FLÜSSE DER WELT | AUSGABE 5/2012 | ||||||
Unweit des Dorfes Tisissat stürzt der wasserreichere Arm des Blauen Nil während der Regenzeit über eine Breite von 400 Meter in vier Hauptströmen 42 Meter in die Tiefe. |
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Der Tanasee im Hochland von Abessinien ist nicht nur der größte Äthiopiens, sondern zugleich auch der höchstgelegene See Afrikas. Sein Wasser, gespeist von mehr als 30 Flüssen, dient seit Jahrhunderten als natürlicher Schutzwall zahlreicher christlicher Kirchen und Klöster. Auf kleinen Inseln versteckt, überraschen sie Besucher mit sakralem Reichtum. Eine Schatzkammer der Natur öffnet sich nur wenige Kilometer flussabwärts ... Es gibt Geräusche, die man nicht zuerst mit den Ohren wahrnimmt. Man spürt ihre mächtigen Klangwellen – wie tiefe Basstöne – im ganzen Körper. Noch ein ganzes Stück bevor wir die donnernden Wasserfälle des Blauen Nil zu Gesicht bekommen, können wir sie fühlen. Und wie magnetisch ziehen sie uns an, lassen unsere Füße wie von allein über den harten, staubigen Boden laufen – bis er immer weicher und grüner wird und wir sprachlos vor ihnen stehen. „Tisissat” – rauchendes Wasser – nennen die Einheimischen das gewaltige Naturwunder, dessen wilde, ungebändigte Schönheit uns den Atem raubt. Hier, unweit des Dorfes, das den Namen der
zweitgrößten Wasserfälle Afrikas (mit einer Breite von 1.708 und einer Höhe
von 99 Meter sind die Viktoriafälle des Sambesi zwischen Simbabwe und Sambia
zugleich die größten der Welt) trägt und das rund 30 Kilometer südlich der
Stadt Bahir Dar entfernt liegt, stürzt der wasserreichere Arm des Blauen Nil
während der Regenzeit über eine Breite von 400 Meter in vier Hauptströmen 42
Meter in die Tiefe. Je weiter wir uns in Richtung der tosenden Fälle
bewegen, umso mehr „rauchendes Wasser”
sprühen sie uns entgegen. Nach einer Wanderung bei 37 Grad im Schatten eine
willkommene Erfrischung! Der Blaue Nil, der seit über einhundert Jahren nicht
mehr als Quell-, sondern Hauptnebenfluss des Nils gilt, entspringt am Fuße
des Berges Gish in einer Höhe von 2.750 Meter als Kleiner Abbai. Der
gebirgigen Herkunft ist seine dunkle, erdige Farbe geschuldet, die jedoch
meist eher braun als blau erscheint. Sie entsteht durch die fruchtbaren
Böden, die der Fluss auf dem Weg zu den Tälern mit sich reißt.
Bevor sich der Blaue Nil bei Bahir Dar an einem Staudamm sammelt, um in einem Wasserkraftwerk elektrische Energie zu erzeugen, und bevor er sich bei Tisissat in „rauchendes Wasser” verwandelt, vermischt er sich mit dem Wasser von mehr als 30 anderen Flüssen, unter ihnen der Gumara und der Rib. Sie alle durchströmen und bewässern den Tanasee, mit 1.830 Meter über Null der höchstgelegene Afrikas. Umrahmt von den Bergen und Hügeln des Hochlands von Abessinien, breitet er sich auf einer Fläche von mehr als 3.000 Quadratkilometer aus. Nur etwa 14 Meter messen seine tiefsten Stellen. Die durchschnittliche Wassertiefe beträgt acht Meter. Zwischen Regen- und Trockenzeit kann der Wasserstand bis zu 1,6 Meter schwanken. Im August ist der See durch den meist reichen Niederschlag am höchsten und tritt über die Ufer, überschwemmt die umliegenden Äcker und macht sie fruchtbar. Wer den Tanasee und seine zahlreichen Inseln
besuchen will, wählt meist Bahir Dar zum Ausgangspunkt für Bootsausflüge und
Exkursionen. In der mit rund 200.000 Einwohnern drittgrößten Stadt
Äthiopiens am südlichen Ufer des Sees ist der voranschreitende Tourismus
deutlich spürbar. Flaggschiff dieser Entwicklung ist das Kuriftu Resort &
Spa, ein junges, sehr zeitgemäßes Hotelprojekt, das internationale
Servicestandards mit ökologisch nachhaltigen Ansprüchen verbindet.
Eigentümer ist ein äthiopischer Unternehmer, der nach 20jähriger
Geschäftstätigkeit in den USA in seine Heimat zurückgekehrt war und dieses
sowie ein weiteres Resort in der Nähe von Addis Abeba aufgebaut hat. Beide
Hotels gehören zu den führenden Häusern des Landes. Von meinem Zimmer aus kann ich das gelb-braun-graue Wasser des Tanasees sehen, denn das Kuriftu liegt direkt am Ufer. Der große Pool davor macht in diesem Falle wirklich Sinn, denn baden sollte man lieber nicht im Tanasee. Grund sind die in den meisten afrikanischen Gewässern vorkommenden Pärchen-Egel – Saugwürmer, die als Larven durch Schnecken verbreitet werden und Bilharziose verursachen können. Die Krankheit wurde nach ihrem Entdecker, dem deutschen Arzt Thoedor Bilharz, benannt. Das kleine Motorboot legt ab und tuckert gemächlich
über den See. Nur die Tankwas – Papyrusboote der einheimischen Fischer, die
auch als Transportmittel dienen – sind langsamer als wir. Trotz
Sonnenscheins ist es noch recht kühl an diesem Morgen. Doch schon bald
drängen sich die Passagiere unterm Sonnendach ... Wir sind in der mittleren
der drei äthiopischen Klimazonen, deren recht unterschiedliche Temperaturen
von der Höhe abhängen. Während es in den Gebieten unter 1.800 Meter tropisch
heiß ist, kann es über 2.500 Meter bereits empfindlich kalt werden. In der
Hauptstadt Addis Abeba, die etwa auf 2.400 Meter Höhe liegt, schwankt die
durchschnittliche Tagestemperatur mittags zwischen 8 und 24 Grad Celsius.
Vor uns liegt Kebran, eine der insgesamt 37 Eilande
des Tanasees. Vom Wasser aus sehen wir Mönche, die ein Boot entladen. Sie
leben in Sankt Gabriel, einem der zahlreichen Klöster, die im Schutz des
Sees errichtet wurden. Leider ist es für weibliche Besucher tabu. Wie die
meisten der 19 Klöster und Kirchen im Tanasee dürfen Frauen zwar die Insel,
nicht aber das klösterliche Territorium betreten. Während es sich also die
Damen am Waldrand gemütlich machen, starten die Herren zu einer kurzen
Exkursion ins Inselinnere.
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Neben Kebran gibt es 18 weitere Inseln im Tanasee,
die Kirchen und Klöster beherbergen. Die größten und wichtigsten sind
Birgida Maryam, Debre Maryam, Dega Estefanos, Dek, Mitsele Fasilidas, Narga
und Tana Cherkos. An die 50 weitere sakrale Orte mit entsprechenden Gebäuden
gibt es an den Ufern des Sees und auf den Halbinseln Gorgora, Mandaba und
Zeghie. Letztere ist unser nächstes Ziel – diesmal für die komplette Gruppe,
denn das dortige Kloster erlaubt den Besuch von Frauen. Da der Gottesdienst bereits begonnen hat, sind nur
wenige Inselbewohner an der Anlegestelle. Kinder wollen den Neuankömmlingen
Silberschmuck und hölzerne Kreuze verkaufen. Während wir uns beeilen, zum
Kloster zu kommen, begleiten uns die emsigen jungen Händler, huschen fast
lautlos von einem zum anderen, bieten ihre hübschen Waren feil – scheu und
unnachgiebig zugleich. Nach zehn Minuten Fußweg durch den Wald haben wir das Kloster der Barmherzigkeit erreicht. Ein großer Rundbau – die Kirche Ura Kidane Mehret – steht auch hier im Zentrum. Um das hölzerne, strohbedeckte Gebäude herum sitzen mehrere hundert Männer, Frauen und Kinder, komplett weiß gekleidet, und lauschen der Predigt des Priesters, die vom Gezwitscher der Vögel und den Geräuschen des Dschungels akustisch untermalt wird. Der Heilige Betre Mariyam hatte das Kloster schon im 14. Jahrhundert gegründet. Der heutige Kirchenbau wurde vor rund 500 Jahren errichtet. Nach dem Gottesdienst dürfen wir ihn betreten. Stolz präsentiert uns der Abt die prachtvollen Wandmalereien, die biblische Motive in leuchtenden Farben zeigen. Sie entstanden vor 250 bis 100 Jahren. Die bedeutendsten dieser Werke stammen aus der Regierungszeit von Kaiser Menelik II., der 1844 bis 1919 lebte. Zu ihnen gehören etwa Darstellungen des adligen Feldherren Negus Tekle Haymanot von Gojjam (1847 bis 1901), dessen reich verzierter Mantel zu den wertvollsten Exponaten der klösterlichen Schatzkammer gehört. Wenige Gehminuten von der Kirche entfernt, bietet
die in einem windschiefen Häuschen untergebrachte Sammlung Einblicke in ein
Stück äthiopischer Geschichte. Im flackernden Licht einer Glühbirne, die
offenbar ebenfalls noch aus der Kaiserzeit stammt, bestaunen wir die
historischen Roben, jahrhunderte alte Handschriften und Ikonen sowie die
originalen Herrscherkronen der Kaiser Johannes IV., Tewodros II. und Tekle
Giyorgis.
Anreise: Ethiopian Airlines bietet wöchentlich fünf
Flüge von Frankfurt nach Addis Abeba. Die staatliche Fluggesellschaft, die
zu den besten Afrikas gehört und sehr guten internationalen Standard bietet,
steuert insgesamt 40 Städte in Äthiopien an. Die Preise für Inlandsflüge
sind für europäische Verhältnisse sehr günstig. Übernachtungstipps: Kuriftu Resort & Spa, Debre-Zeit
(zirka 50 Kilometer von Addis Abeba entfernt), Telefon +251 114 335 656 Kuriftu Resort & Spa, Lake Tana, Bahir Dar, Telefon
+251 582 264 868,
www.kurifturesortspa.com Goha Hotel, P. O. Box 182, Gonder, Telefon +251 58
111 0634, www.gohahotel.com Hilton Addis Abeba, Menelik II. Avenue, P. O. Box
1164, Addis Abeba, Telefon +251 115 170 000. Beste Reisezeit: in der Regel von Oktober bis Mai,
optimal sind die Monate November bis Januar. Das Klima ist stark
höhenabhängig. Im wesentlichen unterscheidet man drei Klimazonen:
bis 1.000 Meter feucht oder trockenheiß, zwischen 1.000 und
2.500 Meter gemäßigt mit Durchschnittstemperaturen zwischen 20 und 25
Grad und über 2.500 Meter kühl mit Temperaturen um 15 Grad. Nachts kann es
hier mitunter auch Frost geben. Im Hochland herrscht von Juni bis September
und von Februar bis April Regenzeit. Einreise: Deutsche und Österreicher benötigen ein
Visum, das knapp 20 Euro kostet und drei Monate gültig ist. Man kann es
entweder vor Reiseantritt bei der
Äthiopischen Botschaft beantragen oder es sich bei der Einreise auf dem
Flughafen in Addis Abeba ausstellen lassen. Der Reisepass muss bei der
Einreise noch mindestens sechs Monate gültig sein. Währung: Für einen Euro erhält man derzeit (Stand
25. 8. 2012) rund 22,5 Äthiopische Birr. Es empfiehlt sich, gleich auf dem
Flughafen in Addis Abeba ausreichend Bargeld (US-Dollar, Euro) zu tauschen.
Außerhalb der Hauptstadt sind Geldwechsel, Barabhebungen und
Kreditkartenbenutzung schwieriger. Möglichkeiten bieten Banken und größere
Hotels, die meist auch Karten akzeptieren. Gesundheit: Bei Reisen in Regionen unter 2.000 Meter
empfiehlt sich Malariaprophylaxe. Impfungen gegen Hepatitis A und Typhus
sind nicht vorgeschrieben, aber ratsam. Von Reisenden aus Infektionsgebieten
wird der Nachweis einer Gelbfieber-Impfung verlangt. In Anbetracht der
mangelhaften medizinischen Versorgung im Lande empfehlen sich sowohl die
Mitnahme einer guten Reiseapotheke sowie der Abschluss einer
Krankenversicherung, die auch einen Rücktransport im Krankheitsfall
umfasst. Sprachen: In Äthiopien werden mehr als 80 Sprachen
gesprochen. Vorherrschend ist die Amtssprache Amharisch, für rund ein
Viertel der Bevölkerung die Muttersprache. Englisch ist die zweite
Verkehrssprache. Uhrzeit: MEZ plus zwei Stunden Auskunft: Leider betreibt Äthiopien kein
Fremdenverkehrsbüro in Deutschland. Grundlegende Reiseinformationen findet
man in Englisch auf der Internetseite der Äthiopischen Botschaft
www.aethiopien-botschaft.de/tourism_main.html |
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Unweit der Quelle des Blauen Nils liegt die alte Kaiserstadt Gonder, von 1636 bis 1855 Hauptstadt des äthiopischen Reiches. Da jeder Kaiser seinen eigenen Palast erbauen ließ, entstand die prunkvolle Festungsstadt Fasil Ghebbi. |
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Am kaiserlichen „Swimming Pool”. Zu den beliebtesten Attraktionen von Gondor gehört das Badeschloss von Kaiser Fasilidas, das nichts anderes als eine luxuriöse Umkleidekabine war. Zum Baden stieg der Kaiser in den Pool, zu dessen Bewässerung ein Fluss umgeleitet wurde. Das Schwimmbecken, dessen Wände inzwischen von mächtigen Baumwurzeln gehalten werden, wird auch heute noch einmal im Jahr zum Epiphanias-Fest gefüllt und für rituelle Reinigungen genutzt. |
Priester
der äthiopisch-orthodoxen Tewahedo-Kirche, der vorherrschenden
Religionsgemeinschaft im Vielvölkerstaat Äthiopien. |
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Kleine
Flussfähren transportieren Einwohner und Besucher in der Nähe des Dorfes
Tisissat. Hier, in der Nähe der mächtigen Wasserfälle des Blauen Nil
erscheint die Farbe des Flusses tatsächlich blau. |
Der Tourismus in Äthiopien steckt noch in den Kinderschuhen. Reisende Fremde genießen überall viel Aufmerksamkeit. |
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Die Rundkirche des Klosters Ura Kidane Mehret. |
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Aus
dem Jahr 1626 stammt diese von den Portugiesen gebaute Steinbrücke über den
Blauen Nil. |
Bevor die Natur in Flussnähe wieder grüner und die Erde weicher wird, laufen Wanderer auf ihrem Weg zum Blauen Nil über trockenen und harten Boden. |
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Das luxuriöse Kuriftu Resort & Spa Bahir Dar am südlichen Ufer des Tanasees zählt zu den Flaggschiffen des äthiopischen Tourismus. Viele Reisende nutzen das moderne Hotel zu Exkursionen auf dem Tanasee oder zu den Fällen des Blauen Nil. |
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Unweit
von der Hauptstadt Addis Abeba befindet sich das Kuriftu Resort & Spa
Debre-Zeit, das seinen Gästen alle Annehmlichkeiten eines internationalen
Luxushotels direkt am Ufer des fisch- und vogelreichen Kuriftu-Sees bietet. |
Blick
in die Lounge der Präsidentensuite des Kuriftu-Hotels in Bahir Dar. Wie auch
aus anderen Suiten kann der Gast vom Fenster aus auf den Tanasee schauen. |
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