Ende des 19. Jahrhunderts begann der Seetourismus.
Seit der Zeit hat das Mittelmeer eine enorme Anziehungskraft auf die
„Nordländer” ausgeübt. Ungebrochen
rangiert es in der Beliebtheitsskala an erster Stelle.
In der Hochsaison zwischen Pfingsten und Spätsommer
„Badewannenwetter”. Also, keine Angst vor hohen Wellen und Seekrankheit. Obwohl es
natürlich auch Ausnahmen geben kann, wie überall im Leben. Aber das Klima
ist während der Zeit insgesamt beständig: Luft und See sind angenehm warm.
Die Ausflugsziele kontrastieren zwischen
Inselträumen und Metropolen. Ob Mallorca mit sanften grünen Hügeln und
zerklüfteten Felsküsten, die „Ewige Stadt”
Rom oder das Goldene Horn von Istanbul – eine vielfältige Palette von
Impressionen, die ihresgleichen sucht.
Die Türkische Riviera
um das Gebiet von Antalya nannten die
Griechen einst „Pamphylia”, das „Land
aller Stämme”. Es wurde Ende des 12.
Jahrhunderts von vielen Völkern besiedelt, die im Trojanischen Krieg
teilgenommen hatten. Heute kommen die „Stämme”
Nordeuropas hierher, um Urlaub zu machen. Aber auch um ausgegrabene Städte
zu sehen.
Auch Kreta war
wegen seiner günstigen Lage zwischen Europa, Afrika und Kleinasien begehrtes
Eroberungsziel vieler Nationen. Und ist es touristisch bis heute geblieben.
An der Küste mit kleinen Häfen und Stränden reich bedacht, erheben sich im
Innern wilde Gebirgsketten. Die Landschaft ist überzogen von endlosen
Oliven- und Apfelsinenhainen, Obstbäumen und Weingärten. Auch im Winter
sinkt die Temperatur, trotz Schnee auf den Bergen, nie unter den
Gefrierpunkt.
Samos war und ist
aus anderen Gründen beliebt: Sie ist die waldreichste der großen
griechischen Schwester-Inseln Lesbos und Chios.
Auf der „grünen Insel” Samos wird die
berühmte Malvasier-Traube angebaut. Einst genossen hier das Leben in
schöpferischer Kontemplation der Fabeldichter Äsop, der Philosoph und
Mathematiker Pythagoras, der Geschichtsschreiber Herodot und der Astronom
Astriarch.
Mykonos war lange
unbeachtet und rückte erst mit aufkommendem Tourismus
in den Mittelpunkt der Kykladen.
Ihr Ruf geht auf die Windmühlen mit Segelflügeln zurück, die schönen Strände
und die Hauptstadt Chora mit ihren
verschachteteln weißen Häusern.
Die Ionischen Inseln
vor der westgriechischen Küste sind zerklüftet und bergig. Größere
Regenmengen bescheren ihnen eine üppig grüne Landschaft. Sie gelten als
„ungriechisch”, orientierten sie sich doch
über tausend Jahre an Westeuropa. Die touristische Erschließung steckt noch
in den Kinderschuhen. Die kleine Insel Ithaka
lockt aus einem anderen Grund: Sie ist berühmt als Heimat von Homers
Odysseus.
Obwohl der Peloppones
eine Halbinsel ist, wurde sie auf Grund der griechischen Mythologie als
„Insel des Pelops” bezeichnet. Die drei
südlichen Ausläufer des Pelopponnes schieben sich wie Finger ins Meer vor.
Den Besucher erwartet eine großartige Landschaft, verschlafene Orte und jede
Menge historischer Stätten wie Mistra, Sparta
oder Olympia.
Korfu (griechisch
Kerkira) liegt wie ein Smaragd im tiefblauen Ionischen Meer. Fast 500 Jahre
Besatzung durch Venezianer, Engländer und Franzosen haben ihre Spuren
hinterlassen. Korfu ist der Zugang zur Adria, das Tor zum Westen. Keine der
griechischen Inseln kann sich mit ihrem üppigen Grün messen. Die
verschiedenen Blautöne des Meeres scheinen sich gegenseitig übertrumpfen zu
wollen.
Kroatiens Form
ähnelt einem Halbmond. Seine östliche Spitze weist in Richtung Balkan, auf
der anderen Seite zieht sie sich an der dalmatinischen Küste entlang. Ein
Land an der Nahtstelle zwischen west- und osteuropäischer Kultur:
strategisch günstig gelegen und von mediterraner Schönheit. Vom Krieg
gebeutelte Städte wie Dubrovnik zeigen
sich in alter Schönheit. Das Adria-Leben kann man wieder unbeschwert
genießen.
Wie auch während einer Reise von der Türkei nach
Venedig. Vor
allem Vergnügen steht wie überall die Pflicht. Und zwar, noch während das
Schiff an der Pier liegt. Ansonsten könnte es schon zu spät sein.
Zufrieden nach dem ersten Abendessen in den Restaurants, stülpen sich die
Passagiere ihre Rettungswesten über den Kopf. Beflissen strömen sie zu ihren
Musterstationen, schon bevor das Signal ertönt. Noch gibt es nichts zu
verpassen.
Alles vollzählig und belehrt. Rettungsübung
planmäßig gelaufen, kann im Logbuch vermerkt werden. Um 22 Uhr
klatschen die Leinen ins Hafenwasser. Unser Schiff nimmt Kurs auf die offene
See. Von Deck aus genießen die Gäste das abendliche Lichterspektakel, stoßen
auf eine schöne Mittelmeer-Reise an und träumen bald einem neuen Tag
entgegen.
Frühmorgens gräbt sich der Anker in den Grund vor Fethiye. Manche Gäste genießen ein Lachs-
und Sektfrühstück, bevor sie per Tenderboot an Land tuckern. Fischerboote
dümpeln an der kleinen Pier, auf der schon ein Ausflugsbus wartet. Die
Straße windet sich bergauf. Bis die türkische Reiseleiterin stoppen lässt.
„Haben Sie schon mal eine verlassene Stadt gesehen? Gleich sind wir in
Kaya, da gibt’s
so etwas”. Bis graue Ruinen mit schwarzen
Fensterhöhlen auftauchen. „Gegen Ende des letzten Jahrhunderts“, erklärt die
Türkin, lebten hier 3000 Menschen. Ein Großbrand und Erdbeben vertrieben die
Menschen. Was Sie hier sehen, ist eine echte Geisterstadt, keine Filmkulisse”.
Von der Passhöhe fällt der Blick auf das gleißende
Meer. Alle Ausflügler freuen sich auf den Strand von
Ölüdeniz. Die Oktobersonne brennt noch so
stark, dass Baden jetzt sicher das einzig Richtige ist. Von Bergflanken
gesäumt, liegt vor ihnen die Bilderbuch-Bucht. Harter Kieselstrand zwar,
aber traumhaft. Ein Paradestück aus der Türkei-Werbung.
Liege und Sonnenschirm gibt es für ein paar Euro.
Entspannt kann man das Strand- und Himmelsleben beobachten. Bunte
Gleitschirme sprenkeln die wolkenlose Bläue. Das Wasser ist badewannenwarm.
Bei einem Glas Wein lässt man das beschauliche Hafenleben Revue passieren.
Weit draußen in der Bucht wartet schon unser Schiff. Beim „Tanz unterm
Sternenhimmel” am Pool klingt der Tag aus.
Auf der Brücke wachen Steuermann und Ausguck über die 214,5 Seemeilen lange
Nacht.
Frische Seeluft und Meeresrauschen, eine gute
Kombination für entspannten Schlaf. Der sanfte Morgenwind bläht den
Sonnenschirm an Deck zu einem Segel. Im Gegenlicht die Umrisse einer kleinen
Insel. Viele Passagiere lassen sich Zeit. Zum Glück kann man bis 10.30 Uhr
frühstücken. Erst gegen 13 Uhr soll unser Schiff in Vathy, dem Haupthafen
der griechischen Insel Samos, anlegen. Als
wüssten sie es, eskortiert eine Schule Delphine das Schiff bis in die Bucht.
Fast alle kennen ihn noch aus dem Mathe-Unterricht,
den Satz des Pythagoras. Dessen Erfinder wurde auf Samos geboren. Wegen
ihres riesigen Hera-Tempels von 112 mal 55
Metern galt die Insel als größte Kult- und Kulturstätte des Altertums.
„Heute kann man nur noch das Fundament und eine Säule sehen”,
liest ein Gast seiner Frau aus dem Reiseführer vor und meint, „wir sollten
was anderes unternehmen”. Er befindet sich
damit in Übereinstimmung mit dem Spruch des Tages von Shakespeare: „Nicht in
ferne Zeiten verliere Dich. Den Augenblick ergreife, er ist Dein”.
Die beiden sprechen Jorgos an. Mit dem Taxifahrer,
der aussieht wie Alexis Sorbas, werden sie schnell einig. Für zehn Euro eine
kleine Inselrundfahrt samt Badestopp. Jorgos prescht mit seinem Daimler los.
Mit ein paar Brocken Englisch klappt die Verständigung. Erstaunlich, wie
grün doch Samos sei. In den geschützten Tälern der bis zu 1440 Meter hohen
Insel wird der berühmte Wein angebaut. „Probieren wir den noch nach unserer
Tour?”, schlägt die Frau vor, als Jorgos
vor dem Kloster Zoodochos Pigi bremst.
Erst ein Blick auf die Ikonostasen, dann auf die Nordküste und hinüber zur
nahen türkischen Küste. Tief unter ihnen die
Bucht von Mourtia. „Lets go”, sagt
der Mann und zeigt Jorgos, wohin er fahren soll. Der Strand, vor dem ein
paar bunte Boote dümpeln, ist menschenleer. Das Ehepaar geht baden, Jorgos
plauscht derweil mit den Fischern, trinkt ein Gläschen und raucht.
Auf dem Rückweg biegt er von der Straße ab, steuert
durch einen langen Weinrebentunnel. Aus dem grün umrankten Haus kommt ein
Mann die Treppe herab: „Guten Tag, ich heiße Jannis und bin der Bruder von
Jorgos”. Deutsch habe er als Arbeiter bei
Ford in Köln gelernt. Seine Frau bringt Kaffee. Das Taxameter ist längst
abgeschaltet. So sind die Griechen: liebenswürdig und gastfreundlich. Alle
drei stehen um 19 Uhr auf der Mole, als unser Schiff alle seine Schäflein
alle an Bord hat und ausläuft. Der Seegang wiegt die meisten in den Schlaf.
Der Kapitän hat wegen des Wetters Sorgen. Er
beschließt in Absprache mit dem Kreuzfahrtdirektor, das Ankern vor der
Museumsinsel Delos abzublasen und gleich die Kykladen-Insel
Mykonos, nur neun Seemeilen davon
entfernt, anzulaufen. Der Wind hat an Stärke so zugenommen, dass das
Mittelmeer schäumt. Poseidon lässt grüßen. Der nämlich erschlug einst, so
jedenfalls die Sage, mit dem Felseneiland Mykonos den Giganten.
Die Shuttle-Busse pendeln ständig von der modernen Pier in die Stadt.
Die Gäste lassen sich durch das Gewirr der engen Gassen mit ihren kubischen
weißgekalkten Häusern, die von Blumen umrankt sind,
treiben. Auf dem einen oder anderen Mauervorsprung pausieren sie.
Touristenscharen drängen sich zwischen Geschäften, Cafés, Bars und Tavernen.
Manchmal ist auch ein leibhaftiger Esel darunter, der geduldig Gemüse oder
Getränke transportiert. Für Katzen sind die Altstadtgässchen ein Paradies.
Motorroller und Dreiradkarren dagegen sind eine stinkende, knatternde Plage.
Manch einer entdeckt ein Restaurant am Wasser. Im Blick haben sie sowohl die
berühmten strohgedeckten Windmühlen, als auch „Klein-Venedig”
mit den farbenfrohen Kapitänshäusern samt ihren Holzbalkonen und
Erkerfenstern.
In der Ferne leuchtet weiß „ihr”
Schiff, auf dem sie heute nicht essen werden. Stattdessen genießen sie
Tsadziki, Weißbrot, Oliven und geharzten Retzina. Aufs Baden verzichten sie,
denn Wellen und Strömung sind zu heftig. Selbst das Maskottchen der
Inselhauptstadt, ein rosa Pelikan, geht lieber am Hafen spazieren und lässt
sich von Touristen fotografieren. Und unser Kapitän steht vor der schweren
Entscheidung, auch Spetsai, eine der Argolischen Inseln, wegen der
herrschenden ungünstigen Wetterlage zu streichen.
Der Kreuzfahrtdirektor hat zum Einlaufbier geladen.
Nach zwölfstündiger Seereise macht unser Schiff pünktlich um elf Uhr im
Hafen von Heraklion auf Kreta fest. Beim
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Barbecue am Pool überlegt ein Paar, was es ohne
großen Stress am Nachmittag machen könnte, denn, so das Wort zum Tage: „Wer
im Leben kein Ziel hat, verläuft sich”.
Der fünfstündige Ausflug zum Palast von Knossos samt Heraklion-Museum würde
zu lang sein. Per Taxi steuern
sie daher den Strand im Westen der pulsierenden Stadt an und genießen noch
einen Badenachmittag.
Die Gäste bummeln durch
Katakolon, das scheinbar nur aus Souvenirläden und Restaurants zu
bestehen scheint. Von einem Deutsch sprechenden Schmuckhändler werden sie
zum Ouzo eingeladen. Das Städtchen ist Startpunkt der vierstündigen Ausflüge
nach Olympia. Da gerade zwei weitere große
Kreuzfahrtschiffe im Hafen liegen, verspricht das eine Massenveranstaltung
zu werden. Viele reiseerfahren kennen den Ursprungsort der Olympischen
Spiele. Ein schattiges Restaurantplätzchen am Hafen mit einem Glas Wein ist
manchem jetzt lieber. Um 19 Uhr heißt es wieder mal „Leinen los!”
„Als würden wir in einen Fjord einlaufen”.
Die Gäste staunen am nächsten Tag über die schöne Einfahrt nach Vathi. Die
kleine Stadt auf der Ionischen Insel Ithaki
schmiegt sich in eine Bucht, von bewaldeten Hügeln flankiert und geschützt.
Mit dem Heck wird an Land festgemacht und vorn geankert. Die Uferstraße ist
zum Greifen nahe. Tenderboote tuckern einen direkt bis zum Marktplatz.
Berühmt ist die Insel natürlich als Heimat von Homers listenreichem
Odysseus. Der griechische Sagenheld kehrte nach mehrjähriger Abwesenheit
hierher zurück, um seine standhafte Gemahlin Penelope vor ihren Freiern zu
retten.
Die Gäste haben einen ganzen Tag lang Zeit, um sich
auf die Spuren von Odysseus zu begeben:
Nymphengrotte, Arethusabrunnen und Palast mit Museum. Das kennen
viele noch nicht. Oder vielleicht beim nächsten Mal. Wie heißt es dazu im
Tagesprogramm: „Träume nicht von Dingen, die sein könnten, schöpfe aus
Dingen die sind”.
19 Uhr: Dreimal lang dröhnt das Typhon mit
Mehrfach-Echo von den Bergen. Abschied und Kurs auf
Korfu. Ithakis Lichter verschwimmen im
Abenddunst. In der abendlichen Show flimmern dagegen die „Glanzlichter des
Broadway” über die Bühne. Man lehnt sich
entspannt zurück und lässt sich
musikalisch gefangen nehmen von der Vergangenheit.
An Backbord die Dächer der Altstadt von
Kerkira. Unser Schiff hat morgens um acht
Uhr am modernen Kreuzfahrtterminal der nördlichsten Ionischen Insel
festgemacht. Wieder haben die Gäste einen ganzen Tag lang Zeit. Der
Shuttle-Bus bringt sie zum Ausgang. Durch ein Gewirr von Gassen, steilen
Treppen und Bogengängen gelangt man
zur Esplanade, der weitläufigen Grünanlage vor der Neuen Festung.
„Sie wurde”, liest man, „1576 von den
Venezianern errichtet und später von den Franzosen und Engländern vollendet”.
Das nördliche Ende des ausgedehnten Platzes beherrscht ein Preuße auf seinem
Denkmalssockel: Graf von der Schulenburg. Der Deutsche verteidigte Korfu
1716 gegen die Türken.
Bei der Planung der Ausflüge haben einige Gäste
überlegt, ob sie sich noch einmal die kleinen Klosterinseln Vlachernes oder
Pontikonissi, die berühmte Mäuseinsel,
ansehen sollen. Aber auch das Achilleion, den
Sommerpalast von „Sissi”, der
Kaiserin Elisabeth von Österreich, hatten sie früher schon mal besichtigt.
„Landschaft pur wäre doch auch mal sehr schön”,
meint eine Frau, die sich auch für den Busausflug durch den Nordteil der
Insel erwärmen kann. Die Ankündigung, dass „hier auf engstem geografischem
Raum abwechslungsreiche Landschaft, schroffe Felsküsten und malerische
Sandbuchten” anzutreffen sind, macht sie
neugierig. Natürlich passieren sie auch Touristenhochburgen wie
Paleokastritsa. Aber der Eindruck von klarem Meer, reizvoller Landschaft mit
Zypressen, Oliven- und Zitronenbäumen dominiert. Schon Homer schwärmte
davon.
Hoch oben über der klippen- und grottenreichen Bucht
thront das byzantinische Kloster Theokos
aus dem 13. Jahrhundert. Ein romantischer Hort der Stille mit vielen
anschmiegsamen Katzen. Die ikonengeschmückte Kirche ist beeindruckend ebenso
wie der weite Ausblick über die Bucht. Doch der wird geradezu atemberaubend
auf der Passhöhe von Lakones. Der Busfahrer entpuppt sich als wahrer
Serpentinenkünstler.
„Das war Landschaft satt heute“, sind alle
begeistert.
Pünktlich um 19 Uhr dröhnt das Typhon, dessen tiefer Brummton weit über die
Stadt schallt. Die untergehende Sonne vergoldet ihre venezianisch anmutende
Silhouette. 212 Seemeilen Adria-Fahrt beginnen.
Nach dem Frühstück mit Blick auf
Dubrovnik am südlichsten Ende Kroatiens
muss man noch ein paar hundert Meter laufen, bis die Uferstraße erreicht
ist. Vier große Kreuzfahrtschiffe liegen an der Pier. „Na, da können wir uns
ja auf was gefasst machen”, fürchten
manche. Nach Geldumtausch und Kauf von Fahrkarten am Kiosk warten sie
geduldig auf den Stadtbus. Der ist, trotz Sonntag, schon gerammelt voll,
doch ein paar Jugendliche machen bereitwillig Platz.
Am Hafen entlang rollen sie auf der neuen
Panoramastraße mit Blick auf das Meer und Olivenhaine, Oleanderbüsche und
Weinberge bis vor den Eingang zur mittelalterlichen Altstadt. Vor dem
gotischen Pile-Tor in der Stadtmauer ballen sich Busse und Menschen. Die
schieben sich in endloser Prozession durch die Gassen des
UNESCO-Weltkulturerbes. Die Spuren des Bombardements von 1991 durch die
Jugoslawische Volksarmee sind
anscheinend vollständig beseitigt worden. Keine andere Armee griff jemals
die „Perle der Adria” an, wie man hört.
Die Gäste begeben sich auf eine Zeitreise in eine
blühende Renaissance. Später bummeln sie über die gewaltigen zwei Kilometer
langen Festungsmauern und lassen sich verzaubern von der schönsten
Gesamtansicht.
Für den Nachmittag haben manche einen Ausflug
gebucht. Auf der Küstenstraße kurven sie nach Norden: links die Inselflur
der Adria, rechts Olivenhaine und Weinberge. Erster Stopp in
Trsteno. Steil bergab geht es ins
Arboretum. Der Botanische Garten ist
bekannt für seine exotische Vegetation mit Riesenplatanen, Palmen,
Eukalyptus- und Kampferbäumen. „Wunderschön gelegen”,
finden alle die ehemalige Sommerresidenz der adeligen Familie Gozze-Gucetic.
Auf der Halbinsel Peljesac spazieren sie
durch Ston, das als eine der ersten Städte Europas nach einem detaillierten
Plan erbaut wurde. Schützend legt sich eine fünf Kilometer lange Stadtmauer
bis hoch hinauf in die Berge um den dalmatinischen Ort. Vor seinen Toren
verdunstet auf großflächigen Feldern Meerwasser zu Salz. In anderen Buchten
werden Austern gezüchtet. Die Ausflügler verkosten die Edelprodukte in einem
urigen Mühlen-Restaurant, lokaler Wein inklusive. Beschwingt kehren sie an
Bord zurück.
Nach der „Odessa-Folklore-Show”
verfolgen sie von Deck aus das Ablegemanöver um 23 Uhr. Über- Nacht wird
nach Sibenik, die verträumte Hafenstadt an der Krka-Mündung, gedampft.
Bereits um 8.30 Uhr startet der Ausflugsbus. Bei
strömendem Regen erreicht die Busgruppe den Ort
Solin. Von der illyrisch-griechischen Siedlung ist nicht nur wegen
des Wetters nur wenig zu sehen. Auf einen Rundgang wird allgemein
verzichtet. Dennoch ist die Umgebung eine große archäologische Fundstätte.
Kaum vorstellbar für die meisten, dass hier unter Kaiser Diokletian im 3.
und 4. Jahrhundert rund 50.000 Menschen lebten.
Auf der „Straße der Kastelle”
erreicht die Gruppe Trogir. Die kleine
Stadt liegt auf einer Insel, die per Brücke mit dem Festland verbunden ist.
Der mittelalterliche Altstadtkern präsentiert sich vollständig erhalten. Er
gleicht einem einzigen Freilichtmuseum mit Kathedrale, Palästen und
schlichten Bürgerhäusern auf engstem Raum.
Am Nachmittag lässt das Unwetter nach, sogar die
Sonne lässt sich blicken. „Da sollten wir noch mal nach
Sibenik
’reingehen”, schlägt jemand vor.
Vom Schiff aus erreicht man nach ein paar hundert Metern Fußweg
die Altstadt. Sie breitet sich wie ein Amphitheater um die im 12. und
13. Jahrhundert erbaute St.-Anna-Festung aus. Im Hinterland der
Kornaten-Bergrücken. Über dem Gewirr der Gassen und Häuser erhebt sich die
prachtvolle gotische Jakobskathedrale, deren Bau 1431 begann und 100 Jahre
dauerte. Heute gehört sie zum UNESCO-Weltkulturerbe. Vor dem Fries bleibt
die Gruppe stehen. Beim Anblick der 74 Köpfe von Personen der Stadt lachen
einige schallend. Karikaturen in Stein. Gleich daneben Renaissance pur:
Rathaus mit Loggia. Sibenik, im Krieg von 1991 bis 95 schwer beschädigt, ist
inzwischen wieder restauriert und prangt in altem, neuen Glanz.
Zweistündiger Mittelalter-Schnelldurchgang.
17 Uhr: alle an Bord. Um 18 Uhr verabschiedet sich
das schneeweiße Schiff – wie so oft – dröhnend. Winken an Land und an Bord.
Der Kapitän dreht aus dem Hafen in die Bucht und zwängt den Koloss durch
eine schiffsenge Felsöffnung. Die Bäume links und rechts scheinen zum
Greifen nah zu sein. Immer wieder warnt der Kapitän entgegen kommende Boote
vor seinem Koloss, der die gesamte Fahrrinne einnimmt. Zwischen kargen
Inseln schlängelt sich der Kurs hinaus auf die offene See.
Beim Abendessen erzählen sich die Tischnachbarn ihre
Ausflugserlebnisse. Die Krker Wasserfälle
und „Auf den Spuren Winnetous” rund um die
Plitwitzer Seen
sollen bei dem Wetter eine Tortur gewesen sein. Niemand war so recht
darauf eingestellt. Andere freuen sich: „Wir haben offenbar den richtigen
Riecher gehabt”.
Nach dem Abschiedscocktail ist „Time to say Good Bye”.
Mit letzter Künstler-Show. Zu „Oldies but Goldies”
in der Bar können sich viele anschließend nicht mehr aufraffen. Müde von den
Tageserlebnissen fallen sie in ihre Kojen und nehmen die letzten Seemeilen
bis Venedig im Schlaf.
Im Canale di San Marco wachen die meisten auf.
Gerade noch rechtzeitig, um den berühmtesten Blick der
Lagunenstadt zu erhaschen: auf Piazza,
Dogenpalast und Campanile.
Direkt dorthin bringt die Passagiere später ein
Taxi-Boot. Ihre „Lieblingsstadt” kennen
sie in- und auswendig. Wie auch schon Goethe. Der schrieb 1786 in seinem
„Tagebuch der Italienischen Reise”: „So
ist denn auch Gott sey Dank Venedig kein bloses Wort mehr für mich. Von
Venedig ist alles gesagt und gedruckt, was man sagen kann”.
So bummeln die Gäste, trotz Touristengeschiebe, wie
einst durch das Labyrinth aus Wasser- und Gehwegen. So manche Frau ist
fasziniert von italienischen Schuhen. Sie können nicht widerstehen. Am
Canal Grande findet man noch einen freien
Tisch und lässt sich vom venezianischen Getümmel zu Wasser und zu Lande
verzaubern. Der Rotwein funkelt in den Gläsern.
Letzte Nacht an Bord. Die Koffer sind gepackt und
stehen vor der Kabinentür. Am nächsten Morgen werden die Leinen in Triest um
die Poller gelegt. Ab neun Uhr heißt es nur noch lakonisch im
Schiffstagebuch: „Beginn der Ausschiffung”.
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