AUSGABE 4/2012
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Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund Der Stralsunder Nordhafen mit der GORCH FOCK (1) und dem Flusskreuzfahrtschiff JOHANNES BRAHMS.

   

Dr Peer Schmidt-Walther Meerstadt Stralsund die boomende Hafenstadt am Sund rüstet auf 

„Meerstadt ist Stralsund, vom Meer erzeugt, dem Meere ähnlich. Auf das Meer ist sie bezogen, in ihrer Erscheinung und ihrer Geschichte”. So schwärmte schon die Schriftstellerin Ricarda Huch Ende des 19. Jahrhunderts in ihrem Gedicht. Heute schwärmt man nicht mehr, sondern kalkuliert ökonomisch. Wobei Freude durchaus angebracht ist.

 

Wie ging es los? Aus einem slawischen Fährdorf hervorgegangen, erhielt Stralsund 1234 lübisches Stadtrecht, ist also heute, 2012, respektable 778 Jahre alt. Die Meeresorientierung der Hansestadt resultiert nicht nur aus ihrer hervorragenden Lage am Strelasund. Während der Blütezeit der Hanse stieg sie zur klassischen Zwischenhandelsstadt auf. Besonders weil die Warenströme von und nach Russland, Skandinavien und Westeuropa überwiegend über den Seeweg flossen. Bis zu 300 Schiffe führten damals die sundische Flagge. Heute ist es gerade mal der 1600-Tonnen Küstenfrachter MS FREDO, der den Namen der Hansestadt am Heck und ihre rote Flagge im Mast trägt.

 

Mittelalterliche Wirtschaft verteidigt 

Glanz und Reichtum von damals manifestieren sich noch bis heute im historischen Stadtkern sowie in den mittelalterlichen profanen und sakralen Bauten. Unzweifelhaft hat zu diesem einstigen blühenden Glanz das Schutz- und Trutzbündnis Hanse beigetragen. An dessen Zusammenhalt hatten überwiegend Kaufleute Interesse. Dass dabei auch der Glaube eine Rolle spielte, zeigt ein Schnitzwerk in St. Nikolai: das Nowgorodfahrergestühl, Spende der Hanse. Die Reisen ins russische Nowgorod sollten immer unter einem guten Stern stehen. Nicht nur das, ist doch zusätzlich noch diese älteste Pfarrkirche der Stadt dem Schutzpatron der Seefahrer geweiht. Der heilige Nikolaus sollte auch seine schützende Hand über den Rat halten, der in der Kirche wichtige Sitzungen abhielt und Gesandte empfing.

Wie die mittelalterliche Wirtschaft konzipiert war – von Anfang an zum Wasser orientiert –, ließ sich auch aus der Stadtanlage ablesen: Die dekorativsten Tore standen an der Wasserseite in Hafennähe, an der auch die größten Straßen endeten.

Als die Hanse im 14. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte, existierten allein 13 Schiffbauplätze in Stralsund, denn der Hafen war günstig von zwei Seiten aus anlaufbar. So kam viel Geld in die Stadtkasse: durch Tuche, Vieh, Erze, Getreide, Pelze, Bier und Fisch. Das Haus der Schiffer-Compagnie in der Frankenstraße weist noch heute darauf hin, dass sich die Fahrensleute zusammenschlossen, um ihre Rechte zu schützen und zu verteidigen.

Aber auch die Kultur galt es zu schützen, zum Beispiel durch die 1256 erstmals erwähnte mittelalterliche Stadtbefestigung. Am Knieper-, Fähr- und Frankenwall kann man noch Reste davon anschauen, aber auch rekonstruierte Mauer-Partien; dafür ist der Fährwall mit Mauer-Zinnen und Schießscharten eine beredtes Zeugnis. Ein besonders gut erneuertes gotisches Backsteingebäude ist das ehemalige Katharinenkloster, das heute das bekannte Deutsche Museum für Meereskunde beherbergt.

 

Universalhafen mit Tradition und Perspektiven 

Vom Rugianer Fürsten Witzlaw I erhielt die Stadt ihr Stadtrecht und trat 1278 der Hanse bei. Der Hafen, älter als die Stadt, war damals ungeschützt. Kleinere Schiffe wurden bei ungünstigem Wetter auf den Strand gezogen. Führte ein Schiff Güter mit, musste es ankern und die Waren auf flachgehende Fahrzeuge umladen.

Die Bewohner hatten vor den Toren der Stadt, die sich zu einer Festlandsburg entwickelt hatte, hölzerne Brücken gebaut, an denen die kleinen Fahrzeuge anlegen konnten. In der Hafenordnung von 1278 wird schon darauf hingewiesen, dass zum Löschen der Ladung die eigens dafür gebauten Prähme zu benutzen sind und für die Benutzung eine Abgabe an den Rat zu zahlen ist.

Später wurden die Hafenanlagen vor der Stadtmauer durch ein Bollwerk aus Steinen befestigt, mehrmals zerstört, doch jeweils in gleicher Art wieder aufgebaut. Durch die optimale Lage und die günstigen Wasserverhältnisse konnte sich die Stadt gut weiterentwickeln.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg gehörte die Stadt für etwa 160 Jahre zu Schweden; die Spuren sind noch heute sichtbar.

Der steigende Umschlag an den Brücken zwang den Rat der Stadt, die Hafen- und Umschlagsverhältnisse grundlegend zu verändern. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Brücken durch Kaimauern ersetzt, das Hafenbecken ausgebaggert und mit dem Baggergut neues Gelände geschaffen.

Im Zuge der verkehrstechnischen Erschließung des Hinterlandes sollte im Jahre 1863 der Hafen an die Eisenbahn angeschlossen werden. Dazu mussten aber die bestehenden Hafen- und Kaiverhältnisse erneut verändert werden. Der vor der Stadtmauer und dem Uferbollwerk verlaufende vier Meter breite Festungsgraben wurde in den Jahren 1862 bis 68 auf 2,80 Meter Tiefe ausgebaggert und auf 26,40 Meter verbreitert. Dadurch entstanden in diesem neuen Binnenkanälen Liegeplätze für kleinere Seeschiffe und Binnenfahrzeuge. Der durch das Erweitern und Ausbaggern gewonnene Boden diente zum Auffüllen und Vortreiben der davor liegenden Hafeninseln. Inseln und Kanäle wurden durch massive Kaimauern eingefasst. Der Verkehr zwischen Stadt und Hafen lief über vier Drehbrücken über das Kanalsystem. Die Bauarbeiten veränderten das Hafenbild grundsätzlich, es ist aber im Wesentlichen noch heute vorhanden.

 

Umschlagmillionär legt weiter zu 

In unmittelbarer Nachbarschaft zur P+S Werft befindet sich der Seehafen Stralsund, in dem jährlich über eine Million Tonnen Güter umgeschlagen werden. Erfolgsschlager ist der Gipsumschlag mit allein 873.600 Tonnen – und rapide steigender Tendenz. Auch bei Getreide/Raps (insgesamt 90.000 Tonnen) stieg die Ausfuhr um 42.000 Tonnen, bei Baustoffen (insgesamt 70.000 Tonnen) wurde um 26.000 Tonnen zugelegt.

Deutlich angestiegen um 11.300 auf 18.500 Tonnen ist der Schrottumschlag. Der wird nach Abschluss des Südhafen-Ausbaus vom Nordhafen dorthin verlagert, wo mehrere

 

 

Unternehmen der Stahlbranche angesiedelt sind. Ein neuer Umschlag-Rekord ist damit vorprogrammiert. Von den rund 500 Schiffen, die Stralsund 2009 anliefen, kamen die meisten aus Skandinavien.

Stolz war man bei der SWS Seehafen Stralsund GmbH darauf, dass 2010 1,4 Millionen Tonnen Umschlag erreicht wurden – eine Steigerung von rund 25 Prozent gegenüber dem Krisenjahr 2009. Dies teilte der Leiter Marketing und Vertrieb, Sören Jurrat, mit.

Markant gestiegene Exporte von Gips und überproportionale Importe von Stammholz machten den Hauptanteil des Positivtrends in 2010 aus. REA-Gips hat sich in den letzten Jahren zur dominierenden Gutart aller im Seehafen Stralsund umgeschlagenen Güter entwickelt. Mit dem Jahresergebnis von über 415.000 Tonnen wurde das bisher beste Umschlagresultat seit der Aufnahme der Kooperation mit der Kraftwerksindustrie in 2000 erreicht – im Zeitraum 2000 bis 2010 wurden bisher mehr als 2,6 Millionen Tonnen Gips über die Stralsunder Hafenanlagen verschifft, mit der Jahrestonnage 2010 wurde der Wert aus 2000 nahezu verzehnfacht.

 

Kapazitäten ständig erweitert 

Neue Liegeplätze mit einem großzügigen Flächenangebot sind entstanden, um den Umschlag weiter zu steigern. Die Übergabe der Güter zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern ist unproblematisch. Zudem gibt es von Hafen eine direkte Anbindung zum Autobahnzubringer und weiter zur Küstenautobahn A 20. Auch soll der Hafen zum Eisenbahnknotenpunkt im Güterverkehr werden. Knapp 10.000 Waggons werden jährlich be- und entladen.

Einen weiteren Aufschwung hat auch die Vertiefung der Ostansteuerung auf 7,50 Meter bewirkt; ebenso die Ausbaggerung der Nordansteuerung auf 4,50 Meter sowie die vier neuen Liegeplätze im Frankenhafen. 2007, im 55. Jahr des Seehafen-Bestehens,  ist die dritte Ausbaustufe des Südhafens mit einer Kailänge von 400 Metern oder drei weiteren Liegeplätzen abgeschlossen worden.

Dies alles sind natürlich Garanten für die Ansiedlung neuer Unternehmen.

Auf dem Gelände des in diesem Bereich neu entstandenen Martitimen Industrie- und Gewerbeparks haben sich weitere Produktions- und Dienstleistungsunternehmen angesiedelt. So stellen moderne Unternehmen montagefertige Stahlbauteile für den Schiffbau und für andere stahlverarbeitende Unternehmen her.

 

Zahlenspiegel 

Kailänge: 2800 Meter
Territorium (einschließlich Wasserfläche): 80 Hektar
Wassertiefe: 50 Meter
Liegeplätze: 25
Gedeckte Lagerfläche: 3000 Quadratmeter
Freilager: 60.000 Quadratmeter
Silokapazität: 30.000 Tonnen
Kühlhauskapazität: 3000 Quadratmeter

                                            

Cruise Baltic bietet Chancen 

In der rasch wachsenden Kreuzfahrtbranche werden frische Ideen gebraucht. Zum Beispiel der Zusammenschluss von Ostseehäfen, den man auch die „moderne Hanse nennen könnte.

„Cruise Baltic lautet der offizielle Name der Organisation. Unter dem Slogan „10 countries on a string (Eine Kette von zehn Ländern) haben sich insgesamt 19 Ostseehäfen zusammengeschlossen, um den Nutzen ihrer Geschäfte gemeinsam zu mehren. Nur sind nicht – wie einst im Mittelalter – Handel und Kaufleute der Deutschen Hanse das Ziel, sondern „Traumschiff-Reedereien.

Die Städte haben erkannt, dass sie im Werben um Kreuzfahrtschiffe in Wirklichkeit keine Gegner, sondern Partner sind: Je mehr Schiffe im Sommer die Ostseeregion besuchen, desto mehr Anläufe von Kreuzfahrtschiffen können die Häfen verzeichnen. Eine Partnerschaft mit Synergieeffekten. So sieht es auch Stralsunds Touristik-Chefin Birgit Wacks, die den Gedanken unterstützt: „Stralsund würde von seiner Mitgliedschaft nachhaltig profitieren. Unter dem Siegel der „Neuen Hanse könnte viel wirkungsvoller bei Reedereien und Veranstaltern für mehr Anläufe von Fluss- und Hochseekreuzfahrtschiffen werben. 

Bis zu 139 Anläufe mit 16.215 Passagieren konnte die Stralsunder Hafen- und Lagerhausgesellschaft (SHL) zeitweilig (2002) im Nordhafen registrieren. Die Nachfrage in diesem jungfräulichen Fahrtgebiet stieg bis dahin so stark an, dass sich die Reedereien (allen voran das holländisch-schweizerische Unternehmen Scylla AG mit MS SWISS CORAL und MS SAXONIA) dazu entschlossen, weitere für das Revier maßgeschneiderte Schiffe zu bauen. Insgesamt wurde es schließlich ein Dutzend.

2007 hingegen wurden nur noch 54 Anläufe mit 9311 Passagieren registriert. Kapitän Johann Magner, seit 1994 Pionier im Revier, der auch die Peene und den Darß erstmals ansteuerte, kennt Gründe für den Rückgang: „Zum einen ist das Interesse an dem ostdeutschen Nostalgie-Revier allmählich erschöpft, zum anderen ist das relativ hohe Preisniveau weitgehend unverändert geblieben.

Aber auch seegängige Kreuzfahrtschiffe bis rund 7000 BRZ steuerten in den vergangenen Jahren durch das reizvolle Revier zwischen Rügen und dem vorpommerschen Festland den Sund an wie die RENAISSANCE V, SUNBAY II, LILI MARLEEN, KRISTINA REGINA, BREMEN und VISTAMAR. An den Planungen für ein Kreuzfahrtterminal auf der Insel Dänholm vor der Rügenbrücke wird bereits gearbeitet.

Nach der Eröffnung des Ozeaneums auf der nördlichen Hafeninsel im Sommer 2008 haben wieder mehr Kreuzfahrer den Sund angesteuert. In diesem Zusammenhang wird auch an eine Belebung des Bäderverkehrs von den Seebrücken Rügens und Usedoms zur neuen Attraktion des Hafens gedacht (eine Route zur Seebrücke in Devin mit der Weißen Flotte gibt es schon). Ein weiteres Highlight neben Segelschulschiff GORCH FOCK (I) und Rügenbrücke. Die Meer- und Hafenstadt Stralsund mausert sich wieder zum maritimen Mittelpunkt des Nordostens.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund Der Klüverbaum der SY APHRODITE von dem Stralsunder Lotsenturm.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDie SY APHRODITE in Stralsund einlaufend.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund Anlässlich der Stralsund-Sail besuchte auch die Bark ALEXANDER VON HUMBOLDT die Stadt am Sund. 

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDie Dschunke KUBLAIS KHAN II am Dänholm.

 

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundEin weiterer Traditionssegler läuft ein zur Stralsund-Sail.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDer Eisbrecher STEPHAN JANTSEN ist hier vor Rügen im Einsatz.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDas Sicherungsboot Y 835 TODENDORF an der Fischbrücke.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund
Der Stralsunder Hafen mit der Alten Lotsenwache und dem Ozeaneum.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDie MS BREMEN dreht vor der Ziegelgrabenbrücke.

 

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDie MS SAXONIA auslaufend von Nordhafen vor der Rügenbrücke.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDer Frachter im Nordhafen vor der Stadtkulisse mit der Sankt-Jakobi-Kirche und der Nikolaikirche (rechts).

 

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDas Gewässerschutz-Schiff STRELASUND im Nordhafen vor der Kirche Sankt Marien (links) und die Sankt-Jakobi-Kirche.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDer Marineversorger RHEIN A 513 im Stralsunder Nordhafen.

 

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDie Landgänger des Tenders RHEIN vor ihrem Schiff im Nordhafen.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Große Hafenrundfahrt mit der MS HANSEBLICK der Stralsunder Weißen Flotte vor der alles dominierenden Rügenbrücke.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDas Stralsunder In-Lokal Klabautermann wird von Seglern und anderen Gästen belagert.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundKlabautermann-Wirt Ludwig Klube hat gut Lachen.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDer türkische Frachter TAYFA lädt Schrott im Südhafen.

 

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDer Containerschiff-Neubau OLIVIA MAERSK verlässt Stralsund. 

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDas Forschungsschiff PROFESSOR ALBRECHT PENCK überwinterte am Sund.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDer Gips-Express mit einer Lok DE 300.02.

 

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundErfolgsschlager ist der Gipsumschlag mit allein 873.600 Tonnen im Jahr.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Blick zum Abschied auf die Stralsunder Hafenmeile des Nordhafens mit der Nikolaikirche, die alles überragt.

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