FLUSSREISE | AUSGABE 5/2012 | ||||||
Prinz
Eugen liebte offenbar skurrile Figurinen im Garten seines Schlosses
Belvedere in Wien. |
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Gute Erinnerungen sind ein starker Magnet. Er zog uns also wieder nach
Budapest – zum dritten Mal. Wir hatten die Stadt früher auf Flussreisen als
Wendepunkt und Zwischenstation kennengelernt und erlebten sie jetzt als
Startpunkt der Rückreise der MS BELVEDERE
von TransOcean, als zweiten Teil der Strecke Passau-Budapest-Passau. Was
macht man, wenn man zum vierten Mal eine Stadt besucht? Endlich das, wofür
man bei den drei früheren Besuchen nicht genügend Zeit hatte. Der erste Besuch, mit der
MS BELVEDERE der damaligen
TransOcean, diente wie alle ersten Besuche, dem Kennenlernen. Wir hatten uns
mit ungarischer und städtischer Geschichte vollgesaugt, als wir beim ersten
Mal in Budapest an der Kettenbrücke ablegten, Richtung Passau. Beim zweiten
Besuch ging’s ins Umland der Hauptstadt
und beim dritten weiter flussab bis zur entfernten Mündung der Donau. Hatten
wir uns anfangs mit der spannenden Geschichte des Landes als Gegner und als
Teil des Habsburgerreiches vertraut gemacht, suchten wir später nach Zeichen
moderner Geschichte. Das gelang natürlich nur, soweit die Guides, die die
Ausflüge leiteten, es zuließen. Immer wieder haben wir auf all unseren Reisen
erlebt, dass die Ausführungen der Guides da enden, wo Geschichte sich
gegenwärtiger Politik nähert. Man malt gern die Glanzzeiten aus, je älter,
desto intensiver. Auch diesmal blieb vieles von dem, was ungarischen
Widerstand, Kampf oder Opfer vor fast 60 Jahren betraf, ungesagt. Auf Fragen
hieß es, ja, es gäbe ein Denkmal für Imre Nagy und eins für Pál Máleter aus
dem ungarischen Aufstand 1956 gegen die sowjetischen Besatzer. Gesehen haben
wir die Denkmale auf keiner Reise.
Diesmal machten wir am Abend nach der Ankunft auf
der MS BELVEDERE
die Lichterfahrt durch das nächtliche Budapest mit, die auf andere Weise
genau so sehr fasziniert wie die Stadtrundfahrt am Tage. Auch der Blick vom
Gellértberg auf die nächtliche Stadt und ihre Brücken ist so atemberaubend
wie am Tag. Am nächsten Vormittag erfüllten wir uns den Wunsch
dieser Reise, absichts-, aber nicht ziellos durch Ungarns Hauptstadt zu
bummeln, auf der Pest Seite, also der flachen. Von der anderen Stromseite
grüßte Buda mit Burg, Berg und Bastion. Pashima Schals sind kaum günstiger
zu haben als in der berühmten Markthalle der Stadt, Gänseleberpastete wird
auch in gigantischen Dosen angeboten, in der Fußgängerzone gab’s
seltene Kosmetik. Im Boscolo New York Palace Hotel fanden wir das alte Café
Hungária, das heute, wie bei seiner Gründung, wieder New York Café heißt. In
neobarockem Ambiente – mit
Elementen des Jugendstils atemberaubend durchsetzt – trafen sich hier in den
schlimmsten Zeiten sowjetischer „Freundschaft”
aufmüpfige Journalisten, Autoren und Filmschaffende. Heute hat ihm das Café
Gerbeaud auf dem Vörösmarti ter etwas den Rang abgelaufen. Wer die Donau bereist, braucht dreierlei zum
Hochgenuss: ein gutes Schiff, Gelassenheit und eine gute Portion Neugier.
Die Neugier brachten wir mit, das gute Schiff fanden wir, und heitere
Gelassenheit war das Ergebnis.
Die MS BELVEDERE
wurde 2005 in Rendsburg auf der Werft HDW Nobiskrug mit der Nummer 763
gebaut. Seitdem fährt sie für TransOcean,
vor allem auf der Donau, immer ab Passau, mal nur bis Wien, manchmal
bis Budapest. Die längste Fahrt, von Passau bis ins Donaudelta und zurück,
dauert 15 Tage. Dann gibt es Fahrten nach Frankfurt, den Main hinauf und die
Mosel. Die MS BELVEDERE
ist 126,60 Meter lang, 11,40 Meter breit, 6 Meter hoch und hatte auf dieser
Reise einen Tiefgang von 1,70 Metern. Mit einem Bugstrahlruder und einem so
genannten Schottel-Antrieb, um 360 Grad unter dem Schiff zu drehen, ist sie
mit zweimal 1200 PS 10 Knoten schnell. Auf dieser Reise hatte sie 150 Gäste
an Bord, die von einer 40-köpfigen Mannschaft betreut wurden. Aufnehmen kann
sie maximal 176 Passagiere. Die 84 Kabinen sind jeweils 16 Quadratmeter groß,
inklusive eines Bades mit Dusche. Die
vier Außensuiten bieten Platz auf 22 Quadratmetern. Kabinen gibt es oben auf
dem Donau-Deck und dem Rhein-Deck und
unten auf dem Mosel-Deck. Auf dem Donau-Deck liegen auch das Restaurant, in
dem in einer Sitzung gegessen wird, und die Panorama-Lounge mit Bar und
Tanzfläche. Große Scheiben, wie bei Flussschiffen üblich, erlauben immer
Blicke ins Freie, auf Ufer und passierte Schönheiten. Ein vergleichbares Schiff zu bauen, würde heute
zwischen 21 und 23 Millionen € kosten. Es kann das ganze Jahr über
eingesetzt werden, macht aber eine Pause von Januar bis April. Dann werden
auf einer Linzer Werft nötige Überholarbeiten durchgeführt. Anders als auf Seeschiffen ist hier die
Wacheinteilung der nautischen Crew. Man hat sechs Stunden Dienst und 12
Stunden frei, werktags und feiertags. Die multinationale Crew ist immer zwei
Monate an Bord und dann einen Monat an Land. Der 37-jährige Kapitän,
Vladimir Grbovic, Serbe aus Novi Sad, ist die dritte Saison an Bord. Er wird
vom Leitenden Ingenieur unterstützt, der – wie noch ein dritter Mann – auch
ein Patent besitzt, das Schiff zu steuern.
Die Lieblingsstrecke des Kapitäns ist überraschenderweise der Main,
großen Respekt hat er vor der unteren Donau, wo es weniger Verkehr und
schlechtere Befeuerung und Betonnung gibt. Hier wandern viele Sände im
Fluss, die Kapitäne halten also ständig Kontakt zu Kollegen und warnen sich
gegenseitig vor neuen Untiefen.
Wir also wollten ein Schiff
in einem seiner Reviere kennenlernen, nicht nur Baupläne,
Einrichtungen und Motoren. Wer auf Flüssen reist, braucht Seekrankheit nicht
zu fürchten, Wellengang ist unbedeutend. Der Wasserstand allerdings kann
einer Reise einen Akzent geben. Mehr Wasser, das im Quellgebiet, im Oberlauf
oder den Nebenflüssen fällt, füllt das Flussbett und erhöht die
Fließgeschwindigkeit. Wer also bergauf fährt, wie die
MS BELVEDERE
von Budapest nach Passau, braucht viel Maschinenkraft. „Wir fahren mit 80
Prozent”, erläuterte Kapitän Grbovic. Und
erklärte damit das geräuschvolle Vibrieren im Achterschiff, das schon
mittschiffs nicht mehr zu spüren war. Die MS BELVEDERE
kann 200 Kubikmeter Wasser aufnehmen, 40 Kubikmeter werden pro Tag
gebraucht, davon 25 Kubikmeter Trinkwasser. Weitere Zahlen nennt der österreichische Chefkoch
Christian Kejzlar. Er ist Herr über fünf weitere Köche – zwei Ungarn, einen
Slovaken, zwei Indonesier – und zwei Spüler. 99 Prozent von dem, was an Bord
verbraucht wird, wird in Passau eingekauft. Pro Woche verbraucht man an Bord
rund 450 Kilogramm Fleisch, 200 Kilo Fisch und 150 Kilo Kartoffeln. Was
unterwegs gebraucht wird, muss bei solchen Mengen 4 bis 5 Tage vorher
bestellt werden, frisches Obst und Gemüse wird einmal pro Woche unterwegs
dazu gekauft. Die Speisekarte passt sich dem Fahrgebiet an, Kartoffeln und
Knödel gibt es in mancherlei Gestalt, ebenso wie Teigwaren. Die Fülle an
Brot wird an Bord nur aufgebacken. Ob man die Köche um ihren Job beneidet?
Um vier Uhr früh beginnt der Frühstückskoch seine Arbeit, um sieben Uhr die
Mittagscrew. Ihr Arbeitstag ist zehn bis zwölf Stunden lang, eine Schicht
dauert acht Monate, danach geht
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Reisen kann man so, so oder so. Wer fliegt, hat
selber schuld oder es eilig. Stunden seines Lebens verbringt man schlimmer
eingezwängt als ein Huhn in einer Legebatterie. Auf Tuchfühlung mit und im
Geruchsbereich von völlig Unbekannten kommt man zwar schnell ans Ziel, aber
auch nicht mehr. Wenn man aus dem Bahnfahren die Akrobatik des
Stemmens schwerer Koffer verbannen könnte und aus dem Autofahren die Staus,
wäre beides menschlicher als das Fliegen. Doch so bleibt nur die Reise auf dem Wasser als
einzig humane Fortbewegung. Dienstbare Unsichtbare hatten unsere Koffer in
eine blitzblanke Kabine mit eigenem Bad und Toilette befördert. Wir packten
aus, legten ab, hängten auf, schoben die leeren Koffer unters Bett und waren
da – auf der MS BELVEDERE.
Wir lernten sie auf dieser Reise kennen.
Das Loslassen als Vorstufe heiterer Gelassenheit
begann danach mit einem Rundgang. Der Salon im Vorschiff mit der Bar als
Rückhalt versprach bei Aperitifs Vorbereitung aufs Essen. Danach lud er zum
Digestif ein oder zu Bier und
Wein in geselliger Runde. Zudem erlaubte er Fernsehübertragungen im
Großformat. Vladimir Cik, der Pianist ist Herr des Synthesizers, der den
Solopianisten und ein ganzes Orchester ersetzen kann und das auch
tut, wenn er zu Tanz oder Unterhaltung aufspielt. Die Tischordnung im Restaurant unten im Schiff blieb
die ganze Reise über gleich, es kam also auch hier auf eine glückliche
Entscheidung gleich zu Anfang der Reise an. Eine gute Regie führte vier
gleich Neugierige zusammen. So wurden an diesem Tisch nicht nur Mahlzeiten
eingenommen, sondern Gespräche kultiviert. Die Stewardessen Zoltan und Renata kannten unsere
Namen schon beim nächsten Frühstück und am zweiten Abend auch unsere Wünsche
an die Weinkarte. Wie auf Flussschiffen üblich, mussten wir uns beim
Frühstück für eine von zwei Vorspeisen und einen von drei Hauptgängen für
das Abendessen entscheiden. Suppen, Desserts kamen nach spontanem
Entschluss. Mittags war die Auswahl eingeschränkt. Aber wer war nach Auswahl
aus rund zehn Brot- und Brötchensorten eines reichhaltigen
Frühstücksbüffets, nach der Wahl
zwischen Obst, Müsli, Leberwurst, Käse und English Breakfast überhaupt in
der Lage, um die Mittagszeit wieder zu essen? Das Frühstück begann, nachdem
die Early Birds sich ab 6.30 Uhr mit Kaffee oder Tee versorgt hatten, in der
Regel um 7.00 Uhr und endete um 9.00 Uhr.
Schon ab 12.00 Uhr gab Die Bar hatte zivile Preise, wenn auch höhere als
auf See, Folge des Fluchs der Mehrwertsteuer in nationalen Gewässern. Die
Weinkarte bot Weiß, Rosé und Rot aus aller Herren Länder auch entlang der
Donau. Hoteldirektor Michael Edletzbergers Zusage, die Speisen würden sich
nach der Reiseroute richten, konnten wir auch bei den Weinempfehlungen
bestätigen. Wer Sonne mochte, konnte das Oberdeck nutzen, das immer wieder merkwürdig leer aussah. Das lag nicht am mangelnden Sonnenschein auf diesem Teil der Reise. Die Brücke des Schiffs, das Steuerhaus, lässt sich absenken, wenn eine Straßenbrücke droht, die die MS BELVEDERE erhobenen Dachs nicht passieren könnte. Dann müssen manchmal auch Schattenspender und Geländer flach gelegt werden. Gäste verschwinden nach unten. Die Durchsagen der Kreuzfahrtleiterin Iryna Nikolova
beschränkten sich auf das Nötige und kamen zur rechten Zeit. Kapitän,
Leitender Ingenieur, Hoteldirektor und Küchenchef waren immer mal sichtbar
und ansprechbar. Der Kapitän entpuppte sich, ganz in weiß, doch mit vier
Streifen auf der Schulter, in der Crew Show als Gitarrist von Klasse. Es
wurde gemunkelt, dass er mit seiner Gitarre schon mal einen ganzen Abend
selbst gestaltet habe. Lächelnde Mitreisende spiegelten das Lächeln der Service Crew im Restaurant wieder. Und so wurde unser Tisch in freundlicher Umgebung zu einer wichtigen Quelle für die gesuchte heitere Gelassenheit.
Jeder Fluss hat seinen eigenen Charakter, den jeder
Reisende anders wahrnehmen mag. Wir erlebten den Rhein als romantisch und
hinter der nordwestlichen Grenze als sehr geschäftig, die Elbe als
Arbeitstier mit immer noch ungebändigter Kraft, den Main als heiteren
Wandersmann. Doch was ist die Donau für uns – nach der dritten Reise? Für uns ist sie ein Fluss, der schnell zu sich
selbst findet. Schon bei Regensburg, von wo aus sie noch mehr als 2230
Kilometer bis zum Schwarzen Meer vor sich hat, ist die Donau ein kraftvolles
Wasser, heute gebändigt. Wenn sich Hügel oder gar Berge an die Ufer drängen,
zeigt das Wasser seine Kraft. Wo der Mensch achtungsvolle Distanz
hält und dem Fluss seine Referenz erweist, kommt es zu glücklichen Städten
und Dörfern. Die Donau schmückt jede Stadt, manche Städte schmücken auch die
Donau. Bratislava schmückt die Donau nicht, auch Wien ist –
anders als Budapest oder manch kleiner Weinort in der Wachau oder wie Linz,
Passau und Regensburg – nicht dem Wasser zugewandt. Esztergom, christliches
Zentrum des Landes, thront hoch oben über ihm, die grüne Kuppel scheint zu
schweben, der Dom, der „Gottesmutter”
geweiht, die die Ungarn für sich vereinnahmt haben, hat keine Prachtseite
zum Wasser hin. Die MS BELVEDERE
eilt auf der Rückreise unter der Stadt vorbei, vom Regen bedroht. Bratislava macht als Hauptstadt nachdenklich. Wann
hat sich je ein Volk so friedlich geteilt wie am 1. Januar 1993 Tschechen
und Slowaken! Und wie viel Spuren weisen immer noch auf Österreich hin! Vom
Burgberg über der Donau soll man an guten Tagen bis Wien sehen können. Linz ist 2011 Kulturhauptstadt Europas
gewesen, die Führerin weist auf manche Bauten hin, die den Besucher
verblüffen. Da laufen wechselnde bunte Lichter um ein Gebäude auf der
anderen Seite und auf der eigenen steht
ein ein wenig aus dem Lot gebrachter brauner Bau. Was sollte er noch
verkörpern? Da steht man dann lieber vor Häusern, in denen einst Mozart
wohnte. Oder in der größten Kirche Österreichs, ein Bau aus dem 19.
Jahrhundert. Respekt vor Wien erlaubte nur einen Kirchturm, der einen Meter
niedriger als der Stephansdom in Wien ist.
Nachts wird der Fluss unmerklich schmaler. Schönes,
das auf der Hinreise die Mitreisenden beeindruckte, wird jetzt bei
Dunkelheit durchfahren, am Morgen weckt glänzendes Sonnenlicht uns auf.
Passau ist wohl organisiert. Der Abschied geht schnell, das Gepäck wird
unabhängig von uns zum Bahnsteig befördert und bis zur Abfahrt der Züge
bewacht. Händeschütteln an Bord, noch mal ein Danke, das war |
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Die MS BELVEDERE von TransOcean in Budapest. |
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Budapest: Das Parlament auf der Pester Seite. |
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Das Café New
York in Budapest gilt vielen als das schönste der Welt. |
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Der Dom von Esztergom |
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Über
Bratislava und der Donau leuchtet die weiße Burg. Sie soll eines Tages das
slowakische Parlament beherbergen. |
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Warten auf den nächsten Einsatz. Busse, die wie Bahnen aussehen, holen Gäste am Schiff an der Donau ab und fahren sie durch die Stadt. |
Mann
bei einer Arbeitspause – aus einem Gully blickend: eins der vielen
originellen Denkmale in Bratislava. |
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Der Kaiser schenkte seinem
Feldherren Prinz Eugen das Land. Und der baute sich hier sein prachtvolles
Schloss Belvedere. |
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Nicht nur in
der Stadt, auch vor Schloss Schönbrunn warten Fiaker auf Gäste, die die
vielbesungenen Kutschen nutzen wollen. |
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Sissi war
die letzte berühmte Kaiserin, die Schloss Schönbrunn mit seinem riesigen
Garten in Wien als Sommersitz nutzte. |
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Die Pestsäule beherrscht den großen Markt in Linz. |
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