„Kevin und seine Eltern fliegen wieder mit dem Flugzeug in den Urlaub”, so
unsere Tochter Emanuelle (7) über einen Klassenkameraden. „Und wohin?”,
fragte ich nach. „Hat er nicht gesagt. Nach den letzten Sommerferien hat ihn
genau das die Lehrerin auch gefragt. Er wusste aber nicht, wohin das
Flugzeug geflogen ist. Er hat nur erzählt, dass es am Hotel einen
Swimmingpool gab”.
Wir hingegen sind – völlig altmodisch – auf einem
Schiff unterwegs. Genauer gesagt fahren wir momentan mit der Fähre FINNSTAR
von Finnlines von Travemünde nach Helsinki. Dass wir mit dem Schiff in den
Urlaub fahren, hat zum einen rein praktische Gründe: Mit dem üblichen
Fluggepäck kommen wir niemals aus. Für Felicitas, Töchterchen Nr. 4, müssen
wir beispielsweise auch noch Windeln mitnehmen. Und Emanuelle, Tochter Nr.
1, braucht im Urlaub eine ganze Reihe von Kinderbüchern, was wir
selbstverständlich unterstützen. Vor allem aber möchten wir auch am
Urlaubsort beweglich sein. Bezahlbare Mietwagen mit sechs Plätzen für unsere
Familie gibt es ohnehin nicht, daher bevorzugen wir unser eigenes Auto.
Mit dem Schiff unterwegs zu sein hat zum anderen noch ein paar
weitere Vorteile. Beispielsweise der, dass die Kinder wirklich erlebt haben,
wohin unsere Urlaubsreise ging. Und sie können sich vorstellen, dass es nach
Finnland ein durchaus weiter Weg ist.
Natürlich, man kann das auch ganz anders
wahrnehmen. „Und wie lange braucht man, bis man mit dem Auto und dem Schiff
in Helsinki angekommen ist?” – so die kritische Frage eines netten Kollegen.
Erst mit dem Auto von Stuttgart nach Travemünde und dann mit der Fähre nach
Helsinki – das dauert zweieinhalb Tage. „Und das alles dann auch noch mit
vier Kindern?”, so die Fortsetzung dieses überaus kollegialen Gespräches.
Vom Tonfall hätte er auch fragen können: „Haben Sie zu viele Urlaubstage?”
oder „Wie kann man Kindern so etwas antun?” Zu viele Urlaubstage habe ich
nicht, aber die Zeit für die Anreise nehmen wir uns. Denn die Seereise nach
Skandinavien ist für uns bewusst ein Teil des Urlaubs. Wir tun das unseren
Kindern an, und sie genießen es.
Natürlich fahren wir mit dem Schiff, denn
zwischen Deutschland und Finnland liegt eben die Ostsee. Das dürfen unsere
Kinder durchaus sehen und fühlen. Niemals würde ich für eine
Skandinavienreise über die beiden Brücken nach Schweden fahren.
Vielleicht mögen die architektonisch interessant sein. Die Dauer der
Autofahrt würde aber noch deutlich länger werden, und wir alle lieben
Seemeilen weit mehr als Straßenkilometer.
|
|
Als erfahrene Seereisende wissen unsere Kinder
nämlich, dass Schifffahren durchaus interessant ist. Wo bekommt man sonst
ein schwimmendes Spielzimmer und ein schwimmendes Gasthaus? Zum Frühstück
probiert unsere fünfjährige Tochter Kathinka Shrimps und Lachs aus – bei uns
zuhause ist die Auswahl beim Frühstück zugegebenermaßen etwas bescheidener.
Abgesehen von den Möglichkeiten für die Kinder: Wo bekommt Mama sonst eine
Sauna und einen Whirlpool mit Meerblick? Die FINNSTAR ist zwar kein
Kreuzfahrtsschiff, bietet aber sehr guten Komfort und hervorragendes Essen.
Können Kinder beim Lesen eines Abenteuerbuches den
Ausruf „Land in Sicht!” nachvollziehen, wenn sie noch nie selbst gesehen
haben, wie nach der Fahrt über das endlos scheinende Meer am Horizont Land
auftaucht? Wissen sie, was mit „sicherer Hafen”
gemeint ist, wenn sie noch nie von hoher See kommend in einem Hafen angelegt haben? Übrigens sind
wir überzeugt altmodisch und werden demnächst unseren Kindern Robert
Stevensons „Die Schatzinsel” und Theodor Storms „Schimmelreiter” zu lesen geben.
Unsere Kinder haben bis
dahin schon selbst gespürt, wie sich der Seewind im Gesicht anfühlt. „Warum
stehen auf dem Deck so viele Lastwagen?” Wenn wir in Deutschland Fisch aus
Skandinavien essen wollen, dann muss irgendjemand den zu uns bringen. Unsere
Kinder dürfen wissen, dass Lastwagenfahrer nicht zu ihrem Vergnügen
unterwegs sind, sondern hart arbeiten und dass ohne sie unser Kühlschrank
ziemlich leer wäre.
„Wir werden zweimal auf dem Schiff schlafen, also
zwei Nächte und einen Tag lang unterwegs sein. Wie viele Stunden sind das
dann ungefähr?” und danach: „Die Strecke von Travemünde nach Helsinki ist
ungefähr 1200 Kilometer weit. Wenn das Schiff 30 Stunden lang
unterwegs ist, wie schnell fährt es dann pro Stunde?” – eine Seefahrt
mit solchen Eltern kann für eine Zweitklässlerin durchaus intellektuell
anstrengend werden. Im nächsten Sommer müsste unsere bis dahin Achtjährige
auch Stundenkilometer in Knoten umrechnen können.
Sicher ist aber: Unsere
Kinder – auch der dreijährige Amadeus, Kind Nr. 3 – können sich vorstellen,
dass Finnland eben in Nordeuropa liegt und dass dies eine durchaus
ernstzunehmende Entfernung ist. Können sich das auch Kinder vorstellen, die
eine Urlaubsreise nur als „drei Flugstunden” erleben?
|