AUSGABE 6/2012
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Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Sonnenuntergang über der Peter und Paul-Festung in St. Petersburg.

   

Dr. Peer Schmidt-Walther - Ostsee rechts herum 

Auf dem Bahnsteig wimmelt es nur so von Menschen, nachdem der IC eingelaufen ist. Doch über allen stehen zwei, die ihren Passagier und seinen Rucksack schon längst erkannt haben: Kapitän und Taxifahrer. Auf der Treppe inszenieren sie eine Mini-La-Ola-Welle und strahlen: „Willkommen in Hamburg!

 

Überwältigend, dieser Empfang! Reibungslos der „Check-in am Eurokai. Kapitän Pekka Stenvik, Finne mit Hamburg-Hintergrund, ist für den Wachmann ein alter Bekannter. Auch wir kennen uns schon von einer spektakulären Winterreise mit seiner schmucken THETIS D, mit der er 2011 elf Frachter aus Eisnot in der Rigaer Bucht befreite. Ein paar philippinische Seeleute stehen an der Gangway und begrüßen mich freudestrahlend mit „Welcome home, Sir! Und so fühle ich mich auch. Kaffeeduft liegt in der Luft. Gelegenheit für einen ersten Klönschnack in der Messe mit Chief Ingo Lange und Mitpassagier Klaus Schröder, ein ehemaliger Seemann. „Ich muss mal wieder Seeluft schnuppern nach so vielen Jahren, bekennt der Wilhelmshavener. Und Ingo Lange indes wäre gern noch länger an Land geblieben, um weiter an seinem Haus in Torgau an der Elbe zu werkeln. Zwei Seemannsleben.

 

Ständige Bereitschaft 

Überraschung auf Deck B. Meine Kabine hat eine unverbaubare 180-Grad-Sicht nach achtern. Dazu einen gemütlichen Wohnraum mit Tisch und Sitzecke, Kühlschrank, Satelliten-Fernseher, CD-Player, abgetrennter Schlafraum samt breitem Bett und Schrank, Duschbad mit WC. Was will man mehr? In dieser Mini-Suite kann mans recht gut eine Weile aushalten.

Um 18 Uhr soll an diesem Freitag laut Plan ausgelaufen werden, doch wie das so ist mit Plänen: Erstens kommt es anders ...

In der blitzsauberen Kombüse hantiert Smut Enrico Papio mit Töpfen und Pfannen. In die darf der Gast natürlich schauen und schnuppern. Shrimps stehen heute Abend auf dem Speiseplan. Lecker, lecker.

Was einem Passagier auf Kreuzfahrtschiffen nur selten vergönnt ist, gehört auf Frachtern zur Normalität: das tägliche Captains dinner. Mindestens zwei Mal pro Tag. Es geht, wie könnte es anders sein, immer wieder um Seefahrt. Klaus weiß Spannendes aus seiner frühen Fahrtszeit während der fünfziger Jahre zu erzählen.  Immer hautnah dran am Geschehen, erfährt man auch, wie es weiter geht. Um 22.30 Uhr soll verholt werden. „Das machen wir in Hamburg drei und mehr Mal, um unsere Ladung von den verschiedenen Terminals zusammen zu holen, sagt Kapitän Pekka, „anders ist das nicht machbar. Das bedeutet ständige Bereitschaft und damit kaum Schlaf für die Crew. 

 

Rund um Skagen? 

Sonnenuntergang. Vom Peildeck aus ein Rundblick über grell angestrahlte bunte Containergebirge und Schiffe hinüber zur Turmkulisse der Hansestadt. Hafenromantik anno 2012. Gegenüber, in den Villen an der Elbchaussee, gehen die Lichter an. Das Piepen der Containerbrücken ist ständige Nachtmusik für ihre Bewohner, denn auf den Kais wird rund um die Uhr gearbeitet.

Mit der Flut laufen auch große, tiefgehende Schiffe ein. Vom 30 Meter hohen Peildeck aus bietet sich ein fantastisches Panorama. Nicht nur dem Shiplover. Das Drehmanöver des Containerriesen TIANJIN gerät, sozusagen aus der ersten Reihe, zu einem maritimen Schauspiel.

Um 22.15 Uhr bringt ein Hafenschlepper den Lotsen, der über den Gummi-Wulst am Bug geschickt an Land springt. Jetzt ist auch THETIS D dran. Auf gehts zum nächsten Liegeplatz. Die Reise ist kurz: nur 45 Minuten. Sofort packen die Containerkräne zu und THETIS D voll mit weiteren Blechkisten. Von oben herab schaut die HANJIN EUROPE zu. Angestrahlt von starken Scheinwerfern. Sie zählt mit über 14.000 TEU zu den größten Containerschiffen der Welt. Dagegen wirkt unsere THETIS D geradezu zierlich.

„Wenn wir Glück haben, spekuliert Kapitän Pekka Stenvik, „können wir morgen vor dem Mittagessen starten. Ärgerliches Pech, dass die Nordschleuse in Brunsbüttel noch kaputt ist. „Könnte auch sein, kalkuliert Pekka Plan B, „dass wir rund um Skagen laufen müssen, mal sehen.

 

1078 Moves oder 8000 Tonnen 

Nachtruhe? Irgendwann lässt die anspringende Maschine den Frachter wieder erzittern: zum dritten Mal während der Liegezeit im Hamburger Hafen. „Ist schon nervig, meint Pekka, und seine Philippinos lächeln nur, wie immer. Auf der anderen Seite: Wie soll man das Problem der Feederschiffe lösen, sich ihre Ladung an verschiedenen Terminals zusammen suchen zu müssen? Per LKW oder Bahn? „Viel zu aufwändig“, schüttelt Pekka den Kopf. Hamburg sei ohnehin der schnellste Hafen. Wozu man an der Elbe nur sechs Stunden braucht, ist zum Beispiel in Riga ein Akt von zwei Tagen.

Irgendwann am frühen Morgen sind nach 1078 Containerbewegungen, sogenannte moves, 8000 Tonnen Ladung an und unter Deck verstaut. „Doch die Charterraten liegen 50 Prozent unter ihrem normalen Niveau“, lässt Reeder Mark Drevin aus Cuxhaven verlauten, „aber wir sehen einen Silberstreif am Horizont“.

Am Samstag um sieben Uhr rüttelt der wieder zum Leben erwachte 11.200-kW-Diesel am Deckshaus. Von wegen noch mal genüsslich Umdrehen in der gemütlichen Koje! Das bedauert auch der Kapitän, der „fast aus dem Bett gefallen“ sei. „Aber das Gute ist“, strahlt der sportlich gestählte Mittvierziger, „dass du deine Tages-Passage durch den Nord-Ostsee-Kanal bekommst“.

 

Always on saturdays 

Es geht los, Stunden früher als spekuliert. Schnelligkeit ist Trumpf bei den Hamburgern. Die meisten schlummern noch, zumindest in den vornehmen Palästen an der Elbchaussee. Schietwetter liegt über der Stadt, aber THETIS D und ihre Lichter spiegeln sich in den Villen-Fenstern. Querab Teufelsbrück steigt der Hafenlotse ab mit „Tschüss und gute Reise!“, während der Elblotsen-Kollege mit seinem „Moin!“ gewisse Mühe hat. „Beim Treppensteigen über acht Decks“, rechtfertigt er sich, „kommt man schon mal aus der Puste“. Er lässt sich von Pekka den Tiefgang sagen und in den bequemen Pilotensessel vor dem Instrumentenpult fallen. Knapp drei Stunden hat er bis zur Ablösung vor Brunsbüttel mit seiner Beratung zu tun, obwohl Pekka das Fahrwasser wie seine Westentasche kennt. Vorschrift ist Vorschrift.

Die philippinischen Matrosen unter Bootsmann Meliton Adame veranstalten derweil ein Großreinschiff, das sich gewaschen hat. Die Aufbauten und Decks triefen vor Nässe, bis wieder alles blitzblank ist und in feinem Hellgrau – im Gegensatz zum Himmel – erstrahlt. Kadet Catalin Zbirleci aus Rumänien braucht, weil zum Innendienst eingeteilt, kein Ölzeug fürs Treppenhaus. Und Kapitän Pekka ist sich – Vorbild! – nicht zu schade, zwischendurch mit einem Spezialstaubsauger die Bildschirmkonsolen zu befreien, wie er sagt: „Denn manche Lotsen futtern zum Pott Kaffee gern auch Kekse“.

Bis zur Brücke hinauf zieht ein ganz besonderer Duft, den der Koch in der Kombüse lüftet: ein leckerer Linsen-Eintopf mit Würstchen, „always on saturdays. 

 

Im Wasserfahrstuhl 

Glück querab von Glückstadt: Die Sonne gewinnt Oberhand. Um 11.20 Uhr ist es mit dem Glück vorbei. Pekka muss ankern lassen, denn die Nordschleuse in Brunsbüttel ist nach wie vor dicht. Stau auf Reede und Straßen, wie ein Radiosprecher meldet. „Doch hier ist´s allemal gemütlicher“, findet Mitpassagier Klaus und studiert die übrigen Ankerlieger per Fernglas. Kapitän Pekka checkt über Funk die Lage: „Könnte 14 Uhr werden, bis wir losfahren. Auch der Lotse macht erst mal Pause und vertieft sich in eine Autozeitschrift. Genügend Zeit für die köstliche Linsensuppe bleibt allemal, auch für ein Mittagsschläfchen.

Überraschung, als schon um 13.30 Uhr der Anker aus dem Elbgrund rasselt und THETIS D bei strömendem Regen ihre Nase auf die Kanaleinfahrt zu dreht. Um 14.10 wird in der Schleuse festgemacht.

Seeleute nennen ihn ganz repektlos nur den „Graben. Im offiziellen Sprachgebrauch bekannt als Nord-Ostsee- oder schlicht Kiel-Kanal, heißt er in Kurzform nur NOK.

Festmacher, ehemalige Seeleute, nehmen die schweren Leinen in Empfang. Rund 30 Minuten dauert die Fahrt im „Wasserfahrstuhl, bis der Nordsee-Pegel mit dem Kanalniveau übereinstimmt.

Die Zeit nutzt der Vertreter des Schiffsmaklers, um den notwendigen „Papierkram mit dem Kapitän zu klarieren. Natürlich gehts ums Geld: Eine Latte von Kanalbenutzungsgebühren ist dann fällig. So mancher Reeder kalkuliert genauer denn je seinen Kosten-Nutzen-Vorteil. Und das wirkt sich natürlich aus auf die Zahl der Passagen. Nicht so bei der THETIS D. Sie passiert fast wöchentlich den NOK.

Das riesige Innentor zum Kanal öffnet sich. „Klar vorn und achtern! In das internationale Sammelsurium von Schiffen kommt Bewegung. Langsam formiert sich daraus zwischen den Ortsteilen von Brunsbüttel ein Konvoi mit Kurs Ost.

 

Zwischen Wikinger-Zeit und Hochsee-Autobahn 

Der Wunsch der Seefahrer, den oft sturmgepeitschten Weg um das Kap Skagen, Dänemarks Nordspitze, zu meiden, ist schon sehr alt. Darum reicht die Vorgeschichte des Kanals auch gut tausend Jahre zurück.

 

In der Wikinger-Zeit wurde die Eider befahren. Mit zunehmenden Schiffsgrößen war auch das nicht mehr möglich. Bis 1784 der Schleswig-Holsteinische oder Alte-Eider-Kanal fertiggestellt wurde. Nach der Reichsgründung, als Kiel zum Marinestützpunkt der kaiserlichen Flotte avancierte, brauchte man eine schnelle und leistungsfähige Wasserverbindung für Kriegsschiffe zur Nordsee. Nach einer Reihe unterschiedlichster Trassenplanungen fiel die Entscheidung zugunsten der heutigen Linienführung. Von 1887 bis 1895 wurde die Cimbrische Halbinsel durchschnitten. Inzwischen ist der damals Kaiser-Wilhelm-Kanal getaufte Wasserweg 117 Jahre alt.  

Genau 98,7 Kilometer „Hochsee-Autobahn mit durchschnittlich elf Metern Tiefe liegen vor dem hochmodernen Frachter. Die Maschinen laufen jetzt nur mit langsamer Fahrt. 15 Kilometer pro Stunde sind das erlaubte Maximum, und „geblitzt wird auch hier schon manchmal aus dem Gebüsch. Auswaschungen durch Wellenschlag und andere Beschädigungen müssen vermieden werden. Die Uferböschungen verlieren jährlich pro laufenden Meter bis zu zehn Kubikmeter Boden. Wer soll das bezahlen? Das sind Kosten, die durch Gebühren allein nicht gedeckt werden können. Experten wollen allerdings wissen, dass es noch einen „Kostensenkungsspielraum gibt. Zumal die Zahl der Passagen ständig zunimmt und mehr Geld in die Kassen spült.

 

Organisatorische Meisterleistung 

Gespart werden soll auch am Lotswesen. Neuordnungen sind in der Diskussion. Eins dürfe jedoch nicht passieren: dass Veränderungen zulasten von Sicherheit gehen. Die Lotsen müssen in dem engen Kanal-Schlauch mit größter Vor- und Umsicht navigieren. Dennoch kommt es vor, dass ein Schiff an manchen Stellen genügen Kursabweichungen um nur ein bis zwei Meter Grundberührung hat und festkommt. Erklärung: Durch Fahrt und Schraube wird Wasser unter dem Kiel weggesogen, es sackt auf den Grund, bleibt für einen Moment stehen, bricht aus und ist nicht steuerbar. Darauf könne man nur schnellstens mit entsprechenden Ruder- und Maschinenmanövern reagieren. Wenn ein Schiff aus dem Ruder läuft, sind, so haben genügend Fälle gezeigt, stunden- oder tagelange Wartezeiten Folge einer solchen unfreiwilligen Blockade. Abgesehen von einem Rattenschwanz an Verlusten.

Die Verkehrslenkung hinter den Kulissen durch erfahrene Nautiker ist deshalb eine organisatorische Meisterleistung. Ein Schiff ist weder ein Auto noch ein Zug, die man ohne weiteres abbremsen kann. Zusätzlich erschwerend wirken Wind und Wetter wie Nebel, Eis oder Schneetreiben. Zu manchen Zeiten sind bis zu 250 Schiffe pro Tag im Kanal unterwegs. Im Kanalfunk zur Lage wird mehrmals von „hohem Verkehrsaufkommen gesprochen. Kein Wunder bei dem Schleusen-Engpass. Und: Eine solche Masse will koordiniert sein! Lotse und Steurer schimpfen, dass die Ausbaupläne des NOK nach wie vor ruhen. „Wir stehen vor einem GAU, meinen beide.

Bei Breiholz blinkt ein rot-weiß-rotes Lichtsignal. Voraus erweitert sich das bis dahin enge Fahrwasser. THETIS D muss wie schon zwei andere Schiffe in einer Ausweichstelle, kurz Weiche genannt, stoppen. Zwölf solche Stopper gibt es davon im NOK. Wer warten muss, bestimmt der PC-Lenker an Land nach Situation und Reglement. Die Schiffe werden je nach Länge, Breite, Tiefgang und Art der Ladung in sechs Verkehrsgruppen eingeteilt. Es dürfen, wo es eng wird, immer nur Schiffe aneinander vorbeifahren, deren Verkehrsgruppen zusammen sechs ergeben, erklärt der Lotse. Ansonsten ist auch die Quersumme acht erlaubt. Der „Gegenkommer gehört schon der Gruppe sechs an, ist aber ein noch dickerer Brocken. Maximal dürfen 235 Meter Länge, 32,50 Meter Breite und 9,50 Meter Tiefgang nicht überschritten werden.

 

Seefahrt durch den Bauernhof

THETIS D wird mit den anderen in die Weiche geschickt. Bis der langsame Konvoi durch ist. Von der 22 Meter über dem Wasser liegenden Brückennock schweift der Blick weit übers Land: Felder, Wiesen und Wälder. Die Männer auf der Brücke haben keine Zeit für Romantik. Frische Wiesendüfte ziehen in die Nase. Kühe blicken nicht mal mehr auf, wenn ein Dampfer vorbeirauscht. Hinter Büschen und Bäumen ducken sich blitzsaubere Gehöfte. Das ist Seefahrt durch den Bauernhof.

Der Lotse steigt vor der Station Rüsterbergen bei Rendsburg ab. Kurze Pause. Vier Stunden konzentrierte Revierfahrt sind stressig genug. Ein anderer Kollege übernimmt den Job bis Holtenau. In der Brüderschaft sind 280 dieser erfahrenen Nautiker als Freiberufler zusammengeschlossen. Die beiden Kanalsteuerer – insgesamt sind es 150 – bleiben an Bord und wechseln sich in halbstündigem Rhythmus ab.

Plötzlich ein Gepolter in der Luft: Über die Rendsburger Hochbrücke kriecht ein endlos langer Güterzug. Die Antennen scheinen die Stahlkonstruktion zu streifen. Generell sind höchstens 39,50 Meter Durchfahrtshöhe erlaubt. Oder es knirscht „im Gebälk. Zwei norwegische Kreuzfahrtschiffe wurden sogar extra deswegen mit einem klappbaren Schornstein ausgerüstet.

Der Blick in die Fenster von Einfamilienhäusern längs der Böschung erinnert an den Film „Unter deutschen Dächern. Da sieht man Vieles ...

23.10 Uhr fest in der Schleuse Holtenau. Geschlagene neun Stunden hat die Reise über Land auf dem „Silberband zwischen den Meeren gedauert, normalerweise rund zwei Stunden weniger. Das ist wie Schleswig-Holstein mit einem „dicken Pott im Radfahrertempo. In der Kieler Förde liegen der Maschinentelegraf wieder „auf dem Tisch – mit voller Fahrt dem ersten Hafen Sankt Petersburg entgegen. 

 

Mythos Ostsee fährt mit  

Sonntag, erster Seetag: Das Frühstück zwischen 7.30 und 8.00 Uhr fällt aus, denn Ausschlafen ist angesagt. Aber man kann sich auch später als zu den offiziellen Zeiten aus dem Kühlschrank und dem Kaffeeautomaten in der Messe versorgen.

An Steuerbord die Sonneninsel Bornholm. Leuchtturm Hammeren und Burgruine Hammershus überragen die Granitrücken. Vor Gudjhem ankert der Fünf-Sterne-Plus-Kreuzfahrer EUROPA, mit dem ich jetzt nicht tauschen möchte. Aus der Kombüse duftet es wieder verlockend, denn in Smutjes Pfanne brutzeln Steaks. Kapitän Pekka  spendiert dazu eine Flasche Rotwein. Die Zungen lockern sich, so dass schnell ein munterer Messe-Klönschnack mit Eis-Dessert in Gange kommt. Das gleichmäßige Grummeln des Diesels garantiert anschließend einen entspannten Mittagsschlaf.

Bis zur Kaffeepause mit Kapitän und Chief im Fernsehraum. Da versorgt man sich mit den neuesten Nachrichten (auch in der Kabine möglich), über die diskutiert wird. Ein Satelliten-Receiver machts möglich. Auch das Gratis-Scypen der Besatzungsmitglieder mit ihren Lieben auf den fernen Philippinen. Als ich vor dem Abendessen aus der „Finnjark-Sauna ins bordeigene Internet-Café komme, kann ich Frau und Kindern von Chiefcook Enrico Papio zuwinken und ihnen sagen, was für ein guter Koch ihr Mann und Papa sei. Worüber sich alle freuen, aber auch wundern, dass ich im „kalten Norden mit Badehose herumlaufe und dann noch E-Mails lese und schreibe. Auch das ein besonderer Service an Bord, „damit die Leute Sozialkontakt behalten und bei Laune bleiben, erklärt Reeder-Kapitän Mark Drevin später.

Bis zum Sonnenuntergang genieße ich die Stille in meiner Leseecke auf dem A-Deck an Steuerbordseite. Bei einem Buch und einer Buddel Bier. An Backbord läuft der 100 Kilometer lange Gotland-Küstenfilm ab, bis auch der von einem dramatisch wolkenden Mondhimmel abgelöst wird. Leuchtfeuer-Blitze erhellen die Nacht für Sekundenbruchteile. Im Fernsehen läuft – wie passend – der Film „Mythos Ostsee, auch mit Bildern aus Stralsund, meinem Wohnsitz.

Auf der Brücke hat jetzt Kapitän Pekka die Acht-Zwölf-Wache. Er nutzt die Zeit, um Abrechnungen zu machen und E-Mails zu verschicken. Aber auch für ein Gespräch über Gott und die Welt. „Das und mein Sport halten mich wach, sagt er und ändert den Kurs an einem Wegpunkt, „jetzt gehts nach Nordost auf die estnische Insel Saareema und den Finnischen Meerbusen zu. Also rechts herum.

 

Zwischen Erdbeben und Schiebewind 

Regenwolken deckeln am zweiten Seetag in Sichtweite der estnischen Küste den Finnischen Meerbusen. Zwar gibt es wie jeden Morgen eine fröhliche Begrüßung, wenn man an der Crew-Messe vorbeigeht, aber dann werden die Gesichter doch ernster: Ein Erdbeben habe ihre Heimatinseln im Pazifik erschüttert. Die Männer sind in Sorge um ihre Angehörigen, erfahren aber doch schnell – dank Internet –, dass sie wohlauf sind. Erleichterung macht sich breit.

Westwind schiebt von achtern, so dass THETIS D leicht zu rollen anfängt. Ex-Matrose Klaus hätte gern mehr Schaukelei, „denn ich würde schon mal testen, ob ich noch seefest bin. Das Wetter tut ihm den Gefallen nicht. Kapitän Pekka ist froh darüber, denn das spart Sprit. Mehr als 16 Knoten, die vom Charterer Unifeeder geforderte ökonomische Fahrtstufe, sind ohnehin nicht drin. Aber selbst die reicht noch, um die FINNHANSA einzuholen und abzuhängen. Typ-Schwesterschiff HEINRICH EHLER indes dreht hinter uns ab nach Nordosten mit Kurs auf Helsinki, dessen Türme den nördlichen Horizont kratzen wie die von Tallinn auf der Südseite. Voraus die schon russische Schäreninsel Ostrov Rodsher. Am felsigen Fuß ihres Leuchtturms rostet schräg ein im Winter gestrandeter Frachter vor sich hin. „Da sieht man mal wieder, sagt Pekka nachdenklich, „welche Kraft das Eis haben kann.   

Reederei-Neuigkeiten aus Cuxhaven erfährt man von ihm direkt auf der Brücke. Die Charterrate sei um 2000 Euro auf 8000 pro Tag gestiegen. Ein positives Signal wie auch die Deutsche Schifffahrtszeitung THB auf ihrer Seite bestätigt.

 

Teil 2 lesen Sie in der Seereisenmagazin Ausgabe 1/2013 

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Die MS THETIS D in voller Fahrt auf der Ostsee.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Blick vom Peildeck über das Vorschiff auf Containerbrücken im Hamburger Hafen.

 

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundQuerab Blankenese im morgendlichen Nebel.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Erster Brückenbesuch beim Kapitän und dem Elblotsen ...

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund... und beim Chief im Maschinenraum.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDer NOK-Kanallotse steigt vor Brunsbüttel an Bord ...

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund... während ein 14.000-TEU-Containerriese auf der Elbe vorbeifährt. 

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDer Küchenduft macht neugierig und der Besuch in der Kombüse steht an ...

 

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

... das Mittagessen mit Meeresfrüchten sieht wirklich lecker aus.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDann fährt die THETIS D schon in die Schleuse Brunsbüttel ein – der Nord-Ostsee-Kanal vorraus.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundEin Oldtimer-Segler kommt entgegen.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Schöner wohnen mit Kanalblick. 

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundOstsee-Impressionen ...

 

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

... mit und ohne Schiffe.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDie THETIS D hat im Containerhafen von St. Petersburg festgemacht.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Eine Hafenarbeiterin vor dem schwebenden Container.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, StralsundDer imposante Winterpalast in St. Petersburg ...

 

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

... beherbergt auch die Eremitage, in der fast immer Gedränge herrscht.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Die berühmte Auferstehungskirche in St. Petersburg.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Der Panzerkreuzer AURORA ist ein russisches Kriegsschiff der ehemaligen Kaiserlich Russischen Marine und liegt seit 1956 als Museumsschiff in Sankt Petersburg, es gilt als Symbol der Oktoberrevolution von 1917.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Ein Denkmal Zar Peters des Großen direkt an der Newa zeigt ihn als Schiffszimmermann.

Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

Die THETIS D läuft durch den St. Petersburger Seekanal mit Kurs West aus. Der nächste Hafen wird Klaipeda in Litauen sein.

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