Rostock.(ISBN 978-3-86436-12-1). 149 Seiten, Taschenbuch, Format 21 x 14,8 cm, 14,70 €. Bestell-Link: http://www.ingo-koch-verlag.de/authors/362 |
||||||
|